Jojo: Danke für das Review!
Bless the Child
(Arwens POV by Lily)
„Du hast die Gabe der Voraussicht. Sag mir, was du gesehen hast..."
Morgenlicht fällt durch die Kronen der Bäume, malt Bilder in das noch feuchte Moos. Leise murmelnd bahnt ein Bach sich seinen Weg, glitzert juwelengleich zwischen dunklen Kräutern wie verblassende Sterne am Ende der Nacht. Schimmernde Tautropfen perlen von den jungen grünen Blättern der Bäume; Vögel begrüßen den erwachenden Morgen, schwingen sich auf zum Himmel. Silberner Nebel leuchtet zwischen den schlanken Bäumen, so alt wie die Welt, Farne und Blätter wehen sacht im Morgenwind.
Der schwindende Mond verharrt still und lauscht dem leisen Gesang des weiten Landes, dem stolzen Schweigen der Wälder.
Leise schreiten die Schimmel meines Volkes gen Westen, schweigend blicken meine in Silber gewandeten Begleiter voran. Dies soll meine letzte Reise in diesen Landen, in diesen Wäldern sein, meine Reise, die mich in den Westen führt. Geboren wurde ich zwischen tobenden Wasserfällen, schillernd wie ein Regenbogen im Sonnenlicht; ich wuchs auf, unerkannt von der Welt, lebte in dem Wissen, dass ich eines Tages diese Reise antreten würde. Ich träumte von den Leuchtenden Landen, von Städten aus Silber und Perlen, von unendlicher Glückseligkeit – träumte so lange unbeschwert, bis du in mein Leben tratest.
Wo sind nur all die Gefühle hin? Wohin ist unser Lachen und all unser Glück verschwunden? Wie lange wirst du mich in Erinnerung behalten, wenn ich fort bin? Und wie... wie nur soll ich jemals wieder fühlen können...?
Würde ich umkehren, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte?
Umgeben von all meinen Begleitern reite ich hier – dennoch fühle ich mich so allein wie niemals zuvor in meinem Leben. Beinahe spüre ich, wie die Zeit abläuft, die mir noch bleibt; nicht die Zeit meines Lebens, sondern die Zeit, in der ich noch eine Entscheidung treffen kann.
Wo sind nur all die Gefühle hin? Warum nur ist meine Liebe zu dir zu solch einem Fluch geworden?
Der Segen meines Volkes scheint von mir gewichen zu sein, ich spüre nichts mehr von der Wärme der Valar, von der ruhigen Weisheit der Worte meines Vaters. Fühle nicht mehr, nur noch Leere in mir, endlose Leere bis über den Horizont und das Ende der Welt hinaus. Eine Reise in die Vergessenheit wird dies für mich werden, denn vergessen werde ich und vergessen sein ebenso, mein Leben nichts als ein Schatten, meine Liebe nichts als Erinnerung.
Mein Leben, das einst so gesegnet begann, wendet sich in eine Geschichte voll unverdeckter Wahrheiten und voll Bitterkeit: Die Zeit meines Lebens zollt mir nur mit Staub und Vergessen Tribut, mit dem dunklen, stillen Grab, in dem ich einst liegen werde. Denn auch in den Unsterblichen Landen werde ich vergehen, langsam dahin schwinden unter blühenden Bäumen und gläsernen Dächern. Nichts vermag die Leere zu füllen, die sich bereits jetzt in meinem Herzen breit macht, keine Macht und keine Ewigkeit dieser Welt.
Noch immer schreiten die Schimmel still voran, noch immer sprechen meine Begleiter kein Wort. Noch immer fällt silbernes Licht durch die Äste und Zweige der Bäume.
Aus dem Nichts scheint sich der Morgen in einen strahlenden Tag zu verwandeln, das kühle Grün weicht blendendem Weiß... die Stille wird durchbrochen von einem perlenden Kinderlachen. Schritte auf grauem Marmor, wehende dunkle Haare, Augen, so hell leuchtend wie Sterne. So läuft er die Stufen hinauf, ein Knabe, in königliche Gewänder gehüllt, läuft die Stufen hinauf in die Arme... in die Arme seines Vaters... in deine Arme. Rein wie der Morgentau auf den jungen Blättern schimmert der Abendstern, den ich dir schenkte, an der Kette um seinen Hals. All das sehe ich vor meinen Augen.
Ein Blinzeln, und der Moment ist vorbei. Verschwunden sind die marmornen Hallen, zurückgekehrt ist die friedliche, stolze Stille des Waldes.
Würde ich umkehren, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte?
Wieder stellt sich mir diese eine Frage; mit jedem Augenblick scheint mir die Leere und die Kälte meiner Gefühle in mir unerträglicher. Ich sehne mich nach Wärme und dem Licht, das verschwunden scheint seit ich diese Reise antrat. Hier ist die Zeit, hier ist der Ort. Dies ist mein Leben und soll allein meine Entscheidung sein. Nicht einmal darüber nachdenken muss ich, sobald der Entschluss einmal gefasst ist. Taub werden meine Ohren für die Stimmen, die nach mir rufen, nur noch deine Stimme höre ich in meinem Kopf und zurück kehren all die Gefühle, die ich vermisste, nach denen ich mich sehnte wie eine Lilie nach dem Licht des Morgens.
Morgenlicht fällt durch die Kronen der Bäume, die um mich herum verschwimmen.. Die Hufe meines Schimmels trommeln auf dem weichen Boden, die silberne Mähne flattert im kühlen Wind, der Tränen in meine Augen treibt. Nicht lang scheint mein Weg zu sein, und bald schon vernehmen meine Ohren das Geräusch der Wasserfälle, die der Ort meiner Geburt waren.
„Du sahst meinen Sohn..."
TBC...
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