Anmerkung: Ich hab die Geschichte jetzt mit mehr oder weniger minimalistisch-einfallslosen Kapiteltiteln versehen, hehe... Außerdem hab ich das Machwerk ein bisserl ästhetisch ansprechender formatiert, damit es nicht gar so nach Kraut&Rüben ausschaut. :-)

Das folgende Kapitel ist ein bisserl ein „nachdenkliches" und ohne große Action. Es wurde zu Recht bemängelt, dass ich in Bezug auf den lieben Kingsley noch ein bisserl was schuldig bin und somit hab ich dieses Kapitel „vorgezogen" – ich musste feststellen, dass es mir momentan sowieso mehr Spaß macht, in die Gedankenwelt unseres liebsten Potions Master einzudringen als ihn zu quälen… Und ich hoffe einmal, die geschätzte Leserschaft kann diesem Aspekt ebenfalls etwas abgewinnen…:-)

Beta: Persephone Lupin, die trotz ihrer rund-um-die-Uhr Vollzeitbeschäftigung noch immer unermüdlich an meiner Seite kämpft und mich vor so manchem sprachlichen und inhaltlichen Lapsus bewahrt. Des weiteren geht mein Dank an Ermione, die mir in einer problematischen Phase dieser Geschichte (vermutlich unwissentlich, hehe) wertvolle Anstöße gegeben hat. :-)


Herbststimmung 1

„Du bist was?!"

Snape traute seinen Ohren nicht und starrte Kingsley an. Der Auror grinste ihn an, wohl erfreut darüber, den Tränkemeister zumindest überrascht und ihn damit ein wenig aus der trostlosen Lethargie gerissen zu haben, in welcher dieser schon den ganzen Morgen hindurch dahinvegetierte.

„Albus meinte, als Auror wäre ich wohl auch fähig, mit einer Klasse voller lernbegieriger Schüler fertigzuwerden", erklärte Kingsley und zupfte verschmitzt lächelnd an Snapes Bettdecke herum.

Lernbegierige Schüler, soso, dachte der Slytherin. Nervenaufreibende Bälger, die ihre unkonzentrierten Schädel wohl überall anders hatten, nur nicht bei den ihnen zugedachten Aufgaben, dürfte wohl eher passen. Er verbiss sich die böse Spitze, die er nur zu gerne abgefeuert hätte – sein Freund sollte sich ruhig selbst die Hörner abstoßen. Also war Kingsley nun der neue Lehrer für Zauberkunst. Interessant…

„Albus wollte scheinbar einen Ravenclaw als Nachfolger für Filius und da ich gerade zur Verfügung stehe, schien die Lösung passend." Kingsley senkte den Blick, als er den Namen seines ehemaligen Hauslehrers nannte. Snape war sich dessen bewusst, dass Flitwicks Ableben seinem Freund sehr naheging, auch wenn dieser diese Tatsache hinter seiner jovialen Persönlichkeit ein wenig zu verbergen versuchte. Nun, sie hatten ja bisher kaum Gelegenheit gehabt, die erlittenen Verluste auch tatsächlich zu betrauern, dachte er düster und beobachtete das Gesicht des dunkelhäutigen Aurors, über das ein Schatten gefallen war.

„Kingsley", bemerkte er ein wenig trocken. „Hattest du nicht einen Job?"

Aus den Gedanken gerissen blickte der Auror auf. „Oh! Ja… also… Ich habe mich freistellen lassen", erklärte er in einem unverfänglichen Tonfall. „Du-W… Voldemort ist nicht mehr, und nachdem die meisten Todesser mittlerweile in Askaban sitzen oder zumindest auf ihren Prozess warten, kann das Ministerium meine Dienste wohl für einige Zeit erübrigen."

Snape musterte ihn nachdenklich und presste die Lippen aufeinander. Er ahnte, was der wahre Grund für Kingsleys verlängerten Aufenthalt in Hogwarts war. Und so sehr er es verabscheute, auf anderer Leute Hilfe angewiesen zu sein oder von anderen bevormundet zu werden, war er dennoch nicht unglücklich über die Aussicht, den Auror auch weiterhin an seiner Seite zu wissen.

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Der Tag hatte genauso begonnen, wie der vorherige aufgehört hatte – trostlos. Am Vorabend hatte Madam Pomfrey den Tränkemeister zunächst mit einem leichten Abendessen versorgt, um ihn dann bald darauf in einen neuerlichen traumlosen Heilschlaf zu versetzen, aus dem er heute Morgen schon sehr zeitig aufgewacht war. Der Herbst war nun endgültig ins Land gezogen und der regenwolkenverhangene Himmel, den er durch das Fenster des Krankenzimmers sehen konnte, spiegelte nur allzu gut Snapes allgemeine Befindlichkeit wider. Kingsley hatte in der Zwischenzeit eines der Professorengemächer bezogen und so war Snape allein und musste die – wie ihm vorkam – langen Stunden des Morgengrauens mit seinen düsteren Gedanken totschlagen. Seine Verletzungen schmerzten unter den Verbänden und er fühlte sich durch und durch wundgelegen. Einmal hatte er versucht, seine Liegeposition zu verändern, nur um dafür mit Übelkeit belohnt zu werden ob des ausgesprochen unangenehmen Gefühls, als er realisieren musste, wie seltsam es sich anfühlte, den Stumpf seines Beins zu bewegen. Die erneut schmerzliche Erkenntnis, dass nun hüftabwärts zehn Kilogramm seines Körpers einfach nicht mehr vorhanden waren, hatte ihm erneut die Tränen in die Augen getrieben und in diesem Moment war er dankbar dafür, dass niemand diese neuerliche Schwäche mit ansehen konnte. Dennoch hätte er nur kurze Zeit später wieder sämtliche Bände seiner liebgewonnensten Tränkefibeln allein dafür gegeben, dass ihn Madam Pomfrey mit einer neuen Ration schmerzstillender Mittel versorgte. Als geübter Okklumens hatte er schließlich zum letzten für ihn erdenklichen Mittel gegriffen und seinen Geist weit in den hintersten Winkel seines Bewusstseins zurückgezogen, um die morgendliche Rückkehr der Heilerin in einem dösenden Halbschlafzustand zu erwarten.

Dass die Medihexe die Infusionsnadel entfernte und ihm einige Tränke nebst eines leichten Frühstücks in Form einer klaren Suppe einflößte, hatte Snape nur in einem phlegmatischen Dämmerzustand mitbekommen, und erst die Ankunft Kingsleys hatte ihn veranlasst, sein abgeschottetes Bewusstsein wieder in die Realität zurückzubefördern.

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Snape beobachtete den Ravenclaw, der neben dem Bett auf dem Sessel saß und gedankenverloren Löcher in die Luft starrte. Genau genommen hatte ihre „Freundschaft" vor nicht ganz zwei Jahren an genauso einem Krankenlager begonnen – welch Ironie… Er schnaubte leise und kräuselte einen Mundwinkel.

„Ein Knut für deine Gedanken, Severus…" zwinkerte der Auror.

„Ich habe gerade realisiert, dass sich Kreise zu schließen pflegen."

Der Auror lächelte. „Und ich wurde eben wieder daran erinnert, dass ich dir abgewöhnen wollte, in kryptischen Rätseln zu sprechen."

„Hm. Eher können Flubberwürmer fliegen."

„Ich bin geduldig, Severus", gluckste Kingsley und half dem kranken Zauberer, einen Schluck Tee zu nehmen. „Also, woran hast du gerade gedacht?"

„An den Vorfall in der Mysteriumsabteilung damals. Und an die Zeit danach."

„Du meinst St. Mungos?" fragte der Auror ernst. „Du magst es vielleicht nicht glauben, aber du hast mir damals sehr geholfen."

„Exakt", murmelte Snape und senkte den Blick.

Interessant, dass sich dies alles nun mit umgekehrten Vorzeichen wiederholte, dachte der Slytherin. Scheinbar aus einer Laune heraus war er von Albus ins Hospital geschickt worden, um nach Kingsley zu sehen, nachdem dieser von Bellatrix Lestrange schwer verletzt worden war. Zuerst hatte er gedacht, der Schulleiter hätte deswegen gerade ihn ausgewählt, weil er zu dieser Zeit das einzige entbehrliche Mitglied des Ordens gewesen war. Doch später, nach einigen Besuchen und langen Gesprächen im Krankenzimmer hatte Snape realisiert, dass Albus' Intention offenbar eine völlig andere war.

Das Oberhaupt des Ordens hatte ihn über seine Halbmondgläser hinweg gemustert, eines dieser vermaledeiten Zitronenbonbons von Wange zu Wange schiebend.

Severus", hatte er gesagt, und seine ruhige Stimme klang in Snapes Ohren, als wäre es gestern gewesen. „Kingsley liegt im Hospital und es geht ihm nicht gut. Und nachdem die Ferien begonnen haben und du der einzige im Orden bist, der momentan nicht unabkömmlich ist, hätte ich gerne, dass du einmal nach ihm siehst."

Soll ich eventuell Blümchen mitbringen? Und ihm vielleicht noch das Händchen halten?" hatte er damals geantwortet, verärgert über die Tatsache, dass Dumbledore sich anmaßte, über seine wertvolle Ferienzeit zu bestimmen. Als ob die Aussicht auf die nächsten anstehenden Todessertreffen nicht schon enervierend genug gewesen wäre!

Und dennoch war er gegangen. So wie er immer gegangen war, wenn er von Albus einen Auftrag erhalten hatte. Nachdem er die fröhlich winkende Blumenverkäuferin in der Eingangshalle des Hospitals mit einem Blick bedacht hatte, der diese wohl für die ganze weitere Woche paralysierte, war er hinauf in den 4. Stock geschwebt, in der festen Absicht, seine Zeit in dieser desinfektionstränkeverseuchten Atmosphäre auf ein absolutes Minimum zu beschränken.

Letztendlich allerdings wurden aus diesem Minimum vier Stunden, und als die Schwester das Zimmer betrat, um den Tränkemeister vom Ende der Besuchszeit in Kenntnis zu setzen, war dieser mit dem Auror gerade in eine angeregte Diskussion über die Muggelpolitik des Ministeriums vertieft. Und dieser zunächst unfreiwillige Besuch war nicht sein letzter geblieben, nein, er merkte sich die regelmäßigen Besuche in St. Mungos fortan in seiner Terminplanung fix vor und überwand dafür sogar seine Abscheu gegenüber Krankenhäusern und die unangenehmen Empfindungen, die die Atmosphäre dort in ihm auslöste. Er war kein uneigennütziger Mensch und die Freude, die der rekonvaleszente Kingsley offenbar über seine regelmäßigen Aufwartungen empfand, war für ihn allerhöchstens eine Begleiterscheinung – er genoss es damals vielmehr, von der Gesellschaft des Aurors selbst zu profitieren.

Hatte der weise alte Schulleiter erkannt, dass Kingsley das sein könnte, was seinem verhärmten Tränkemeister schon sein ganzes Leben lang gefehlt hatte? Ein gleichaltriger Mann, mit dem er sich austauschen, dem er sich anvertrauen konnte...?

Kingsley war wie er selbst ausgesprochen belesen, in vielen Bereichen kompetent und auch wo er kein Fachmann sein mochte, war er immerhin daran interessiert, seine Wissenslücken zu schließen. Ob es nun sein Spezialgebiet Zaubertränke war oder die Künste der Legilimentik – mit Kingsley hatte er schon einige fachlich tiefgreifende und wissenschaftlich fruchtbare Diskussionen geführt. Hinzu kam noch, dass ihn der Auror mit seiner jovialen Natur einfach so akzeptierte, wie er war, und dass er darüber hinaus wusste, wann er besser zu schweigen hatte, wenn Snape seine seltenen, aber doch hin und wieder auftretenden Launen hatte. Albus' verschleierter Plan schien aufgegangen zu sein – vielleicht schlummerte da ja doch ein kleines bisschen Slytherin in dem alten Zauberer…

„Severus…"

„Hm?" Snape blickte auf, aus den Gedanken gerissen.

„Hör auf zu brüten", lächelte Kingsley. „Schau, sogar die Wolken verziehen sich." Er deutete zum Fenster, wo schon ein paar zaghafte Sonnenstrahlen ins Zimmer schienen.

Der Slytherin verzog den Mund. „Phantastisch", murmelte er trocken und senkte seinen Blick auf dierechte Hand, deren Daumennagel sich mit größter Gewalt in die Kuppe des Zeigefingers zu bohren versuchte.

„Poppy hatte heute morgen eine wirklich gute Idee", plauderte der Auror weiter, während er seinen Freund beobachtete. „Sobald sich das Wetter gebessert hat, darf ich dich ein wenig ausführen."

Snape blickte ihn verwundert an und hob skeptisch eine Augenbraue. „Wie darf ich das verstehen?"

„Sie meinte, ein bisschen frische Luft und eine andere Umgebung würden dir gut tun. Wir werden am Nachmittag einen kleinen Spaziergang auf dem Schulgelände machen."

Der kranke Zauberer seufzte bitter. „Mach keine Witze, Kingsley. Ich bin jetzt wirklich nicht in der Stimmung." Er senkte den Blick. „Wie soll ich denn..."

„Severus", unterbrach ihn der Auror ernst. „Das war kein Scherz. Glaubst du denn allen Ernstes, du würdest den Rest deines Lebens hier in diesem Bett verbringen?"

„Hm. Nein", kam die gemurmelte Antwort. Natürlich würde er das nicht, dessen war er sich bewusst. Nichtsdestotrotz war er sich darüber im Klaren, dass er sich nie wieder so würde fortbewegen können, wie er es gewohnt gewesen war. Und dieses körperliche Manko und die möglichen Kompensationen desselben kratzten allesamt zunehmend an Snapes Stolz, je länger er darüber nachdachte.

„Komm schon, Severus. Ein bisschen Abwechslung wird dir tatsächlich gut tun. Auf jeden Fall werden dich die frische Luft und ein paar Sonnenstrahlen auf andere Gedanken bringen."

Sonnenstrahlen, natürlich, genau das, was er jetzt brauchte, dachte der Slytherin finster.

„Außerdem", knüpfte Kingsley an. „Es dauert nicht mehr lange, bis die Schüler wieder hier eintreffen, und ich bin mir sicher, du möchtest die Gelegenheit nicht versäumen, den herbstlichen Garten noch einmal zu genießen, solange noch Ruhe herrscht."

„Jetzt einmal abgesehen davon werde ich dir das nun einfach in meiner Funktion als deine Heilerin verordnen, Severus, ob es dir nun recht ist oder nicht." Die resolute Stimme Madam Pomfreys ließ die Köpfe beider Männer hochfahren. Die Medihexe hatte von ihnen unbemerkt das Krankenzimmer betreten und näherte sich mit schnellen Schritten.

„Severus, wie fühlst du dich?" Sie legte eine Hand auf seine Stirn und lächelte. „Du hast kein Fieber mehr, das ist gut... Und ein wenig Farbe auf den Wangen hast du auch schon wieder."

„Kingsley, lass mich erst kurz nach deinem Arm sehen", wandte sie sich dem Auror zu. „Ich denke, du brauchst die Bandagen nicht mehr. Hast du noch Schmerzen?"

Kingsley verneinte, während die Heilerin seinen Arm vorsichtig von den Verbänden befreite und ihn untersuchte.

„Die Wunde ist schon gut verheilt", bemerkte sie. „Was sagst du...?"

Der Auror bewegte den Arm vorsichtig. „Alles in Ordnung, Poppy. Es zieht noch ein bisschen, aber sonst habe ich keine Schmerzen mehr."

„Sehr gut", nickte die Medihexe zufrieden. „Das Ziehen sollte auch in den nächsten Tagen vergehen."

„Ich habe volles Vertrauen in deine Künste, Poppy", lächelte Kingsley und erhob sich. „Ich habe Albus versprochen, mit ihm zu Mittag zu essen", sagte er in entschuldigendem Tonfall zu Snape, der ihn stumm beobachtet hatte. „Außerdem wünscht er, dass ich meinen Unterrichtsplan für das kommende Semester präsentiere." Er lächelte verschmitzt. „Ich kann nicht abstreiten, dass ich ein wenig nervös bin."

Snape schnaubte verächtlich. „Weswegen bist du nervös, Kingsley? Ich würde deiner Bemerkung von vorhin ohne zu zögern zustimmen, dass du es als Auror wohl schaffen solltest, eine Bande Kinder zur Räson zu bringen. Auch wenn es sich um solch hoffnungslos inkompetente und aufsässige Fratzen handelt, es sind immer noch Kinder", füge er hinzu.

„Nana, Severus", grinste der angehende Professor. „So schlimm werden sie wohl doch nicht sein."

Der Mundwinkel des Slytherin zuckte. Nein, sie sind sogar noch schlimmer, dachte er. Die Unfähigkeit eines Longbottom und das infernalische Trio würden Kingsley wohl schon innerhalb der ersten Schulwoche auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Obwohl zu befürchten war, dass Kingsley das Unterrichten vielleicht sogar Spaß machen könnte – aus ihm völlig unerfindlichen Gründen mochte der Ravenclaw diese Bälger! Snape schüttelte den Kopf.

„Du kannst mich gerne bei unserem Gartenspaziergang auf die zu erwartenden Probleme vorbereiten", erklärte Kingsley mit leicht amüsiertem Tonfall. „Jetzt muss ich aber tatsächlich gehen, ich sollte meinen neuen Vorgesetzten besser nicht warten lassen."

„Natürlich, Kingsley", stimmte ihm Madam Pomfrey zu. „Ich muss mich jetzt sowieso wieder Severus widmen."

Der Auror nickte Snape und der Heilerin zu und verschwand zur Tür hinaus, nicht ohne seinem bettlägerigen Freund noch einmal kurz zuzuzwinkern und mit dem Mund das Wort Spaziergang zu formen.

„So, Severus", begann Madam Pomfrey. „Und nun zu dir…"

„Poppy", unterbrach sie der kranke Zauberer ungeduldig und mittlerweile ein wenig genervt. „Was soll das denn mit diesem verdammten Spaziergang?" Ein neuerliches Gefühl der Hilflosigkeit durchflutete seinen Körper und ließ ihn erschaudern. „Ich kann doch nicht… Ich meine, wie stellt ihr euch das vor?" Er fühlte einen Stich in der Magengrube, als ihm eine plötzliche Vorahnung dämmerte. „Ich lasse mich bestimmt nicht von euch durch die Gegend schweben…"

Die Heilerin blickte ihn erstaunt an. „Aber nein, Severus, wie kommst du denn auf diese Idee?" versuchte sie den Tränkemeister zu beruhigen, der angespannt die Augen niedergeschlagen hatte. „Niemand wird hier irgendjemanden herumschweben lassen." Sie lächelte leicht angesichts der offensichtlichen Unbedarftheit ihres Patienten in diesen Dingen.

„Ich habe heute morgen von St. Mungos einen Rollstuhl kommen lassen", erklärte sie. „Dieses Gerät ist zwar eine Muggelerfindung und wird in unserer Welt außerhalb von medizinischen Einrichtungen kaum gebraucht, aber dennoch ist es hin und wieder ausgesprochen hilfreich."

Snape schaute auf und runzelte die Stirn. „Einen Rollstuhl?" Dunkel erinnerte er sich an Gerätschaften im Hospital, auf die diese Bezeichnung zu passen schien. Gehunfähige Leute wurden damit befördert, in diesen Stühlen von anderen geschoben. Diese Vorstellung gefiel ihm ganz und gar nicht. Außerdem…

„Hogwarts hat eine Menge Stiegen…" bemerkte er trocken.

„Mein lieber Professor", lächelte die Medihexe. „Auch wenn das ein Muggelgegenstand ist, heißt das noch lange nicht, dass man ihn nicht ein wenig modifizieren kann. Medizinische Artefakte unterliegen einer speziellen Ausnahmegenehmigung des Ministeriums, wie mich Arthur Weasley informiert hat."

Madam Pomfrey empfand die wenig enthusiastische Reaktion des Tränkemeisters offensichtlich als irritierend, denn sie seufzte leise.

„Es tut mir leid, aber du hast zur Zeit noch keine andere Option", merkte sie an. „Wenn deine Schulter einmal verheilt und dein Körper wieder kräftiger geworden ist, kannst du dich langsam mit den Krücken…" Ein scharfes Luftholen des Slytherin ließ sie mitten im Satz abbrechen.

„Poppy", zischte er leise mit gesenktem Kopf und geschlossenen Augen. „Ich will keinen Rollstuhl… und auch keine Krücken." Er kniff die Lider zusammen, hinter denen es schon wieder verdächtig zu brennen begonnen hatte. „Ich will mein Bein zurück", flüsterte er.

Stille...

Dann vernahm er, wie sich die Heilerin auf den Sessel neben das Bett setzte und spürte ihre Hand auf seiner Schulter. Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter und schlug die Augen auf. Bedacht darauf, den bandagierten Stumpf aus seinem Blickfeld zu verbannen, blickte er die Medihexe blinzelnd an.

Madam Pomfrey drückte sanft seine Schulter. „Severus", begann sie mit ruhiger Stimme. „Ich bin mir darüber im Klaren, wie du dich fühlst. Albus, Kingsley… wir alle wissen, was du momentan durchmachst. Und ich kann dir nur versichern, dass wir dir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln durch diese schwierige Zeit helfen werden."

Snape schluckte und presste die Lippen zusammen, während die Heilerin weiter beruhigend seinen Oberarm streichelte.

„Wir wissen auch ganz genau, dass du ein stolzer Mann bist und dieser Verlust für dich nicht leicht zu verkraften ist", knüpfte sie an. „Dennoch darfst du dich jetzt nicht gehen lassen. Ja, Severus…" sagte sie, als ihr der Tränkemeister einen seltsamen Blick zuwarf. „Du musst dich mit der gegebenen Situation arrangieren – um deiner selbst Willen. Ich behaupte nicht, dass das einfach ist, aber auch mit dieser Behinderung kannst du ein beinahe normales Leben führen."

Eben – beinahe… Snape vernahm zwar die Stimme der Medihexe – allein die Tröstung in ihren Worten drang nur schwer zu ihm durch. Just in dem Moment verspürte er erneut den pochenden Schmerz im Stumpf, und er konnte nicht verhindern, dass ihm doch noch eine Träne die Wange hinunterlief. Er wusste ja, dass die Heilerin recht hatte. Es war ja tatsächlich nicht so schlimm, und seine Vernunft sagte ihm erneut eindringlich, dass es viel gravierender für ihn hätte ausgehen können. Dennoch… Er seufzte leise.

„Du brauchst ein wenig Zeit, ich weiß", sagte Madam Pomfrey mit sanfter Stimme und wischte die Träne ab. „Und deshalb wirst du heute noch an die frische Luft gehen, denn das wird dich auch auf andere Gedanken bringen."

Snape senkte den Blick und nickte stumm. Die Heilerin lächelte und nach einem letzten, ermutigenden Schulterdruck stand sie auf.

„Hast du Schmerzen, Severus?" fragte sie – nun wieder im professionellen Tonfall der Medihexe.

Das konstante Pochen in seinem Kopf und den verletzten Gliedern ließ ihn schneller nicken, als ihm lieb war und er blickte Madam Pomfrey stirnrunzelnd an.

„Na zumindest dagegen kann ich sofort etwas unternehmen", sagte die Heilerin und maß die bekannten paar Tropfen auf einen Löffel ab, den sie dem Slytherin in den Mund schob. Sie hielt die Flasche gegen das Licht und prüfte den noch verbliebenen Inhalt. „Alleine deswegen solltest du schon bald wieder auf die Beine kommen", meinte sie und zwinkerte ihm zu. „Meine Vorräte an Heiltränken gehen nämlich langsam zur Neige und ich bin mir sicher, du vertraust deinen eigenen Braukünsten noch am ehesten."

Snapes Mundwinkel zuckte, während er eine Augenbraue hob und der Medihexe einen leicht spöttischen Blick zuwarf.

Madam Pomfrey lachte. „Schön, dass du zumindest einmal deinen gewohnten Gesichtsausdruck wiedergefunden hast, Severus."

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Anmerkung: Dieses Kapitel (das eigentlich die erste Hälfte eines Zweiteilers ist) war ein bisserl eine schwere Geburt, muß ich zugeben, und ich hoffe, es sagt halbwegs zu (Kritik und Kommentare via Review sind wie immer ausdrücklich gerne gesehen, gell! :-)). Bitte um Entschuldigung, dass es so lange gedauert hat diesmal, ich hoffe einmal, das nächste Kapitel geht ein bisserl flotter vonstatten. Die Idee, daß Snape sein Bewußtsein quasi von der Außenwelt abschotten kann, habe ich übrigens aus Lilith11s Fic "Von Mördern und Verrätern". Sie hat das zwar in einem anderen Zusammenhang gebraucht, aber dennoch ist die Sache nicht auf meinem Mist gewachsen ;-)...

Sodala… und jetzt zu euren lieben Reviews, die mich wieder total vom Hocker gerissen haben, und die ich diesmal besonders hilfreich gefunden habe. Bitte behaltet immer im Hinterkopf, dass dies meine erste ‚längere' Geschichte ist und ich die zum Lernen und Üben verwende – soll heißen: eure Kommentare sind hier besonders gefragt und ich bitte euch auch, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Nur mit Feedback kann man lernen und sich weiterentwickeln, gell… :-)

sympathex: Erst einmal vielen Dank für dein langes und hilfreiches Review! Ich gebe dir recht bei deiner Feststellung, dass die Geschichte nicht wirklich originell oder von der Idee her was neues ist – diesen Anspruch hab ich allerdings auch nie erhoben. Was die Darstellung von Kingsley anbelangt, so hoffe ich, dass ich die Ansprüche der Leser/innen halbwegs erfüllen kann – es hat sich für mich mittlerweile als problematisch herausgestellt, dass ich die Geschichte ausschließlich aus Snapes POV erzählen möchte (und dieser unangenehmerweise die letzten Kapitel ein bisserl ‚außer Gefecht gesetzt' war, hehe). Rückblickend gesehen wäre ein anderer POV wohl bequemer gewesen.

Persephone Lupin: Ja genau an das hatte ich auch gedacht, als ich die Geschichte begonnen hatte zu schreiben. Jetzt is nix mehr mit Herumschleichen etc… Armer Sevvie… seufz

Honigdrache: Nicht nur du, meine Liebe, auch ich würd ihn am liebsten umarmen und trösten… schnüff…

Malina: auch dir vielen Dank für deine tollen und lehrreichen Reviews! Nun, mit ‚deinem' herrlich zynischen Snape kann ich leider nicht mithalten, wie ich befürchte – du bist da einfach ein Medium (ganz ungeniert wieder auf ein Update deiner Geschichten hoff, hehe… ah, da fällt mir grad ein, dass ich die Thea Potter-Fic weiterlesen wollte, schäm). Wobei ich allerdings ‚meine' Snapefigur auch ein bisserl anders interpretiere, wie ich schon ein paar Mal zuvor angemerkt habe. Ich glaube nämlich, dass sich seine Bösartigkeit tatsächlich auf das Klassenzimmer beschränkt und er (wie ich zumindest aus den Büchern interpretiere) mit den Erwachsenen ein ziemlich normal-kollegiales Verhältnis zu pflegen scheint. Und, wie du richtig angemerkt hast, ein Bein zu verlieren dürfte wohl für jeden Menschen eine etwas spezielle Erfahrung sein.

Morla- SyalNaomi FaryTale: Um Himmels Willen, was für ein Name :-D… Vielen Dank! Das freut mich, dass dir die Geschichte gefällt und dass du Mitleid mit dem armen Sev hast – genau so solls auch sein, hehe…

Arifilia: Ähm ja, das MorgenGrauen… hehe… Freut mich, dass es dir aufgefallen ist :-). Vielen Dank auch für dein Lob, es freut mich besonders, wenn den Leserinnen mein Stil gefällt :-)… Und ich hoffe auch bei dir, dass du mir diese ‚spezielle' Reaktion unseres Lieblingslehrers auf seinen Verlust verzeihst. Wegen des C2 schreib ich dir in den nächsten Tagen, tutleid, dass ich mich noch nicht gerührt hab diesbezüglich!

Rosifer: Ich freu mich sehr über dein Review, vielen Dank! :-) Hey, du liest doch luciditys Fic – was die dem armen Sev antut ist doch viel schlimmer als das, was ich mache (sich verzweifelt zu verteidigen versuch ;-)). Na ernsthaft – ich hoffe, es ist trotzdem ‚aushaltbar'… Ich hatte da einige kryptische Warnungen zu Beginn des ersten Kapitels drin gehabt, die ich aber mit der Veränderung des Layouts rausgenommen hab. Vielleicht sollte ich die wieder einbauen, hm… Ich freu mich auf jeden Fall, dass du dem armen Sevvie auch einen ‚weichen Kern' zugestehst (zu Malina schiel, hehe)…