10th man down
(Aragorns POV by Idril)
So viel Leid, so viel Leid. Die Nacht, die wie ein Mantel über dem Tal liegt, vermag es nicht zu überdecken.
So viel Leid und so viel Schmerz und so viel Blut.
Es regnet in Strömen, doch das Wasser vermag das Blut nicht wegzuwaschen.
Ich weiß nicht, was es ist, was in meinem Gesicht und auf den Armen klebt, was über meine Wange rinnt und meinen Blick verschleiert. Ist es Blut oder ist es Regen? Oder sind es Tränen?
Ach, welch böser Traum. Könnte ich doch nur aufwachen aus diesem Wahn! Ich bin gefangen, gefangen in dieser Schlacht, gefangen in meiner Schuld, gefangen in meinem Hass. Er lodert in mir wie ein heißes Feuer, dass nur das Blut zu löschen vermag. Er verbrennt mich und er verbrennt meine Feinde.
Meine Klinge stößt vor wie eine Schlange, tödlich und schnell, bohrt sich seitlich durch seine Lederrüstung als wäre sie aus Butter und dringt zwischen den Rippen ein. Sein Schrei stockt und das erbärmliche Leben erlischt wie eine Flamme im Wind.
Die wilden, dunklen Augen werden glasig. Mit einem Ruck ziehe ich mein Schwert aus dem Leichnam und trete den toten Ork mit einem Fuß zu Boden.
Andúril funkelt dunkel. Mein Schwert hat Orkblut gekostet und es verlangt nach mehr.
Es braucht nicht lange zu dürsten. Zwei weitere finstere Gestalten nähern sich, in ihren Augen funkelt Hass und Blutdurst. Sie steigen geschwind über ihren gefallenen Kameraden, schreien nach Rache für ihn.
Mein Schwert beschreibt einen tödlich flachen Bogen, trifft den ersten in der Seite, durchdringt Stahl, Fleisch und Knochen. Ich reiße Andúril blitzschnell herum und es sirrt mit einem hellen Klang, beinahe wie ein helles Auflachen, durch die Nachtluft, trifft den Zweiten im schmalen Schlitz zwischen Helm und Brustharnisch, nimmt noch ein Leben.
Ein Triumphschrei entweicht meiner Kehle, als ich das nun blutige Schwert in die Luft stoße, hallt für einen Augeblick laut und hell über das finstere Schlachtfeld, geht dann unter im Getöse des Kampfes.
Welch ein Hass, welch ein Schmerz!
Das Feuer meiner Ahnen brennt in mir, ihr Schwert halte ich sicher in den Händen.
Mit einem schnellen Sprung setze ich über die Leichen, laufe bis ich neue Feinde gefunden habe, die sich meiner Klinge stellen. Feind für Feind fällt unter meinem Schwert und ich singe, als ich sie töte. Ein altes elbisches Lied vom Blut und dem Tod und der Liebe, überliefert aus vergangenen Zeitaltern, als die Welt noch jung und grausam war und der Boden rot von dem Blut von Elben und Orks.
Ich sehe Legolas, der tapfer einige Meter von mir entfernt kämpft. Seine beiden Elbenschwerter wirbeln durch die Luft, sodass keine Rüstung und kein Schild ihnen stand zu halten vermag und seine Augen blitzen wie die Sterne. Als er mich sieht und meine Stimme hört, lacht er auf und stimmt mit ein. Und unser Lied hallt über das Feld, als wir gemeinsam weiterkämpfen, und bald fliehen unsere Feinde in Scharen, wenn sie den Gesang hören, schön und schrecklich, der schmerzt in ihren Ohren und ihr Grauen mit sich bringt.
Und ist es nicht wie in alten Tagen, als die Elben stolz waren und tapfer gegen Morgoth, den dunklen Feind Mittelerdes, zogen? Als die Banner Feanors und seiner Söhne im Wind flatterten und helle Hörner über die Hügel schallten?
Wie als Antwort tönt da das Horn Helms durch die Schlucht und der dunkle Klang mischt sich in unser Lied. Flieht, flieht, Kreaturen des Bösen! Flieht zurück in eure tiefsten Höhlen!
Ihr seid nicht willkommen hier im Reich der Menschen!
Der Mond wirft einen hellen Schimmer auf meine Klinge und lässt sie gefährlich schimmern.
Welch eine Kraft, welch ein Zorn!
Mein Blut kocht und niemand und nichts vermag mich aufzuhalten. Blut rinnt über meine Arme und mein Gesicht, meines und das meiner Feinde. Der Kampf ist mir eine Lust geworden, in all seiner Grausamkeit und seiner Schönheit, er gibt mir Freiheit, zerstört meinen Käfig.
Oh wie ich euch hasse!
Ihr nahmt mir mein Königreich, nahmt mir meinen Vater und meine Mutter, nahmt mir meine Heimat! Und nun giert ihr nach meinem Leben und meiner Freiheit, das letzte, was mir geblieben ist!
Sterbt, versinkt in den Abgründen des Nichts. Heute Nacht ist meine Rache für all dies gekommen, heute Nacht vermag ich meinen Schmerz und meinen Hass nicht mehr zu bezähmen. Sterbt nun und reut, was ihr mir angetan!
Trauer. Die Trauer liegt über diesem Ort wie ein schwere Decke, die alles zu ersticken droht. Der Morgen ist grau und einsam und die blasse Sonne versteckt sich hinter den Wolken.
Es riecht süßlich nach Verwesung.
So viel Leid, so viel Leid.
Langsam wandere ich über das Schlachtfeld. Über mir ragt hoch und stolz die Burg auf. Tote, so viele Tote! Freund fiel neben Feind. Nein, der Regen konnte das Blut nicht wegwaschen.
Oh ihr Valar, was habe ich nur angerichtet? Welches Recht hatte ich dazu?
Nach Freiheit sehnte ich mich, ich wollte doch nur einmal die Freiheit kosten!
Was habe ich nur angerichtet?
Meine Freiheit bezahlten viele mit dem Tod. Oh, sie waren doch nur Orks, sagte ich mir, Ausgeburten des Bösen. Doch nur weil es schmutziges und beflecktes Leben war, das ich vernichtete, war es nicht dennoch Leben?
Plötzlich zucke ich zurück. Ich erkenne die Stelle wieder, knapp hinter der Mauer. Ich sehe die verstümmelten Leichen, die über den Boden verteilt liegen, Menschen, bis zur Unkenntlichkeit entstellt, doch genauso Orks, in Stücke zerteilt. Hier sang ich, genoss meine Freiheit, die nur der Tod mir geben konnte. Lange werde ich brauchen, um das Blut von meinen Händen zu waschen.
Müdigkeit überkommt mich plötzlich wie ein Schleier und ich sinke auf dem Boden zusammen. Meine Finger graben sich in die regennasse Erde. Blut, zu viel Blut hat sie heute Nacht getränkt.
Ich bin so müde, so unglaublich müde, als hätte ich in dieser Nacht alles an Lebenswillen und Energie gegeben, das ich in mir trug.
Ich blicke auf zum trüben Himmel, von schweren Wolken verhangen. Eine Träne rinnt über meine Wange und ich weiß, dass sie eine helle Spur in meinem verkrusteten Gesicht hinterlässt.
Oh hätte ich nur früher begriffen, hätte ich es nur früher erkannt!
Du wolltest es mir sagen, doch ich hörte dich nicht! Arwen, du hättest mich auf den rechten Pfad geführt, doch du bist wohl schon gegangen. Oh Arwen, unsere Liebe hätte mir die Freiheit geben können, nach der ich lechzte. Du bautest meinen Käfig, als du gingst. Ein Käfig aus Sehnsucht.
So viel Leid, so viel Leid.
Hätte ich nur früher erkannt, dass auch das Blut die Freiheit mir nicht geben kann!
Mein Körper sackt zusammen und bald kommt ein frischer Westwind auf, streicht über meine Haut und trocknet meine Tränen.
TBC...
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