Disclaimer: Alles gehört Prof. Tolkien bzw. seinen Erben. Ich habe es mir nur geliehen, verfolge keine wirtschaftlichen Interessen und gebe es nachher wieder zurück.
Für Amélie, meinen Fehlerfindel, die einfach nicht glauben will, dass auch Elrond aus Fleisch und Blut ist.
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1. Kapitel: Der Jäger
…in dem Elrond einen Entschluss fasst.
Mit:
Elrond als gelangweiltem Strohwitwer
Erestor als Berater und verständnisvollem Freund
Ameryne: als Kräutergärtnerin und nichts ahnendem Gesprächsthema
Elladan und Elrohir als guten Söhnen
und einer Terrasse, von der man einen guten Ausblick hat;
einer Buchenhecke, die zu kurz ist;
sowie zwei Körben mit Kamillenblüten und Ringelblumenblüten, die nicht bleiben, wo sie hingehören.
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Erestor gab ein interessiertes Zungenschnalzen von sich und erhob sich dann aus seinem bequemen Korbsessel, in dem er neben Elrond auf der hochgelegenen Sonnenterrasse etwas vor sich hingedöst hatte. Er schlenderte an die steinerne Brüstung der Terrasse und blickte herunter auf das Tal. Nicht einfach so, sondern ganz eindeutig auf ein bestimmtes Ziel gerichtet.
Elrond hatte ihn aus den Augenwinkeln beobachtet. Das Schriftstück in seiner Hand, in dem die Listen der Vorräte aufgezählt waren – wohlgemerkt, es war eine Liste von den Listen der verfügbaren Vorräte - und das nicht das erste an diesem Morgen war, durch das er sich in ermüdender Regelmäßigkeit schon seit Jahrtausenden immer wieder hindurchquälte, war ohnehin nicht geeignet, ihn noch länger zu fesseln.
„Pünktlich wie immer", erklärte Erestor noch immer auf sein unbekanntes Ziel konzentriert. „Es ist faszinierend."
Alles war faszinierender als das Pergament in seiner Hand, befand Elrond und legte das Schriftstück auf den sehr kleinen Stapel derer, die er bereits gelesen hatte. Im Vergleich dazu war der Stapel derjenigen, die er noch lesen musste, ungleich höher. Der Anblick war nicht geeignet, Elrond zu erfreuen. Mit der Erkenntnis, dass die Vorratshaltung von Imladris auch noch einige Zeit warten konnte, stand er auf und trat an die Seite seines alten Freundes.
„Was meinst du?" fragte er und suchte ratlos die große Gartenanlage ab, die sich unterhalb der Terrasse erstreckte.
„Ameryne", erklärte Erestor und machte eine Geste mitten in den Garten hinein. „Deine Kräutergärtnerin."
„Ich weiß, wer Ameryne ist", murmelte Elrond, obwohl er gerade etwas Mühe hatte, ein entsprechendes Gesicht mit dem Namen zu verbinden. Noch mehr Mühe machte es ihm allerdings, die immer ausgesprochen reizlos gekleidete Elbin in all dem prächtigen Grün auszumachen, das seinen Garten schmückte.
„Neben dem Seerosenteich", half Erestor mit einem breiten Grinsen. „Sie würde eine perfekte Kriegerin abgeben."
Elrond sah von ihm zu der Elbin, die er endlich entdeckt hatte. Sie hastete gerade leicht geduckt am Seerosenteich vorbei mit Ziel auf eine vollbelaubte Buchenhecke. „Kriegerin? Hast du einen Sonnenstich?"
„Nein, im Ernst." Erestor schien gleich in schallendes Gelächter auszubrechen. „Eine Meisterin der Tarnung. Sie huscht herum und niemandem fällt es auf. Allein die Wahl ihrer Kleidung und der Farben..."
Jetzt war Elronds Interesse endgültig geweckt. Erestor irrte sich niemals in der Einschätzung eines Charakters. Aus schmalen Augen musterte er die in Schlammbraun und blasses Grün gewandete Elbin unten im Garten, die tatsächlich in Richtung Hecke eilte wie ein Krieger auf Suche nach Deckung. In den Händen hielt sie zwei große Körbe mit den Blüten von Ringelblume und Kamille, die in der Apotheke Bruchtals landen würden, um dort zu Salben und Arzneien verarbeitet zu werden.
Er fragte sich, was Ameryne antrieb, sich so durch das sichere Imladris zu bewegen. Es war deutlich zu erkennen, dass ihre Augen aufmerksam das Gelände absuchten, auch wenn sie den Kopf die meiste Zeit gesenkt hielt. Es fehlte nicht mehr viel und sie würde eine schlanke Birke umrennen oder zumindest gegen den Stützpfahl laufen, an den das junge Gewächs noch gebunden war. „Wird sie verfolgt?"
„Nicht mehr als üblich", amüsierte sich Erestor. „Ich muss ihr Beifall zollen. Sie ist seit gut zweihundert Jahren hier und ihre Taktik war bislang außerordentlich erfolgreich."
„Wovon redest du eigentlich?"
Ameryne verschwand hinter der Buchenhecke. Man konnte ihre Erleichterung förmlich bis auf die Terrasse spüren. Ein überaus merkwürdiges Verhalten, überlegte Elrond irritiert. Wenn er sich recht erinnerte, galt die Kräutergärtnerin eigentlich als recht besonnen und verlässlich. Durch den Garten zu schleichen wie einer der paranoiden Galadhrim passte wenig in das Bild, das er von ihr hatte. Ein Bild, das wirklich recht verschwommen war. Hatte er eigentlich schon mal mit ihr gesprochen? Außer den üblichen sehr kurzen Wortwechseln, wenn es um die Bestände der Heilkräuter ging...Nein...Elronds Irritation wuchs.
Erestor hatte ihn stillschweigend beobachtet und nickte nun bestätigend. „Das genau meinte ich. Keiner geht dir schon so lange und effektiv aus dem Weg wie Ameryne."
Elrond, der gerade einen Schluck kühles Quellwasser getrunken hatte, verschluckte sich und hustete etwas. „Mir?" echote er dann mit tränenden Augen. „Du meinst, sie hat Angst vor mir?"
„Das auch", winkte Erestor ab. „Aber da geht es ihr wie den meisten unserer jüngeren Bewohner. Du bist beängstigend genug, Elbenlord, Erbauer von Imladris und ehemaliger Herold Gil-Galads."
„Ich bin nicht beängstigend", protestierte Elrond gekränkt. „Oder doch?"
„Vor mir haben sie auch Angst", schmunzelte Erestor. „Ist manchmal ganz hilfreich. Aber wie gesagt, das meinte ich gar nicht."
Elrond dämmerte, auf was Erestor hinauswollte. Seine Verwunderung schwand und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. „Sicher?"
Erestor nickte nur.
Am Ende der Buchenhecke tauchte ihr Gesprächsthema wieder auf. Unwillkürlich wandte sie den Kopf und sah hinauf zur Terrasse. Elrond fing ihren Blick ein und neigte leicht den Kopf. Der Effekt war erstaunlich und bestätigte Erestors Andeutung. Ameryne blieb wie angewurzelt stehen, wechselte die Farbe und einer der Körbe entglitt ihrer Hand. Orangerote Ringelblumen ergossen sich über den hell gekiesten Weg. Mit einem leisen Aufschrei sank die Elbin in die Knie und begann hastig, die Blüten wieder einzusammeln.
„Ihr Kleid ist grauenhaft", meinte Elrond gedämpft und lehnte sich seitlich an die Steinbrüstung, um die hektischen Sammelversuche Amerynes entspannt zu verfolgen. „Und diese Frisur auch. Oder gehört das alles mit zur Tarnung?"
„Anzunehmen", befand Erestor, der es sich nicht nehmen ließ, genau Amerynes erneuten und sicher ungewollten Blickkontakt mit ihnen zu nutzen, um ihr zuzuwinken.
Es reichte, dass die Ringelblumen nun noch von den Kamilleblüten Gesellschaft erhielten. Gesellschaft erhielt Ameryne jetzt auch, denn die Zwillinge näherten sich gerade von ihrem Weg vom Trainingsplatz der hektischen Gärtnerin auf ihrem Blütenteppich. Elladan und Elrohir blickten von der Elbin hoch zu ihrem Vater und gleichzeitig leuchtete eindeutig Hinterlist auf ihren Gesichtern auf.
„Ihnen ist es auch schon aufgefallen", erklärte Erestor. „Den beiden versucht sie nämlich auch aus dem Weg zu gehen. Ich schätze, sie sehen dir einfach zu ähnlich."
Dank Elladans und Elrohirs Hilfe verzögerte sich das Blütensammeln ungemein. Ameryne schien einem Nervenzusammenbruch nahe, besonders als Elladan auch noch hoch zur Terrasse gestikulierte und sie nötigte, dort hinzusehen und wieder Elronds Blick zu begegnen. Es mochte nicht fair sein, aber Elrond ließ sie eine ganze Weile schmoren, bevor er ihr wieder die Möglichkeit gab, auf den Boden zu schauen.
Wenn sie nicht gerade vor Anspannung wie aus Stein gemeißelt waren, musste Ameryne sehr schöne, offene Gesichtszüge haben. Und ohne die Panik war das helle Blau ihrer Augen wahrscheinlich so freundlich wie ein Frühlingshimmel. Außerdem war Elrond davon überzeugt, dass bei ordentlicher Blutzirkulation ein honigfarbener Ton ihre Haut zum Schimmern brachte. Bei den meisten Gärtnern war dies so durch ihre vielen Stunden an der Sonne. Ja, sie war eindeutig reizvoll. Das kittelähnliche Gewand musste man sich natürlich wegdenken. Elrond war ein äußerst phantasievoller Elb und hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten damit.
Der Papierstapel auf seinem Tisch war vergessen. Es gab wichtigere Dinge im Leben eines Elben als die Vorratskammern seines Hauses. Außerdem war es schon recht lange her, dass ein weibliches Wesen seine Aufmerksamkeit so stark gefesselt hatte.
„Ein Jahrhundert", erriet Erestor seine Gedanken und gluckste recht unwürdig. „Sie langweilen dich, weil sie es dir immer so leicht machen."
„Allerdings", grollte Elrond und dachte an die in letzter Zeit immer unzweideutigeren Avancen, die ihm gemacht wurden. „Letztens lag eine in meinem Bett, als ich in mein Schlafzimmer kam. Sehe ich eigentlich aus, als hätte ich es so nötig?"
„Sie halten dich für einen gramgebeugten Ehemann, der Aufmunterung sucht."
„Die beste Aufmunterung war, als Celebrian durch dieses Tor da geritten ist und endlich weg war." Elrond schüttelte sich leicht. „Ich frage mich wirklich, wie Celeborn das aushält. Celebrian ist die Kopie ihrer Mutter, nur dümmer. Warum habe ich sie eigentlich geheiratet?"
„Sie ist schön?" schlug Erestor scheinheilig vor.
„Wer ist das nicht?" Elrond verfolgte abwesend, wie Ameryne beinahe verzweifelt die Körbe aus den Händen der Zwillinge riss, um endlich die Flucht antreten zu können. Das Ganze hatte schon beinahe Ähnlichkeit mit einem Ringkampf. Seine Söhne waren echte Halunken und er liebte sie sehr. „Hätte ich geahnt, dass meine Gattin den Verstand einer Efeuranke und das Gefühlsleben eines Kieselsteins hat, wäre ich bis nach Mordor getürmt, um dieser Ehe zu entgehen."
„Was ihr Gefühlsleben angeht, kommt sie eindeutig nach ihrer Mutter, wenn man Celeborn Glauben schenken darf", nickte Erestor weise. „Er hat noch versucht, dich zu warnen, aber du hast zum ersten Mal in deinem Leben ausschließlich nach dem Äußeren geurteilt. Tja, Fehler fordern ihren Preis."
„Ich hab ihn schließlich bezahlt", knurrte Elrond und schüttelte sich erneut. „Wenigstens unsere Kinder kommen nach mir."
Ameryne war nur noch eine kleine Gestalt, die in der Ferne verschwand. Die Zwillinge schütteten sich ungehemmt vor Lachen aus und winkten fröhlich ihrem Vater zu, bevor sie den Weg zum Haus einschlugen.
„Und?" erkundigte sich Erestor erwartungsvoll. „Was gedenkst du nun zu unternehmen?"
Elrond bedachte ihn mit einem feinen Lächeln. „Kennst du das Gefühl bei der Jagd, wenn du die Beute erspäht hast und ihre Spur aufnimmst?"
„Sie ist doch kein Reh, mein Freund", tadelte Erestor völlig unglaubwürdig.
„Macht das einen Unterschied?" fragte Elrond und verließ die Terrasse so beschwingt wie schon lange nicht mehr.
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tbc
