Die Reise beginnt

Die Fleute, ein holländisches Handelsschiff, lag friedlich im Hafen von Port Royal, als Heather und Elliott ankamen.

Um den richtigen Eindruck zu machen, trug Elliott beide Taschen und Heather fächelte sich, wie eine richtige Dame, etwas Luft mit einem Fächer zu.

Der Kapitän, Kapitän Barmky, verzog verächtlich das Gesicht, als Heather und Elliott an Bord kamen, sagte wegen des ausgemachten Preis für die Überfahrt jedoch nichts.

Den beiden wurde eine kleine, viel zu enge Kabine zugewiesen.

Es gab nur ein Einzelbett, daß sich Heather und Elliott für die nächsten drei Nächte teilen mußten.

Sie stellten ihre Taschen ab und mußten sofort wieder an Deck, denn in der Kabine war es noch wärmer, als draußen.

Als Heather und Elliott gerade an Deck kamen, wurden die Leinen eingeholt und die Landungsbrücke an Deck verstaut. Niemand war am Kai, um dem Handelsschiff zu winken und ihm eine gute Reise zu wünschen.

Heather setzte sich beim Heck, weit entfernt von Kapitän Barmky, auf eine Holzkiste und sah verträumt der immer kleiner werdenden Stadt hinterher.

„Hängst du so sehr an dieser Stadt?" fragte Elliott plötzlich als er sich unbemerkt hinter Heather gestellt hatte.

„Nein, ich habe nur sehr lange dort gelebt", sagte sie traurig, doch plötzlich änderte sich ihr Gesichtsausdruck.

„Lass uns in die Zukunft sehen. Lass uns die Vergangenheit hinter uns lassen, wobei...Wer war das Mädchen bei dem du die Nacht verbracht hast?" fragte sie ihn mit einem schelmischen Grinsen.

„Welches Mädchen?" fragte er scheinheilig zurück, wurde aber über und über rot im Gesicht.

„Na, die Rothaarige? Arbeitet sie auch im Haus des zukünftigen Gouverneurs?"

„Ach, komm, hör doch auf."

„Du weißt nicht einmal ihren Namen?" Heather konnte es kaum glauben.

„Sie wird sich sicher die Augen nach dir ausweinen, wenn du heute abend nicht zu ihr kommst", zog sie ihren Freund auf und lachte.

Die Matrosen sahen verwundert zu den beiden herüber, doch das merkte sie nicht einmal.

Sie legte ihre Arme auf die Reling und sah in das tiefblaue Wasser. Kleine Schaumkronen tanzten um das Schiff herum und ließen eine lange Spur zurück.

Die Luft wurde langsam kühler und angenehmer. Heather bekam sowieso schon zu wenig Luft in ihrem Korsett und atmete die frische Brise wie ein Ertrinkender ein. Die Sonne stand nicht mehr im Zenit und ließ das Wasser und die Wellen golden schimmern.

Das Leben auf einem Schiff hatte sie schon immer fasziniert, doch das Ende ihrer Mutter hatte sie dagegen bis ins Herz getroffen. Und so hatte sie Schiffe bisher immer gemieden.

Heather summte ein Lied vor sich hin. Elliott war, nachdem sie ihn mit seiner Freundin aufgezogen hatte, unter Deck verschwunden.

„Trinkt aus Piraten, joho!" sang sie leise, als sich plötzlich ein Schatten neben sie stellte.

„Mrs. Adams. Von Piraten sollten sie gar nicht erst singen. Dann werden sie uns nämlich heimsuchen", sagte der erste Maat Hornsby.

„Wenn sie schon eine Frau mit an Bord nehmen, Commander Hornsby, dann haben sie nichts mehr zu befürchten. Außerdem sind sie doch schon wirklich zu alt für Piratengeschichten, oder?" fragte sie ihn liebenswürdig, doch er stampfte nur wütend davon, während er vor sich hinschimpfte.

Elliott sah ihm verwundert hinterher, als der erste Maat an ihm vorbei ging.

„Du bist kaum eine Stunde auf diesem Schiff und schon hast du Feinde", sagte er, während er sich neben sie setzte.

„Es ist sein Pech, wenn er sich nicht mit mir unterhalten kann. Ich bin doch nun wirklich kein kleines Kind mehr!" sagte sie brüskiert und sah ihn an.

„Nein, das bist du auf alle Fälle nicht mehr." Stimmte er ihr zu.

Heather lehnte sich an ihn und gemeinsam fuhren sie in die stille Nacht hinein.

Viel später, nachdem die beiden schon gegessenen hatten, saßen Heather und Elliott immer noch zusammen und starrten auf das glitzernde Wasser.

„Erzähl mir mehr von deiner Mutter. Erzähl mir etwas von Kadidja Adams", bat Elliott sie, doch sie zögerte.

„Es gibt nicht viel über sie zu erzählen. Sie wurde erst von meinem Vater verlassen und dann von diesen Freddy Davis, ihrem zweiten Mann verlassen. Das hat sie damals nicht verkraften können", begann sie leise zu erzählen.

„Hat sie ihn deshalb umgebracht?" fragte Elliott.

„Nein, nicht nur deshalb. Er hatte ihr Gold geklaut. Elliott, sie war nicht brutal, wie es in den Steckbriefen immer hieß. Sie war eine liebevolle und fürsorgliche Mutter, doch wenn es um uns ging, wenn mir etwas zugestoßen wäre, dann wäre sie eine ganz andere geworden."

„Das hatte sie wohl von ihrer eigenen Mutter", unterbrach sie Elliott.

„Nein, ich denke Morgan war ganz anders. Morgan war eine stolze Piratin und selbst ihre Familie mußte sich dem unterordnen. Meine Mutter hat sehr unter dieser Vernachlässigung gelitten..."

„Und trotzdem war das Meer der einzige Platz, wo sie sein wollte."

„Ja! Aber wenn du mich noch einmal unterbrichst, dann höre ich auf dir etwas zu erzählen!" Sie sah ihn abschätzend an, doch als er nichts mehr sagte, begann sie weiterzureden.

„Ich glaube, das Leben auf einem Schiff war das einzige, was sie nicht aufgeben konnte. Es wundervoll auf der Morning star zu leben. Jeden Morgen wurde man vom Geräusch der Wellen geweckt und abends ging man damit ins Bett. Ich möchte diese Zeit nicht missen, doch habe ich mir ein anderes Leben ausgesucht. Die Piraterie hat schon genug Opfer in meiner Familie gefunden. Ich wollte diesen Schicksal aus dem Weg gehen. Manchmal wünschte ich mir, daß meine Mutter immer noch bei mir wäre und gemeinsam würden wir die Weltmeere unsicher machen. Ich muß jedoch immer wieder an den Tag denken, als sie starb. Im letzten Augenblick sagte sie mir noch, daß sie mich liebte."

Ihre Stimme versagte und sie zog die Arme schützend um sich. eine dicke Träne kullerte ihr über die Wange und fiel auf ihr Kleid.

„Heather", sagte Elliott leise und zog sie noch mehr in seine Arme, „Ich werde immer für dich da sein."

„Ach, findest du neben deinen Liebeleien auch noch andere Sachen wichtig?" fragte sie scherzhaft und setzte sich etwas von ihrem Freund weg.

„Bin ich froh, daß du immer und überall gute Laune hast. Es ist fast, als könnte dich nichts mehr erschüttern."

„Doch, es gäbe einige Sachen. Eine ist die, daß ich den Säbel meiner Großmutter verloren habe. Wenn sie das wüßte, würde sie sich im Grab umdrehen", sagte Heather und lachte.

„Ich denke, wir sollten langsam schlafen gehen", warf Elliott ein und zog Heather beim aufstehen mit sich.

„Laß mich hier liegen. Es wäre wunderbar unter dem Sternenhimmel zu schlafen."

„Bloß nicht. Dann würde die ganze Crew dich anstarren und das die ganze Nacht lang."

Noch bevor Heather sich wehren konnte, hatte Elliott sie hochgehoben und trug sie quer über das Deck bis in ihre Kabine.

Dort legte er sie vorsichtig auf das Bett und zog ihr die Schuhe aus.

Noch bevor er etwas anderes machen konnte, setzte sie sich auf und stieg aus dem Bett.

Sie kramte solange in ihrer Tasche, bis sie ein langes Nachthemd gefunden hatte. Hinter einem quer durch den Raum gespannten Laken zog sie sich schnell um und bürstete sich danach die Haare. Ihre braunen Locken waren schon wieder nachgewachsen und umrahmten ihr sonnengebräuntes Gesicht. Sie fielen ihr bis auf den Rücken und sie band sie nur lose mit einem Band zusammen.

Als sie wieder hervorkam lag Elliott auf dem Bett und las in einem Buch.

Er hatte sein Jackett und das Hemd ausgezogen und ordentlich über das Bettende gelegt.

Sie konnte verstehen, warum ihm so viele Frauen zu Füßen lagen. Er sah mit seinem athletischen Körper und der sonnengebräunten Haut wunderbar aus, so daß jede Frau ins schwärmen kommen konnte.

Selbst die häßliche Perücke, die er im Haus des Gouverneurs tragen mußte, konnte ihn nicht entstellen.

Heather stieg schnell über ihn drüber und kuschelte sich neben ihn in die ungemütliche Matratze.

Das schaukeln des Schiffes erinnerte sie sehr an ihre Kindheit auf der Morning star. Der Gedanke an das Schiff ihrer Vorfahren war der letzte, bevor sie in die Welt der Träume hinab sank.

Der Gedanke, von den ersten Sonnenstrahlen des Tages geweckt zu werden, machte Heather wach.

Doch als sie sich umdrehte, aus der Umarmung von Elliott löste und aus dem Bullauge sah, verschwand ihre gute Laune mit einem Schlag.

Draußen tobte der schlimmste Regenguß seit Jahren und in den nächsten paar Stunden würde sich das auch nicht ändern.

So legte sie sich wieder neben Elliott, wo sie sofort von ihm in Beschlag genommen wurde.

Er lag auf dem Bauch und rieb seine Wange an ihrer Schulter. Dabei murmelte er etwas, daß wie Magda klang.

Mißbilligend zog Heather die Augenbraue hoch und kuschelte sich an Elliott.

Sie konnte nicht wieder einschlafen, obwohl sie die nächsten vier Tage verschlafen wollte, wenn sich das Wetter nicht ändern würde.

Sie drehte sich von einer Seite auf die andere, wurde jedoch von Elliotts Umklammerung behindert und eingeengt.

Ein paar mal schob sie ihn aus seine Seite des Bettes zurück, doch er kam immer wieder zu ihr zurück.

Selbst das Rufen seines Namens, noch das kräftige Schütteln brachten ihn davon ab.

Irgendwann wurde es ihr zu bunt. Sie löste seine Hände von ihrer Hüfte und kniete sich hin.

Sie stemmte die Füße gegen die Wand und schob Elliott immer weiter auf den Rand des Bettes zu, bis er mit einem lauten Krachen auf dem Holzboden aufschlug.

Benommen richtete er sich auf und sah sie schlaftrunken, aber böse an.

„Was soll das, Heather?"

„Ich bin nicht dein Kissen und versuche selbst zu schlafen."

„Aber deshalb brauchst du mich noch lange nicht aus dem Bett werfen!"

„Erstens habe ich dich nicht geworfen, sondern geschoben und zweitens, nächstes Mal werde ich dir die Nase zuhalten!"

„Ist ja schon gut. Es wird kein nächstes Mal geben. Darf ich jetzt wieder ins Bett kommen? Ich verspreche, ich werde dich auch nicht mehr einengen. Du kannst soviel Platz haben, wie du willst."

„Okay", sagte sie und rutschte ein Stück zur Seite, doch anstatt wieder ins Bett zu krabbeln stand Elliott auf, öffnete die Tür und war verschwunden.

Heather sah ihm sprachlos hinterher.

Nach einiger Zeit, die sie damit verbrachte in das triste Grau in Grau zu sehen, kam er wieder.

Er hatte einen kleinen Korb bei sich und stellte ihn freudestrahlend vor Heather auf das Bett.

„Was ist das?" fragte sie verwundert.

„Das, meine Liebe, ist unser Frühstück."

Elliott setzte sich neben sie ins Bett und packte die Leckereien aus, die er mitgebracht hatte. Obwohl das Schiff nicht allzu gut für Passagiere ausgerüstet war, fehlte es bei diesem Frühstück an nichts.

An den nächsten drei Tagen, an denen es wie Heather vorhergesehen hatte auch regnete, frühstückten Heather und Elliott wieder in ihrer Kabine.

Gerüchte wurden unter der Crew laut, doch da die beiden offiziell als Ehepaar reisten, machten sie sich keine Sorgen darum.