„Setzt die Segel ihr lahmen Ratten!"rief Luna und lief über das Deck.
„Nehmen wir Kurs Nord, Nord- Ost!"
Sofort hatten sich die erfahrenen Seeleute auf das Schiff eingestellt und gemeinsam zogen sie die Segel herunter.
Die Schaluppe manövrierte sich langsam aus der engen Hafeneinfahrt, als plötzlich ein ohrenbetäubender Schuß ertönte.
„Sie schießen auf ihr eigenes Schiff!"rief Mr. Miller, als knapp neben ihnen eine Kanonenkugel das Wasser aufspritzen ließ.
An Land hatten sich einige Soldaten eingefunden, die eine fahrbare Kanone an die Hafenmauer gerollt hatten. Mit dieser einen Kanone versuchten sie nun ihr Schiff aus den Fängen der Freibeuter zu holen, doch schon hatte die Schaluppe an Fahrt gewonnen und das offene Meer erreicht.
„Laß mich mal sehen!"befahl Elliott Heather und zog vorsichtig den nassen Lappen von ihrem Kinn weg.
Ein dunkelgrüner Fleck zierte ihr Kinn und zeigte den Abdruck des Gewehrkolbens des Soldaten.
„Du siehst aus, als hättest du dich geprügelt", scherzte Elliott, merkte aber sofort, dass Heather nicht zu Scherzen aufgelegt war.
Sie stand ohne ein weiteres Wort auf und ging zu Luna, die am Heck stand und den Steuermann beobachtete.
„Wie machen sich die Männer?"fragte Heather und setzte sich auf die blankgescheuerten Planken.
„Bisher ganz gut. Sie kennen ihr Metier. Was meinst du wie lange wir brauchen?"fragte sie Heather.
„Du meinst, um ihn zu finden?"fragte Heather zurück.
„Ja."
„Solange, wie er braucht, um uns zu finden", erwiderte Heather.
Es entstand eine Pause. Der wind wehte leicht aus südlicher Richtung und die Schaluppe machte gute Fahrt. Sie waren schon lange auf dem offenen Meer, doch die Lichter, der immer kleiner werdenden Stadt waren am Horizont noch auszumachen.
„Wie heißt das Schiff?"fragte Luna plötzlich.
„Ich weiß nicht. Als wir an Bord gekommen sind habe ich ehrlich gesagt nicht so genau darauf geachtet!"sagte Heather lachend und lief zum Bug, doch auch die Männer, die dort arbeiteten konnte es ihr nicht sagen.
Sie rief Elliott zu sich.
„Du mußt mich festhalten", sagte sie und erblickte ein erstauntes Gesicht.
„Wir wollen wissen, wie die Schaluppe heißt und damit ich mich weit genug hinauslehnen kann, um den Namen zu lesen, mußt du mich festhalten", erklärte sie ihrem Freund den Plan.
Luna beobachtete diese Aktion vom Steuerrad aus. Sie war sich zwar sicher, daß der Steuermann den Kurs halten würde, doch sie wollte nicht gleich zu beginn der Reise ihren Platz verlassen.
Als Elliott Heather mit einem Seil festhielt, das sie sich um den Bauch geknotet hatte, mußte sie lächeln. Auch die anderen Männer beobachteten das Schauspiel am Bug mit lachenden Gesichtern.
Heather schnürte derzeit das Seil den Bauch ab, doch es war, als ob sie flöge. Der wind zerzauste ihr das Haar und hin und wieder spritze etwas Meerwasser zu ihr hoch und befeuchtete ihr Gesicht und die Arme.
„Glorious!"rief Heather plötzlich über das ganze Deck. „Sie heißt die „Glorious"!"sagte sie noch einmal, nachdem sie wieder sicher an Deck stand und das Seil ablegte.
„Das ist ein schöner Name! Hoffentlich bringt sie uns auch Ruhm", sagte Luna, die nun auch zu den beiden gekommen war.
Heather gähnte plötzlich und streckte sich ausgiebig.
„Ich werde mich mal unter Deck umschauen. Vielleicht finde ich ja ein gemütliches Bett", sagte sie und verließ die beiden.
Luna machte sich wieder auf den Weg zum Steuerrad. Sie konnte es noch kaum glauben. Endlich war sie wieder auf dem Meer und verfolgte einen der berüchtigtsten Piraten in der ganzen Karibik und das alles nur wegen eines alten Säbels, doch sie hatte Heather noch einen Gefallen geschuldet. Außerdem liebte sie es, wenn der Wind ihr die schwarzen Haare zerzauste und eine kräftige Brise ihre Haut salzig schmecken ließ.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Potter, der Steuermann, ihr plötzlich etwas zurief.
„Käptn! Sehen sie das?"rief er und zeigte mit dem Finger auf den plötzlich vor dem Bug auftauchenden Nebel. Zuerst war es nur ein leichter Nebel, der den wunderschönen Sonnenuntergang verdunkelte, doch je weiter sie segelten, desto dichter wurde er.
„Was ist das ?"fragte Luna verwirrt. „Wir hatten wunderschönes Wetter. Es kann unmöglich Nebel sein!"
„Ich habe keine Ahnung!"staunte Elliott, der nun auch zu den beiden gekommen war.
„Laßt uns die Geschwindigkeit drosseln. Wir wollen nicht mit voller Fahrt gegen ein anderes Schiff krachen!"rief Luna ihre Befehle der Crew zu.
„Könnte das eine Falle sein?"fragte Elliott plötzlich.
„Sei nicht albern", sagte Luna. „Wenn die Royal Navy auch die Interceptor II hier in Tortuga hätte, würde sie uns nicht überholen können. Wir haben mindestens zwei Stunden Vorsprung und sie wüssten nicht genau, wohin wir gesegelt sind. Aber was ich schon komisch finde ist, daß vorher noch nie Soldaten des Königs auf Tortuga waren", grübelte Luna vor sich hin.
„Vielleicht sind sie wegen uns gekommen?"fragte Elliott.
„Ach, woher sollten sie wissen, daß ihr beide nach Tortuga gekommen seid und warum sollten sie euch folgen?"
„Weil Heather sich mit dem Sohn des zukünftigen Gouverneurs geschlagen hat? Sie hat eine wertvolle Vase kaputt gemacht und war nicht sonderlich höflich zu ihm", erklärte Elliott seine Theorie.
„Das ist wohl sehr weit hergeholt, oder?"
„Aber es ist möglich!"
„Alles ist möglich, Elliott", sagte Luna.
„Käptn! Riechen sie das?"fragte Potter und beendete so das Gespräch zwischen Luna und Elliott.
Ein kräftiger Windstoß hatte noch mehr Nebel über das Schiff gelegt, so daß man keine halbe Meile weit mehr sehen konnte.
„Es riecht verbrannt!"sagte Luna und ging zur Reling, doch der Nebel ließ sie nicht weit sehen.
„Laßt uns vorsichtig sein. Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen."
Heather bekam von dem Nebel jedoch nichts mehr mit. Ihr Kinn schmerzte und sie mußte sich unbedingt hinlegen. Mit einer kleinen Lampe bewaffnet durchstöberte sie den Innenraum des Schiffes.
Sie öffnete jede Tür und fand sehr schnell die Kabinen der Soldaten. Fein säuberlich waren die Betten gemacht und nichts lag im Weg. Es war, als ob die Soldaten niemals auf ihren Betten geschlafen hatten. Nur einige Bücher in den Schränken oder Bilder ihrer Familien ließen darauf schließen, daß schon vorher jemand mit diesem Schiff gesegelt war.
Sie ging weiter durch den dunklen Gang, bis sie vor der Kapitänskajüte stehen blieb.
Voller Ehrfurcht öffnete sie die beiden Türen und trat ein. Sie sah sich kurz um, ehe sie die Lampen fand und alle anzündete. Sie stand vor einem großen Ebenholztisch, auf dem allerlei Karten lagen. Der Kapitän der Royal Navy hatte bei sich selbst weniger Wert auf Ordnung gelegt.
Es standen einige Früchte in einer Schale auf dem Tisch, von denen sich Heather sogleich bediente.
Sie stellte die Lampe, die sie mitgebracht hatte, auf den Tisch und setzte sich in den alten Sessel, der in einer Ecke stand. Vor der langen Glasfront am Heck schaukelten einige Öllampen hin und her und tauchten das Zimmer in dämmriges Licht. Hinter ihr waren einige Schränke angebracht, in denen sie nach einigem Suchen, nur Bücher, Karten und einige Waffen fand.
Sogleich steckte sie sich einen wundervoll gearbeiteten Degen ein, ehe sie sich auf das große Bett warf, das rechts neben der Tür stand. Ein großer Überwurf mit kunstvollen Perlenstickereien war darübergelegt worden, doch Heather zog ihn einfach herunter und kuschelte sich in die weichen Kissen.
Durch das beruhigende Schaukeln der Schaluppe und dem leisen Quietschen der Lampen wurde sie langsam immer müder, bis sie ganz in die Welt der Träume hinabgesunken war.
Ein kräftiger Stoß in ihre Rippen ließ sie erschreckt hochfahren. Zuerst wußte sie nicht, wo sie war, doch als sie Luna friedlich neben sich liegen sah, fiel es ihr wieder ein.
Obwohl sie noch nicht ganz wach war, kletterte sie aus dem Bett, ordnete ihre Anziehsachen und suchte in der Kapitänskajüte nach einer Bürste oder einem Kamm, damit sie ihre verknoteten Locken kämmen konnte, doch obwohl sie jede Schublade aufriß und alles durchsuchte, fand sie nichts.
Sie streckte sich ausgiebig und spürte die Stelle, an der Luna sie getroffen hatte.
Sie nahm sich etwas Obst vom Tisch und ging an Deck, obwohl die Sonne noch lange nicht aufgehen würde. Der Degen, den sie sich am Abend zuvor genommen hatte, lag auf dem Boden und wartete nur darauf, von ihr mitgenommen zu werden. Sie trat in den dunklen Gang und schloß beide Türen hinter sich.
Als sie an den Kajüten der Crew vorbeiging, hörte sie hier und da ein lautes Schnarchen, doch sonst war alles ruhig.
An Deck schlug ihr feuchter Nebel entgegen, so daß man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte.
Sie stieg die paar Stufen zum Heck hinauf und setzte sich neben den Steuermann, der mehr schlafend, als wachend an seinem Platz stand.
Heather biß herzhaft an dem Apfel ab und warf nach einiger Zeit das Kerngehäuse in hohem Bogen über die Reling.
Sie setzte sich dann auf sie und sah in das schwarze Wasser. Der Steuermann gab einige Laute von sich, doch er wachte nicht auf.
Heather sah sich nun den Degen an, den sie mitgenommen hatte. Er war filigran gearbeitet und war sicher ein wertvolles Stück des Kapitäns.
Sie steckte ihn sich einfach an den Gürtel, der nur aus einem Tuch bestand, da ihr die Hose sonst heruntergerutscht wäre.
„Du bist schon wach?"fragte plötzlich jemand hinter Heather, so daß sie sich furchtbar erschreckte.
„Mr. Miller!"rief sie empört. „Wagt es ja nicht mich noch einmal so zu erschrecken!"
„Das tut mir Leid. Ich dachte, du hättest mich kommen hören."
„Nein, ich habe furchtbar schlecht geschlafen. Es ist nicht sehr einfach mit jemanden in einem Bett zu schlafen, der ständig um sich tritt und schlägt", sagte sie und drehte sich ihm nun ganz zu.
„Ja, Luna ist wirklich nicht sehr einfach."
„Schwierig ist nicht der richtige Ausdruck. Vielleicht würde es komisch, verrückt, durchgeknallt und wahnsinnig ausdrücken."
„Das liegt sicher in der Familie", erwiderte der erste Maat.
„War sie eigentlich schon immer so? Ich meine, bevor ich sie kennengelernt habe?"fragte sie Mr. Miller.
Dieser überlegte kurz, bevor er ihr antwortete.
„Sie war ein ganz normales Mädchen, bis sie fünf war. Damals hatte Jack mit ihr gespielt und sie immer wieder in die Luft geworfen und dann aufgefangen. Irgendwann haben es beide jedoch übertrieben und er konnte sie nicht mehr auffangen."
„Ihr meint, er hat sie fallen gelassen?"fragte Heather ungläubig.
„Hm...ja!"sagte er nach einer kurzen Bedenkzeit.
„Meint ihr, daß sie deshalb so komische Entscheidungen trifft?"
„Vielleicht. Manchmal sind ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen und oft kann man sie nicht verstehen, aber dennoch ist sie ein wunderbarer Mensch. Sie ähnelt sehr ihrem Vater."
„Ich weiß. Ich hätte nicht gewußt, was ich gemacht hätte, wenn sie mir kein Schiff und eine Crew besorgt hätte. Auf sie ist einfach Verlaß!"
Heather grinste etwas und sah hinaus auf das Wasser. Der Nebel verhüllte alles um sie herum. Nicht einmal der Vollmond schaffte es durch ihn hindurch zu scheinen.
Sie hatte selten so einen dichten Nebel erlebt, doch an dem Tag, an dem sie Luna kennengelernt hatte, war in der Nacht zuvor auch solch ein dichter Nebel gewesen...
Sofort hatten sich die erfahrenen Seeleute auf das Schiff eingestellt und gemeinsam zogen sie die Segel herunter.
Die Schaluppe manövrierte sich langsam aus der engen Hafeneinfahrt, als plötzlich ein ohrenbetäubender Schuß ertönte.
„Sie schießen auf ihr eigenes Schiff!"rief Mr. Miller, als knapp neben ihnen eine Kanonenkugel das Wasser aufspritzen ließ.
An Land hatten sich einige Soldaten eingefunden, die eine fahrbare Kanone an die Hafenmauer gerollt hatten. Mit dieser einen Kanone versuchten sie nun ihr Schiff aus den Fängen der Freibeuter zu holen, doch schon hatte die Schaluppe an Fahrt gewonnen und das offene Meer erreicht.
„Laß mich mal sehen!"befahl Elliott Heather und zog vorsichtig den nassen Lappen von ihrem Kinn weg.
Ein dunkelgrüner Fleck zierte ihr Kinn und zeigte den Abdruck des Gewehrkolbens des Soldaten.
„Du siehst aus, als hättest du dich geprügelt", scherzte Elliott, merkte aber sofort, dass Heather nicht zu Scherzen aufgelegt war.
Sie stand ohne ein weiteres Wort auf und ging zu Luna, die am Heck stand und den Steuermann beobachtete.
„Wie machen sich die Männer?"fragte Heather und setzte sich auf die blankgescheuerten Planken.
„Bisher ganz gut. Sie kennen ihr Metier. Was meinst du wie lange wir brauchen?"fragte sie Heather.
„Du meinst, um ihn zu finden?"fragte Heather zurück.
„Ja."
„Solange, wie er braucht, um uns zu finden", erwiderte Heather.
Es entstand eine Pause. Der wind wehte leicht aus südlicher Richtung und die Schaluppe machte gute Fahrt. Sie waren schon lange auf dem offenen Meer, doch die Lichter, der immer kleiner werdenden Stadt waren am Horizont noch auszumachen.
„Wie heißt das Schiff?"fragte Luna plötzlich.
„Ich weiß nicht. Als wir an Bord gekommen sind habe ich ehrlich gesagt nicht so genau darauf geachtet!"sagte Heather lachend und lief zum Bug, doch auch die Männer, die dort arbeiteten konnte es ihr nicht sagen.
Sie rief Elliott zu sich.
„Du mußt mich festhalten", sagte sie und erblickte ein erstauntes Gesicht.
„Wir wollen wissen, wie die Schaluppe heißt und damit ich mich weit genug hinauslehnen kann, um den Namen zu lesen, mußt du mich festhalten", erklärte sie ihrem Freund den Plan.
Luna beobachtete diese Aktion vom Steuerrad aus. Sie war sich zwar sicher, daß der Steuermann den Kurs halten würde, doch sie wollte nicht gleich zu beginn der Reise ihren Platz verlassen.
Als Elliott Heather mit einem Seil festhielt, das sie sich um den Bauch geknotet hatte, mußte sie lächeln. Auch die anderen Männer beobachteten das Schauspiel am Bug mit lachenden Gesichtern.
Heather schnürte derzeit das Seil den Bauch ab, doch es war, als ob sie flöge. Der wind zerzauste ihr das Haar und hin und wieder spritze etwas Meerwasser zu ihr hoch und befeuchtete ihr Gesicht und die Arme.
„Glorious!"rief Heather plötzlich über das ganze Deck. „Sie heißt die „Glorious"!"sagte sie noch einmal, nachdem sie wieder sicher an Deck stand und das Seil ablegte.
„Das ist ein schöner Name! Hoffentlich bringt sie uns auch Ruhm", sagte Luna, die nun auch zu den beiden gekommen war.
Heather gähnte plötzlich und streckte sich ausgiebig.
„Ich werde mich mal unter Deck umschauen. Vielleicht finde ich ja ein gemütliches Bett", sagte sie und verließ die beiden.
Luna machte sich wieder auf den Weg zum Steuerrad. Sie konnte es noch kaum glauben. Endlich war sie wieder auf dem Meer und verfolgte einen der berüchtigtsten Piraten in der ganzen Karibik und das alles nur wegen eines alten Säbels, doch sie hatte Heather noch einen Gefallen geschuldet. Außerdem liebte sie es, wenn der Wind ihr die schwarzen Haare zerzauste und eine kräftige Brise ihre Haut salzig schmecken ließ.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Potter, der Steuermann, ihr plötzlich etwas zurief.
„Käptn! Sehen sie das?"rief er und zeigte mit dem Finger auf den plötzlich vor dem Bug auftauchenden Nebel. Zuerst war es nur ein leichter Nebel, der den wunderschönen Sonnenuntergang verdunkelte, doch je weiter sie segelten, desto dichter wurde er.
„Was ist das ?"fragte Luna verwirrt. „Wir hatten wunderschönes Wetter. Es kann unmöglich Nebel sein!"
„Ich habe keine Ahnung!"staunte Elliott, der nun auch zu den beiden gekommen war.
„Laßt uns die Geschwindigkeit drosseln. Wir wollen nicht mit voller Fahrt gegen ein anderes Schiff krachen!"rief Luna ihre Befehle der Crew zu.
„Könnte das eine Falle sein?"fragte Elliott plötzlich.
„Sei nicht albern", sagte Luna. „Wenn die Royal Navy auch die Interceptor II hier in Tortuga hätte, würde sie uns nicht überholen können. Wir haben mindestens zwei Stunden Vorsprung und sie wüssten nicht genau, wohin wir gesegelt sind. Aber was ich schon komisch finde ist, daß vorher noch nie Soldaten des Königs auf Tortuga waren", grübelte Luna vor sich hin.
„Vielleicht sind sie wegen uns gekommen?"fragte Elliott.
„Ach, woher sollten sie wissen, daß ihr beide nach Tortuga gekommen seid und warum sollten sie euch folgen?"
„Weil Heather sich mit dem Sohn des zukünftigen Gouverneurs geschlagen hat? Sie hat eine wertvolle Vase kaputt gemacht und war nicht sonderlich höflich zu ihm", erklärte Elliott seine Theorie.
„Das ist wohl sehr weit hergeholt, oder?"
„Aber es ist möglich!"
„Alles ist möglich, Elliott", sagte Luna.
„Käptn! Riechen sie das?"fragte Potter und beendete so das Gespräch zwischen Luna und Elliott.
Ein kräftiger Windstoß hatte noch mehr Nebel über das Schiff gelegt, so daß man keine halbe Meile weit mehr sehen konnte.
„Es riecht verbrannt!"sagte Luna und ging zur Reling, doch der Nebel ließ sie nicht weit sehen.
„Laßt uns vorsichtig sein. Wir wollen keine Aufmerksamkeit erregen."
Heather bekam von dem Nebel jedoch nichts mehr mit. Ihr Kinn schmerzte und sie mußte sich unbedingt hinlegen. Mit einer kleinen Lampe bewaffnet durchstöberte sie den Innenraum des Schiffes.
Sie öffnete jede Tür und fand sehr schnell die Kabinen der Soldaten. Fein säuberlich waren die Betten gemacht und nichts lag im Weg. Es war, als ob die Soldaten niemals auf ihren Betten geschlafen hatten. Nur einige Bücher in den Schränken oder Bilder ihrer Familien ließen darauf schließen, daß schon vorher jemand mit diesem Schiff gesegelt war.
Sie ging weiter durch den dunklen Gang, bis sie vor der Kapitänskajüte stehen blieb.
Voller Ehrfurcht öffnete sie die beiden Türen und trat ein. Sie sah sich kurz um, ehe sie die Lampen fand und alle anzündete. Sie stand vor einem großen Ebenholztisch, auf dem allerlei Karten lagen. Der Kapitän der Royal Navy hatte bei sich selbst weniger Wert auf Ordnung gelegt.
Es standen einige Früchte in einer Schale auf dem Tisch, von denen sich Heather sogleich bediente.
Sie stellte die Lampe, die sie mitgebracht hatte, auf den Tisch und setzte sich in den alten Sessel, der in einer Ecke stand. Vor der langen Glasfront am Heck schaukelten einige Öllampen hin und her und tauchten das Zimmer in dämmriges Licht. Hinter ihr waren einige Schränke angebracht, in denen sie nach einigem Suchen, nur Bücher, Karten und einige Waffen fand.
Sogleich steckte sie sich einen wundervoll gearbeiteten Degen ein, ehe sie sich auf das große Bett warf, das rechts neben der Tür stand. Ein großer Überwurf mit kunstvollen Perlenstickereien war darübergelegt worden, doch Heather zog ihn einfach herunter und kuschelte sich in die weichen Kissen.
Durch das beruhigende Schaukeln der Schaluppe und dem leisen Quietschen der Lampen wurde sie langsam immer müder, bis sie ganz in die Welt der Träume hinabgesunken war.
Ein kräftiger Stoß in ihre Rippen ließ sie erschreckt hochfahren. Zuerst wußte sie nicht, wo sie war, doch als sie Luna friedlich neben sich liegen sah, fiel es ihr wieder ein.
Obwohl sie noch nicht ganz wach war, kletterte sie aus dem Bett, ordnete ihre Anziehsachen und suchte in der Kapitänskajüte nach einer Bürste oder einem Kamm, damit sie ihre verknoteten Locken kämmen konnte, doch obwohl sie jede Schublade aufriß und alles durchsuchte, fand sie nichts.
Sie streckte sich ausgiebig und spürte die Stelle, an der Luna sie getroffen hatte.
Sie nahm sich etwas Obst vom Tisch und ging an Deck, obwohl die Sonne noch lange nicht aufgehen würde. Der Degen, den sie sich am Abend zuvor genommen hatte, lag auf dem Boden und wartete nur darauf, von ihr mitgenommen zu werden. Sie trat in den dunklen Gang und schloß beide Türen hinter sich.
Als sie an den Kajüten der Crew vorbeiging, hörte sie hier und da ein lautes Schnarchen, doch sonst war alles ruhig.
An Deck schlug ihr feuchter Nebel entgegen, so daß man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte.
Sie stieg die paar Stufen zum Heck hinauf und setzte sich neben den Steuermann, der mehr schlafend, als wachend an seinem Platz stand.
Heather biß herzhaft an dem Apfel ab und warf nach einiger Zeit das Kerngehäuse in hohem Bogen über die Reling.
Sie setzte sich dann auf sie und sah in das schwarze Wasser. Der Steuermann gab einige Laute von sich, doch er wachte nicht auf.
Heather sah sich nun den Degen an, den sie mitgenommen hatte. Er war filigran gearbeitet und war sicher ein wertvolles Stück des Kapitäns.
Sie steckte ihn sich einfach an den Gürtel, der nur aus einem Tuch bestand, da ihr die Hose sonst heruntergerutscht wäre.
„Du bist schon wach?"fragte plötzlich jemand hinter Heather, so daß sie sich furchtbar erschreckte.
„Mr. Miller!"rief sie empört. „Wagt es ja nicht mich noch einmal so zu erschrecken!"
„Das tut mir Leid. Ich dachte, du hättest mich kommen hören."
„Nein, ich habe furchtbar schlecht geschlafen. Es ist nicht sehr einfach mit jemanden in einem Bett zu schlafen, der ständig um sich tritt und schlägt", sagte sie und drehte sich ihm nun ganz zu.
„Ja, Luna ist wirklich nicht sehr einfach."
„Schwierig ist nicht der richtige Ausdruck. Vielleicht würde es komisch, verrückt, durchgeknallt und wahnsinnig ausdrücken."
„Das liegt sicher in der Familie", erwiderte der erste Maat.
„War sie eigentlich schon immer so? Ich meine, bevor ich sie kennengelernt habe?"fragte sie Mr. Miller.
Dieser überlegte kurz, bevor er ihr antwortete.
„Sie war ein ganz normales Mädchen, bis sie fünf war. Damals hatte Jack mit ihr gespielt und sie immer wieder in die Luft geworfen und dann aufgefangen. Irgendwann haben es beide jedoch übertrieben und er konnte sie nicht mehr auffangen."
„Ihr meint, er hat sie fallen gelassen?"fragte Heather ungläubig.
„Hm...ja!"sagte er nach einer kurzen Bedenkzeit.
„Meint ihr, daß sie deshalb so komische Entscheidungen trifft?"
„Vielleicht. Manchmal sind ihre Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen und oft kann man sie nicht verstehen, aber dennoch ist sie ein wunderbarer Mensch. Sie ähnelt sehr ihrem Vater."
„Ich weiß. Ich hätte nicht gewußt, was ich gemacht hätte, wenn sie mir kein Schiff und eine Crew besorgt hätte. Auf sie ist einfach Verlaß!"
Heather grinste etwas und sah hinaus auf das Wasser. Der Nebel verhüllte alles um sie herum. Nicht einmal der Vollmond schaffte es durch ihn hindurch zu scheinen.
Sie hatte selten so einen dichten Nebel erlebt, doch an dem Tag, an dem sie Luna kennengelernt hatte, war in der Nacht zuvor auch solch ein dichter Nebel gewesen...
