Disclaimer und A/N: Siehe erstes Kapitel
Dankesreden und weiteres Geschwafel wie immer ganz unten ...
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Unvollkommenheit
Von Malina
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Kapitel 7
Licht am Ende des Tunnels
Er sinkt.
Irgendetwas zieht ihn herunter, immer weiter ... wie auf den Grund eines tiefen Sees, aber der Grund ist nicht zu sehen. Er sinkt immer tiefer, endlos tief. Aus der Ferne hört er eine Frauenstimme, die seinen Namen ruft, und vielleicht sind da Hände an seinem Körper, aber er spürt diesen Körper nicht mehr.
Ich bin so müde.
Irgend etwas stimmt hier nicht. Es geht alles so schnell. Eben war er noch dort, in dieser scharf umrissenen Welt, und er hatte dort einen festen Platz. Er hatte wichtige Aufgaben zu erledigen. Und ja, da ist immer noch diese Stimme ... Sie will ihn nicht gehen lassen. Sie will, dass er kämpft; sie ermutigt ihn zurückzukommen, zurück in eine laute, bunte, belebte Welt voller ungeklärter Verhältnisse, bevölkert mit Menschen, die ihn brauchen und mit ihm reden wollen.
Ja, Menschen. Unvollkommene Wesen, von denen er selbst eins ist. Eines zuviel. Dort gibt es Gelächter, Zitronenbonbons, Freundschaften ... all die Dinge, mit denen er nie etwas zu tun hatte.
Und dann sind da so viele Tote, die ihn in seinen Träumen ansehen.
Ich will nicht dorthin zurückkehren.
Und die Stimme schwindet. Er ist seltsam erleichtert, obwohl er immer noch spürt, dass etwas nicht stimmt. Es ist zu früh. Oder nein, vielleicht nicht zu früh, aber so ... überraschend. Ein Fingerschnippen des Schicksals, ein bisschen zuviel Schlaftrank in einer Phiole, und das alles soll plötzlich vorbei sein. Schluss mit all den Erinnerungen, der Angst, der Unruhe, der Einsamkeit, der Wut, der Trauer ... der aufdringlichen Farbenpracht des Lebens, die in so krassem Gegensatz zu seinem eigenen Innern steht.
Einem Innern, dem sich sein Äußeres angepasst hat.
Hört ihr, es ist in Ordnung ... Ihr werdet einen anderen Giftmischer finden, so unentbehrlich kann ich nicht sein, lasst mich gehen.
Lasst mich gehen.
Seltsame Farben wischen um ihn herum. Es ist extrem bunt, aber eigentlich nicht unangenehm. Er versucht nach den Farben zu greifen, aber er wird weiter gezogen. Von den Farben weg.
In die Dunkelheit hinein.
Die Dunkelheit ist nicht unangenehm. Es ist warm und still hier. Niemand redet, niemand mustert ihn, niemand bewertet ihn. Und da ist etwas ... es kommt von außen und ist doch fast körperlich spürbar. Vertrauen. Vergebung. Es ist verwirrend, wer sollte ihm so etwas entgegen bringen?
Das kann nicht sein.
Aber es ist niemand hier, dem er widersprechen oder von dem er sich abwenden könnte. Niemand. Das Gefühl von Vertrauen und Vergebung ist einfach da, es legt sich wie eine warme, schützende Decke um ihn, ohne dass er dafür etwas tun muss.
Nein, er muss hier gar nichts tun, sich nicht beweisen, rechtfertigen oder maskieren.
Dann sieht er ein Schimmern. Einen sanften, weit entfernten Lichtschein. Es kommt langsam näher, obwohl er sich nicht bewegt. Oder bewegt er sich doch? Das lässt sich so schwer sagen, wenn man überhaupt nichts sieht.
Aber das Licht ... es ist da, eindeutig. Es brennt nicht in den Augen, seltsam, wo er doch bis eben in vollständiger Dunkelheit war. Das Licht ist immer noch weit weg und übt doch eine unglaublich starke Wirkung auf ihn aus. Es birgt ein Versprechen in sich: ein Versprechen auf Vervollständigung, als würde dort etwas auf ihn warten, das ihm immer gefehlt hat, der fehlende Baustein, der ihn zu einem vollkommenen Wesen macht ... und der alles um ihn herum vollkommen macht.
Plötzlich kann es ihm nicht schnell genug gehen – was da auch immer sein mag, er muss dort hin. Da ist nur noch dieses Versprechen, er wird davon vollständig ausgefüllt. Er will nur noch dort sein. Schneller. Geht es nicht schneller? Muss das hier so langsam gehen? Das Licht wird heller ... und es fühlt sich an, als werfe er Ballast ab, kilo- und tonnenweise Gedanken- und Gefühlsmüll, den er nicht mehr braucht. Nicht hier.
Und dann ein Ruck.
Etwas zieht ihn. Aber in die falsche Richtung. Hände, die nach ihm greifen. Er will nicht. Das Licht wird schwächer. Schwächer! Das ist nicht richtig! Was zerrt da an ihm, was um alles in der Welt soll das?
Er spürt Panik in sich aufkommen, weil er sich nicht wehren kann. Er hat keinen Körper, der ihm hilft, mit dem er sich irgendwo festhalten kann. Da ist einfach nur ein sehr entschiedener Schub in die falsche Richtung, der ihn von diesem Licht und diesem unglaublichen Versprechen fortbringt, und je weiter er weg ist, desto körperlicher wird sein Unwohlsein. Irgendetwas tut hier entschieden weh, und da muss ein Körper dazu gehören.
Oh ja. Es tut weh. Und da ist Schwere, die körperlich ist. Oh, alles tut weh ... Aber nichts ist so schlimm wie das Gefühl des Verlustes, das er empfindet. Er war so nahe. Nahe am Licht, an der Vollkommenheit. Und während sein Bewusstsein in der Realität der bekannten Welt aufschlägt, überwältigt ihn eine unglaubliche Wut auf die Menschen, die ihn hierher zurück gezerrt haben.
Er wird denjenigen, der ihm das angetan hat, umbringen.
Und das ist sein letzter Gedanke, bevor alles um ihn herum im Nebel versinkt.
oOoOo
Da ist etwas. Draußen. Diesmal ist es anders – er ist nicht weit weg, und er ist nicht körperlos. Es ist, als würde ihn nur eine hauchdünne Membran von der Welt da draußen trennen.
Ich will nicht.
Ein namenloses Entsetzen breitet sich in ihm aus. Das Licht hinter den Lidern flüstert von einer Welt, die nicht mehr da sein sollte. Nicht für ihn. Es ist etwas geschehen, was er nicht wollte, aber er wurde nicht gefragt. Da war ein Licht, und jetzt ist es fort. Er ist hier.
Er hat verloren.
Und da sind wieder diese Stimmen. Diesmal ganz nahe. Sie wollen ihn vollständig zurückholen, aber daraus wird nichts. Er will es nicht. Nichts davon. Nichts spüren, nichts denken, nichts. Er verweigert sich. Das hier sollte nicht sein. Er sollte woanders sein. Sie können ihm nicht vorschreiben, was er zu tun hat. Totale Verweigerung ist alles, was ihm bleibt.
Aber sein Körper ist da, er kann ihn spüren. Und er atmet, er will nicht, aber es geht von selbst. Na gut – dann atmet er eben. Aber sonst nichts.
Die Zeit hört auf zu existieren. Atmen und sonst nichts. Nichts. Nichts.
Nichts.
Ein schockartiger Schmerz durchfährt ihn. Oh, Götter! Crucio ... Es kann nur der Unverzeihliche sein. Ein Reißen an allen Nervenenden; ein Schmerz in allen Gliedmaßen; eine fundamentale Übelkeit, die seine Eingeweide umstülpt. Und da ist ein kurzer Moment, in dem er den Tod bitter auf der Zunge schmeckt. Eine unerträgliche Hitze, die sich in allen Regionen des Körpers einnistet ... Sein Herzschlag vervielfacht sich, und sein Leib bäumt sich auf, aber er kann diesem reißenden, irren Schmerz nicht entkommen.
Es scheint kein Ende zu nehmen. Die Adern und Nerven in seinem Körper verglühen, der Schmerz schüttelt ihn durch, er dauert an und dauert an und ...
... lässt nach.
Dann wird es still.
oOoOo
Das Nächste, was Snape wahrnimmt, ist brennende, schmerzhafte Helligkeit. Die reißenden Schmerzen sind weg. Stattdessen ist da eine unendliche Erschöpfung, ein Gefühl von Schwäche, das ihresgleichen sucht.
Aber es ist seltsam, er nimmt seinen Körper gar nicht richtig wahr. Nur seine Gedanken. Er wollte nicht mehr denken, nichts mehr empfinden ... Aber jetzt ist er wach, und seine Gedanken wandern wieder zurück, zu diesem Licht und der Erfahrung vor dem Schmerz, diesem Gefühl der Körperlosigkeit.
Da war Ruhe, da war Vergebung.
Ein Schmerz baut sich in seiner Brust auf. Er versucht darüber nachzudenken, was da passiert ist, aber es geht nicht. Sein Verstand funktioniert nicht richtig. Keine Orientierung, keine Konzentration.
Nur ein äußerst unangenehmes und schmerzhaftes Gefühl, gerade in einer völlig falschen Wirklichkeit aufzuwachen.
Oh ... Es ist so hell. Er schließt die Augen, so fest er kann, aber er weiß, dass das nutzlos ist. Diese Wirklichkeit da draußen ist so ungleich stärker als er.
Also gibt Snape auf. Er blinzelt. Und das erste Wahrnehmen von Umrissen lässt wieder diese Wut aufwallen, die er gespürt hat, als er zurück gerissen wurde. Sein Gehirn schickt einen wirren Befehl in seine Nervenbahnen, und ehe er sich bewusst dafür entschieden hat, fährt sein geschwächter Körper hoch, und er findet sich halb sitzend im Bett des Krankenzimmers wieder.
„Albus! ... Er ist wach."
Ah ... Die Bewegungen waren keine gute Idee. Sein Körper verweigert den Dienst, das bisschen Aufbäumen war schon zu viel für ihn. Matt sinkt er zurück in die Kissen und lässt es zu, dass ihm die schweißnasse Stirn abgetupft wird.
Es sind Frauenhände. Snape liegt mit geschlossenen Augen da; er muss nicht hinsehen, um zu wissen, dass es Pomfrey ist. Noch ein Blinzeln, und ihre Umrisse werden schärfer.
„Oh, Severus ... Wie gut, dass du wieder bei uns bist."
Ihre Stimme ist sehr weich, fast liebevoll. Sein Hals wird ihm eng, und er verspürt den erstaunlich starken Impuls sich weinend in Pomfreys Arme zu werfen.
Da stimmt etwas nicht, denkt es in seinem Innern, so bin ich nicht. Hör auf damit.
Aber der Impuls bleibt. Er wird lediglich abgemildert durch angestrengte Gedankenarbeit: Wie lange, überlegt er krampfhaft, liegt er schon hier? Mehrere Tage, eine Woche? Ihm ist klar, dass ihm Zeit fehlt – Pomfreys Reaktion ist viel zu sanft, sie müsste anders reagieren. Ärgerlicher, ungeduldiger. Er weiß nicht warum, aber er weiß, dass er die Verantwortung für seinen Zustand trägt. Oh ja, ihm fehlen mehr als ein paar Stunden. Pomfrey braucht immer ziemlich lange, um über die Dummheit ihrer Patienten hinwegzukommen.
Er öffnet die Augen einen Spalt und fängt einen sorgenvollen Blick ein, den Pomfrey jemandem zuwirft, der seitlich außerhalb seines Blickfeldes steht.
Dumbledore.
Da steht er. Er ist vorgetreten und steht nun ernst an seinem Bett.
„Severus. Wie geht es dir?"
Snape schüttelt leicht den Kopf. Er weiß nicht, was er auf diese Frage antworten soll, also sagt er gar nichts.
„Du warst über zwei Wochen bewusstlos", hört er Pomfrey nach einer Pause sagen. Sie beantwortet Fragen, die er gar nicht stellen würde. „Du hast im Koma gelegen. Es war nicht ganz sicher, wann du wieder zu dir kommst ... ob du überhaupt wieder zu dir kommst. Deine Werte waren instabil. Ich hatte … Wir dachten, wir verlieren dich. Und Albus –"
Sie verstummt.
„Ich habe entschieden, dass wir versuchen müssen, dich aufzuwecken", spricht der Schulleiter weiter. Ein stilles, tiefes Bedauern liegt über seinen Gesichtszügen. „Ich habe veranlasst, dass Poppy dir den Erweckungstrank verabreicht. – Es war meine Entscheidung", setzt er ruhig hinzu.
Der Erweckungstrank. Snape lässt sich tiefer in die Kissen zurücksinken. Das sind keine guten Nachrichten. Aber wenigstens erklärt es die Schmerzen, die er hatte.
Seltsamerweise interessiert es ihn nicht besonders.
„Der Erweckungstrank war die einzige Alternative", hört er Dumbledore weiterreden. Er klingt, als müsse er sich rechtfertigen; Snape hört nur mit einem Ohr zu.
„Ich weiß, das Risiko war groß … wir mussten diese Möglichkeit nutzen … Viel Zeit vergangen … Der Wolfsbanntrank muss wieder gebraut werden, und wir brauchen deine Hilfe bei den Schutzzaubern."
Wolfsbanntrank. Schutzzauber. Vielleicht wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt, um diese Wut wieder hervorzuholen ... aber wozu? Snapes Gedanken driften ab. Er denkt an dieses Licht. Was Dumbledore da redet, was um ihn herum geschieht – das alles interessiert ihn eigentlich nicht. Er verspürt nur ein unendliches Bedauern, dass er jetzt hier ist und nicht dort. Wo auch immer dort ist.
„Severus? Severus, was fehlt dir?"
Pomfrey Stimme. Sie spricht schon die ganze Zeit auf ihn ein. Als er sich schließlich dazu durchringt ihr zu antworten, ist seine Stimme rau und fremd.
„Ich bin ... sehr müde."
Seine Gedanken driften wieder ab, und es wird still im Raum. Er findet das sehr angenehm, aber seine beiden Besucher beginnen unruhige Blicke zu wechseln, also zwingt er sich weiter zu sprechen.
„Ich werde meine Arbeit erledigen. Wann ist die nächste Vollmondnacht?"
„In zwölf Tagen", erwidert Dumbledore. „Ich meine mich zu erinnern, dass die Herstellung des Trankes acht Tage braucht."
Snape schließt die Augen. Er spürt einen extremen Widerwillen, sich jetzt mit solchen uninteressanten Dingen zu beschäftigen. Aber zugleich ist ihm klar, dass es keinen Weg zurück gibt. Und obwohl er unkonzentriert und abwesend ist, spürt er, wie er durch die enorme Präsenz und Entschlossenheit Dumbledores nach und nach auf den Boden der hiesigen Tatsachen gezogen wird – zurück in diese ungeliebte, kalte Welt, in der er wichtige Aufgaben und Verpflichtungen hat.
„Nein", korrigiert er Dumbledore schließlich leise, „ich brauche inzwischen nur noch fünf Tage."
„Umso besser", sagt der Schulleiter. „Das gibt dir noch einige Tage Zeit, dich vollständig zu erholen. Nun schlaf ein wenig."
Er spricht sanft und ruhig, und doch ist da etwas unterhalb dieses Tonfalls, das keine Diskussion zulässt. Der letzte Satz klingt wie ein Befehl. Und Snape kommt ihm nur zu gern nach, er will ohnehin nichts anderes als schlafen. Seine Augen sind schon geschlossen, bevor Dumbledore ganz ausgeredet hat.
Aufwachen, essen, einschlafen. Es ist merkwürdig, wie kurz die Tage sein können. Da ist diese weiße, gestärkte Bettwäsche und der Geruch von Desinfektionsmitteln, der Snape klar macht, wo er sich befindet – aber ansonsten fühlt er sich komplett ortlos. Sein Körper ist da, aber unwichtig. Es sind auch Menschen da, um ihn herum, aber die sind auch unwichtig.
Nichts scheint mehr von Bedeutung, gar nichts.
Es ist gut, denkt er, dass er nicht sofort wieder ins Labor muss. Er könnte es gar nicht. Meistens liegt er mit geschlossenen Augen da; seine schwarzen Haare sind zerwühlt, und er bemerkt am Rande, dass es wohl angemessen wäre, ein ausgedehntes Bad zu nehmen. Ach ... Das alles wäre nicht mehr nötig, wenn sie ihn hätten gehen lassen. Er spürt manchmal, wie es in seinen Augenwinkeln bedenklich feucht wird. Es ist nicht fair, denkt er einmal und fragt sich anschließend in einem befremdlichen Anfall von Selbstmitleid, seit wann er meint, dass das Leben fair sei. Zu ihm.
Sei lieber froh, dass sie dich zurückgeholt haben. Sie brauchen dich. Du bist nicht vollkommen unnütz.
Es fühlt sich an, als hätte er irgendetwas verloren. Etwas, ohne das er nicht leben kann. Es tut fast körperlich weh. Ja, Trauer. Ein seltsames, ungewohntes Gefühl. Die Wut, die er verspürt hat, ist weitgehend verschwunden. Irgendwie schade. Ein Leben ohne Wut, wie soll das gehen? Es ist, als sei ein Teil von ihm nicht mit zurückgeholt worden – und das macht ihm Angst, aber irgendwie spürt er so etwas wie Zuversicht, dass dieser Zustand nur vorübergehend ist.
Und natürlich ist er das. Die Schlafetappen werden kürzer, die Mahlzeiten werden gehaltvoller, der Körper wird kräftiger. Die Erinnerung an Vertrauen, Vergebung und an das Licht verblasst. Und nach und nach nimmt er die Menschen um sich herum wieder wahr. Er spürt, dass Pomfrey und der Schulleiter ihm gegenüber mit einer gewissen Zurückhaltung auftreten. Pomfrey redet so gut wie gar nicht mit ihm; sie legt alles, was sie zu sagen hat, in ihre pflegerische Fürsorge hinein, und dabei sieht sie ihn an, als sei er jemand, um den sie sich wirklich und wahrhaftig Sorgen mache. Er kann das gar nicht haben. Manchmal fängt er so kummervolle Blicke von ihr auf, dass ihm fast schlecht davon wird. Niemand sollte ihn so ansehen, niemand.
Von Dumbledore bekommt er solche Blicke nicht. Meistens steht er bei seinen Besuchen so im Raum, dass Snape ihn gar nicht sehen kann. Ein Glück. Snape hat derzeit nicht das geringste Verlangen, dem Mann in die Augen zu sehen.
Manchmal hofft er, dass sie wissen, was sie ihm angetan haben.
Aber woher sollen sie es wissen? Doch, natürlich – die Schmerzen, die er später hatte, davon wissen sie. Dieser verdammte Erweckungstrank hätte ihn umbringen können. Er erinnert sich wieder: Dieser sehr gefährliche und umstrittene Trank wird bei besonders gefährdeten Koma-Patienten und Menschen verwendet, die dem Hirntod nahe sind. Sie haben sein Leben riskiert, um ihn an seinen Arbeitsplatz zurück zu schicken. Snape ist klar, dass Dumbledore an diesem Punkt kein schlechtes Gewissen hat – es war seine bewusste Entscheidung.
Und warum sollten er oder Pomfrey dann ein schlechtes Gewissen haben, weil sie ihn zwei Wochen vorher wiederbelebt haben?
Er würde gern wissen, was überhaupt passiert ist. Wer ihn gefunden hat, in welchem Zustand er war. Aber er wagt nicht zu fragen, weil er befürchtet, etwas über sich selbst preiszugeben. Er will nicht über sein ... Erlebnis reden. Auf keinen Fall.
Und noch weniger will er das Gespräch auf diesen verdammten Schlaftrank lenken. Auf den Fehler, den er gemacht hat, diese unglaubliche Dummheit, die er begangen hat. Je länger er im Bett liegt und darüber nachdenkt, desto schlechter geht es ihm. Es könnte so aussehen, als ob er sich das Leben nehmen wollte. Bisher hat ihn niemand auf jene Nacht angesprochen, aber er weiß, dass das geschehen wird.
Und es geschieht.
Drei Tage nach seinem ersten Aufwachen sitzt die Heilerin mit den dunklen Haaren an seinem Bett. Ephran. Pomfrey ist nirgends zu sehen; die beiden Frauen scheinen so gut wie nie gleichzeitig in einem Raum zu sein.
„Schön zu sehen, dass es Ihnen wieder besser geht. Sie haben großes Glück gehabt, Professor."
Wie man's nimmt.
Snape verspürt leichte Panik. Er will nicht darüber sprechen. Schon gar nicht mit ihr. Er kennt diese Frau nicht, und mit einer Psychologin will er sowieso nichts zu tun haben.
„Möchten Sie wissen, was passiert ist?" Eine ruhige Frage. Er kann weder Tadel noch Herausforderung in Ephrans Stimme hören.
Er nickt stumm.
Sie senkt den Blick und streicht abwesend über das Bettlaken. Eine seltsam unsichere Geste. Sie seufzt leise.
„Es wird Ihnen vielleicht nicht gefallen, was ich Ihnen erzähle."
Wie sollte es auch anders sein.
„Ich denke, ich werde es überleben", murmelt er. „Bitte keine falsche Zurückhaltung."
Sie lächelt, und um ihre Augen herum sind wieder diese Fältchen zu sehen.
„Gut. Um es kurz zu machen: Sie haben es Connor Boltraine zu verdanken, dass Sie gefunden wurden."
Sein Herz sinkt. Ein Teil von ihm möchte sich jetzt einfach zu einer Kugel zusammenrollen. Oder den Schlaftrank erneut einnehmen, aber diesmal noch mehr davon. Es kann doch einfach nicht sein, dass es wieder jemanden gibt, der ihm das Leben gerettet hat … und dann auch noch so jemand.
„Offenbar hat er seine Schwester dazu gebracht, mit ihm in die Kerker zu gehen", fährt Ephran fort. „Ich weiß nicht wie, aber sie sind in Ihre Privaträume gelangt und haben Sie gefunden."
„Wie das?", schafft Snape leise zu fragen.
„Wie ich schon sagte. Ich weiß es nicht. Jedenfalls hat Londrea Boltraine sofort Professor Dumbledore informiert, der wiederum Madam Pomfrey in Ihr Quartier geschickt hat. Ich kam kurz darauf ebenfalls dazu."
Kurz gesagt, die halbe Welt hat mich dort liegen sehen.
Die Vorstellung daran schnürt ihm die Kehle zu.
„Sie lagen auf dem Boden und reagierten auf nichts. Madam Pomfrey hat direkt vor Ort Hilfemaßnahmen eingeleitet. Es ... wir hatten große Zweifel, ob es uns gelingt, sie zu retten. Wir bekamen keine Anzeichen von Lebensenergie mehr von Ihnen."
Sie hebt den Kopf und sieht ihn direkt an.
„Ehrlich gesagt … Ich denke, dass Sie zu diesem Zeitpunkt so gut wie tot waren."
Snape schließt unwillkürlich die Augen. Sein Herz klopft sehr, sehr stark und er spürt, wie sein Gesicht warm wird. Er sieht Ephran nicht mehr an, während sie weiterspricht.
„Wie Sie sehen, haben wir es geschafft. Madam Pomfrey hat es geschafft, ihr müssen Sie danken."
„Danken?", platzt er entgeistert heraus.
Oh. Das ist ihm so rausgerutscht. Er verstummt schlagartig. Merlin, wenn sie bis eben noch nicht der Meinung war, dass er sich umbringen wollte, dann ist sie es jetzt.
Er spürt ihren Blick auf sich ruhen. Eine kurze Pause tritt ein; sie scheint über ihre nächsten Worte nachzudenken.
„Professor", sagt sie schließlich zögernd. „Ich denke, es überrascht Sie nicht zu erfahren, dass Sie Ihren ... Ihren Trank nicht mehr einnehmen dürfen. Alle Vorräte und entsprechenden Zutaten sind aus Ihrem privaten Besitz entfernt worden."
Nein, keine Überraschung. Aber die Nachricht lässt seine Hände feucht werden, und sein Herz klopft noch heftiger als zuvor; es tut richtig weh. Er hört Ephran wie durch eine Wand weiter sprechen.
„Ich weiß, Sie glauben, dass Sie diesen Trank brauchen. Aber ich denke, alles, was Sie brauchen, sind Ruhe und Zeit für sich selbst."
Seine Atmung ist flach, er traut seiner Stimme nicht über den Weg, beginnt aber trotzdem zu sprechen.
„Ich möchte entlassen werden."
Ephran seufzt.
„Noch so ein Punkt. Es beunruhigt mich, dass Sie wieder in Ihr Tränkelabor zurückkehren wollen. Sie sind noch nicht so weit."
Snape gibt ein Geräusch von sich, das an das Fauchen einer Katze erinnert.
„Sie irren sich. Ich bin so weit."
Sie antwortet nicht. Diese verdammte Frau sieht Snape einfach nur an. Es fühlt sich an, als könne sie durch ihn hindurchsehen. Das Gefühl ist nicht gut. Er bricht den Blickkontakt ab und starrt ins Leere.
Er gehört zu den Menschen, die sehr, sehr lange ins Leere starren können.
Irgendwann nimmt er neben sich eine Bewegung wahr; Ephran ist aufgestanden.
„Bis später, Professor."
Snape löst sich erst aus seiner Starre, als die Tür hörbar ins Schloss gefallen ist. Dann sinken seine Schultern. Er gibt einen leisen, gequälten Laut von sich und schließt die Augen in der undeutlichen Hoffnung, dass sich damit diese schäbige, sichtbare Welt für immer in Luft auflöst.
Aber Hoffnungen sind nur was für Idioten. Er hat es schon immer gewusst. Die Welt bleibt, und auch er bleibt liegen, atmend und vergeblich gegen die Gedanken ankämpfend, die durch seinen Kopf rasen. Nach einer Weile kuschelt er sich ins Bett wie ein Kind, er nimmt sich das jetzt einfach mal raus; es ist ja keiner hier, der ihn sehen könnte.
Er kann sich nicht dagegen wehren, dass die Informationen, die Ephran ihm gegeben hat, wie Gift in ihn hineinsickern. Er darf seinen Trank nicht mehr nehmen. Das halbe Schloss stand um ihn herum und hat ihm beim Sterben zugesehen. Und der Verrückte und seine Schwester haben ihm das Leben gerettet. Das kann nicht wahr sein, das ist alles nur ein Traum, alles nur ein –
Nein. Kein Traum. Die verfluchte Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, die gar nicht mehr sein sollte, genau genommen. Und er spürt es wieder: Anzeichen von Selbstmitleid. Furchtbar. Er muss hier raus, unbedingt.
Noch am selben Abend teilt Snape Pomfrey mit, dass er in sein Quartier zurückkehren wird. Auf der Stelle. Sein Tonfall ist vorsorglich aggressiv für den Fall, dass sie sich weigert ihn gehen zu lassen. Aber es geschieht etwas Wunderbares: Sie nickt nur, legt seine Alltagskleidung bereit und entlässt ihn mit einer Mindestanzahl fürsorglicher Worte.
Ja, Verpflichtungen sind etwas Großartiges. Zumindest, wenn sie helfen, von Krankenlagern zu fliehen.
Aber es ist schon seltsam. Er hat den Krankenflügel kaum verlassen, als ein Gefühl der Beklemmung seinen Hals zu umgreifen scheint. Eine sägende Unruhe rumort in seinen Eingeweiden, wenn er an seine Räume denkt. Er weiß nicht warum; es sind schließlich seine Räume, er ist auf dem Weg in sein verdammtes Zuhause! Also. Kein Grund zur Beunruhigung.
Es muss an der Kälte liegen. Verdammt, was ist das hier für eine erbärmliche Art von Sommer? Es schaudert ihn bei dem Gedanken, wie kalt es erst in den unteren Stockwerken sein muss. Nun hat ihn der Mangel an Wärme in den Kerkern nie sonderlich gestört – aber im Augenblick, nun ja, steht er wohl etwas neben sich.
Hoffentlich, denkt er, trifft er niemanden. Die Möglichkeit, dass irgendwer um die Ecke biegen und ihn ... so sehen könnte, lässt seinen Magen rumoren. Und wie soll man das ausschließen? Das Schloss wirkt plötzlich beängstigend klein. Überall Gänge, an deren Ende irgendwer stehen könnte. Die Geschwister oder ... Lupin.
Furchtbarer Gedanke.
Und es ist zu lächerlich, er geht vor lauter Angst nicht schneller, sondern langsamer. Es scheint Stunden zu dauern, bis er endlich in seinen Räumen angekommen ist.
Als er endlich sein Ziel erreicht, fühlt er sich wie ausgewrungen. Seine Räume sind magisch versiegelt, und drinnen sieht alles aus wie immer. Es hat sich nichts verändert, versucht Snape sich zu beruhigen.
Aber es funktioniert nicht.
Nein. Etwas hat sich verändert. Es ist jemand hier gewesen. Er hat hier gelegen, und sie haben ihn gesehen.
Und ... es gibt keinen Trank mehr.
Er steht im Türrahmen und fängt an zu schwitzen. Die Karten sind neu gemischt, und er war beim Mischen nicht dabei. Oh Himmel und Hölle. Wie soll er jetzt schlafen? Wie soll er zur Ruhe kommen? Und sind das hier wirklich noch seine Räume? Räume, in die er sich zurückziehen, Kraft sammeln kann? Räume, in denen er unbeobachtet sein kann?
Ein intensives Gefühl der Schutzlosigkeit breitete sich in ihm aus. Sie waren hier, sie sind bei ihm eingebrochen ... und er pfeift auf die guten Absichten dieser verdammten Geschwister. Sie hatten kein Recht dazu.
Und als wäre all das nicht genug, hat noch irgendwer einen Bann auf seine Räume gelegt. Verdammt, er kann das spüren. Was ist das für eine stümperhafte Arbeit? Mal vorausgesetzt, er sollte es nicht merken. Und wenn er es bemerken sollte, warum haben sie es ihm nicht vorher mitgeteilt?
Er bleibt lange auf der Türschwelle stehen, bevor er die Tür hinter sich schließt. Dann schaut er auf seine zitternden Hände und spürt, wie der Schweiß ihm die Stirn kalt werden lässt.
Hör auf damit! Reiß dich zusammen!
Nach einer Weile findet er sich auf dem Boden kauernd wieder, das Sofa in seinem Rücken; er kann sich nichtmal genau erinnern, dass er sich gesetzt hat. Die Hände zittern etwas weniger, wenn er seine Knie fest umschlingt. Gut. So sitzt er weiter dort und verliert das Zeitgefühl. Er hat keine Ahnung, was los ist; er weiß nur, dass er sich nicht fühlt wie er selbst. Es ist, als würde er sich selbst abhanden kommen.
Er fühlt sich so fremd. Ortlos. Schutzlos.
Und wie er so dasitzt, taucht vor seinem inneren Auge wieder dieses Licht auf, das er gesehen hat. Er lässt das Bild zu, er lässt auch die Tatsache zu, dass es nicht einfach nur ein Bild, sondern eine Erinnerung ist. Und die Erinnerung wird größer und beginnt ihn im Innern zu wärmen. Frieden, Liebe, Vergebung ... In diesem Moment gibt es keinen Platz für Schmerz oder Trauer in ihm – nur für Zuversicht. Er kann es nicht erklären, aber es ist ein Lichtblick im wahrsten Sinne des Wortes.
Lange sitzt er einfach nur da, mit den Kinn auf den Knien, und lässt sich von dieser Erinnerung trösten. Es tut so gut. Hoffnung. er wusste nie, was das ist, aber jetzt ist sie da. Hoffnung, Glauben.
Merlins Hirn, seit wann glaubt er? Und vor allem: woran?
Da ist ein ungewohntes Geräusch. Ein rauer, ungeübter Ton kommt aus seiner Kehle. Er lacht. Sitzt einfach da und lacht über sich selbst. Glauben. Er! Es ist absurd. Erbarmungslos beginnt sein scharfer Verstand in die Ruhe seiner Erinnerungen Wunden zu schneiden. Ist er jetzt neuerdings zum Optimisten mutiert? Nur, weil er ein ... ein Erlebnis hatte, das schon Zigtausende vor ihm hatten, als sie sich auf der Schwelle zwischen Leben und Tod befanden?
Ach, verdammt. Er weiß doch, was das war. Er kennt die Erfahrungsberichte und die entsprechende Literatur über Nahtoderfahrungen. Der Geist trennt sich vom Körper, man schwebt über dem Geschehen, das Ich löst sich auf, man wird in einen Tunnel hineingezogen, zu einem sanft schimmernden Licht hin, hinein in Liebe und Vertrauen und ...
Blablabla.
Das ist alles Einhorndreck, denkt er. Sentimentales Gewäsch. Vor allem ist es nicht real. Es ist doch bekannt, dass diese Nahtoderfahrungen nur daher kommen, dass den Menschen kurz vorm Tod eine Unmenge von Gehirnzellen abstirbt. Halluzinationen infolge von Verblödung! Nichts weiter.
Aber es war da, flüstert eine schüchterne Stimme in ihm. Es war echt, und es war wunderbar.
Na gut, denkt er. Dann war es das eben. Von mir aus! Ich hatte ein Nahtodeserlebnis, und es war echt und wunderbar. Er lacht wieder; Sorgen über seinen Geisteszustand wären allmählich angebracht, denkt er, aber dieser Gedanke ist überhaupt nicht beängstigend, sondern befreiend und führt unvermittelt einen regelrechten Lachanfall herbei. Es kitzelt im Bauch und im Brustbereich, das kennt er gar nicht; das Lachen schüttelt ihn richtig durch, und als es endlich aufhört, ist er auf wundersame Weise aus seiner halb fötalen Körperhaltung befreit; stattdessen liegt er auf dem Rücken und streicht sich durch die Haare, wie um sich selbst zu beruhigen. Die Welt wäre sehr entsetzt, wenn sie ihn so sehen würde. Er kann sich die Reaktion von Pomfrey und dem Direktor lebhaft vorstellen.
Keine Sorge, Severus, es wird alles gut. Wir haben ein schönes Heim mit geregelten Essenszeiten für dich gefunden.
Er lacht schon wieder. Das wird fast lästig. Aber irgendwie ist es auch gut. Mehr als gut. Er könnte ernsthaft in Erwägung ziehen, das irgendwann einmal noch mal zu machen.
Aber dann klopft es an der Tür.
Das Klopfen lässt den Moment jäh enden. Das Lachen bricht sofort ab. Hat mich jemand gehört, geht es Snape fast panisch durch den Kopf, als würde dadurch die Welt untergehen. Dann springt er auf wie von der Tarantel gestochen und schwankt zur Tür, und er hat sie noch nicht ganz geöffnet, als ihm kreislaufbedingt schwarz vor Augen wird. Na ja, fast schwarz. Er sieht auch ein paar Sternchen flimmern und dass Lupin direkt vor seiner Nase steht, kann er ebenfalls noch erkennen. Seine Knie geben nach, und Lupin reißt mit einem erschrockenen Ausruf gerade noch rechtzeitig die Arme nach vorn, um Snape abzustützen und zu verhindern, dass der Zaubertrankmeister auf ihn drauf- und mit ihm zusammen umfällt.
"Severus!"
"Ja, ich bin es", murmelt Snape, die Nase in Lupins Umhang. Furchtbar, da ist dieses Kitzeln in der Brust schon wieder; das wird allmählich existenzbedrohend. Snape räuspert sich umständlich; widerwillig lässt er sich von seinem ungebetenen Gast zum Sessel begleiten und setzt sich erleichtert, während Lupin die Tür schließt.
„Was machst du denn für Sachen?", murmelt Lupin und setzt sich in den anderen Sessel, ohne Snape aus den Augen zu lassen. "Geht es wieder?"
„Das waren bereits zwei Fragen", erwidert Snape liebenswürdig. "Warum bist du hier?"
Sie sehen sich erstmals voll in die Augen. Und im nächsten Moment wird Snape von der Erinnerung an die letzte Vollmondnacht fast umgerissen. Er sieht diesen Mann wieder vor sich, der seine Form verlor, hört die Schmerzensschreie ... seine und die der anderen ... und sieht die Verzweiflung in seinen Augen. In diesen Augen. Es waren immer die Augen des Mannes vor ihm.
Da gibt es kein Tier. Kein Monstrum. Nicht in ihm, nicht mehr ... Es ist so lange her.
Er erinnert sich auch wieder an die Scham in den Augen des Mannes. Daran, dass er, Snape, das alles nicht hätte sehen sollen. Vielleicht erinnert Lupin sich auch an all das, denn er sieht ebenso wie Snape weg und betrachtet den Fußboden. Nun ist der Teppich in Snapes Quartier nicht bahnbrechend interessant, also wird auf kurz oder lang der Blickkontakt neu hergestellt.
"Ja, also", nutzt Lupin die Gelegenheit, "ich wollte dir etwas sagen ..."
"Das wäre?" Die Erwiderung klingt sehr kühl. Manchmal wundert es ihn, wie sich seine Stimme anhört.
Lupin windet sich ein bisschen im Sessel, während er weiter redet.
"Ich ... Es wurde ein neues Treffen verabredet. Ein Treffen mit ... mit den Werwölfen. Du bist ... nun ja, du bist mit eingeplant. Albus hat entschieden, dass wir deine, na ja, deine neuen, ähm, Kontakte zu den Werwölfen nutzen sollten."
Er seufzt und lässt sich tief in den Sessel hineinsinken.
"Das wollte ich dir sagen. Wir beide sollen gleich zu Albus kommen, er hat mich gebeten dich zu holen. Ich wollte einfach nur, dass du es schon vorher weißt."
Snape sitzt reglos da; es gibt kein äußeres Anzeichen, dass er die Worte seines Gegenübers gehört hat. Warum tut Lupin das, überlegt er fieberhaft. Überhaupt, woher weiß der Mann, wie oft er von Dumbledores Entscheidungen überrumpelt worden ist - und wie sehr er das hasst?
"Severus?"
"Mmh", erwidert der Angesprochene. Er weiß einfach nicht, was er sagen soll.
"Es tut mir Leid", hört er Lupin schließlich zögernd weiter sprechen. "Hörst du? Ich hätte dich da nicht mit hineinziehen dürfen. Ich weiß, du wolltest nie etwas mit ... mit Werwölfen zu tun haben."
Allmählich geht ihm Lupins Gestotter auf die Nerven. Außerdem wird ihm endlich klar, worum es hier geht - um schlechtes Gewissen. Darum ist Lupin hier. Gut zu wissen, dann kann er gleich wieder gehen. Snape hat den Mund schon geöffnet, als Lupin weiter spricht.
"Ich weiß, ich sollte mich wenigstens bei dir bedanken. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte dieses Treffen -"
"Sei nicht albern", fährt Snape ihm schroff dazwischen. "Der Direktor hätte dir diesen Auftrag gar nicht geben dürfen."
"Das war aber schon lange geplant", widerspricht Lupin. "Ich hätte Albus mitteilen müssen, dass ich nicht ... du weißt schon ... dass ich nicht in der Lage war zu diesem Treffen zu gehen. Ich hätte es ihm sagen müssen", wiederholt er gequält.
"Wer tut so was schon gerne", murmelt Snape.
Das Gespräch gerät ein bisschen aus den Fugen, findet er. Er spürt, dass Lupin ihn jetzt intensiv ansieht, und er muss diesen Blick jetzt gar nicht haben. Also lenkt er sich ab, indem er im Kamin ein Feuer entfacht und seinen Sessel nahe an den Kamin heranrückt. Die Hitze des Feuers tut gut, und so muss er auch nicht so zwanghaft an Lupin vorbeisehen.
Aber der macht das einfach nach. Zieht seinen Sessel ebenfalls an den Kamin, direkt neben den von Snape.
Gryffindors haben einfach keinen Sinn für subtile Andeutungen.
Glücklicherweise scheint Lupins Redefluss fürs Erste unterbrochen zu sein. Schweigen legt sich auf den Raum; die beiden Männer sitzen einfach da und schauen ins Feuer hinein. Und da ist sie wieder - die Ruhe, die Snape schon im Krankenflügel gespürt hat. Er verspürt keine Wut, obwohl Lupin ungebeten hier hereingeschneit ist. Er verspürt eigentlich gar keine negativen Gefühle. Und so ungern Snape es sich eingesteht - es ist gut, nicht allein zu sein. Seine Angst vor der Schlaflosigkeit und den Träumen in der kommenden Nacht, das Gefühl der Schutzlosigkeit - das alles ist durch die Gegenwart des Werwolfs irgendwie weggedrängt, auf ein Später verschoben, an das Snape lieber nicht denken möchte.
Er ist gerade dabei, in den Flammen ein recht interessantes Muster zu erkennen, als das Feuer leicht zu knistern beginnt und sich grün färbt. Und da ist auch schon das Gesicht des Schulleiters in den Flammen.
"Oh!"
Der Ausruf kommt sowohl von Dumbledore als auch von Lupin, der aus dem Sessel springt, als sei er bei irgendetwas Verbotenem ertappt worden. Snape bleibt einfach sitzen und zieht eine Augenbraue hoch. Selbstbeherrschung. Es geht also noch. Tief in ihm breitet sich so etwas wie ein inneres Lächeln aus - in diesem Moment verspürt er Zuversicht, dass es ihm nun, nach all diesen schrecklichen Tagen tatsächlich langsam besser gehen wird.
"Ich habe eigentlich gar nicht damit gerechnet, Sie noch hier anzutreffen", hört er Dumbledore sagen.
Lupin wirft dem reglos dasitzenden Snape einen kurzen Blick zu.
"Entschuldigung, Albus, ich habe die Zeit vergessen. Wir sind sofort bei dir."
Über das Gesicht von Albus Dumbledore zieht ein wissendes Lächeln, das Snape sehr ärgert, bevor der Schulleiter mit einem jovialen "Dann bis gleich, Kinder! " aus dem Kamin verschwindet.
„Komm schon, Severus", treibt Lupin ihn an. „Wir müssen los."
Warum bist du so scharf drauf zu Dumbledore zu gehen? Beinahe hätte er es laut gesagt. Aber nur beinahe, glücklicherweise.
Als die beiden Männer schließlich den Raum verlassen, verzichtet Snape aus einer Laune heraus darauf sein Quartier zu verschließen; Lupin wirft ihm einen fragenden Blick zu, und Snape sieht einfach weg. Der Gedanke an die Geschwister irritiert ihn erneut. Seine Lebensretter … Er verdrängt diesen Gedanken und nimmt sich vor herauszufinden, wie um alles in der Welt sie seinerzeit in seine Räume gelangt sind.
Während sie schweigend die Kerkergewölbe verlassen und den Weg zum Büro des Direktors einschlagen, wird Snape klar, dass er weiß, was ihn bei diesem Gespräch erwartet. Eine ungewohnte Leichtigkeit erfasst ihn, und zugleich passiert irgendetwas in seiner Brustgegend, das sich ebenfalls ungewohnt anfühlt. Er weiß, dass er dem Mann neben sich Dank schuldet, aber er weiß nicht wie; er hat keine Übung in so etwas.
Unauffällig betrachtet er Lupin, während sie den steinernen Wasserspeier erreichen.
„Trüffelerdbeeren", sagt Lupin, und unwillkürlich verziehen beide Männer das Gesicht. Der Werwolf lächelt ihn fast schüchtern an, während der Wasserspeier umständlich zur Seite schwingt. Snape lässt ihm den Vortritt, als sie auf die Wendeltreppe steigen und sich spiralförmig nach oben geleiten lassen.
Üblicherweise geht er diesen Weg allein. Und normalerweise fällt ihm dieser Weg sehr schwer, jedenfalls vor Gesprächen wie diesen. Aber heute ist es ganz leicht, denn dies ist das erste Mal seit einer halben Ewigkeit, dass er auf ein Gespräch mit Dumbledore vorbereitet ist
Sie stehen schon vor der Tür zum Büro des Schulleiters, als Snape den Kopf wendet und Lupin ansieht.
„Es ist gut zu sehen, dass es dir besser geht."
Der verwirrte Gesichtsausdruck des Werwolfs ist unbezahlbar, und es ist auch recht unterhaltsam mit anzusehen, wie er anschließend ohne nennenswerten Erfolg versucht, sich seine Freude nicht ansehen zu lassen. Das müsste er wirklich mal üben, denkt Snape und bemerkt im nächsten Moment, dass er selber fast lächelt. Sie sind so damit beschäftigt ihre Gesichtszüge unter Kontrolle zu halten, dass sie dabei fast Dumbledores Stimme überhören.
„Herein. Nun kommt endlich herein, Kinder."
OoOoOoOoOoOoOoO
TBC
A/N: Ja, wer hatte noch daran geglaubt, dass es hier weiter geht? Ich schon. °g° Aber ich lass das jetzt mal mit weiteren Prognosen – klappt ja doch nicht. :-/
Jetzt verteil ich mal wieder ganz viele Dankeskekse, -torten und all sowas an meine beiden Betaleserinnen Ermione und Caligo Corvus. Ich hatte ja schon gedacht, dass die beiden inzwischen Besseres vorhaben, aber sie waren superschnell mit ihren Korrekturen. Einfach toll. °verbeug°
Die Reviews sind lange her, aber ich hab mich nicht minder gefreut. Ihr seid so nett zu mir & ich bin immer wieder begeistert, was für Monster-Reviews einige von euch schreiben. :)) Ganz lieben Dank, ihr freundlichen Leute. :P Viele Grüße natürlich auch an die übrigen LeserInnen.
Und vor dem Review-Antwort-Marathon noch die Review-Bitte des Tages: Eine klitzekleine schriftliche Hinterlassenschaft wäre toll. :)
Persephone Lupin: Tztz, ich hab deine C2 in letzter Zeit total vernachlässigt. Bin nicht mehr up to date, das muss sich ändern. °beschließ° Hab eh schon lange nix mehr von dir gehört, mal sehen, ob sich das auch ändert. :) °wink°
Jenn: Weia, ich wollt mich doch bei dir melden. °schäm° Ich hoffe, du hast mit deinem süßen Jungen eine tolle Zeit. Hat mich sehr gefreut, dass dir die bisherigen Kapitel gefallen haben ... Ich meld mich. Ganz liebe Grüße!
Cliodna: Huh, da kriege ich ja ein schlechtes Gewissen, bei dieser Geschichte ist zuviel Mit-Leiden echt nicht gut. Andererseits – ich hatte ja schon vor Monden das Gefühl, dass an dir eine Schwester des Ordens des Leidenden St. Severus verloren gegangen ist. °lach° Hast du das Antragsformular verloren? ;) °nachtübingenwink°
sepia: Irgendwie ist bei Psychologie doch immer ein bisschen Manipulation dabei. °find° - Oh ja, die Geschwister sollen sogar noch eine große Rolle spielen. Ist halt blöd, dass das alles so lange dauert. °betretenausderwäscheguck° Liebgruß:)
Mina Harker Wilhelmina Murray: „Eine Weile" ist wohl leider eine Untertreibung ... Aber freut mich, wenn's dir gefällt, ich hänge ja auch sehr an den Sarkasmen und neurotischen Anwandlungen von „meinem" Snape ... ;)
Arifilia: °gg° Jaja, Süchte sind weit verbreitet ... Ja, es ist blöd mit siamesischen Zwillingen; ich habe Mühe Thea zu kontrollieren und kann es nicht über mich bringen sie wegoperieren zu lassen. °gg° Aber diese Geschichte hier fällt mir auch viel schwerer zu schreiben. °zugeb° Hast du eigentlich mal wieder was geschrieben? °suchengeh°
Arwen: Aye, Sir :)
KooolFrog: Ich verweise mal auf meine letzte Mail. :) Liebgruß nach Berlin!
XiaoGui: Ach, vielen Dank für dein Review, hat mich echt riesig gefreut. :) Und der Wink mit dem Zaunpfahl war überfällig, jaja ... – Wie schauts denn aus mit deiner Fanfic-Abstinenz in letzter Zeit? Ach, ich schau mal wieder in eins deiner Web-Tagebücher rein. :P °nachwienrüberwink°
Cessilie: Ja, bei dieser Geschichte kann man sich wenigstens nicht beschweren, dass Snape zu wenig auftaucht. °g° Abhängig würde ich Snape auch nennen – auch wenn er es sicher nicht so sieht. Ist ja auch kein seltenes Phänomen. – Das Thema Liebe lässt sich ein wenig Zeit, so gesehen werden wir wahrscheinlich alle alt und grau, bevor Snape hier einer der Damen sein Interesse bekundet. ;))
Fairy: Ein sehr tolles Kompliment, danke schön – °freu° ... ich weiß gar nicht mehr, wie Snapes Charakter „eigentlich" ist, ich brauche wirklich den 6. Band ... °g°
kausila: Ich habe eben, EBEN gerade gesehen, dass du seinerzeit deine Story bei ff . net hochgeladen hast. °aufdiereviewlistesetz° - Vielen Dank für dein Lob! °ganztollfreu° ... Psychoanalyse ... Mich juckts ja auch in den Fingern, aber ich glaube einfach nicht, dass Snape da wirklich mitmachen würde ... :P Wollten wir nicht mal chatten? Ich meld mich mal wieder bei dir. :)
pandoradoggis: Vielen Dank:) Ich denke, der Spannungsbogen geht jetzt fürs Erste wieder runter, mal sehen. Liebgruß zurück.
Nici Cavanaugh: °willkommensblumenwerf° Deine Reviewflut war ja der Hammer. Sowas macht mich halbwegs sprachlos. (Aber nur halbwegs. °gg°) Nochmal danke für all die Gedanken und Anmerkungen und Fragen, die ich nicht immer beantworten kann. °g° Übrigens hatte ich ja ursprünglich vor, vor allem eine Liebesgeschichte zu schreiben, aber das geht irgendwie nicht. Es gibt halt tatsächlich noch mehr im Leben ... ;) Ganz liebe Grüße! °heftigwink°
CallistaEvans: Ähm, ich könnte die Antwort an Nici fast vollständig hier runter kopieren. :P Dankedankedanke ... Wie kann frau nur solche Hammer-Reviews schreiben? °immerwiedervondensockenist° :)) Übrigens: klar, die Stelle, die du benannt hast, ist ST-infiziert. Gut erkannt. (Aber ich erwarte auch nichts anderes von dir. °g°)
Meta Capricorn: Schön, dass du hier aufgetaucht bist! °wink° :D Bei der Gelegenheit muss ich nochmal schauen, dass ich meine Drohung an dich wahrmache und weitere FFs von dir lese. :)
M: So lange die Außenwelt in solchen Momenten nichts von einem will, ist es ja in Ordnung. °g° huch, ich hab gerade ein Story Alert von dir bekommen ... °gleichmalguckengeh°
Caligo Corvus: Liebes Detailschwein °gg°: Dein Review begeistert wiederum mich, aber es macht mich fertig, dass du immer so genau liest. Muss das sein? ;) Nein, ich finde es großartig. Du hast übrigens etliche Punkte angesprochen, die mir beim Schreiben wichtig waren. °knuddel° Nein, Londrea hat ihre Zutaten noch nicht bekommen, jedenfalls nicht von Snape, und wozu sie die braucht, darf ich nicht verraten, jedenfalls nicht hier. :P °liebegrüßeschickunduntermpilzhervorwink°
Und noch einmal der Verweis in meinen zweiten Sandkasten: Thea hat mir viel Zeit geklaut °ahem°, und die Snape-Hermine-Geschichte „Offenbarungen" (work in progress) ist schon gut vorangeschritten. Den Link findet ihr auf meiner Profil-Seite. °schamloswerbungmach°
... Bis demnächst … :)
