Liderphin: Nachschub kommt :)


Beta: Tarika

Stargazers

(Arwens POV by Nathalie)

Der Himmel weint.

Die Nächte über Mittelerde sind dunkler denn je, selbst die Sonne am Morgen scheint kaum noch Licht und Wärme zu spenden. Schleier aus Asche und Staub kommen über uns von Osten, trotz der ungezählten Meilen, die zwischen uns und dem Amon Amarth liegen... vielleicht ist es nur meine Einbildung, die die Wasserfälle Bruchtals trüb erscheinen lässt, doch es macht keinen Unterschied, ob es nun die Wahrheit ist oder nur ein Traum. Es ist, als läge ein Schleier auf Imladris, dieser letzten Zuflucht in Zeiten des Krieges, diesem letzten heimeligen Haus östlich des Meeres. Das Lachen in den Wäldern ist verklungen, der Gesang in den Hallen ebenso, denn niemand außer meinem Vater und mir weilt noch in Bruchtal. Stille liegt auf den Dächern wie ein Leichentuch; selbst das Rauschen der Wasser ist verstummt.

Mein Vater. Trauer hat sich tief in seine ewigjungen Gesichtszüge eingegraben während der letzten Jahre, aber in den vergangenen Tagen scheint er... gealtert zu sein. Verhärmt wirkt sein Gesicht, wenn er denkt, ich bemerke es nicht, bitter und traurig.

Bitter, weil seine jahrelangen Bemühungen nun doch keine Früchte zu tragen scheinen. Unter seinem Schutz lebten die Dúnedain, in seiner Obhut wuchsen ihre Fürsten auf, Generationen lang, bis eines Tages Estel zu ihm kam. Er verwahrte das zerbrochene Schwert, das Szepter der gondorianischen Könige, verwahrte ihre Ehre, ihre Würde, ihr Blut.

Traurig, weil nun auch ich ihn verlassen werde. Er beginnt zu akzeptieren, dass es kein Schiff geben wird, auf dem ich gen Westen fahre, dass ich hier bleiben werde von jetzt an bis zum Ende meiner Tage. Schon einmal hat er einen solchen Verlust erlitten, schon einmal brach es ihm das Herz. Er hat niemals mit uns darüber gesprochen, mit mir und mit meinen Brüdern, doch wir alle wussten, wie es ihm erging. Wären meine Gefühle nicht erstickt worden von den Schleiern des Ostens, würde ich Schuld empfinden beim Anblick der Tränen in seinen Augen. Aber auch er kann hören, wie das Blut Earendils nach Einigung schreit, auch wer weiß, dass es Dinge gibt, die sich seinem Einfluss entziehen. Weise ist er geworden in den langen Jahren seines Lebens, weiser als viele vor ihm und viele derer, die nach ihm kommen werden. Weise genug, um eines zu wissen: Wer Hoffnung säht, kann Enttäuschung ernten.

Wo sind nur all die Gefühle hin? Wenn ich in mich hinein blicke, sehe ich nur Leere. Die brennende Liebe zu dir, Aragorn, ist einer winzigen Flamme gewichen, kaum stark genug, meine Seele noch zu erhellen. Der Schmerz über den kommenden Abschied ist betäubt, mein innerer Zwiespalt verschwunden. Wie sehr sehne ich mich danach, wieder zu fühlen... aber könnte ich es ertragen...?

Seit Tagen schon dringt kein Sonnenstrahl mehr durch die dichten Wolkendecken, seit Tagen schon mischt sich die Gischt des Bruinen mit dem Regen und mit meinen Tränen. Nässe rinnt mir durch die Haare, mein Gesicht hinab, benetzt meine Wangen. Es kümmert mich nicht, sowie mich nichts mehr kümmert. Tatenlos muss ich hier stehen, kann nur noch warten, warten und hoffen. Diese Welt schreitet auf ihre letzte Entscheidung zu. Ich spüre es, schließlich bin ich ein Teil von ihr. Es flüstert im Wind, murmelt im Wasser, knistert im Feuer – ein Ende und ein Anfang. Wir stehen am Scheideweg, Estel, du und ich und alle, die das Leben lieben.

Der Regen fällt und fällt, trägt Blut und Asche mit sich fort. Ich weiß, dass irgendwo hinter den Wolken die Sonne scheinen muss bei Tag und die Sterne glitzern sollen bei Nacht, doch lang vergessen scheinen die Zeiten, in denen ich aufschauen und Earendil um Rat anflehen konnte. Er wüsste, wie ich mich fühle, ist er doch auch getrennt von seiner Geliebten, wenn auch nicht für immer. Aber er kennt die Ungewissheit, die sich meiner bemächtigt, kennt die Hoffnung, die ich so gerne wieder finden würde.

Wie gerne würde ich die Sterne wiedersehen, mich daran erinnern, wessen Kind, wessen Blutes und Volkes ich bin. Der Blick ist mir verwehrt, unüberwindlich stehen die Wolken zwischen mir und dem Nachthimmel – gerade so, wie eine ganze Welt zwischen uns beiden steht.

Der Himmel weint um uns.

TBC...