25.
Langsam flatterten Harukas Lider.
„Haruka, wach auf", glaubte sie Michirus Stimme zu hören und ihre feinen, sanften Hände auf ihren Wangen zu spüren.
Michiru? War sie nicht tot? Ebenso sie selbst …
Wie kam es dann …? Waren sie vielleicht schon in der Hölle?
„Michiru?", flüsterte sie und öffnete ihre Augen. Zunächst hatte sie Schwierigkeiten etwas zu erkennen, doch dann verschärften sich Michirus Konturen.
„Sind wir in der Hölle?", fragte Haruka und versuchte etwas mehr von ihrer Umgebung wahr zu nehmen.
Warum sah es in der Hölle aus, wie in ihrem …?
Michiru lachte leise auf.
„Garantiert nicht, Liebling."
„Aber …"
Langsam begann Haruka zu realisieren, dass sie nur geträumt hatte und sich in ihrem Haus befand. Besser gesagt in ihrem Bett.
Aber wie kam sie dorthin.
Der Kampf …
„Habe ich gewonnen?"
„Ja, dass hast du. Danach bist du ohnmächtig zusammengebrochen und hast beinahe einen kompletten Tag geschlafen. Setsuna meinte, du hättest eine Art Energierausch", antwortete Michiru.
„Ja, nach Rausch fühlt sich mein Kopf auch an", bestätigte Haruka und fuhr sich mit der rechten Hand über die Stirn. Oh, wie sie diese Kopfschmerzen hasste.
Sie besah ihren Arm. Hotaru schien wirklich gute Arbeit geleistet haben.
„Wir beide werden uns erst an diese gewaltigen Energiemengen, die uns nun zur Verfügung stehen, gewöhnen müssen", entgegnete Michiru.
Haruka schloss die Augen, während sie Michirus melodischer Stimme lauschte. Sie hatte nur geträumt, während sie ohne Bewustsein war. Konnte man da überhaupt träumen?
Aber der Traum schien so real gewesen zu sein. Doch auch wenn es nur ein Traum gewesen war, sie würde tatsächlich so handeln, wenn jemand sie von Michiru trennen wollte. Lieber war sie tot, als ohne sie sein zu müssen. Erst durch Michiru wurde ihre Seele komplett. Erst nachdem sie Michiru kennengelernt hatte, hatte sie nicht mehr das Gefühl einer Leere in sich.
Was für einen Sinn würde also ein Leben ohne sie machen? Sie wäre dann sowieso schon halb tot. Dann konnte sie sich auch gleich selbst umbringen. So würde sie nicht länger leiden müssen und auch niemand anderes würde mehr leiden müssen.
Inzwichen war Abend und trotz Michirus Warnungen war sie aufgestanden und saß nun abwesend auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer und starrte hinaus auf die Sonne, die langsam im Meer zu versinken schien.
Schon die ganze Zeit überlegte sie, ob sie Michiru von dem Traum erzählen sollte.
„Was hast du Haruka?", fragte sie plötzlich eine bekannte Stimme.
„Michiru", flüsterte die Blonde und beobachtete wie Michiru ebenfalls zum Fensterbrett ging und sich hinsetzte.
„Du bist schon die ganze Zeit so abwesend. Tora ist vernichtet, dass Gleichgewicht wieder hergestellt. Wenn wir Glück haben, dann haben wir wieder eine Zeit lang Ruhe vor den Dämonen …"
„Nichts."
„Haruka! Irgendetwas nagt doch an dir. Du weißt, dass du mir alles erzählen kannst."
Leicht nickte Haruka. Doch sie machte keine Anstalten etwas zu sagen. Schließlich stand Michiru wieder auf. Wenn sie nicht reden wollte … Doch Haruka hielt sie am Arm fest und zog sie wieder auf das Fensterbrett.
„Als ich bewusstlos war, hatte ich einen seltsamen Traum. Er erschien mir so real …" Langsam berichtete sie von dem Traum. Michiru unterbrach sie kein einziges Mal und auch als Haruka geendet hatte, sagte sie nichts.
„Du hast die Vergangenheit gesehen. Du hast einen Teil des Lebens von Prinzessin Uranus gesehen", erklang plötzlich eine weitere vertraute Stimme.
„Lauscht du immer?", entgegnete Haruka.
„Nein, eigentlich nicht."
„Du sagtest, Haruka hätte die Vergangenheit gesehen, aber mir ist soetwas nicht bekannt", warf Michiru ein.
„Irgendwann wirst auch du dich wahrscheinlich erinnern, Michiru. Ansonsten ist es ein Teil der Vergangenheit, über den ich nicht gerne rede. Ich würde ihn am liebsten vergessen. Doch ich kann nicht. Die Bilder von damals haben sich in meinen Kopf eingebrannt." Setsunas Herz schmerzte, als sie an den Tag zurückdachte.
„Aber hieß es nicht stets, wir wären in der Schlacht gestorben, so wie die anderen Kriegerinnen?", entgegnete Haruka.
„Das seit ihr auch. Ich weiß nicht, wie es möglich war, aber als die große Schlacht begann und ein Teil der inneren Kriegerinnen kaum mehr kämpfen konnte, da standet ihr auf einmal da und habt Seite an Seite mit ihnen gekämpft, um die Königin zu beschützen, wegen der ihr euch umgebracht habt. Ihr seit aus der Unterwelt zurückgekehrt, um das Mondreich zu beschützen", berichtete Setsuna. Vor ihrem inneren Auge sah sie erneut die Bilder vor sich. Doch auch mit der Unterstützung von Uranus und Neptun konnte das Reich nicht gerettet werden. Die Königsfamilie und alle Sailorkriegerinnen- mit Ausnahme von Pluto- starben.
Jahrhunderte wachte Pluto alleine über das Sonnensystem und wartete den Tag ab, an dem die Kriegerinnen wieder erwachen würden.
Sie besiegte Dämonen, die glaubten, sich das gefallene Mondreich einverleiben zu können. Doch jeder war an der kalten, einsamen Kriegerin des Plutos gescheitert. Auch Tora. Jahrhunderte des Wartens. Jahrhunderte der Einsamkeit.
Und was für einen Stich fühlte sie in ihrem Herzen, als Uranus und Neptun erwachten und sie sich erneut verliebten. So wie damals. Welche Angst sich in Pluto ausbreitete, dass sie dasselbe wie damals noch einmal geschehen würde. Das sie noch einmal mit ihren Augen zusehen müsste, wie sich ihre zwei engsten Freundinnen gegenseitig umbrachten, da sie keinen anderen Weg sahen. Sie hatte stets Angst, dass sich die Vergangenheit erneut wiederholen würde und sie es erneut nicht schaffen würde, ihre Augen abzuwenden.
„Es wird nicht wieder geschehen", versprachen Michiru und Haruka, die Setsunas Blick gesehen hatten.
„Es ist bereits geschehen. Damals mit den Talismanen. Neptun war tot und Uranus schoss sich selbst den Herzkristall aus dem Körper. Wenn eine von euch stirbt, stirbt auch die andere, da ihr nicht von einander getrennt sein könntet", entgegnete Setsuna und verließ schweigend den Raum. Sie hatte mehr preisgegeben, als jemals zuvor.
Schweigend sahen die beiden Setsuna nach.
