Erwachen

Stimmen...

Stimmen in der Ferne...

Der Hügel...

Der Kampf...

Voldemort...

Potter...

Kingsley...

Minerva...

Albus...

Blut im Gras...

Albus...

Die Stimmen wurden klarer...

Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber seine Lider waren wie aus Blei... so schwer... so müde... Schmerz...

„Poppy, komm schnell! Severus hat sich bewegt!"

Albus' Stimme.

Schritte, die sich auf ihn zu bewegten.

„Lasst mich bitte durch...! Er hat sich bewegt, Albus?"

„Severus? Severus, kannst du mich hören?"

Er versuchte noch einmal, seine Augen zu öffnen und helles Licht drang durch den kleinen Spalt seiner leicht geöffneten Lider. Er zuckte leicht zusammen und ein leises Stöhnen entfuhr seinen Lippen, als er seine Augen wieder fest zusammenkniff.

Eine kühle Hand legte sich sanft über seine empfindlichen Augen.

„Ssch, Severus. Langsam... Lass sie geschlossen. Du warst für lange Zeit ohne Bewusstsein, deine Augen vertragen das Licht noch nicht."

Er hörte, wie Albus einen Zauberspruch murmelte, um das Licht im Raum zu dimmen.

Der kurz erhaschte Blick auf die Außenwelt sagte ihm, dass er sich auf der Krankenstation von Hogwarts befand. Offenbar war er gerettet worden. Es roch nach Kräutern und Heiltränken und nun nahm er auch andere Stimmen wahr. Die kühle Hand streichelte wieder sanft sein Gesicht... Albus' Hand.

„Severus ist erwacht? Wie geht es ihm?" fragte eine volle, tieftönende Stimme aus einiger Entfernung. Kingsley. Er war am Leben.

Er versuchte noch einmal, die schmerzenden Augen zu öffnen und langsam gewöhnte er sich an das gedämpfte Licht, seine Pupillen fokussierten und erkannten Dumbledore und Madam Pomfrey, die sich über ihn beugten. Albus' Gesichtszüge lagen in tiefen Sorgenfalten und in seinen Augen glitzerten Tränen.

Snapes Mund fühlte sich an wie aus Watte und die ausgetrockneten Lippen schmerzten.

„Durst..." versuchte er zu sagen, aber das einzige, was er hervorbrachte, war ein schwaches Hauchen.

Dennoch schien ihn Madam Pomfrey verstanden zu haben, denn sie griff nach einem Glas Wasser, das auf dem Nachttisch neben dem Bett stand. Mit der linken Hand stützte sie Snapes Kopf, während sie ihm das Glas an die aufgesprungenen Lippen hielt.

„Langsam Severus, trink in kleinen Schlucken."

Ein paar Tropfen perlten Snapes Kinn hinunter und er schluckte in kleinen Zügen. Das kühle Wasser tat gut und erfrischte ihn. Langsam kehrten seine Sinne zurück, er öffnete die Augen ganz und blickte Albus an.

„Severus, mein Junge", sagte Dumbledore. „Es ist vorbei."

„Vorbei...?" hauchte Snape.

„Voldemort ist besiegt."

Die Worte, die zu hören Severus so lange Zeit herbeigesehnt hatte, ließen ihn zu seiner eigenen Überraschung in diesem Moment relativ kalt. Er versuchte, den Kopf zu drehen, mit dem Resultat, dass ihm schwindlig wurde und er leichte Übelkeit hochsteigen fühlte.

„Severus, bewege dich bitte noch nicht. Du hast sehr viel Blut verloren und ich musste dir einige starke Tränke verabreichen", erklärte Madam Pomfrey.

„Wie lange war ich bewusstlos?" brachte Snape mit Mühe heraus.

„Fünf Tage", antwortete die Heilerin und begann, die Schweißperlen, die sich auf seinem Gesicht gebildet hatten, mit einem weichen Tuch abzutupfen.

„Fünf...", hauchte der kranke Tränkemeister. Er runzelte die Stirn und ein stechender Schmerz ließ ihn zusammenzucken. Er stellte fest, dass er einen Verband an der Stirn trug und blickte Poppy fragend an.

„Du hast einige sehr ernste Verletzungen davongetragen, mein Junge, aber jetzt ist alles vorbei", sprach Madam Pomfrey mit beruhigender Stimme. „Die Wunden werden heilen."

Irrte er sich, oder sah Severus da einen Schatten von trauriger Verbitterung über das Gesicht der Medihexe huschen? Heilen... Die wenigen Minuten Wachzeit hatten ihn schon wieder ermüdet und er schloss erschöpft die Augen.

„Ja, Voldemort ist besiegt", knüpfte Dumbledore an. „Dennoch haben wir einige schmerzliche Verluste erlitten", fügte er leise und mit bitterem Klang in der sonst so fröhlichen Stimme hinzu.

Snape dachte an Flitwick und öffnete wieder die Augen.

„Filius...?" sagte er in fragendem Tonfall, obwohl er die traurige Antwort schon ahnte.

„Filius, Hagrid, Mundungus, Charlie Weasley und Tonks haben es nicht geschafft.... und Moody."

„Moody...?" fragte Snape ungläubig. Das konnte nicht sein, Alastor Moody besiegt? Das konnte nicht stimmen...

„Es hatte sieben Todesser gebraucht, ihn niederzuringen", antwortete Dumbledore und seine erschöpften Augen füllten sich mit Tränen. „So viele Freunde..." Dem Schuldirektor versagte die Stimme.

„Und Potter...?"

Dumbledore schluckte und kämpfte die Tränen hinunter. „Harry hat die Prophezeiung erfüllt. Minerva und ich haben ihm Rückendeckung gegeben, und er hat Voldemort getötet. Tom Riddle war zu arrogant, um Harrys wahre Stärke zu erkennen." Er nickte nachdenklich. „Sein Hochmut war sein Untergang."

Der Anflug eines höhnischen Lächelns huschte über Snapes Gesicht. Er hatte immer schon geahnt, dass der Dunkle Lord einst über diese seine eigene Unzulänglichkeit stolpern würde.

„Wo ist Kingsley?" fragte der Tränkemeister und versuchte noch einmal ohne Erfolg, den Kopf zu drehen.

„Hier bin ich, mein Freund", hörte er des Aurors Stimme. „Warte einen Moment..."

Snape vernahm das Rascheln eines Leintuchs und das Knarzen eines alten Bettes. Wenige Augenblicke später trat Kingsley in sein Blickfeld und lächelte ihn an.

„Na Severus...?" nickte der hochgewachsene Auror dem bettlägerigen Tränkemeister zu. „Ich frage dich jetzt nicht, wie es dir geht, denn erstens sollst du laut Poppys Anweisungen nicht zuviel sprechen und zweitens kann ich es mir vorstellen", fügte er mit einem fast schalkhaften Glitzern in den Augen hinzu.

Severus verzog einen Mundwinkel. Witzbold, dachte er. Er bemerkte, dass Kingsley einen Arm in der Schlinge trug.

„Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht", meinte der Auror. „Nur eine Fleischwunde. Poppy hatte allerdings Probleme mit der Verletzung, sie meint, es wäre ein ihr unbekannter Fluch gewesen und sie könne die Wunde nicht magisch schließen."

Snape erinnerte sich an die grünen Lichtblitze, die verdammt nach Dunkler Magie gerochen hatten.

Kingsleys Gesicht wurde ernst. „Aber das wird schon wieder. Dich hat es übler erwischt, mein Freund..."

Madam Pomfrey trat dazwischen und unterbrach ihn.

„So, verschiebt eure Konversation auf einen späteren Zeitpunkt, Severus hat sich schon genug angestrengt. Er braucht nun wieder Ruhe."

Tatsächlich war es schon sehr mühsam für Snape, die Augen offen zu halten, und er brachte auch kaum mehr ein Wort über die Lippen. Er konnte es zwar nicht sehen, aber er fühlte, dass die Heilerin sein Bettzeug richtete und hörte dann, wie sie etwas der Nachttischschublade entnahm.

„Ruh dich nun aus, mein armer Junge", sagte Albus und berührte noch einmal Snapes Wange. Dieser zwinkerte einmal kurz mit den Augen, um dem Direktor zu zeigen, dass er ihn verstanden hatte – zum Sprechen war er schon zu erschöpft.

Madam Pomfrey trat an das Snape heran, beugte sich zu ihm herunter und befühlte mit der Hand seine schweißnasse Stirn. Offenbar war sie zufrieden mit der Temperatur, denn sie lächelte kurz und nickte. „Ich werde dir einen Trank für traumlosen Schlaf geben, Severus. Damit solltest du auf jeden Fall ohne Probleme die nächsten paar Stunden durchschlafen."

So wie er sich momentan fühlte, wohl eher die ganze Woche, dachte Snape sarkastisch, während die Heilerin erneut seinen Kopf stütze und ihm eine kleine Ampulle an die Lippen hielt.

„Trink das, Severus... Langsam... So ist es gut."

Snape schluckte den Trank, den er selbst zubereitet hatte. Was für eine Ironie, dachte er, während sich dieses wohlige Gefühl in seinem Körper ausbreitete, das bevorstehenden Schlaf ankündigte. Seine Augenlider schlossen sich langsam und während sein Geist sanft in den Schlummer hinüberglitt, hörte er noch letzte Gesprächsfetzen aus dem Krankenzimmer.

Bist du von allen guten Geistern verlassen, Kingsley? Was sollte das eben..?"

Aber..."

Nichts aber! Bei Merlin, Severus ist noch viel zu schwach, er darf sich auf gar keinen Fall aufregen. Es ist noch viel zu früh, dass er das tatsächliche Ausmaß seiner Verletzungen erfährt..."

Das tatsächliche Ausmaß seiner Verletzungen? Snape hatte kaum mehr Zeit, über diese Aussage der Heilerin nachzudenken, denn schon hatte ihn der erlösende, traumlose Schlaf eingeholt...