So, in diesem Kapitel ein weiterer roter Faden zu ende geführt (ich hätte nicht so viele Fäden verlegen sollen …). Heute geht es darum, ob Haruka noch in der Lage sein wird Rennen zu fahren.

Und nun eine kleine Vorwarnung: ich kenn' mich zwar mit Formel 1 aus, aber nicht unbedingt mit Motorradrennen. Darum verzeiht es mir, wenn nicht alles ganz der Wirklichkeit entspricht!

In diesem Sinne: viel Spaß beim Lesen und beim Rennen!

27.

Nervös ging Haruka in der Box auf und ab.
Heute war das Rennen, bei dem sich entschied, wer den Meistertitel für sich beanspruchen durfte.

Seit dem Unfall hatte sie nicht mehr auf einem Motorrad gesessen. Zwar wollte sie, nachdem sie dank Hotarus Kräften wieder geheilt gewesen war, mit dem Training anfangen, doch Kaen hielt nichts davon. Er glaubte nicht an „Wunderheilung".

Beinahe täglich hatte sich Haruka anhören müssen, sie solle aufhören, so zu tun, als wäre alles in Ordnung.

Unruhig zupfte sie am Reißverschluss ihres Overalls herum. Sie sah auf die Uhr. Noch eine knappe viertel Stunde. Sie wusste, dass die Menschen, die ihr am meisten bedeuteten heute anwesend waren und auf sie setzten.

Ich hoffe ich werde ihren Anforderungen gerecht. Ich hoffe, ich werde meinen Anforderungen gerecht …"

Haruka würde es nie zugeben, doch etwas flau war ihr schon. Als sie das letzte Mal auf einem Motorrad saß, endete sie auf der Intensivstation.

Ihre Augen wanderten unruhig hin und her, als sie Joey beobachtete, der noch einmal ihre Maschine kontrollierte.

Oh Gott!" Sie fuhr sich mit der Hand durch die kurzen blonden Haare.

Erneut fiel ihr Blick auf die Uhr. Nicht mehr lange, dann würde es losgehen.

„Haruka."

Erschrocken drehte sie sich um.

Sie sieht aus wie ein Engel …"

Michiru umarmte Haruka kurz und küsste sie.

„Viel Glück. Ich weiß, dass du gewinnen wirst, Ruka", flüsterte sie ihr ins Ohr.

Sie wünscht mir Glück, obwohl ihr lieber wäre, wenn ich gar nicht erst teilnehmen würde."

Haruka war bewusst, dass Michiru jedesmal einen halben Herzinfarkt erlitt, wenn sie ein Rennen fuhr.

„Hier, ich hab' noch etwas für dich", sagte Michiru und entnahm von ihrem Hals eine schmale Kette, die sie schon seit Jahren trug. Für die Meereskriegerin war sie eine Art Glücksbringer.

Rasch hatte sie sie Haruka angelegt und unter dem Overall versteckt.

„Sie wird dir Glück bringen."

„Danke", flüsterte Haruka.

Verdammt, sie würde doch nicht vor so einem einfachen Rennen Angst haben. Sie kämpfte gegen Dämonen, ohne auch nur einen Funken Angst zu verspüren. Da würde sie doch so ein Rennen meistern können.

„Tenou, du musst raus!", erklang die Stimme von einem der Mechaniker.

Haruka nickte, zog sich den feuerfesten Schutz über und setzte dann den Helm auf. Sie schloss ihren Overall bis ganz oben und zog die Klettverschlüsse an den Handschuhen fest.

Sie setzte sich auf die Maschine und warf Michiru einen letzten Blick zu, ehe sie das Visier schloss.

Joey klopfte ihr noch aufmunternt auf die Schulter, als sie den Motor startete und aus der Box hinausfuhr.

Sie ordnete sich bei den anderen Fahrern ein und fuhr auf ihren Startplatz vor. Da sie noch immer in der Wertung führte und somit automatisch qualifiziert war, startete sie von der Polposition.

Plötzlich knackte es in ihrem Ohr. Die Funkverbindung mit der Box.

„Hör zu, Haruka. Fahr einfach dein Ding, okay! Es ist egal ob du gewinnst oder verlierst", hörte sie die Stimme von ihrem Trainier.

„Ja", sagte sie nur und blickte kurz über ihre Schulter zu dem Zweitplazierten: Hajin! Ihr stärkster Konkurrent.

Sie blickte wieder nach vorne auf die Ampel, die noch immer auf rot stand. Das würde sie auch noch länger. Denn zuerst würde es eine Aufwärmrunde geben.

In diesem Moment fuhr ein Auto- das Safetycar- auf die Strecke und die Fahrer folgten ihm. Ständig fuhren sie Schlangenlinien, um die Reifen aufzuwärmen. In jeder Kurve glaubte Haruka die Schwerkraft zu spüren, die sie zu Boden reisen wollte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und sie glaubte zu spüren, wie ihre Hände am Lenker zitterten.

Verdammt! Ich habe keine Angst!"

Schließlich war die Runde beendet und alle stellten sich wieder auf. Das Auto war von der Strecke. Es waren nur noch Sekunden, bis die Ampel auf grün umschalten würde.

Dumpf hörte Haruka die schreiende Zuschauermenge. Doch am lautesten hörte sie ihr Herz, dass in einem unbeständigen, schnellen Rhythmus schlug.

In diesem Moment schaltete die Ampel auf grün. Das Rennen hatte begonnen!

Hajin war eindeutig besser weggekommen, als Haruka. Er lag bereits vor der ersten Kurve auf Platz eins, während Haruka mehrere Plätze verloren hatte und sich letztendlich ersteinmal auf Platz acht einordnete.

Innerlich verfluchte sie sich. Sie hatte gezögert, Gas zu geben. Auch jetzt fürchtete sie sich, zu viel Gas zu geben. Ein Blick in ihren Rückspielgel sagte ihr, dass der Neuntplazierte dicht in ihrem Nacken war.

Im nächsten Moment war er auch schon an ihr vorbei.

„Wie es aussieht, hat Haruka Tenou noch nicht zu seiner alten Form zurückgefunden. Innerhalb einer Runde hat er acht Plätze verloren", erklang es aus den Stationlautsprechern.

Inzwischen waren dreißig Runden gefahren worden. Haruka lag inzwischen wieder auf Platz acht, aber auch nur dank einer genialen Boxenstrategie ihres Teams.

Sie wusste selbst, dass sie sich selbst daran hinderte, zu gewinnen. Immer wieder fluchte sie leise. Sie war wütend auf sich selbst. Wütend, dass Kaen vielleicht doch recht hatte.

Für einen Moment war sie unachtsam gewesen und hatte nicht gesehen, wie der Siebt- und Sechstplazierter miteinander kolidierten. Beide schlidderten über den Asphalt- ins Kiesbett. Eine der beiden Maschienen lag mitten auf der Strecke.

Ein stummer Schrei entwich Haruka, als sie das Motorrad vor sich sah. Sie riss ihre Maschine von der Idealline, kam beinahe in den Kies und wäre selbst fast gestürzt.

Im letzten Moment schaffte sie es, wieder auf die Ideallinie zu kommen und auf dem Motorrad zu bleiben.

„Haruka? Alles in Ordnung?", erklang es aus dem Knopf in ihrem Ohr. Es war die Stimme ihres Trainer, die leicht aufgeregt klang.

„Ja … ja", antwortete Haruka mit brüchiger Stimme.

Sie hoffte inständig, dass ihr Herz in den nächsten Minuten nicht zerspringen würde.

„Haruka, fahr einfach dein Zeug. Es ist egal, ob du als Erste oder als Letzte ins Ziel kommst. Hauptsache du baust nicht auch noch einen Unfall."

„Ja …"

Nun lag Haruka an sechster Stelle und es waren noch zwanzig Runden zu fahren. Und damit sie den Weltmeistertitel gewann, musste sie gewinnen und Hajin höchstens Dritter werden.

Jetzt stell dich nicht so an! Du hast doch sonst kein Problem damit, Kamikaze zu fahren! Und so ein kleiner Unfall wird dich doch nicht aus der Bahn werfern?

Du kämpfst ständig gegen Dämonen und hast dabei den Tod stets vor den Augen. Also stell dich gefälligst nicht so an!"

Verwirrt schüttelte Haruka etwas den Kopf. Was war das für eine Stimme in ihrem Kopf? Waren das etwa Nebenwirkungen von Hotarus heilenden Händen?

Ich bin du! Grob genommen. Ich bin der Teil von dir, der Sailor Uranus verkörpert! Du wolltest stets wie der Wind sein, Haruka, und du weißt, dass du der Wind bist, also sei gefälligst auch der Wind!"

Erneut schüttelte Haruka etwas den Kopf. Begann sie nun schon zu haluzinieren?

Aber irgendwo hatte die Stimme doch recht, oder?

Ach verflucht!", dachte Haruka und gab Gas.

Innerhalb weniger Sekunden war sie dicht an ihrem Vordermann dran. In der Kurve setzte sie zum Überholen an und zog mühelos an dem Fahrer vorbei.

Da waren es nur noch vier!", dachte sie.

Innerhalb der nächsten zehn Runden hatte sich Haruka auf Platz zwei vorgearbeitet. Nur noch Hajin war vor ihr. Er würde besonders schwer zu überholen sein. Immer wieder setzte Haruka zum Übeholen an, machte dann aber doch wieder einen Rückzieher, da es zu gefährlich wäre.

„Noch zwei Runden!", konnte sie den Sprecher sagen hören.

Harukas eine Hand löste sich für einen kurzen Moment vom Lenker und wanderte zu der Stelle ihres Overalls, unter der die Kette von Michiru lag.

Ich weiß, dass du gewinnen wirst, Ruka", hallte Michirus Stimme in ihrem Kopf nach.

Sie müsste in der nächsten Kurve überholen, um noch eine Chance zu haben und dann darauf hoffen, dass Hajin auf den letzten Metern noch ein Fehler unterlaufen würde.

Die Haarnadelkurve …" Normalerweise überholte man nicht in dieser Kurve. Das Risiko war viel zu hoch, dass man die Kontrolle verlor.

Du wolltest stets wie der Wind sein, Haruka, und du weißt, dass du der Wind bist, also sei gefälligst auch der Wind!", hörte sie die Stimme von vorhin in ihrem Kopf nachhallen.

Ja, sie war der Wind! Niemand würde sie stoppen können. Kein Dämon und erst recht nicht ein einfacher Mensch!

„Haruka! Was immer du vorhast, lass es!", hörte sie die Stimme ihres Trainers.

Erneut beschleunigte sie und sah, wie die Motordrehzahl langsam in den gefährlichen Bereich kam. Als sie nur wenige Zentimeter hinter Hajin in die Kurve fuhr, ging sie auf die gefährliche Innenlinie und gab erneut Gas.

Alle auf der Rennstrecke hielten den Atem an. Jeder der bisher versucht hatte, in dieser Kurve zu überholen, wurde von den Gesetzen der Physik wieder frühzeitig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Haruka spürte, wie ihre Maschine leicht zu driften begann. Es war wirklich schwierig in der Innenseite der Kurve die Kontrolle zu behalten.

Doch dem schenkte sie herzlich wenig Beachtung. Sie würde eins sein mit dem Wind. Niemand würde sie aufhalten können.

Ein letztes Mal gab Haruka Gas und zog nun gleich mit Hajin. Als dieser sie sah, traute er erst seinen Augen nicht. Doch um nichts in der Welt würde er Tenou vorbeilassen. Somit zog er ebenfalls auf die Innenlinie. Aber er kam weitausweniger mit den Bedingungen dort zurecht.

Mit einem leicht schadenfreudigen Grinsen auf den Lippen sah Haruka, wie er immer mehr die Kontrolle verlor. Schließlich konnte er nicht mehr länger der Schwerkraft trotzen und musste notgedrungen abbremsen, um nicht vollends von der Maschine zu fliegen.

Das war Harukas Chance.

Mühelos zog sie vorbei und führte nun das Feld an. Noch immer fuhr sie mit Höchstgeschwindigkeit. Bedrohlich eng nahm sie die Kurven.

Ja, sie war eins mit dem Wind. Sie war der Wind! Nichts und niemand konnte sie daran hindern.

Ein letztes Mal fuhr sie über die Start- und Ziellinie. Noch eine Runde, dann würde der Titel ihr gehören, denn Hajin war irgendwo auf Platz fünf gelandet und konnte sie nicht mehr erreichen.

Ein letztes Mal nahm sie die enge Haarnadelkurve, der sie es vedankte, dass Hajin so weit abgerutscht war.

Es kam Haruka wie ein Traum vor, als sie über die Ziellinie fuhr und die schwarz- weiß- karierte Fahne sie abwinkte.

Die Menge brach in Jubelgeschrei aus. Nicht nur, dass Haruka Tenou als jüngster Rennfahrer den Meistertitel gewonnen hatte, nein, er hatte auch noch einen neuen Bahnrekord aufgestellt.