Epilog
Mit Schwung stieß der Professor die Tür zum Klassenzimmer auf, aus dem das leise Gemurmel der wartenden Siebtklässler aus Gryffindor und Ravenclaw auf den Gang drang. Er tat einen tiefen Atemzug, stützte sich auf seine Krücken und humpelte in den Raum. Als er sich schließlich am Lehrerpult aufgestellt hatte und die Klasse aus blitzenden schwarzen Augen fixierte, war auch der letzte Ton seitens der Schülerinnen und Schüler drückendem Schweigen gewichen. Die Klasse starrte ihn mit einer Mischung aus Unglauben und angespannter Erwartungshaltung an, und während er tief Luft holte, zog sich sein rechter Mundwinkel unwillkürlich kräuselnd nach oben.
„Sie sind hier, um sich von mir in der effektiven und effizienten Methodik der Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterweisen zu lassen. Auch wenn einige unter Ihnen angesichts des Ablebens des Dunklen Lords der Ansicht sein sollten, der Stellenwert dieses Fachs hätte sich reduziert – dem ist nicht so."
Er machte eine Pause und ließ seinen Blick über die Bankreihen gleiten. Die Schüler und Schülerinnen schienen den Atem anzuhalten – es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören hätte können.
„Ich werde Sie lehren, wie man sich vor fatalen Giften schützt, dunkle Flüche abwehrt und sich gefährlichen Kreaturen erfolgreich entgegenstellt", fuhr er geschmeidig fort. „Und nachdem dieses Jahr Abschlussprüfungen anstehen, haben wir viel zu tun und keine Zeit zu verlieren. Schlagen Sie nun Seite fünf in Ihren Büchern auf und lesen Sie das erste Kapitel."
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Am Tag nach der Ordensverleihung war er wie vom Schulleiter gewünscht in dessen Büro erschienen. Nachdem sie die üblichen Grußformeln ausgetauscht und er sich gesetzt hatte, musterte ihn Dumbledore mit einem Lächeln auf den Lippen.
„Wann kannst du denn wieder arbeiten, Severus?" fragte er mit unschuldiger Miene.
Snape hob eine Augenbraue. „Poppy meint, in ein bis zwei Wochen."
„Ausgezeichnet", lächelte Dumbledore. „Kannst du bis in zwei Wochen einen aktualisierten Lehrplan für Verteidigung gegen die Dunklen Künste zusammenstellen?"
„Ich befürchte, ich verstehe nicht…" antwortete der Tränkemeister zögernd. Verlangte Albus etwa von ihm, dass er die Vorbereitung für den neuen Professor erstellte? Das konnte doch nicht sein Ernst sein!
„Nun, du möchtest doch wohl nicht völlig unvorbereitet mit dem Unterricht beginnen, nicht wahr?" gluckste der Schulleiter amüsiert.
„Was…" Snape blieb der Mund offen stehen. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
„Du solltest dein Gesicht sehen", lachte Dumbledore – woraufhin der Slytherin den Mund wieder schloss und seine Haltung straffte.
„Soll das heißen, dass…"
„Du stehst doch noch zu deiner Bewerbung, wie ich hoffe?"
„Natürlich", antwortete Snape und runzelte die Stirn. „Dies kommt allerdings ein wenig unerwartet…"
„Nun, Severus", sagte Dumbledore, und sein Gesicht wurde ernst. „Mit der endgültigen Vernichtung Voldemorts hat sich auch in diesem Fall hier die Perspektive ein wenig verschoben. Ich denke, dass du nun bereit bist, die Aufgabe zu übernehmen."
„Danke, Albus", antwortete der Tränkemeister bemüht gefasst. „Danke für dein Vertrauen. Ich werde sofort mit der Zusammenstellung des Lehrplans beginnen."
„Sehr gut", lächelte der Schulleiter. „Was die Zaubertränkestunden betrifft – du kannst natürlich nicht zwei Fächer gleichzeitig übernehmen. Ich hätte einen vielversprechenden Junglehrer gefunden, der den Unterricht in den unteren Stufen übernehmen könnte. Somit blieben dir nur mehr die beiden höchsten Jahrgänge für die Stunden für Fortgeschrittene – sofern dir dies so recht wäre, natürlich", fügte er hinzu.
Snape schluckte. Dies würde bedeuten, dass er sich nicht mehr mit den kleinen Bälgern herumschlagen müsste. Und am Kurs für Fortgeschrittene nahmen im Allgemeinen nur Schüler teil, die sich tatsächlich für die Zaubertrankkunst interessierten, was die Zusammenarbeit mit ihnen somit zumindest halbwegs erträglich gestaltete. Bemüht, sich die Freude über diese Aussichten nicht allzu offensichtlich anmerken zu lassen, holte er tief Luft.
„Selbstverständlich ist mir das recht, Albus."
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Und ebenso selbstverständlich stürzte er sich förmlich über die Erstellung des neuen Lehrplans. Der angekündigte Junglehrer stellte sich zu Snapes Überraschung sogar als ansatzweise kompetent heraus und konnte gleich nach seiner Ankunft die Zaubertränkestunden von Professor Sprout übernehmen.
Außerdem bestellte er im Lauf der Woche MacKinnock und einige weitere verhaltensauffällige Schüler seines Hauses zu sich und führte mit ihnen ein längeres, eindringliches Gespräch. Er wusste, dass sich damit das Problem nicht grundsätzlich lösen ließ, aber er hatte zumindest Hoffnung, dass sich die Situation verbessern würde. Und die Zeit würde ihr übriges dazu leisten…
Vor einigen Tagen hatte er schließlich auch wieder an das Kuvert gedacht, das ihm Arthur gegeben hatte, und welches er nach der Ordensverleihung auf den Kaminsims gelegt und einstweilen vergessen hatte. Just in dem Moment, als er es geöffnet hatte und Haufen bunter, seltsam zusammengefalteter Papiere daraus in seinen Schoß gefallen war, war Kingsley zu Besuch erschienen.
„Was ist das denn?" fragte der Ravenclaw, als er sich setzte.
Snape überblätterte die seltsamen Zettel verwundert, während er mit der anderen Hand ein wenig geistesabwesend die Narbe an seiner Stirn kratzte. Die Papiere waren offensichtlich von Muggelnatur, denn die Photographien und seltsamen Illustrationen darauf bewegten sich nicht.
„Arthur hat es mir gegeben", antwortete er. „Es scheinen Broschüren zu Muggelmedizin zu sein… Orthopädie… Prothesen…"
„Vielleicht wäre das etwas für dich", sagte Kingsley. „Es gibt nicht wenige Bereiche, in denen die technologischen Forschungsergebnisse der Muggel unseren magischen Lösungen zumindest ebenbürtig sind. Zeig einmal her…"
Hoffnung keimte in dem Slytherin auf, während er Kingsley ein paar der Papiere reichte. Ein neues Bein…? Sein Herz begann schneller zu schlagen bei diesem Gedanken. Doch dann verzog er das Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Poppy hat gesagt, diese Dinge funktionieren nicht in unserer Welt", sagte er leise.
„Severus", erwiderte Kingsley ernst. „Nichts gegen Poppy – sie ist eine ausgezeichnete Heilerin, aber sie ist keine Spezialistin für Muggelorthopädie. Du solltest auf jeden Fall mit ihr darüber sprechen und ihr diese Papiere zeigen."
Snape stieß ein trockenes Lachen aus. „Und zu welchem Zweck? Nur um dann zu erfahren, dass es doch keine Lösung gibt? Ich habe drängendere Dinge zu erledigen als mich unerfüllbaren Illusionen hinzugeben."
Kingsley schüttelte den Kopf und lächelte. „Unterschätze die Muggel nicht, Severus. Das ist ein grundlegendes Problem unserer Gesellschaft, wenn ich das so sagen darf. Du wärst manchmal verblüfft, mit welch innovativen Methoden sie ihren Mangel an Magie ausgleichen. Und ich gehe davon aus, dass dies in ihrer Heilkunst nicht anders ist."
„Pah", stieß Snape geringschätzig aus und legte die Broschüren auf den Beistelltisch. Er hatte nicht vor, sich nun aufs Neue frustrieren zu lassen – nach allem, was er durchgemacht hatte.
Und dennoch – die Sache hatte ihm keine Ruhe gelassen. Kingsleys Worte klangen ihm den gesamten weiteren Nachmittag in den Ohren – so vehement, bis er schlussendlich doch Madam Pomfrey kontaktierte und ihr Arthurs seltsame Zettel zeigte. Die Augen der Heilerin hatten sich interessiert geweitet, als sie die medizinischen Berichte überflogen hatte. Und noch am selben Tag hatte sie sich mit St. Mungos in Verbindung gesetzt, um den Kontakt zu den entsprechenden Muggelinstitutionen aufzubauen und die weitere Vorgehensweise zu planen.
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In Gedanken versunken saß der Professor hinter seinem Pult, während die Klasse still das erste Kapitel des Lehrbuchs las. Sein Blick ging über die Köpfe der Schüler hinweg ins Leere, und er bemerkte gar nicht, dass er unwillkürlich lächelte. Als er ein Augenpaar auf sich ruhen fühlte, verengte er die Lider und seine Augen fokussierten sich auf den Ursprung dieses Blicks – zwei hellgrüne Augen hinter runden Brillengläsern.
Der Slytherin fühlte sich seltsam ertappt und adjustierte sein Mienenspiel wieder in einen – seinem Unterricht angemessenen – Gesichtsausdruck. Doch Potter senkte seine Augen nicht wieder auf sein Buch. Stattdessen reckte er das Kinn in die Höhe und hielt dem Blick des Professors stand.
Und während sich ein verschmitztes Lächeln auf dem Gesicht des jungen Mannes breit machte, hob er unauffällig die Hand und berührte – mit einem leichten, anerkennenden Kopfnicken – seine Narbe.
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– Finis –
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Schlussbemerkungen und Danksagungen:
Sodala, das war's. ;-)
Ich hoffe, es hat euch alles in allem so halbwegs zugesagt, und das Lesen hat euch ebensoviel Spaß gemacht wie mir das Schreiben dieser kleinen Geschichte. Mein Dank gilt (vor allem) Persephone Lupin, ohne deren Unterstützung es diese Fic wohl nie gegeben hätte, Ermione, die mir maßgeblich bei den letzten beiden Kapiteln geholfen hat und selbstverständlich meinen vielen lieben Reviewerinnen und Reviewern, deren Kommentare mich einerseits (selbstverständlich) sehr gefreut haben, und die mir mit Anmerkungen und Kritik nicht unwesentlich beim Schreiben weitergeholfen haben.
Diese Fic war meine erste (lange) Geschichte, und ich habe im Zuge des Schreibens derselben viel gelernt und mich (hoffentlich) weiterentwickelt. Ich kenne die Kritikpunkte der Geschichte, habe aber auch meine kleinen Favoriten unter den Kapiteln – also die, die ich besonders genossen hab zu schreiben.
Und somit habe ich auch eine abschließende Bitte (dann laß ich euch in Ruh' ;-)) – ich würde mich freuen, wenn ihr mir sagen würdet, was (welche Kapitel, Szenen,…) euch besonders gefallen oder missfallen hat. Diese Bitte würde ich auch an die anonymen Leserinnen und Leser richten (man kann ja auch problemlos anonyme Reviews hinterlassen) – eure Meinung würde mir sehr bei etwaigen zukünftigen Geschichten helfen. Vielen Dank!
XiaoGui :-)
