Liderphin: Danke schön! Ach ja: Wanderer im Schatten und Nimmermehr sind abgeschlossen, da wird nicht mehr weitergeschrieben :)


Sleeping sun

(Aragorns POV by Eowyn29)

Die Sonne schläft ruhig hinter den Bergen und die Nacht folgt. Hell glitzern die Sterne am finstren Firmament und ihr Licht spiegelt sich im Fluss wie in einem dunklen Spiegel. Ihr stilles Klagelied hallt durch die Nacht, doch nur ich höre es. Ich klage mit ihnen. Ich bin erschöpft, doch noch lege ich mich nicht zur Ruhe, denn mein Geist ist unruhig. Wenn der Tag anbricht, werden wir das Schlachtfeld erreicht haben.

Oh, ich wünschte, diese Nacht möge niemals enden. Die Schuld klebt noch immer an meinen Händen und am Morgen wird die Bürde schwerer werden.

Ich stehe nun am Bug des schwarzen Schiffes und blicke hinaus in die Nacht. Nur sie schenkt mir ein wenig Frieden. Die Dunkelheit ist wie eine Decke für mein gequältes Selbst.

Ich wünschte, diese Nacht möge niemals enden.

Die Toten wachen. Zu lange Zeit verbrachten sie in der Dunkelheit, sehnten sich nach Erlösung. Zu lange Zeit ist vergangen, seit man ihnen das Licht nahm. In ihrer Sehnsucht begannen sie die Sonne zu hassen. Die Sonne, deren Licht ihnen verweigert wurde. Auch ihnen gibt die Nacht Ruhe. In der Nacht sind wir alle gleich.

Oh Arwen, wo bist du nur? Ich glaube dein Klagelied zu hören, es kommt mit dem Wind, wärmt mich in der Nacht. Du trauerst um dein Volk, das vergeht, und um unsere Liebe. Wird sie bestehen können, wenn alles um uns in Schatten versinkt, wenn das Böse über die Welt herrscht? Ich weiß es nicht.

Ich wünschte, du wärest nun bei mir, könntest neben mir die Nacht genießen, die all unser Leid verdeckt. Dann könnten wir unsere Trauer teilen, Trost an einander finden.

Ich sehe dich vor mir, wie du im Hause deines Vaters stehst und zu denselben Sternen hinaufblickst wie ich nun. Du weinst und deine Tränen sind Spiegel meiner Seele. Ich wünschte, ich könnte nun mit dir weinen, unser beider Leid erleichtern, die Wunden unserer Seele ein wenig schließen.

Doch selten warst du soweit von mir entfernt wie nun.

Ich überwand die Pfade der Toten, rief sie zu ihrem Eid am Stein von Erech und sie kamen. Ich überwand damals meine Furcht und nun habe ich sie hinter mir gelassen. Ich schlug die Schlacht von Helms Klamm und ließ meinen Hass dort hinter mir. Es bleibt die Ungewissheit, die Schuld und die Trauer.

Die Trauer um jene, die bereits fielen, sei es Freund oder Feind.

Dieser Krieg verzehrt mich. Verzehrt uns. Verzehrt das, was einst zwischen uns bestand. Wird unsere Liebe zurückkehren, wenn dieser Krieg vorbei ist? Ach, wüsste ich es nur! Es würde mir vielleicht Hoffnung geben.

Der Wind streicht leise über die glatte Oberfläche des sanft dahin fließenden Flusses, trägt uns nach Süden, in die Flammen der Schlacht. So viele sind dort, die ich liebe, kämpfen nun um ihr Leben und ihren Frieden und ihre Heimat. Wenn der Morgen graut, werde ich unter ihnen sein.

Doch dieses Mal wird mich der Hass nicht vergessen lassen, was ich tue. Jeder, den ich töte, wird eine Narbe in meiner Seele hinterlassen. Jeder, den ich töte, wird meinen Geist schmerzen, mich trauern lassen.

Ich werde für jeden leiden müssen, der für mich leidet.

Legolas tritt zu mir. Auch er fand keinen Schlaf, wie es scheint. Er lächelt, doch in seinen Augen spiegelt sich dieselbe Trauer. „Ich sah dich wachen", sagt er auf meinen fragenden Blick hin. Ich nicke leicht und wende die Augen wieder in die Nacht hinaus. Er weiß, was ich fühle. Elben sind sensibler als Menschen, das wissen selbst die Kinder.

„Du denkst an sie", spricht er nun weiter. Ich nicke nur stumm, denn ich weiß nicht besser zu antworten und er spricht weiter.

„Ich habe dich falsch eingeschätzt, Aragorn, wie viele meines Volkes. Du bist stärker, als wir dachten. Du erstaunst uns. Da ist etwas an dir- etwas das ich nicht zu bestimmen vermag, sei es die Trauer deiner Augen, die Art wie du dich bewegst, als ob du unter großer Last gingest, das schmerzvolle Lächeln, das du manchmal zeigst, als ob du nicht wagtest, größere Gefühle zuzulassen, die die Welt, die du um dich siehst, in ihren Grundfesten erschüttert und zerbrechlich geworden durch das Böse, zerstören könnten. Da ist etwas, das dich uns näher bringt, als andere deines Volkes, das dir unsere Liebe, Freundschaft und Ehre schenkt."

Er schaut nun starr auf die dunkle Wasseroberfläche hinaus und scheint so tief in Gedanken versunken, dass er mein Erstaunen gar nicht bemerkt. Er spricht weiter und sein Blick wandert hinauf zu den Sternen am finstren Firmament. Seine Stimme ist leiser geworden, beinahe nur noch ein Flüstern.

„Arwen liebt dich, Aragorn. Das ist ein Geschenk ihres Herzens, eine Gabe, doch du weißt nicht, ob du bereit und es wert bist, sie anzunehmen."

Meine Stimme klingt ungewollt scharf, als ich antworte. „Woher willst du das wissen?"

Doch er sieht mich nicht an und lächelt nur, als er erwidert: „Ich sehe es, es ist offensichtlich. In jedem Winkel deines Gesichtes, in jedem Lächeln, in jedem Blick deiner Augen steht es geschrieben, wie du sie vermisst und doch nicht weißt, ob du dich traust, sie zu vermissen."

Ein schwacher Wind ist aufgekommen und ich spüre, dass ich zittere, doch nicht vor Kälte, denn tief in meinem Herzen weiß ich, dass er Recht hat. Doch mit der Erkenntnis kommt die Unsicherheit, die Verzweiflung, hoch, die ich all die Zeit über, all die Jahre, tief in mir verbarg.

„Ich habe Angst, mein Freund." Der simple Satz scheint mich etwas zu befreien und er ist ehrlich gemeint.

„Es ist nicht die Angst vor dem Tod, die überwand ich, nicht die Angst vor dem Schmerz, die vergaß ich lange zuvor, es ist… eine andere- Angst… ich kann sie nicht beschreiben, doch sie umklammert mein Herz…"

Ich stocke und verstumme, doch der Elb scheint mich verstanden zu haben.

Überrascht erkenne ich, dass er immer noch lächelt, doch nun wendet er sich zu mir um. Nachdenklich mustert er den Anhänger, den du mir einst schenktest und der noch immer an der Kette um meinen Hals hängt und sanft im Mondlicht schimmert. Seltsam, lange Zeit schien ich ihn beinahe vergessen zu haben, so selbstverständlich ist er für mich geworden. Doch nun, nun wird mir plötzlich klar, dass er es ist, der uns verbindet, ein Zeichen unserer Liebe.

„Ich weiß es, Aragorn. Und es ist gut so, denke ich. Doch Arwen - sie gab dir trotz allem ihr Geschenk. Noch magst du ihre unendlich Liebe zu dir nicht verstehen, denn noch ist ihr Geheimnis dir verborgen, doch alles, was du tun musst, ist vertrauen. Vertraue ihr. Vertraue deinem Herzen, denn es wird dich leiten durch die Dunkelheit bis ans Licht. Arwen schenkte dir ihre Liebe und ihre Hoffnung. Du musst es nur schaffen, ihre Hoffnung zu sehen. Sehe das Licht, das sie dir gab, und du brauchst nicht mehr zu fürchten."

Ein letztes Mal blickt er mir freundlich in die Augen, dann wendet er sich um und geht ohne ein weiteres Wort zu seinem Schlafplatz zurück, um wohl doch noch ein wenig Ruhe zu finden. Ich sehe, wie sein blondes Haar im sanften Licht schimmert und mir wird klar, dass ich ihn nie zuvor so lange reden hörte, denn stets war er zurückhaltend und fasste sich kurz. Ich fühle tiefe Freundschaft zu ihm in diesem Augenblick, tiefer als je zuvor.

Und nun, nachdem ich seine Worte gehört habe, da fühle ich mich dir wieder nahe, nahe wie in den ersten Tagen, als wir uns kennen lernten. Ich spüre deine Hoffnung und ich weiß, dass dein Licht mich leiten wird, was auch immer in den Feldern vor der weißen Stadt mich erwarten mag.

TBC...

Würden uns seeehr über Reviews freuen!