Disclaimer und A/N: Siehe erstes Kapitel
Dankesreden und weiteres Geschwafel wie immer ganz unten ...
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Von Malina
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Kapitel 5
Angst
Eine Axt. Also gut, denkt Snape, gehen wir zu Hagrid.
Den Weg zu Hagrids Hütte rennt Snape mehr, als dass er geht, und dabei muss er den apathischen Lupin hinter sich herziehen. Der Werwolf setzt zwar einen Fuß vor den anderen, aber er ist desorientiert und zeigt nicht die geringste Motivation, von sich aus weiterzugehen. Snape kann sich nicht vorstellen, dass Lupin diesen Auftrag erledigen wird, selbst wenn er ihn dazu bringt, den Portschlüssel zu benutzen.
Er wird Lupin zum Treffpunkt bringen müssen, er sieht keine andere Möglichkeit.
Und während sie zu Hagrid laufen, schrumpft Snapes Existenz auf das Vorankommen zusammen – alles andere wird weggedrängt, so gut es irgendwie geht. Die Müdigkeit, die Kopfschmerzen, die Erinnerungen an die Heulende Hütte... sein ganzes Selbst wird in irgendeiner Ecke abgelegt, und übrig bleibt ein hinlänglich bekanntes Gefühl von Beklemmung und ein ungewohntes Gefühl von Entschlossenheit. Er wird tun, was notwendig ist, und tröstlich ist einzig der Gedanke an die nahe Zukunft: der Gedanke an den Zeitpunkt, an dem er sich in die Kerker und in sich selbst zurückziehen kann, ein Tag ohne Werwölfe und lauernde Erinnerungen – ein Zeitpunkt, an dem das hier vorbei sein wird.
Sie erreichen Hagrids Hütte, und Snape überlegt, ob er Lupin loslassen kann. Er versucht es, und der andere Mann bleibt schwankend stehen. Der Vorteil an Lupins Zustand ist, dass er völlig unfähig ist, irgendeine Entscheidung zu treffen oder überhaupt etwas wirklich selbständig zu tun. Er steht einfach da wie ein begossener Pudel und scheint gar nicht auf die Idee zu kommen, sich aus dem Staub zu machen.
Snape entfernt sich von der Hütte und läuft zu der riesigen Gestalt, die er im Halbdunkel ausmachen kann. Hagrid dreht sich zu ihm um, bevor Snape seinen Namen rufen kann; er ist gerade dabei, irgendein riesiges Ungeziefer zu füttern, das er in einem eingezäunten Bereich seines Gartens für seinen Unterricht heranzüchtet. Schade, es ist jetzt nicht die Zeit für sarkastische Bemerkungen.
„Der Portschlüssel, Hagrid. Hier ist ein Portschlüssel deponiert, wir müssen –"
„'N Abend, Professor", unterbricht Hagrid ihn, „ja, ich weiß Bescheid. Ist alles vorbereitet, ich zeig Ihnen den Portschlüssel. Er ist nicht zeitgebunden, Sie wissen bestimmt, dass –"
„Hagrid!", unterbricht Snape ihn wiederum scharf, „Sparen Sie sich Ihre Erklärungen! Zeigen Sie mir einfach den Portschlüssel!"
Sie gehen schnell zur Hütte, und Hagrid dreht sich nach Snape um. „Warum ist denn Remus Lupin nicht hier?"
Es ist inzwischen so dunkel, dass Snape Hagrids Gesicht kaum erkennen kann. Aber seine Stimme zeigt deutlich, wie irritiert und besorgt er ist.
„Er ist hier", erwidert Snape und deutet auf die Gestalt, die mit hängenden Armen vor Hagrids Hütte steht. „Ich werde ihn begleiten."
Jetzt ist es Snape gerade recht, dass er das Gesicht des Halbriesen nicht sehen kann. Und glücklicherweise weiß Hagrid, wann er zu schweigen hat. Mit großen Schritten bewegt er sich auf einen gigantischen Holzstapel zu. Es scheint Kleinholz für den Ofen zu sein, obwohl „Kleinholz" kaum das richtige Wort ist; die einzelnen Scheite sind fast so groß wie Snape selbst.
„Hier."
Snape sieht Hagrid auf etwas deuten. An einem Holzscheit lehnt eine kleine Axt mit halb verrottetem Holzgriff, sie ist so klein, dass Hagrid damit bestenfalls Bleistifte anspitzen könnte.
Der Portschlüssel, endlich.
„Lupin!"
Snape läuft zu der reglosen Gestalt. Während er ihn am Ärmel zu dem Holzstapel zieht, taucht vor seinem inneren Auge das Bild von Boltraine auf, wie sie ihren Bruder am Ärmel aus seinem Büro zieht... das scheint ansteckend zu sein, und Snape spürt etwas, irgendeine unwichtige, unwillkommene Empfindung, die er nicht weiter verfolgen will und gar nicht könnte, selbst wenn er wollte. Sie müssen sofort hier weg.
Es ist nicht zu fassen, Lupin bringt es nicht einmal fertig, selbständig die Hände nach der Axt auszustrecken. Snape muss seinen Arm packen und seine Hand zur Axt führen, und im selben Moment berührt er den Portschlüssel ebenfalls.
Dann verspürt er das bekannte unangenehme Ziehen am Bauchnabel, er wird fortgerissen und spürt Lupin dicht neben sich, mit dieser Axt an den Fingern wird er durch den Raum gezerrt, bis er unsanft auf nasser Erde landet. Neben ihm fällt Lupin völlig unkoordiniert zu Boden, und automatisch greift er nach dem liegenden Mann und zieht ihn auf die Füße.
Snape streicht sich die Haare aus dem Gesicht und sieht sich um. Er ist einen Moment lang orientierungslos – es ist inzwischen so dunkel, dass er nicht auf Anhieb erkennen kann, wo sie sich überhaupt befinden. Jedenfalls sind sie irgendwo draußen, sie stehen auf einer Wiese, das Gras ist nass, die Umhänge werden schwer von der Feuchtigkeit. Es ist kühl und auffallend windig, und er nimmt einen frischen, leicht salzigen Geruch wahr.
Das Meer.
„Severus?" Lupins Stimme klingt brüchig. „Wo sind wir?"
Großartige Frage.
„Woher soll ich das wissen!", schnappt Snape. „Und jetzt schalten Sie Ihr Gehirn ein, falls es überhaupt noch funktioniert, ich habe nämlich nicht die erforderlichen Informationen, um diesen Auftrag durchzuführen!"
Während seine Augen sich mehr und mehr an die Dunkelheit gewöhnen, beginnt ein sehr unangenehmes Gefühl, von ihm Besitz zu ergreifen. Angst. Sie stehen mitten in der Wildnis, eine weitflächige, hügelige Ebene. Das nasse Gras geht ihnen bis zu den Knien, ein paar hundert Meter weiter ist die Ebene zuende, und dahinter glitzert das Meer.
Und irgendwo hier sind Werwölfe, die sich in Kürze verwandeln werden.
„Lupin", sagt er betont langsam, „Sie sagen mir jetzt, wo dieses Treffen stattfinden soll. Wenn es sein muss, ziehe ich Sie an Ihren haarigen Ohren dorthin, aber danach werde ich von hier verschwinden." Er versucht, seine aufwallende Panik nicht in seine Stimme geraten zu lassen. „Und ich will bald verschwinden."
Keine Antwort.
„Sie sagen mir jetzt auf der Stelle, wohin wir gehen müssen!"
Er greift nach Lupin, packt ihn am Kragen und reißt ihn fast von den Füßen; der Mann ist unnatürlich leicht, stellt Snape fest. Er schüttelt den Werwolf ein bisschen, vielleicht nützt das ja etwas. Und ja, Lupin reagiert.
„Es – es ist eine Hütte ... an der Klippe ..."
„Das ist zu ungenau!", ruft Snape, seine Angst nimmt zu und seine Stimme beginnt zu kippen, er kann nichts dagegen machen. „Wo genau ist das?"
„Da hinten ...", Lupin zeigt ins Irgendwo, „ich kann sie sehen."
Snape lässt den anderen Mann abrupt los. „Sie sehen Sie schon?? Dann los, Sie gehen vor."
In den folgenden Minuten schiebt Snape Lupin im Laufschritt vor sich her, ohne ihm eine Richtung vorzugeben. Und tatsächlich – es funktioniert. Lupin scheint zu wissen, wohin er gehen muss, und Snape verflucht sich selbst, weil er vergessen hat, wie gut die Augen dieses Mannes in einer Nacht wie dieser sein müssen.
„Wo sind wir?", fragt Snape, wobei er darauf achtet, das Schritttempo beizubehalten.
„Ich bin nicht sicher", hört er Lupin antworten, „aber ... die Küste, die Klippen ... Südengland vielleicht ..."
Südengland. Snape erinnert sich vage daran, gelesen zu haben, dass es in Südengland besonders viele Werwölfe gibt, und seine Kehle schnürt sich vor Angst zu. Er muss hier weg. Wo ist diese verdammte Hütte?
Dann sieht er sie. Nicht viel größer als die Hütte von Hagrid, ein sehr schwaches Licht ist in den Fenstern zu sehen, und aus der Ferne macht sie den Eindruck einer Bruchbude – ein Eindruck, der sich verstärkt, je näher Snape und Lupin dem Gebäude kommen. Ein übler, fauliger Geruch weht zu ihnen hinüber und wird zunehmend unerträglich – und als sie schließlich direkt vor der Hütte stehen, muss Snape gegen den Impuls ankämpfen, sich irgendetwas vor die Nase zu halten, und die Erkenntnis trifft ihn wie ein Schlag.
Verwesungsgeruch.
Was macht er hier, oh Merlin, er muss hier weg, sofort. Snape ist stehen geblieben und Lupin ebenfalls, er spürt Snapes Hand nicht mehr im Rücken und geht einfach nicht mehr weiter.
Er würde bis zum letzten Tag der Welt hier stehen bleiben, wenn Snape nichts tun würde. Er kommt gar nicht auf die Idee, in diese Hütte hinein zu gehen. Auftrag? Was ist das? Dumbledore? Voldemort? Alles scheint für den Werwolf unwichtig zu sein, weggerückt, kaum mehr vorhanden. Und das ausgerechnet jetzt und ausgerechnet hier.
Oh Lupin. Warum musst du mir das antun?
Snape klopft. Sein Mund ist staubtrocken, und seine Brust schmerzt vor Anspannung. Die Tür ist morsch, zu dem Verwesungsgeruch kommt noch der Geruch von faulendem Holz, und Snape versucht, sich auf diesen Geruch zu konzentrieren, er ist wesentlich besser zu ertragen. Die ganze Hütte riecht nach Verfall und sieht auch so aus.
Die Tür öffnet sich, und jemand steht vor ihm. Eine dürre Frau, deren strähniges Haar vom Wind zerzaust wird – mehr kann Snape nicht erkennen. Sie sagt nichts, und er reißt sich zusammen und richtet das Wort an sie.
„Severus Snape und Remus Lupin vom Orden des Phönix", sagt er knapp. Vielleicht hat Lupin mit ihnen irgendein Kennwort verabredet; falls ja, hat er es offensichtlich vergessen. Die Frau antwortet nicht, sie erwidert nur mit gerunzelter Stirn seinen Blick – aber dann entdeckt sie Lupin, der hinter Snape steht, und geht mit einer schnellen Bewegung an ihm vorbei auf den anderen Werwolf zu.
„Remus", spricht sie ihn an, und Snape hört ihn antworten: „Georgia." Aus dem Augenwinkel sieht er, wie die Frau Lupin in eine kurze Umarmung zieht.
Einen Moment lang ist Snape ehrlich verblüfft; mit dieser fast vertraulichen Begrüßung hat er nicht gerechnet. Der Fäulnisgeruch hält an, und Snape verspürt den Impuls, in diese Hütte hineinzustürmen, denn dort, denkt er, wird es vermutlich etwas besser riechen. Selbst wenn sich dort Werwölfe aufhalten.
Werwölfe. Mehrzahl. Und ja, da ist noch jemand – ein kleiner, dicklicher Mann mit einer Halbglatze steht im Türrahmen. Ein wenig Licht dringt aus dem Raum, und Snape kann das runde, bleiche Gesicht des Mannes sehen. Unter seinen Augen sind dunkle Ringe; er sieht nicht viel besser aus als Lupin. Werwölfe zu Vollmond eben, nichts Besonderes.
„Wer sind Sie?" Sein Tonfall ist argwöhnisch, sein Gesicht voller Misstrauen. Snapes Verblüffung von eben ist schon wieder vergangen, denn die Vertraulichkeit gilt nicht ihm – die beiden Fremden sehen ihn an wie ein krankheitsübertragendes Insekt. Kein Wunder, denkt Snape, niemand hier ist von einer zweiten Person ausgegangen. Eigentlich erstaunlich, dass beide noch relativ ruhig reagieren.
„Severus Snape", wiederholt er seinen Namen und beginnt aus Nervosität, das volle Programm herunterzuspulen, „Mitglied des Ordens des Phönix, Meister der Zaubertränke und Lehrer in Hogwarts. Ich bin –"
„Kommen Sie rein", unterbricht der kleine Mann ihn und wedelt mit der Hand.
Snape betritt die Hütte, die anderen folgen, und der Mann schließt die Tür hinter ihm. Der Verwesungsgeruch lässt deutlich nach, und Snape atmet scharf ein und wieder aus. Er keucht fast, er hat minutenlang kaum Luft geholt. Seine Handflächen sind feucht, und jetzt hört er sein eigenes Herz klopfen.
Verdammt, warum ist er jetzt hier drin?
Die Hütte ist winzig, lediglich ein Raum. Fast kahl, nur ein riesiger Schrank ganz hinten, zwei abgewetzte Korbstühle am Fenster und daneben ein Kandelaber mit einigen angezündeten Kerzen. Kein Tisch, kein Kamin, kein Teppich. Dreckiger Holzfußboden.
Kein Ort zum Urlaub machen, wirklich nicht.
Das Treffen scheint wesentlich formloser zu verlaufen, als Snape es gedacht hat. Er weiß nicht warum, aber er hatte sich einen großen Raum vorgestellt, in dem alle Beteiligten sich der Reihe nach vorstellen und ins Gespräch kommen. Aber die Beteiligten kennen sich bereits – von Snape abgesehen –, und sie sind schon im Gespräch, bevor die Tür geschlossen ist. Die beiden anderen begrüßen Lupin, der andere Mann heißt Carter; alle reden sich mit Vornamen an, und Snape fragt sich, ob diese Vertrautheit unter Werwölfen üblich ist oder sie sich schon lange kennen.
Lupin jedenfalls scheint diese Vertrautheit gut zu tun. Er macht zwar einen reichlich wirren und verlorenen Eindruck, wie er da zwischen seinen wölfischen Freunden steht, aber immerhin, er redet wieder und lächelt sogar ein wenig.
Gut für den Auftrag, wenn es ihm besser geht.
„Was ist mit ihm?", hört er die Frau fragen; sie macht eine Handbewegung in seine Richtung, sieht ihn aber nicht einmal an.
Zum ersten Mal wird seine Angst durch aufwallenden Ärger in den Hintergrund gedrängt. „Ich", erwidert Snape mit schärferem Tonfall, als er geplant hat, „habe den Wolfsbanntrank gebraut. Ich habe ihn bei mir, und ich schlage vor, Sie nehmen ihn auf der Stelle ein."
Die Frau dreht sich mit fragendem Blick zu Lupin hinüber, der verwirrt die Stirn runzelt –
... mach jetzt keinen Fehler, bitte
– aber dann nickt er ihr zu. Danke, Lupin.
Eigentlich hat Snape gedacht, es gäbe vorher viel zu sagen, zu erklären, zu diskutieren. Aber offenbar ist das nicht der Fall – es sieht aus, als hätten alle relevanten Gespräche schon stattgefunden, diese Werwölfe scheinen zu wissen, worum es sich bei dem Trank handelt und wie er wirkt. Ein Glück, denn ihnen läuft ja sowieso die Zeit davon.
Snape holt die Flasche mit dem Trank aus seinem Umhang und stellt sie vorsichtig auf der Fensterbank ab, der einzigen Abstellfläche, die er in diesem Raum entdecken kann. Dann holt er eine Phiole hervor und füllt den Trank konzentriert hinein.
Zu seiner Überraschung kommt Lupin herüber, nimmt ihm die Phiole ohne zu zögern aus der Hand und leert sie in einem Zug, ohne auch nur im Geringsten das Gesicht zu verziehen. Ziemlich beeindruckend.
„Danke, Severus."
Lupin sagt es leise und nachdrücklich, und diese zwei Worte üben eine unerwartet starke Wirkung auf Snape aus – er will es nicht, aber die Worte beruhigen ihn; sie wirken wie ein Mantel, der sich auf ihn legt und ihn vor den argwöhnischen Blicken der beiden anderen schützt.
Er sieht in Lupins blasses, erschöpftes Gesicht und spürt, wie Erleichterung sich in ihm ausbreitet, denn Lupin sieht ihn direkt an. Er ist zwar nach wie vor in einem erbarmungswürdigen Zustand, aber er ist anwesend. In Lupins Augen blitzt etwas auf, vielleicht echte Dankbarkeit, Wärme, irgendetwas jedenfalls, das Snape gerade nicht sehen will. Er will nur raus hier.
„Für wie viele reicht der Trank?", hört er den dicken Mann fragen, den Lupin vorhin als Carter angesprochen hat. Er sieht auf den Werwolf herunter, der einen halben Kopf kleiner ist als er.
„Für Sie alle", erwidert Snape, „keine Sorge."
Die beiden anderen antworten nicht. Sie scheinen noch zu zögern, aber er sieht sie den Blickkontakt zu Lupin suchen, und schließlich signalisieren sie mit einem knappen Nicken ihre Zustimmung. Es funktioniert. Er, Snape, mag hier stören, aber die Bindung zwischen den Werwölfen scheint tatsächlich sehr stark zu sein – es hat den Anschein, als würden sie einander völlig vertrauen, und nicht einmal die Gegenwart eines Außenstehenden scheint das ändern zu können.
Die Werwölfe nehmen den Trank ein und verziehen dabei das Gesicht, als wollten sie den Trank am liebsten auf den Boden spucken, aber es ist nicht ganz der richtige Augenblick, um das unterhaltsam zu finden. Der Mann ist der letzte in der Reihe, dann ist es vollbracht. Snape atmet hörbar durch, und seine Anspannung im Brustkorb lässt ein bisschen nach.
„Ich denke, wir haben ein Problem", murmelt die Frau im nächsten Moment.
„Ein Problem", wiederholt Lupin. Er schaut die Frau fragend und hilflos an – offenbar ist er immer noch sehr durcheinander.
Der untersetzte Mann neben ihm nickt. „Alexander", sagt er zögernd, und in seiner Stimme kann Snape unterdrückte Unruhe hören.
Wer zur Hölle ist Alexander?
„Er ... er wollte den Trank, ich meine, er wollte hier sein und ihn auch nehmen", stottert Lupin in Snapes Richtung, offensichtlich bemüht, sich zu konzentrieren. „Sicher wird er noch kommen, er weiß, dass wir hier sind. Sie verbringen die Vollmondnächte immer zusammen."
Snape versucht, seine Gedanken zu ordnen. „Es kommt noch jemand?", fragt er langsam. „Einer ... von Ihnen?"
„Jaaa", sagt die Frau gedehnt und tritt einen Schritt an ihn heran, „einer von uns."
Ihr Tonfall ist halb fragend, halb drohend, und Snape erinnert sich schlagartig an seine Rolle als Ordensmitglied. Er darf jetzt keinen Fehler machen.
„Entschuldigen Sie", sagt er so ruhig wie möglich, „es ist nicht meine Absicht, Sie zu beleidigen. Der Orden des Phönix erwartet sich von diesem Treffen sehr viel. Wir erhoffen uns mehr Kontakt zu den Werwölfen, wir haben keine Vorurteile."
„Das wurde uns gesagt", erwidert der Mann, und auch in seinen Worten klingt eine Drohung mit.
„Und so ist es", bekräftigt Snape und legt allen verfügbaren Gleichmut in seine Stimme. „Ansonsten wäre ich nicht hier,und dieses Treffen fände gar nicht statt. Wir teilen die Voreingenommenheit gegenüber Halbmenschen nicht, die in der magischen Welt verbreitet ist. Sie sind für uns gleichwertig. Lupin ist das beste Beispiel dafür."
Während er redet, vermeidet er wohlweislich, Lupin in die Augen zu sehen. Götter, was redet er da nur für einen bodenlosen Unfug zusammen. Und zum zweiten Mal an diesem Abend muss er an den empathischen Verrückten denken, an Connor Boltraine – und Snape hofft, dass es nicht noch mehr Leute mit solchen Fähigkeiten gibt. Wenn die beiden Werwölfe hier auch nur den Hauch einer Ahnung hätten, was er tatsächlich denkt und fühlt, wäre er verloren,und alle Hoffnungen des Ordens, sich mit den Werwölfen zu verbünden, wären zum Teufel.
Dann folgt Schweigen. Langes, angespanntes Schweigen. Es ist so still, dass man die berühmte Stecknadel fallen hören könnte – und in diesem Moment trifft Snape die Erkenntnis wie ein Fausthieb: Er ist hier der Einzige, der das, was er gerade gesagt hat, bestätigen kann. Er kann jetzt nicht einfach aus der Tür rennen, es geht einfach nicht. Es ist jetzt irgendein Vertrauensbeweis notwendig – irgendetwas. Aber was?
In seiner Ratlosigkeit dreht Snape sich zu Lupin hinüber und sieht ihn an – und sein Herz bleibt stehen. Es bleibt einfach stehen, und er erschrickt zu Tode.
Lupins Augen glühen.
Oh Götter, bitte –
Die Panik explodiert regelrecht in seinem Körper, ihm wird übel, der Schweiß bricht ihm aus den Poren, und er fühlt sich mit einem Mal sehr schwach; es ist fast, als würde er den Boden unter den Füßen verlieren.
... und da ist er wieder: dieser 16-jährige weinerliche Junge, der beim Anblick des Werwolfs beinahe vor Angst ohnmächtig wurde, dessen Wimmern nicht einmal dann aufhörte, als er jemanden neben sich fühlte, der seinen Namen schrie und ihn unsanft mit sich riss – Potter, der Goldjunge ...
Reiß dich zusammen. Kontrollier deine Gefühle. Reiß – dich – zusammen!
„Sie haben Angst vor uns", stellt die Frau sachlich fest.
„Ja", presst Snape hervor, ohne weiter darüber nachzudenken. „So ist es, ich habe Angst vor Ihnen."
Und er senkt den Kopf, so dass sich seine Haare wie ein Vorhang vor seine Augen schieben und die anderen ihm nicht ins Gesicht sehen können.
Trotz seiner Angst löst sich etwas in ihm, und er verspürt Erleichterung. Jetzt muss er sich keine Illusionen mehr über den Verlauf dieses Treffens machen. Er sollte Vertrauen fördern, er hat getan, was er konnte, und es war nicht genug. Die Zusammenarbeit wird scheitern, sie wird gar nicht erst im Ansatz zustande kommen. Er wird Dumbledore Bericht erstatten, und das war es dann zum Thema Werwölfe.
Denkt er.
Mit gesenktem Blick steht er da und hört sein Herz schlagen. Seine Kopfschmerzen sind so stark, dass er das Gleichgewicht zu verlieren droht, und seltsam, da ist etwas ... fast wie ein Pfeifen, ein gleichmäßiges, helles Geräusch im Innern seiner Ohren.
„Sie sind ehrlich", hört er die Frau plötzlich sagen; sie spricht immer noch in ruhigem, nüchternem Tonfall zu ihm. „Das gefällt mir."
Er hebt mühsam den Kopf und sieht – in glühende Augen, bei ihr hat es auch angefangen. Sein Magen verkrampft sich noch mehr, und in seinem Hals und seiner Brust verstärkt sich ein unangenehmer Druck; er muss sich zwingen, keinen Angstlaut von sich zu geben. Verzweifelt kämpft er dagegen an –
– sie hat den Trank genommen, meinen Trank! Sie alle, sie werden ihr menschliches Bewusstsein behalten, es kann nichts passieren, gar nichts!
Aber es ist ein äußerlich bleibender, panischer Gedanke, fast hysterisch, und was weiß er denn schon, wie der Trank das erste Mal wirkt, eigentlich hat er sich niemals auch nur einen Gedanken um diesen verdammten Trank gemacht. Er hat ihn nur hergestellt, und Lupin hat bestätigt, dass er funktioniert. Wie er wirkt, war für ihn niemals von Bedeutung.
Wie aus der Ferne hört er wieder die Stimme der Frau. „Es ist bedauerlich für Sie", sagt sie, „dass Sie ausgerechnet jetzt hier sind ... ich fürchte nämlich, im Moment kann ich nichts zu Ihrer Beruhigung beitragen –"
„Ich werde jetzt nach Hogwarts zurückkehren", unterbricht Snape sie. Er verachtet sich selbst für diesen rauen, verletzlichen Klang seiner Stimme, aber er kann es nicht ändern; es kostet ihn seine gesamte Energie, nicht den Blickkontakt zu dieser Frau abzubrechen.
Sie sieht ihn unbewegt an. „Ich fürchte, dass das nicht möglich ist. Nicht im Augenblick. Verstehen Sie, um zu apparieren, müssen Sie etwa 500 Meter vom Grundstück entfernt sein. Alexander ist hier in der Nähe, und er verwandelt sich etwas früher als wir. Er könnte ... Sie möchten ihm nicht begegnen, da bin ich sicher."
Snape hört sie reden und spürt, wie seine Gedanken durcheinander geraten; es fällt ihm zunehmend schwer, alle Informationen zu verarbeiten ... Es ist ein bisschen, als würde er das Bewusstsein verlieren, und tatsächlich verspürt er den übermächtigen Wunsch, jetzt einfach die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen.
Ich will nicht hier bleiben, bei ihnen –
Die Frau geht langsam an ihm vorbei, öffnet die Tür und ruft in die schwarze Nacht den Namen des Mannes hinaus, der noch zu fehlen scheint. Sie ruft „Alexander!", so laut sie kann.
Nichts.
Ich will nicht. Ich will nicht!
Im nächsten Moment verspürt Snape einen einfachen, deutlichen Impuls – Adrenalin schießt ihm durchs Blut, und er setzt sich in Bewegung, hastet durch den Raum und auf die Tür zu. Die Werwölfin reagiert umgehend – ihr dünner Arm schnellt empor und schließt sich vor der Tür wie eine Schranke.
Es geht so schnell, dass er unsanft gegen ihren Arm läuft. Er bleibt vor ihr stehen, spürt die Anspannung ihres Körpers, sie mag ausgemergelt wirken, hat aber doch einiges an Kraft, und ihm wird klar, dass sie ihn notfalls mit Gewalt daran hindern würde, das Haus zu verlassen.
Nach einer Weile schließt sie die Tür wieder und kehrt in den Raum zurück.
„Ich kann nicht verantworten, dass Sie gehen", sagt sie schließlich betont sachlich. „Sie bleiben hier. Wir kümmern uns um Sie."
„Aber wir –" Unerwartet meldet sich der andere Mann zu Wort. Er steht so weit entfernt, dass Snape kaum mehr als seine fast kahle Stirn erkennen kann, die vom Kerzenlicht beschienen wird.
„Was?", bellt die Frau ihn an, und ihre scheinbare Ruhe ist plötzlich völlig verschwunden. „Was ist los, Carter? Hast du eine bessere Idee? Glaubst du wirklich, dass mir das gefällt?"
Publikum, schießt es Snape durch den Kopf. Ich bin Publikum, ich werde ihnen zusehen. Es ist ein Alptraum für sie.
„Aber wir wissen nicht einmal, wie der Trank wirkt!", ruft der Mann fast hysterisch. „Wie sollen wir für seine Sicherheit garantieren? Es ist –"
Er hört nicht mehr zu. Seine Beine drohen endgültig nachzugeben, und er lässt sich auf einen der Stühle sinken.
„Nein", hört er die Frau in befehlendem Tonfall sagen, „stehen Sie auf."
Er gehorcht ihr, ohne etwas zu erwidern, oder nein, er versucht es, aber seine Beine gehorchen ihm nicht mehr.
„Am besten, Sie gehen hinter uns in Deckung. Sie setzen sich dort drüben hin", sie deutet hinüber in eine dunkle Ecke des Raumes, „und einer von uns bleibt nahe bei Ihnen. Wir anderen bleiben ebenfalls hier im Raum. Wenn Alexander hier herein kommt, muss er erst einmal an uns allen vorbei."
„Aber wir werden –", hört er den anderen Mann noch einmal einwerfen, aber die Frau unterbricht ihn sofort:
„Es reicht, Carter. Wir werden es so machen, hast du verstanden. Ich werde es so machen. Wenn du gehen willst, dann geh jetzt."
Der Mann bleibt stehen, wo er ist; Snape hört ihn atmen, aber er sagt nichts mehr.
Die Frau wendet sich ihm wieder zu, und er kann sehen, wie sie um Selbstkontrolle ringt. „Ich erkläre mich bereit, in Ihrer direkten Nähe zu bleiben."
„Nein", erwidert Snape heftig. „Ich will ... ich will, dass Lupin bei mir ist."
Er dreht sich zu Lupin hin, und einen Augenblick lang ist ihm vollkommen klar, dass er endgültig die Kontrolle verloren hat – dass sein Blick voller Angst ist und ein einziger Appell um Schutz und Unterstützung. Und obwohl er das verzweifelte Bedürfnis verspürt, sich abzuwenden und in sich selbst zurückzuziehen, nehmen Lupins Augen ihn gefangen. Diese glühenden Augen, in die Snape schon einmal gesehen hat – damals, als er sicher war, dass er sterben würde, in jener Nacht, in der Heulenden Hütte. Aber dieser Moment hier ist anders, die Augen sind anders. Da ist nichts, was Snape bedroht – da ist Remus, der Mann, der Junge von damals.
Und dieser Junge nickt wortlos.
„Gut", sagt die Frau in geschäftsmäßigem Ton, „das wäre geklärt. Ich denke, wir werden morgen früh noch Zeit haben, miteinander zu sprechen."
Morgen früh.
Und dann entsteht ein Moment der Stille, der ihm klar macht, dass er in den folgenden Stunden keine menschliche Gesellschaft haben wird. Keine wirklich menschliche Gesellschaft.
Sie wendet sich ab, und Snape macht einen erneuten Versuch, sich vom Stuhl zu erheben. Diesmal geht es; mit zitternden Knien steht er auf und lässt sich am Ende des Raumes auf dem schmutzigen Holzboden nieder. Lupin folgt ihm und setzt sich neben ihn. Sie sind nicht einmal zwei Meter voneinander entfernt, und Snape wird unangenehm bewusst, dass er schweißnass ist – der Schweiß tropft ihm von Nase und Kinn, und seine Robe ist unter den Armen und am Rücken regelrecht durchweicht.
Er müsste jetzt allein sein ... oh ja, er könnte gar nicht sagen, wann es ihm in seinem Leben wichtiger war, allein zu sein als jetzt, denn die Angst wirft ihn in einen unerträglichen Zustand der Schwäche hinein, die ihn klein und angreifbar macht, die nichts von seinem erwachsenen Ich übrig lässt.
„Leg deinen Umhang ab, Severus."
Er dreht den Kopf zu Lupin, der mit der Hand eine kurze Bewegung macht. Seine Augen glühen nach wie vor, sie haben jetzt eine gelb-grüne Farbe angenommen, und seine Atmung ist flach, aber ansonsten scheint es ihm relativ gut zu gehen.
Götter, wieso dauert das alles so lange?
„Dein Umhang", wiederholt Lupin ruhig. „Du sitzt drauf, du könntest über ihn stolpern. Leg ihn weg."
Snape nickt; er legt seinen Umhang halbwegs ordentlich zusammen, bevor er ihn auf den Boden neben sich legt. Neben ihm lächelt Lupin wortlos.
„Was?"
„Nichts, Severus. Gar nichts."
Irgendetwas scheint Lupin erheiternd zu finden, er lächelt noch breiter, und Snape starrt ihn ungläubig an, völlig verwirrt von dieser unpassenden Gefühlsregung seines Gegenübers.
Und plötzlich friert dieses Lächeln ein, ganz langsam, während Lupins Augen sich weiten und sein Gesicht Schmerz und blankes Entsetzen zeigt.
Und dann fängt es an.
Oh nein, er wollte das nie, niemals sehen. Er wollte nicht sehen, wie dieser Mann sich krümmt, mit diesem beispiellosen Ausdruck von Verzweiflung, und von etwas zerrissen wird, das er nicht kontrollieren kann. Das, was jetzt geschieht, ist die absolute Zuspitzung von Snapes eigenem, persönlichem Alptraum.
Vollendeter Kontrollverlust. Selbstverlust.
Leider ist es ihm nicht möglich, die Augen zu schließen, er will es, aber es geht nicht – wie gebannt sieht er der qualvollen Verwandlung seines ehemaligen Mitschülers zu.
Ein paar Meter weiter hat der andere Mann am ganzen Körper zu zittern begonnen und fällt mit einem grollenden Keuchen auf die Knie; die Frau steht am Fenster, sie atmet stoßweise und hält sich krampfhaft am Fensterbrett fest. Drei Personen in diesem kleinen Raum, die gleich schreien, sich auf dem Boden winden und ihre menschliche Gestalt verlieren werden. Das ist zuviel.
Sieh sie nicht an. Sieh weg!
Aber alles, was er tun kann, ist, nur Lupin anzusehen. Dessen Gesicht verändert sich, anfangs sieht es aus, als würde man in einen Zerrspiegel sehen. Es kommt Snape unwirklich vor, und dann ist es wieder entsetzlich real, denn Lupins Schmerzen sind echt und auch die unmenschliche Anspannung, unter der dieser Mann gerade leidet. Das Gesicht sieht jetzt aus, als würde es Risse bekommen, die Haut wird rau und uneben, und gewaltsam brechen Tierzähne in diesem Mund hervor – es sieht entsetzlich aus, wie ein unumkehrbarer Vorgang. Das müsste doch bluten, denkt Snape panisch, da muss doch etwas übrig bleiben, geplatzte Adern, beschädigte Hautflächen, irgendetwas ...
Sieh weg, tu es wenigstens für ihn, sieh doch einfach weg –
Nein. Es geht nicht.
Wie paralysiert sieht Snape zu, wie der Mann vor ihm zum Tier wird, die anderen beiden hört und sieht er kaum. Er starrt auf Lupins Hände, die ebenfalls größer werden, die Fingernägel schießen aus der Haut und zerreißen als Klauen die Fingerspitzen, und wieder schreit Lupin voller Qual auf. Sein ganzer Körper dehnt sich unnatürlich aus, aus dem Mann bricht jetzt mit voller Gewalt ein neuer, zu großer Körper hervor, und Lupins Schreie gehen in ein Brüllen über, das nichts Menschliches mehr hat. Snapes Blut gefriert zu Eis, und unwillkürlich schlägt er die Hände vors Gesicht.
Er kann nicht mehr, er kann es nicht mehr sehen.
Plötzlich kracht es dumpf, der Boden zittert ein wenig, und Snape nimmt die Hände vom Gesicht. Lupin liegt auf dem Boden direkt vor ihm. Mühsam rappelt er sich wieder auf, dann hockt er auf allen Vieren vor Snape und sieht ihn einen Augenblick lang direkt an.
In diesem Moment gibt es keine Erinnerung. Kein „Damals". Nichts. Es ist völlig still, was eigentlich nicht sein kann, aber es gibt diesen Moment, in dem Snape nichts hört und sieht außer dieses Wesen vor ihm, das ihn ansieht.
Und er könnte nicht sagen, wer oder was da vor ihm hockt. Nicht wirklich.
Es ist kein Mann mehr, es ist nackt, im Gesicht und am Oberkörper ziemlich behaart und mindestens einen halben Meter größer, als Lupin es eben noch war. Der Kopf ist sehr wölfisch – aber wer ihn da ansieht, ist Lupin, sein Blick ist verzweifelt, aber Snape sieht auch eine Leere darin, die ihn schockiert, denn diese Leere kennt er selbst nur zu gut. Es ist die Leere desjenigen, der aufgibt, weil er weiß, dass das Kämpfen keinen Sinn mehr macht.
Dieser Blick von ihm berührt Snape bis ins Innerste, und er muss den Impuls zurückdrängen, sich Lupin zu nähern. Aber er hat seine Hand nicht unter Kontrolle, sie schiebt sich wie automatisch nach vorn, und Lupin bewegt sich auf die Hand zu, kommt ganz nahe an ihn heran und sinkt dann kurz vor der direkten Berührung wie ohnmächtig zu Boden.
Snape bleibt starr sitzen und lässt schließlich langsam seinen ausgestreckten Arm sinken. Ein heftiges Zucken durchfährt ihn, das manchmal im Anschluss an starke körperliche Anspannung durch den Körper fährt. Lupin. Ja. Dieses Wesen hier ist nicht das Monstrum aus der Heulenden Hütte, dieser entfesselte Mann-Wolf, der damals mit hungrigen Augen vor ihm stand und ihn töten wollte. Dieser Werwolf hatte keine menschlichen Augen. Obwohl... die Augen sind auch jetzt nicht wirklich menschlich. Es ist verrückt, vor ihm liegt Lupin, der ihn durch Wolfsaugen ansieht.
Aber diese Augen sind jetzt geschlossen, und ja, das ist eine gute Idee. Die Augen schließen. Die Schreie der anderen dringen an Snapes Ohr, er hört sie brüllen, aber er sieht nicht mehr hin. Jetzt geht es. Der Werwolf vor ihm ist ihm ganz nahe, Snape nimmt seine Körperwärme wahr, und es ist gut, seine Augen bleiben geschlossen, bis die Schreie der anderen völlig verebbt sind.
Dann legt sich eine eigenartige Stille über das Haus. Ohne ersichtlichen Grund wird ihm eiskalt, und sein Inneres zieht sich wieder vor Angst zusammen. Die körperlichen Symptome der Angst sind ihm allmählich richtig vertraut. Ansonsten würde er sich langsam ernsthaft Sorgen machen, denn er ist nicht nur völlig verkrampft und vom Schweiß nass bis auf die Knochen – sein Herz klopft auch abnorm heftig, ihm ist speiübel und sein Gleichgewichtssinn ist weitgehend verschwunden. Mal abgesehen von den Ohrenschmerzen und diesem andauernden Pfeifton.
Und dann hört er es.
Ein Wolfsheulen. Draußen.
Er öffnet ruckartig die Augen. Lupin sieht ihn direkt an. Das Maul steht ein wenig offen, er sieht ... besorgt aus und ein wenig desorientiert. Snape hat nicht viel Zeit, sich darüber zu wundern, dass dieser Werwolf eine so vertraute und durchschaubare Mimik hat – denn da ist das Heulen wieder. Es ist näher gekommen, viel näher.
Der vierte Werwolf. Er kommt.
Trotz aller Angst kann Snape einen kurzen Moment lang klar denken. Die Frau hatte Recht, er hat keine Möglichkeit, hier herauszukommen. Jedenfalls jetzt nicht mehr. Und er kann nichts tun, nichts, er muss sitzen bleiben und hoffen, dass diese Werwölfe ihn verteidigen. Er muss ihnen vertrauen.
Ein schlechter Scherz. So ziemlich der schlechteste, den er je gehört hat.
Unwillkürlich fährt er mit der flachen Hand über sein nasses Gesicht, um sich den Schweiß abzuwischen, aber seine Hand ist selber klatschnass; also wiederholt er die Bewegung mit seinem Arm, und kurz darauf ist auch sein Hemdärmel so nass wie der Rest seines Hemdes. Der Schweiß wird kalt, Snape spürt regelrecht, wie er selbst an Temperatur verliert. Zu wenig Kleidung, hier drin ist es zu kalt, er braucht eine Decke oder so etwas.
Sein Umhang.
Seine Hand berührt den Fußboden neben ihm, der Umhang müsste da sein, aber nein – seltsamerweise liegt er einige Meter weit entfernt, haben sie sich bewegt? Auf den Knien bewegt er sich langsam durch den Raum, erreicht den Umhang und nimmt ihn in die Hand –
– und dann ein ohrenbetäubendes Krachen, es lässt das ganze Haus beben, die Tür schlägt lärmend gegen die Wand, und ein weiterer Werwolf steht im Raum.
Wirklich ein guter Zeitpunkt, wird Snape später denken, um sich von Lupin wegzubewegen. Sehr durchdacht.
Aber in diesem Moment denkt er nichts – sein Blut gefriert, und die Zeit bleibt stehen. Der Werwolf steht ihm gegenüber, es ist zwar noch ein bisschen Platz zwischen ihnen, aber es ist niemand vor ihm, kein Schutz, denn Lupin liegt jetzt ein paar Meter weit entfernt.
Und dann geht alles unwahrscheinlich schnell.
Er sieht diesen riesigen Werwolf auf ihn zukommen, und da ist eine Bewegung direkt neben ihm. Das bestialische Brüllen des Werwolfs und der Ausdruck seiner Augen lassen Snape fast kollabieren – in diesem Moment verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart miteinander, und wie aus der Ferne dringt ein unterdrücktes Wimmern an sein Ohr, es klingt fast wie ein Schluchzen ... ich will nicht sterben – er dachte es damals und er denkt es jetzt, ohne die geringste Hoffnung zu haben, dass er diese Nacht überleben wird ... von vorn springt diese Bestie brüllend auf ihn zu, er sieht noch die Zähne ... und wieder sind da Bewegungen, neben ihm und weiter vorn, etwas rammt ihn mit voller Wucht, es schleudert ihn mit voller Gewalt quer durch den Raum – und dann ein greller, reißender Schmerz an seinem Kopf ... und Dunkelheit.
Es ist hell. Viel zu hell, aufdringliches Licht, schrill und blendend. Die Augen fester schließen. Dann Kopfschmerzen, so heftig, dass er leise aufstöhnt.
„Er kommt zu Bewusstsein."
Eine Männerstimme. Er zwingt sich, die Augen zu öffnen, Sonnenstrahlen dringen in die Netzhaut ein, und er schließt die Augen sofort wieder.
„Sind Sie wach? Hören Sie mich?"
Eine Frau. Wer redet da?
Ein erneuter Versuch, die Augen zu öffnen. Diesmal vorsichtiger. Alles ist verschwommen, das Licht brennt in den Augen und im Kopf.
„Die Sonne ...", bringt Snape hervor.
„Hier gibt es keine Gardinen, ich bin untröstlich." Wieder die Frauenstimme. Scharf, ätzend. Er bemerkt, dass sie seinem Blick ausweicht. „Wie geht es Ihnen?"
Statt einer Antwort versucht er sich aufzurichten – was kläglich scheitert, sein Kopf explodiert und durch seinen Rücken fährt ein heftiger Schmerz. Stöhnend lässt er sich wieder auf den Boden sinken.
„Sie haben einige Verletzungen", sagt die Frau. In der Stimme ist kein Mitgefühl. „Bewegen Sie sich nicht. Wir konnten Sie und Remus nur recht oberflächlich behandeln, es wird sich ein Heiler um Sie beide kümmern müssen."
Lupin?
„Was ist mit ihm?", fragt er. „Wo ist er?" Seine Stimme ist fremd, kratzig.
„Hier ... hier bin ich, Severus." Eine raue Stimme kommt zögernd von der anderen Seite des Raumes. Snape öffnet die Augen vollständig und sieht Lupin dort liegen, wo er vorhin ... vorhin? ... gesessen hat.
Snape versucht, seine Gedanken zu ordnen. Es muss früh am Morgen sein, die Sonne liegt noch tief ... die Werwölfe haben wieder ihre menschliche Form ... und er ist am Leben.
Sie haben mir das Leben gerettet.
„Ich habe einige Fragen", murmelt er. „Ich weiß nicht, was passiert ist."
„Kein Wunder", erwidert die Frau scharf, „Sie waren die ganze Nacht über bewusstlos. Sie wurden mit dem Kopf gegen das Fenstersims geschleudert, das hat Sie außer Gefecht gesetzt."
Da stimmt etwas nicht. Er nimmt es an den fahrigen Bewegungen und dem harschen Tonfall der Frau wahr. Nervös sieht er sich im Raum um: Der untersetzte Mann von gestern sitzt mit angezogenen Beinen an eine Wand gelehnt und starrt vor sich hin, die Frau kniet vor ihm auf dem schmutzigen Boden und sieht ihn immer noch nicht an, und Lupin liegt immer noch da drüben. Ein brennendes Gefühl von Scham erfüllt den ganzen Raum und überträgt sich auf Snape wie eine Krankheit.
– Ich habe sie gesehen, ich habe ihnen zugesehen ... Ich hätte niemals herkommen sollen.
Aber da ist noch jemand. Da, in der Nähe der Tür. Ein... ein weiterer Mann. Er liegt mit leicht verdrehten Gliedern auf dem Boden. Und er rührt sich nicht.
Die Frau vor ihm atmet schwer aus, und Snape weiß, dass sie ihm antworten wird, bevor er eine Frage gestellt hat.
„Er ist tot", sagt sie.
Nur diese drei Worte, aber ihre Stimme ist jetzt schwer von Schmerz und Schamgefühl und... unterdrückter Wut, vielleicht. Keine weiteren Erklärungen – und Snape ist im Augenblick nicht in der Stimmung, weiter nachzufragen. Die Frau sieht erschöpft aus, krank – die anderen auch. Das sollte kein Grund sein, sich Gedanken zu machen, es sind Werwölfe, schon wieder vergessen? Aber da ist noch etwas, die Frau ist verletzt. Tiefe Schürfwunden und Schrammen, auch im Gesicht.
Er will gerade sagen, dass sie ebenfalls Versorgung braucht, als der andere Mann sich erhebt und wortlos den Raum verlässt; die Tür knarrt, und Snape kann den Atem des Mannes in der Luft sehen. Ebenfalls wortlos steht auch die Frau auf, und Snape bemerkt, dass sie Probleme mit ihrem linken Bein hat; sie folgt ihrem Werwolf-Freund hinkend nach draußen, und die Tür fällt hinter ihnen zu.
Seltsam, in diesem Moment beginnt Snape zu zittern, er kann gar nicht sagen, ob es die Kälte ist oder ... was auch immer, er zittert einfach am ganzen Körper, und als er mühsam aufsteht, um hinüber zu Lupin zu gehen, muss er feststellen, dass er vor Kopfschmerzen kaum laufen kann; ihm ist übel, und außerdem ist da wieder – immer noch – dieses Pfeifen in seinen Ohren, das seinen Gleichgewichtssinn empfindlich stört. Und ihm ist kalt, kalt, kalt, das Schlucken tut weh. Das erste Zeichen einer Erkältung.
Pomfrey wird glücklich sein, denkt Snape. Ein wahres Fest für sie. Und dann gleich zwei Männer, die in einer erbärmlichen Verfassung sind, einfach toll, denn Lupin bekommt kaum die Augen auf. Oh Götter, ist er deutlich schwerer verletzt als die Frau, seine Brust ist regelrecht aufgerissen, und er atmet ziemlich flach.
Das hätte nicht passieren dürfen. Nicht ihm.
Sein Zauberstab ist noch da. Er nimmt ihn in die Hand und versucht sich zu sammeln –
konzentrier dich, verdammt ...
– aber schließlich muss er feststellen, dass er nutzlos ist. Seine Hände zittern so stark, dass er Lupin nicht helfen kann, er kann die einzelnen Verletzungen nicht orten und schon gar nicht behandeln. Nicht heute.
„Lupin? Sind Sie wach?"
Seine Stimme klingt nicht wie sonst, aber es ist ihm egal, wie er mit einem ganz leisen Befremden feststellt; vielleicht hat er sich im Laufe der Nacht daran gewöhnt.
„Hmmm ... ja ..."
Vorsichtig legt Snape seine Hand flach auf die Stirn des anderen. Oh, er glüht, er muss sofort hier weg.
Lupin starrt ihn an, er hebt ein wenig die Hand, um mit dem Finger auf ihn zu zeigen. Snape fährt mit der Hand kurz über seinen Kopf, an die Stelle, wohin Lupin gezeigt hat, und seine Finger berühren eine enorme Blutkruste. Offenbar konnten die Werwölfe bei ihnen beiden zumindest die Blutungen stoppen.
Lupin schluckt angestrengt. „Severus", murmelt er, „es ... es tut mir Leid ..."
Wortlos erwidert Snape den Blick des Werwolfs, und aus irgendeinem Grund baut sich ein Schmerz in seiner Brust auf. Dieser Mann hat in der vergangenen Nacht sein Leben gerettet ... wahrscheinlich ..., und er entschuldigt sich bei ihm, bei ihm!, und zu allem Überfluss sieht er Snape voller Scham an, als wäre er, Lupin, völlig abnorm.
Snape will scharf antworten, machen Sie sich nicht lächerlich, aber Lupins Blick scheint ihn zu durchdringen, und die Worte kommen ihm nicht über die Lippen. Er winkt nur müde ab.
„Nicht jetzt, Lupin", sagt er leise. „Wir müssen von hier verschwinden. Wir müssen –"
„Portschlüssel", unterbricht Lupin ihn, „frag sie ... nach dem Portschlüssel."
Unter Anstrengung steht Snape wieder auf und geht nach draußen. Sein Körper reagiert, bevor sein Verstand begreift, was los ist, es läuft ihm eiskalt den Rücken herunter, und dann bemerkt er es. Der Verwesungsgeruch ist wieder da. Und bevor er auch nur einen weiteren Gedanken fassen kann, sieht er es auch schon.
Totes Gefieder.
Mehrere große Hühner liegen nahe beim Eingang. Sie sind nicht nur tot, sondern ganz und gar unmäßig tot, sie sind halb angefressen, und einiges Kleingetier macht sich an den stinkenden Kadavern zu schaffen.
Snape sieht das Hühnerhäufchen an und sein beeinträchtigter Verstand beschließt irgendwie, die damit zusammenhängenden Informationen ein anderes Mal zu verarbeiten. Es kostet genügend Energie, bei diesem Gestank nicht wegzurennen.
Langsam nähert er sich den beiden anderen Werwölfen. Sie stehen ein wenig abseits und reden leise miteinander.
„ ...Risiko mussten wir eingehen", hört er die Frau sagen, bevor er zu ihnen tritt und ihr Gespräch damit unterbricht.
„Was machen Sie denn hier?" Die Frau faucht ihn regelrecht an. „Sie dürfen sich nicht so viel bewegen, nicht mit dieser Kopfverletzung."
„Lupin hat einen Portschlüssel erwähnt", sagt Snape tonlos. Er zwingt sich, den beiden in die Augen zu sehen. Der Mann wendet sich sofort ab, während die Frau seinem Blick standhält. Ihr Gesicht spannt sich an, und sie atmet erkennbar, aber lautlos durch. Sie scheint sich alle Mühe zu geben, sich zusammen zu reißen.
„Ja", antwortet sie. „Er wurde hier für den Fall hinterlegt, dass Remus aus irgendeinem Grund nicht apparieren kann und morgens um sieben Uhr noch nicht zurückgekehrt ist. – Es war nicht sehr wahrscheinlich", ergänzt sie mit einem ätzenden Tonfall, „dass dieser Fall eintritt. Wenn dieses Treffen wie geplant verlaufen wäre ..."
Ihre Stimme verliert sich, und Snape unterdrückt den Impuls, auf die Schärfe ihres Tonfalls zu reagieren. Er könnte sich rechtfertigen, sie zurechtweisen... aber das wäre diplomatisch nicht wirklich klug, und überhaupt, er hat genug. Die Schmerzen im Kopf und in den Ohren sind unerträglich, er will ins Schloss zurückkehren, nichts sonst. Und zwar jetzt.
„Es tut mir Leid um Ihren Verlust", hört er sich selbst sagen, er bangt jetzt wirklich um seinen Verstand, aber nun ist es schon einmal gesagt, also kann er ebenso gut weiter reden. „Und ich danke Ihnen."
Sie sieht ihn nur an. Snape erinnert sich an das animalische Leuchten dieser Augen, jetzt ist da kein Wolf mehr, nur Erschöpfung, Trauer und Wut ... und Leere, dieselbe Leere, die er heute Nacht in Lupins Augen gesehen hat. Und er empfindet irgendetwas, das er nicht weiter verfolgen mag, ein ungewohntes Gefühl, das erneut seine Brust eng werden lässt. Er muss jetzt wirklich weg von hier.
Dann sieht er die Frau ihre Augen schließen, sie neigt leicht den Kopf und atmet hörbar aus.
„Dieses Treffen", sagt sie langsam, „ist für uns alle nicht ideal verlaufen, schätze ich. Es wird besser sein, wenn Sie beide jetzt gehen ... wir werden wieder Kontakt zu Ihnen aufnehmen."
Das hat er jetzt nicht erwartet, wirklich nicht.
Sie zieht eine bronzefarbene Taschenuhr aus ihrem Umhang. „Die Verabredung lautete, dass Remus im gegebenen Fall um acht Uhr den Portschlüssel benutzt. Es wird jemand am vereinbarten Treffpunkt warten und Sie beide in... in die Schule bringen, damit Sie medizinisch versorgt werden können. – Es ist gleich soweit."
Snape nickt und kehrt in die Hütte zurück; die Frau folgt ihm mit ein wenig Verzögerung, sie hat etwas in der Hand, einen schwarzen Brocken, der aussieht wie ein verkohltes Stück Holz.
Lupin liegt immer noch in derselben Position da wie zuvor, aber er ist wach und versucht sich jetzt aufzurichten.
„Lass das, Remus", sagt die Werwölfin zu Lupin, und ihre Stimme ist jetzt ganz sanft, als würde sie mit einem Kind sprechen. „Bleib liegen. Ich habe den Portschlüssel hier."
Lupins Augen sind fiebrig. Mit einem leisen Stöhnen lässt er sich wieder zu Boden sinken. Die Frau hinkt zu ihm hin, kniet sich hinunter und streckt die Arme nach ihm aus. Zögernd umarmen sie sich, und Lupin verschwindet fast in den Armen dieser großen, dünnen Frau.
„Es tut mir Leid", hört er Lupin murmeln.
„Ein Opfer ...", murmelt die Frau fast unhörbar zurück. „Vielleicht war es notwendig. Ein Zeichen unseres Bündnisses."
Welch schmerzhafte Prioritätenklärung, denkt Snape flüchtig.
Sie nicken sich zu, und Snape schlägt die Augen nieder, er will nicht, dass Lupin bemerkt, wie er die beiden anstarrt.
„Auf Wiedersehen, Professor."
Überrascht sieht er hoch, das ist mehr, als er erwartet hat, viel mehr. Die Frau blickt ihn direkt an – die Wut ist weg, jedenfalls fast, sie sieht nur unendlich erschöpft aus.
Er nickt nur. Wer behandelt Ihre Verletzungen, er hätte es fast gesagt, aber nur fast. Ein Glück. Es gibt keinen Grund, sich noch mehr lächerlich zu machen, als er es ohnehin schon getan hat.
Der andere Mann steht im Türrahmen, Snape hat ihn gar nicht kommen hören. Er tritt nicht näher. „Alles Gute, Remus", murmelt er und der Angesprochene erwidert den Gruß ebenso leise.
Dann sieht er Lupin an, der nickt kaum merklich, und sie berühren beide den rußigen Portschlüssel. Es vergehen noch einige Momente des Schweigens, bevor es anfängt.
Unweit des Verbotenen Waldes werden sie zu Boden geworfen. Lupin gibt ein entsetzliches Wimmern von sich, und obwohl Snapes Kopf zum wiederholten Mal an diesem Morgen regelrecht zu explodieren scheint, robbt er zu dem Werwolf hinüber und greift unwillkürlich seine Hand.
„Alles wird gut, hörst du", flüstert er, „es ist schon jemand da."
Ja. Es ist jemand da. Hagrid kommt auf sie zu, er geht sehr langsam, neben ihm Pomfrey, sie rennt, um mit Hagrid Schritt halten zu können. Und da ist noch eine andere Gestalt. Auch eine Frau.
„Severus! Remus!"
Nur diese Namen, aber es löst bei Snape enorm viel aus, es ist das endgültige Signal, dass sie wieder zuhause sind.
Es ist vorbei.
Er hat plötzlich das Bedürfnis, sich fallen zu lassen. Und dann fällt er auch schon, er sinkt einfach neben Lupin zu Boden. Er hört kaum, was die beiden Frauen und Hagrid sprechen, es ist egal, er ist zuhause. Die Frau, die sich über ihn beugt, hat er noch nie gesehen, aber das macht nichts, sie ist mit Hagrid und Pomfrey gekommen, sie wird in Ordnung sein. Vielleicht so alt wie er, vielleicht etwas älter, ein außergewöhnliches, markantes Gesicht, sie lächelt ihn an, während sie sich um seine Kopfverletzung kümmert.
Plötzlich hört er neben sich ein leises Geräusch.
„Bah."
Er dreht leicht den Kopf und sieht Lupin, der seine Hände betrachtet. „Meine Hände sind voller Ruß von dem blöden Portschlüssel", murmelt er gedankenlos.
„Das ist dramatisch", murmelt Snape so leise, dass nur Lupin es hören kann. „Ein schwerer Schicksalsschlag, der alle Erfolge der letzten Nacht in Frage stellt. Wir werden Dumbledore davon in Kenntnis setzen müssen."
Ihre Blicke treffen sich, und Lupin starrt ihn mit offenem Mund an, in seinen müden Augen tanzt etwas, das Snapes Mundwinkel zucken lässt, und ehe er es sich versieht, bricht ein Lachen aus ihm hervor. Und Lupin lacht mit ihm. Er sieht in die goldenen Augen des lachenden Werwolfs und fühlt Wärme, obwohl er immer noch zittert, und dann geht Lupins Lachen in ein Stöhnen und dann in ein Husten über.
Der Blick, den Snape von Pomfrey auffängt, ist sehr merkwürdig, und sein Lachen verebbt augenblicklich. Die andere Frau spricht jetzt einen einfachen Wärmezauber und wirft Snape noch einen schweren Umhang über.
„Es wird schon besser, nicht wahr?", sagt sie. Sie redet mit ihm wie mit einem Säugling, Pomfrey ist nichts dagegen. Und es ist ihm alles egal, sie nimmt sogar seine Hand, und er zieht sie nicht weg.
„Doktor Ephran", hört er Hagrids Stimme, „es fängt gleich an zu regnen."
„Ja, Hagrid", antwortet die unbekannte Frau, „Sie haben Recht. Lassen Sie uns gehen, kommen Sie, fassen Sie hier mit an."
Und während die ersten Tropfen fallen, brechen sie zum Schloss auf, deren emporragende Türme schon hinter den Baumwipfeln zu erkennen sind.
t.b.c.
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So ... Ich hoffe, es hat euch soweit gefallen – mir hat das Schreiben jedenfalls Spaß gemacht, Lupin wächst mir ja so ans Herz ... Hoffentlich hält der sich zurück und fordert nicht noch mehr Raum in dieser FF ein, das war eh alles gar nicht so geplant. g
Mir wurde übrigens mehrfach nahe gelegt, kürzere Kapitel zu schreiben und dafür öfter zu updaten, das geht aber irgendwie nicht. grins Das wär doch komisch gewesen, wenn ich dieses Kapitel nach der Hälfte hätte enden lassen, oder? Naja, ich hoffe, ihr tragt es mir nicht nach, wenn die Fertigstellung solcher Kapitel etwas länger dauert.
Ansonsten: Hier mal wieder ein ganz fettes Dankeschön an meine gewissenhafte Betaleserin Ermione. Und ein extrafettes Danke geht natürlich an euch, die ihr reviewt habt. Eure Reviews waren absolut toll, toll, toll. :))) Ihr seid so nett zu mir, das hat mich ja richtig zappelig gemacht. riesenrundknuddel Das ist immer eine wundervolle Aufmunterung in Momenten, in denen ich mich mangels Ideen oder Worten in die Tastatur verbeiße ... gg
KooolFrog: honig vom maul leck Danke für die Blumen! freu Und schöne Grüße von meinem (ebenfalls abgewetzten) Stofffisch an deinen coolen Frosch!
Maxine01: rot werd Dein Review ist ja fast zu schön, um wahr zu sein, das druck ich mir aus und rahme es ein. g Nee, mal ehrlich, viiielen Dank dafür. Wieso eigentlich misstrauisch? Erscheint dir das so abwegig oder findest du Liebesgeschichten mit Snape womöglich grundsätzlich fragwürdig? Letzteres könnte ich sogar verstehen … aber das macht das Ganze ja gerade zu einer Herausforderung, oder nicht? :)
Persephone Lupin: Tja, ob da noch was kommt … ich fürchte schon, bloß was? g Naja, dauert noch ein bisschen. – Menschen kann man es mit ihren Namen selten Recht machen. Sie wird es dir schon noch danken, sag ihr einfach, es gibt so seltsame Leute, die suchen sich den Namen freiwillig aus. gg
Käptn Blue: Du bist sehr wohlwollend, danke schön. schon wieder rotwerd (Auch danke für dein Review meiner Kurzgeschichte.) Übrigens, wenn ich mit dem Schreiben Geld verdienen würde, hätte ich sicher eine dauerhafte Schreibblockade. lol Für sowas bin ich sehr empfänglich. Aber ich werd mir alle Mühe geben, diese Geschichte zu beenden, natürlich.
Cosma: Na, ist die Klausur gut gelaufen? Jedenfalls auch dir lieben Dank für deine beiden Reviews & für dein Kompliment … wolln doch erstmal sehn, dass ich mir meine erste Lorbeere verdiene und diese Story fertig bekomme. :)))
Chalebh: Ich hoffe, du bist nicht schon wieder raus aus der Geschichte. schäm Schneller schreiben geht nicht, wirklich. Aber wenigstens hats diesmal „nur" einen Monat gedauert … und ich hab kontinuierlich dran geschrieben, wirklich, Chefin. Du streichst mir doch nicht meinen nächsten Urlaub, oder? g
Caligo Corvus: reknuddel Vielen Dank für dein Monster-Review, lieber Orchideenrabe. g Mit unqualifiziertem Senf hat das überhaupt nichts zu tun, du hast so gründlich gelesen, dass ich demnächst vor dir auf die Knie falle, um dich endlich dazu zu überreden, wenigstens den 2. Durchgang Betalesen bei mir zu machen. Wenn ich das vor Publikum mache, meinst du, dass das hilft? – Die Verwirrung mit dem Zeitablauf in Kapitel 4 habe ich zu vermeiden versucht, aber es hat offenbar nicht geklappt. grmbl Vielleicht änder ich das noch mal.
Padfoot's Mate: flüster Ich verrate dir das Geheimnis: Ich BIN Snape. lol Jedenfalls beim Schreiben, zumindest ein bisschen. Wahrscheinlich rührt daher meine derzeitige Endzeitstimmung… grübel Dies Update ist jetzt jedenfalls viel schneller gewesen als das letzte, gilt das? zu chalebh schiel Dank und Liebgruß zurück!
Sepia: Ach, du treue Leserin! stürmisch umarm Jaah, Snape ist ein Zyniker, und ich steh drauf! g Das ist nämlich sehr spezieller verkappter Humor, der sich selbst nicht über den Weg traut, weil die Welt so schlecht ist. ;)
Blaue Feder: freu Schön, dass es dich hierher verschlagen hat! willkommensblümchen werf Ich liebe neben Snape Lupin ja ebenfalls – wie man wahrscheinlich merkt … :) Der liebe Werwolf hat sich hier auch zunehmend reingedrängelt, aber ich finde ihn inzwischen auch so gut und wichtig, dass er bleiben muss. Das hat er jetzt davon. gg Slytherin rocks!
wuschi: Happy end? Ich weiß nicht. Vielleicht nicht so ganz. Aber ich werde es auch nicht in der Katastrophe enden lassen, versprochen! :)
Loony: Danke für deine 3 Reviews! noch mehr willkommensblümchen streu Ich finds ja schön, wenn Leute langsam lesen, ich lese immer viel zu schnell. – Tja, nachdem es mit Snapes Gesundheitszustand hier weiter bergab gegangen ist, muss er jetzt erstmal ein bisschen gesund gepflegt werden. :) Ach, wär ich doch da! Aber Ephran und Pomfrey kümmern sich ja um ihn, er ist also in besten Händen. – Und Snape und Lupin ... ich hoffe, du siehst schon, dass deine Hoffnungen nicht völlig unberechtigt sind. :))
M: OK, ich hab die Neun gestrichen. :) – Was fürn Geschäft, was machst du? Außer Snape und Lupin in Vollmondnächten aufeinander treffen zu lassen? g Ich finde ja, unsere Geschichten sind verschieden genug, oder? smile
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So, und nun ... press the button, please. Eure Reviews sind so eine nette Belohnung für mich! :)
