Beta: Persephone Lupin - vielen vielen Dank für deine Unterstützung!

Kleine Vorwarnung zu diesem Kapitel: es ist nicht besonders nettund Snape fällt völlig aus dem Charakter... Trotzdem (oder vielleicht grad deswegen.. hüstel... hehe!) viel Spaß beim Lesen! :-)


MorgenGrauen

Eukalyptus... Lavendel... Rosenholz...

Die wohlbekannten und angenehmen Düfte der Heilkräuter und ätherischen Öle drangen langsam in das Bewusstsein des kranken Slytherin und brachten es sanft an die Oberfläche der Realität zurück. Es war wie das erste befreiende Atemholen nach einem Auftauchen aus den Tiefen des Ozeans. Wie eine frische Brise Frühlingswind nach einem langen Tag in den Zaubertrankdämpfen des feuchten Schulkerkers.

Snapes Verstand assoziierte die aromatischen Gerüche mit der Krankenstation und seine Nase sog fast genüsslich den Duft der wohlriechenden Pflanzenextrakte auf, die seine Sinne klärten. Seine Erinnerung kehrte erneut an die dunklen Orte seines vergangenen Lebens zurück, deren Existenz sein Unterbewusstsein schon lange zu verdrängen suchte. Das Leben mit der Maske... War es wirklich schon so lange her? Hatte er nun endlich gesühnt für seine Taten und Fehlentscheidung? Nein, dachte er bitter, für Mord gibt es keine Buße. Und gemordet hatte er... menschliches Leben ausgelöscht unter dem Schatten eines am Nachthimmel schwebenden Schädels.

Sachte versuchte er sich zu bewegen, nur um festzustellen, dass sein gepeinigter Körper schwer in dem weichen Krankenbett lag und keine Regung zuließ. Sein Bein schmerzte... und sein Kopf... Wie lange mochte er wohl geschlafen haben? Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber die Lider waren schwer und verschwollen. Ein neuerlicher Stich unter seiner schmerzenden Schädeldecke ließ ihn scharf einatmen. Er runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, was zuletzt vorgefallen war. Schemenhaft erinnerte er sich an eine besorgte Madam Pomfrey, die irgendetwas an seinem Bein festgestellt hatte. Der Fluch... und dann waren da nur mehr Schemen im Nebel. Kingsley.. Albus... Das ständige Pochen in seinem Bein entrang ihm ein kaum hörbares Stöhnen. Der Dunkle Lord... Vergebung...

Er hörte leise Stimmen und seufzte in sich hinein. Paracelsus sei Dank, dass jene unüberwindbaren Schatten der Vergangenheit nur ein Traum gewesen waren. Schritte wurden hörbar, jemand näherte sich und griff nach seiner Hand. Der Tränkemeister versuchte erneut erfolglos, die müden Augen zu öffnen...

„Severus...?" vernahm er die tiefe Stimme Kingsleys.

Snape öffnete den Mund, aber kein Laut kam über seine ausgetrockneten Lippen. Stattdessen drückte er schwach die Hand, die in der seinen lag.

„Merlin sei Dank..."seufzte der Auror erleichtert.

„Severus..." hörte er Madam Pomfrey sagen. „Versuche noch nicht zu sprechen. Du bist mehrere Tage lang in schwerem Wundfieber gelegen und solltest dich nicht anstrengen." Auch in der Stimme der Heilerin schwang Erleichterung mit.

Der kranke Zauberer spürte ein feuchtes Tuch, das ihm über Gesicht und Augen strich und ihm Erfrischung verschaffte. Langsam öffnete er die Augen und blickte in die Gesichter von Kingsley und der Medihexe, die sich über ihn beugten.

„Möchtest du einen Schluck Wasser?" fragte ihn die Heilerin und griff nach einem Glas, das auf dem Nachttisch bereitstand.

Um seine Zustimmung zu zeigen, blinzelte Snape mit den Augen und schluckte dann dankbar das erfrischende Nass, welches ihm von Madam Pomfrey schluckweise eingeflößt wurde. Er seufzte leise, als er feststellte, dass seine Lebensgeister langsam aber sicher zurückkehrten.

„Du siehst schon viel besser aus, mein Freund", sagte Kingsley mit einem aufmunternden Lächeln auf den Lippen. „Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht."

Snape bemerkte, dass Kingsley wieder seine gewohnte dunkle Robe trug. Scheinbar ging es ihm schon besser, und er musste offensichtlich nicht mehr das Bett hüten, auch wenn er den Arm noch immer in einer Schlinge trug.

„Hast du Schmerzen?" fragte die Medihexe.

„Kopfweh..." hauchte der kranke Zauberer kaum hörbar.

„Ja, das habe ich vermutet, Severus", antwortete Madam Pomfrey. „Die letzten Tage waren sehr anstrengend für deinen Körper, da waren Kopfschmerzen zu erwarten." Sie hantierte an dem Infusionsbeutel herum, der über seinem Kopf hing. „Ich werde die Dosis ein wenig erhöhen, das sollte das Kopfweh lindern."

„Mein Bein..." formte er mit den Lippen und runzelte voller Pein die Stirn.

Als sich sein Blick mit dem der Heilerin traf, stellte er einen unergründlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht fest. Fragend blickte er sie an und öffnete den Mund. Er räusperte sich und begann, die Lippen zu bewegen, während die sorgenvollen Gesichtszüge der Medihexe tiefes Bedauern widerspiegelten. Bedauern...?

„Was ...ist los?" brachte er schließlich mit heiserer Stimme heraus.

Madam Pomfrey und Kingsley wechselten einen vielsagenden Blick und die Heilerin rang sichtlich nach Worten. Aber sie antwortete nicht.

Er spürte, wie die Hand Kingsleys den Druck fast unmerklich verstärkte – so als ob dieser aus einem unwillkürlichen Reflex heraus seine Körperhaltung angespannt hätte. Der Slytherin wurde immer unruhiger, seine Augen rissen sich vom Blick der Medihexe los und begannen, den Raum abzusuchen. Irgendetwas stimmte hier nicht, mahnte eine Stimme in seinem Hinterkopf.

Und dann sah er es... Oder treffender – das, was davon übrig war. Seine Augen weiteten sich und fixierten ungläubig den dick bandagierten Stumpf, der von einem Kissen unterstützt unter der Bettdecke hervorschaute... Dort, wo sich einmal sein rechtes Bein befunden hatte...

„W...was...?" stieß er leise hervor.

Sein Gehirn weigerte sich, die Informationen zu verarbeiten, welche ihm seine Augen sendeten. Nein. Nein, das konnte nicht stimmen. Das war nicht ...korrekt. Hilfesuchend blickte er sich nach Kingsley um. Diesem glitzerten Tränen in den Augen, er schluckte und senkte den Blick.

„Severus, ich..." begann Madam Pomfrey zögernd.

Wie in Zeitlupe wendete Snape der Heilerin seinen Blick zu, aber seine Pupillen fokussierten nicht und starrten ins Leere. Mit einem Mal bildeten sich die Verknüpfungen in seinem Gehirn, und in seinem Kopf begann es zu rauschen. Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimme der Medihexe, während das Bild vor seinen Augen zu verschwimmen begann...

...tut mir so leid... bitte verzeih... einzige Möglichkeit..."

Sein Bein... es war weg... weg... Fassungslos schüttelte er den Kopf...

...dein Leben zu retten, Severus."

Er blickte Madam Pomfrey an, schwarze Augen fixierten haselnussbraune und ließen die Heilerin erstarren.

„Poppy..." begann er mit leiser Stimme und noch immer ungläubig den Kopf schüttelnd. „Du hast mein Bein abgeschnitten."

„Severus..." setzte die Medihexe zu einer neuerlichen Erklärung an. „Es war die einzig verbliebene Option. Die Nachwirkungen des Fluchs haben die Wunde infiziert und die Infektion hat auf deinen gesamten Organismus ausgestrahlt..."

„Du standst an der Schwelle des Todes, Severus", meinte Kingsley neben ihm, noch immer seine Hand drückend.

„Aber... es tut weh..."

„Das sind Phantomschmerzen, Severus", erklärte die Medihexe.

„Und ...jetzt?" stieß Snape wie in Trance hervor.

„Nach der Amputation sank das Fieber sofort, und nun hast du höchstens noch ein wenig erhöhte Temperatur. Mit der Entfernung des Infektionsherdes wurden offenbar auch diese speziellen Nachwirkungen des Fluchs getilgt", erklärte Madam Pomfrey und senkte den Blick. „Verzeih mir, Severus..." sagte sie mit leiser Stimme.

„Du hast es versprochen..." würgte Snape mit zitternder Stimme hervor und blinzelte ins Leere. „Ihr habt versprochen, dass ich wieder gesund werde..."

Der Heilerin glitzerten Tränen in den Augen. „Severus... Es tut mir so leid. Es war die einzige Möglichkeit..." Sie stockte.

Der kranke Tränkemeister drehte den Kopf weg und starrte an die Wand. Das Wort ‚Krüppel' schlich durch seine Gedanken. Leise vermeldete eine Stimme in seinem Gehirn, dass es wohl positiver war, ein Bein zu verlieren als das Leben, aber dennoch stiegen ihm Tränen in die Augen.

„Severus..." hörte er Kingsley sagen.

„Lasst mich in Frieden..." kam die erstickte Antwort. Die dezente Stimme der Vernunft in seinem Kopf wurde überlagert von Verzweiflung. Er würde sein weiteres trostloses Dasein als Krüppel fristen! Gerade als seine Augen begannen überzulaufen, spürte er eine Hand auf seiner Schulter. Er wollte Kingsley nicht ansehen. Nicht jetzt. Er wollte alleine sein, alleine in seinem Elend. Seine Schulter zuckte schwach – bemühte sich erfolglos, die Hand abzuschütteln.

„Severus, bitte..." ließ der Auror nicht locker. „Das ist nicht das Ende der Welt. Du wirst wieder gesund werden und ein nahezu normales Leben führen können."

Nun wandte der Tränkemeister doch den Kopf und blickte seinen Freund und die Medihexe an. „Gibt es irgendeine Chance..." begann er leise, doch der gesenkte Blick der Heilerin ließ seine Hoffnungen genauso schnell wieder zusammenschrumpfen wie sie aufgekeimt waren.

„Auch die magische Heilkunst hat ihre Grenzen", schüttelte sie traurig den Kopf.

Snape dachte an Moody. „Und ein ...Ersatz?" flüsterte er mit besiegter Stimme. Der Gedanke an Worte wie ‚Prothese' oder ‚Holzbein' löste ein unbestimmtes Gefühl des Abscheus in ihm aus. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte er sich über den schrulligen alten Auror mokiert.

„Nunja..." begann Madam Pomfrey vorsichtig. „Die akute Infektion hatte sich schon über das Knie ausgebreitet."Sie holte tief Luft. „Ich konnte das Gelenk nicht retten, Severus. Das heißt, die Anpassung einer Prothese wird sich schwierig gestalten. Es gibt zwar hochtechnisierte Muggelvarianten, aber die darin enthaltenen Sensoren und Mikroprozessoren..."

...sind in einer magischen Umgebung wie Hogwarts wirkungslos, setzte der Slytherin in Gedanken fort und seufzte bitter. Also doch ein ‚Kriegsversehrter', wie er im Buche steht... Mutlos schloss er die Augen, bohrende Kopfschmerzen ließen seinen Schädel dröhnen.

Das Geräusch einer sich öffnenden Tür signalisierte Snape, dass weiterer Besuch eingetroffen war, aber er hielt die Augen geschlossen. Er wollte niemanden sehen, warum konnten sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen, dachte er verzweifelt. Das Ankämpfen gegen die hartnäckig aufsteigenden Tränen wurde immer schwerer und er atmete tief, während sein Kinn anfing, verdächtig zu zucken. Kingsley hielt noch immer seine Hand fest umschlossen. Der Slytherin versuchte erneut schwach, die Hand auf seiner Schulter abzuschütteln. Verdammt, dachte er, geht doch einfach weg! Er wollte allein sein. Mit einem Zucken seiner Schulter und unter größter Kraftanstrengung gelang es ihm schließlich doch, Kingsleys Hände loszuwerden...

„Wie geht es Severus?" vernahm er die besorgte Stimme des Schulleiters.

„Er ist aufgewacht", antwortete Madam Pomfrey leise. „Es geht ihm den Umständen entsprechend."

Snape hörte Albus' Schritte, die sich in seine Richtung bewegten. Offensichtlich machte Kingsley Platz, denn er bemerkte, dass sich der Schulleiter auf den Stuhl neben dem Krankenbett setzte. Der Tränkemeister kniff weiter die Augen zu - er wollte Albus nicht sehen, nicht hören, nicht wahrnehmen. Verzweifelt versuchte er die Tränen hinunterzuschlucken, die sich weiterhin beharrlich hinter seinen geschlossenen Lidern sammelten. Er fühlte Albus' Hand, die ihm sanft über den Kopf strich, und eine einzelne Träne drängte sich an schwarzen Wimpern vorbei, um seine Wange hinabzulaufen. Ein leises Schluchzen entschlüpfte seinen Lippen und er öffnete die Augen. Der Schulleiter blickte ihn über seine Halbmondgläser hinweg mit ernstem Blick an. „Mein armer Junge", sagte er mit leiser Stimme, beugte sich nach vorn und nahm den verzweifelten Zauberer in den Arm. Alle Dämme brachen... der Slytherin konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten... Er drückte seinen Kopf an die Brust des älteren Mannes, vergrub das Gesicht in dessen Robe und begann bitterlich zu schluchzen.

Der alte Zauberer drückte ihn fest an sich und streichelte sanft über sein Haar, während Snape wie ein kleines Kind Tränen der Mutlosigkeit und Verzweiflung vergoss. Obwohl er dankbar war für die trostspendende Umarmung, schämte er sich dennoch ob seiner Hilflosigkeit und Schwäche. Nur einmal im Erwachsenenalter hatte er vor jemandem geweint, und dieser jemand war ebenfalls Albus Dumbledore gewesen. Es war die Nacht, als er zu Kreuze zurück ins Licht gekrochen kam, damals als desillusionierter Todesser. Im Staube zu den Füßen des Schulleiters von Hogwarts und mächtigsten Magier der Gegenwart hatte er um Vergebung gewinselt. Vergebung konnte ihm damals nicht gewährt werden, wohl aber die Chance, für seine Taten zu büßen und sich aus eigenem Antrieb heraus zu rehabilitieren. Ob dies nun die endgültig letzte Sühne war? Oder besser - die letzte Bestrafung für seine Verfehlungen...?

Schließlich waren die Tränen versiegt. Der erschöpfte Tränkmeister löste sich aus der Umarmung und ließ sich von Dumbledore behutsam in die Kissen zurücklegen. Sein Kopf dröhnte, er schloss die Augen und atmete schwer. Er wusste, dass er von allen Anwesenden mit vor Mitleid überquellenden Blicken beäugt wurde, und eine zarte Schamesröte stieg ihm ins Gesicht. Er hasste sich selbst für seine Schwäche.

Madam Pomfrey räusperte sich leise. „Severus..." begann sie. „Du musst dich jetzt ein wenig ausruhen und den Schmerzmitteln Zeit zum Wirken geben."

Snape öffnete die Augen und beobachtete stumm, wie sie an sein Lager herantrat und sich an seinemrechten Ellbogen zu schaffen machte, in dessen Beuge sie die Infusionsnadel gesetzt hatte.

„Der Bruch deines Oberarmknochens verheilt gut und ich habe außerdem in der Zwischenzeit den Verband an deiner Stirn entfernt", erklärte die Heilerin, während sie den Kunststoffbeutel über seinem Kopf auswechselte und den dünnen Schlauch kontrollierte. „Leider wird eine Narbe zurückbleiben", fügte sie in entschuldigendem Tonfall hinzu.

Der Slytherin presste die Lippen aufeinander und kräuselte verbittert den rechten Mundwinkel. Er wusste nicht, ob er über diese Information lachen oder weinen sollte. Was in Merlins Namen interessierte ihn eine Narbe auf der Stirn?! Sein Blick streifte die nicht mehr vorhandene Gliedmaße und er schluckte mühsam den Kloß hinunter, der erneut in seinem Hals aufzusteigen drohte.

Dumbledore strich ihm sanft über die Schulter und erhob sich, Snape damit aus seinen Gedanken reißend.

„Ich werde später noch einmal nach dir sehen, Severus", erklärte er. „Jetzt musst du erst einmal wieder ein wenig zu Kräften kommen nach den anstrengenden letzten Tagen." Er lächelte ihn aufmunternd an.

„Kingsley", sagte er zu dem Auror gewandt. „Bitte komm mit mir in mein Büro, ich möchte mit dir etwas besprechen."

Der Angesprochene nickte kurz und lächelte dann Snape zu. „Ruh dich aus, mein Freund, wir sehen uns dann später wieder."

Damit verließen die beiden das Krankenzimmer und ließen den Tränkemeister mit Madam Pomfrey allein. Die Medihexe hatte offenbar beschlossen, Snape nicht noch mit weiterem Gerede zu belasten und erledigte relativ wortkarg die Arbeiten, die getan werden mussten. Der Slytherin versuchte sich geistig von den Geschehnissen um ihn herum zurückzuziehen, was ihm angesichts seiner Erschöpfung ohne größere Anstrengung gelang, aber wann immer sein Blick den der Heilerin traf, erkannte er das Mitleid in ihren Augen. Einzig das tiefe und umfassende Gefühl des Unbehagens, das ihn erfasste, als ihm Madam Pomfrey bei der Erledigung seiner privaten Bedürfnisse half, hielt ihn davor zurück, die Medihexe böse anzufahren. Tief im Innersten war er sich dessen bewusst, dass er irrational und ungerecht war, und dass ihm die Heilerin das Leben gerettet hatte, aber seine Gefühle betrogen ihn und schickten ihn weiterhin auf eine Berg- und Talfahrt zwischen Verzweiflung über sein Schicksal und Hass gegen sich, Madam Pomfrey und die restliche Welt. Dass das Wechseln des Verbandes an Schulter und Arm nicht mehr so starke Schmerzen wie zuvor verursachte, registrierte er am Rande und überlegte, ob dies mit dem Heilungsfortschritt, oder aber eher mit der starken Tränkemischung zusammenhängen mochte, mit der ihn die Medihexe zweifelsohne vollgepumpt hatte. Schön langsam hatten sich auch die Kopfschmerzen verflüchtigt, wie er feststellen konnte.

Schließlich wandte sich Madam Pomfrey dem Beinstumpf zu und begann, die dicken Bandagen zu entfernen. Snape beobachtete die Arbeit wortlos und versuchte, die Herrschaft über seine Gefühle zu behalten, welche er erst kurz zuvor mühsam zurück erkämpft hatte. Dennoch – als die Heilerin die letzten Wundauflagen entfernte und sein Blick auf das entblößte Ende in der Mitte seines Oberschenkels fiel, hatte er den Kampf erneut verloren. Kinn und Mund begannen zu zittern und Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen. Madam Pomfrey, die ihn die ganze Zeit aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, blickte auf und griff nach einem Zellstofftuch. Sie beugte sich über ihn und schickte sich an, die Tränen abzuwischen.

Ein heiseres „Nein..." ließ sie in der Bewegung erstarren. Der Tränkemeister hatte nun genug - genug davon, sich in Schwäche zu entblößen. Jetzt reichte es. Unter größter Kraftanstrengung hob er den Arm, ein jeder geschaffte Zentimeter erschien ihm so, als ob er ein tonnenschweres Gewicht stemmen müsste. Die Gelenke schmerzten, nachdem sie für so lange Zeit nicht bewegt wurden. Gut, dachte er, Schmerz lenkt wenigstens von den Gefühlen ab. Schließlich schaffte er es, sich mit zitternder Hand und einer unbeholfenen Bewegung die Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Er ließ den Arm langsam wieder auf das Bett zurücksinken und blinzelte Madam Pomfrey an.

„Warum, Poppy...?" begann er mit hilfloser Stimme. „Warum?" Er richtete die Frage weniger an die Medihexe direkt, vielmehr klagte er das Schicksal an. Offensichtlich realisierte Madam Pomfrey, dass sich Snape keine Antwort erwartete. Sie senkte den Blick und seufzte leise.

Während sie den Stumpf mit einer Heilsalbe behandelte und dann einen frischen Verband anlegte, hatte der Tränkemeister die Lippen aufeinandergepresst und die Augen fest geschlossen. Er versuchte, sein Bewusstsein so weit als möglich von dem Empfinden der Finger der Heilerin auf der sensiblen Wunde wegzubewegen. Sein Geist zog sich zurück und kehrte erst wieder zurück, als er ein Geräusch vernahm, das vom Nachtkästchen an seiner Seite herrührte. Madam Pomfrey ließ einige Tropfen Trank aus einer Phiole auf einen Löffel fallen und hielt ihm diesen an die Lippen.

„Keine Sorge", sagte sie, als er erst nach einigem Zögern die Tropfen schluckte. „Das ist nur ein leichtes Sedativum. „Das war alles ein wenig viel auf einmal, Severus, ich weiß. Ich möchte, dass du nun ein wenig schläfst, damit sich dein Körper erholen und heilen kann. Und ich befürchte, das wirst du ohne Hilfe nicht tun können - nach allem, was heute vorgefallen ist", fügte sie hinzu und zog ihm die Bettdecke über die Brust hinauf.

Snape seufzte leise. Er wusste, dass die Heilerin recht hatte.

„Wenn du dann wieder aufwachst, werde ich dir etwas zu essen geben. Vorerst sollst du dich allerdings ein wenig beruhigen und schlafen."

Während sie ihn noch ein letztes Mal untersuchte, spürte der kranke Tränkemeister, wie langsam aber sicher Erschöpfung und Müdigkeit über seine sich im Kreis drehenden Gedanken siegten, und langsam schloss er die Augen.


Anmerkung: dieses Kapitel hat mich einiges an Nerven gekostet, muß ich zugeben. Über so eine Sache zu schreiben, ist problematischer als ich gedacht hatte. Deswegen hat es auch so lange gedauert (bitte um Entschuldigung!) und vermutlich deswegen ist es auch so "schwülstig" geworden. Armer Sev, seufz, was tu ich dir nur an... Ich ziehe meinen Hut vor den Autorinnen all dieser großartigen Foltergeschichten, die ich so liebe. DAS muß ja überhaupt erst Hammer sein zu schreiben... Das nächste Kapitel wird leider etwas auf sich warten lassen (deswegen diesmal absichtlich kein böser Cliffhanger), bitte gleich im Voraus um Entschuldigung - ich hab da leider so einiges an unwichtigen Sachen wie Seminararbeiten herumliegen, was ebenfalls auf Fertigstellung wartet. Und leider gilt Snapequälen nicht als plausibler Entschuldigungsgrund bei meinen Professoren... ;-)

Katharina-B: Vielen Dank, es freut mich, daß diese Fiebersache halbwegs glaubhaft rübergekommen ist. Ja, Dumbledore war ziemlich beschäftigt in den letzten Tagen (is ja ein Tausendsassa, der Gute... hehe)...

Honigdrache: Danke auch dir.. :-) Nunja, daß Poppy sich entschuldigt hat, hatte einen guten Grund, wie du nun weißt... :-/

Persephone Lupin: 'drück'... Danke! :-)

Arifilia: Jep, Sev quälen und wieder liebevoll gesundpflegen, das wollen wir wohl alle... wir kranken Weiber, wir... LOL :-D

Alara: Dankeschön auch dir! Ich befürchte, du (genauso wie der arme Sevvie) mußt dich doch an den Status Quo gewöhnen... Sorry! :-/

Lilith11: Vielen Dank für deine Kommentare! :-) Ja am Anfang war's noch Action, hehe... Aber schön langsam schleifen wir uns gemächlich bei "care&comfort" ein... ;-)