Liderphin: Doch, die sind beendet, fix und fertig )


End of all hope

Aragorns POV by Idril

Der Schatten scheint zu weichen, und doch weiß ich, dass der wahre Schatten noch nicht gegangen ist. Denn wo manche glauben eine Sonne zu sehen, die den Schatten vertreiben kann, ist keine, die hell genug wäre.

Ich bin nicht einmal müde, obwohl ich nächtelang nicht geschlafen habe. Meine Kraft ist nicht vergangen, doch die Hoffnung ist es. Ich töte und jedes Leben, das ich zerstöre, lässt einen weiteren Funken meines Geistes erlöschen. Ich spüre keinen Schmerz, doch auch keine Wärme.

Mein Weg hat mich erschöpft. Zu lange ist es her, dass ich ruhen konnte, ohne über die Gefahren des nächsten Tages nachzusinnen, zu lange ist es her, dass ich unbeschwert meines Weges gehen konnte, ohne überall nach Anzeichen des nächsten Feindes Ausschau zu halten. Zu lange ist es her, seit ich etwas Schönes betrachten konnte, ohne es bereits welken zu sehen. Der Weg war zu lang.

Ich wandele durch eine Welt in grau und braun, wie eine wild gewordene Bestie schlage ich um mich, verletzte, töte und wohin ich komme, da fliehen die Feinde vor meinem Blick, wie vor dem Tod, der mit mir kommt. Ich weiß, dass meine Züge sich verhärtet haben, als seien sie aus Stein gemeißelt wie die der Argonath, dass meine Augen leuchten und Andúril in meiner Hand gefährlich gleißt. Ich weiß, dass ich für viele von ihnen den Tod bedeute.

Ach, ich wünschte mir, diese Schlacht möge endlich enden, denn sie zehrt an allem, das von mir übrig geblieben ist, verbrennt meine Seele bis nur noch Asche bleibt, Asche, die der Wind bald verwehen wird.

Ich fühle mich nur als Schatten, als beinahe leere Hülle. Ich kämpfe und habe meine Ziele doch beinahe aus den Augen verloren.

Ich frage mich, ob dies die letzte Schlacht sein wird. Werde ich Frieden finden, wenn diese vorbei ist? Nein, ich wünschte, ich könnte noch daran glauben. Doch ich weiß längst, dass es doch nur ein Aufbegehren gegen den nahe rückenden Feind ist, ein verzweifelter Versucht die weiße Stadt vor der dunklen Hand zu retten. Wie viele Männer wir hier auch zusammengetrommelt haben mögen, es ist doch nur ein Trotzkampf, eine Verteidigung, niemals ein Angriff. Denn selbst, wenn wir siegen würden, was bedeutete es ihm, dem großen Feind in seiner Festung Barad-dûr?

Um mich ist das Grauen, nichts anderes, in mir ist Asche.

Ich weiß nicht, warum ich nicht einfach aufhöre zu kämpfen, still stehe bis irgendeiner dieser düstren Gestalten um mich das Erbarmen findet, mich ruhelosen Geist zu erlösen.

Doch da ist noch etwas, das mich vorwärts treibt, eine Art gedankenloser Wille, der in mir wohnt und sich weigert, zu vergehen.

So streife ich weiter, wie einer ohne Zuhause und Hoffnung, der sich nichts wünscht als das Ende seiner Qual.

Manchmal frage ich mich, welch Wahnsinn es doch ist, denn ich trage den Stern meines Hauses, dessen letzter Untergang doch längst beschlossen scheint, auf der Stirn und weiß doch, dass mein eigener Stern für mich wohl lang erloschen ist.

Und dann frage ich mich, ob du noch Hoffnung hast? Ob du dich quälst, wie ich mich gequält habe? Ob du wie ich spürst, dass das Band zwischen uns beinahe zerrissen ist?

Wie konnte ich nur einst solche Hoffnung haben? Unsre Trennung ist zu groß, als das irgendein Band uns darüber verbinden könnte. Und ich weiß, dass es dieser Gedanke ist, der es vielleicht endgültig zerreißt.

Ich habe getrauert, Arwen, um dich und um mich und um das, was hätte sein können, doch meine Trauer ist lange vergangen, wie jegliche anderen Gefühle, die mir einst Wärme schenkten. In mir ist nur noch Stille. Beinahe wünschte ich, ich könnte wenigstens Kälte fühlen, Kälte, Schmerz, Folter, nur irgendeine Regung, die mir zeigt, dass ich lebe. Irgendetwas, das mir die glückliche Erinnerung an bessere Tage zurückgibt. Ich möchte wieder das leise Flüstern des Windes in den Bäumen der Wälder, die einst meine Heimat waren, hören, das unbeschwerte Lachen von Kindern, das Gefühl kühlen Wassers auf meiner ausgetrockneten Haut spüren, die sanfte Berührung deiner Hand in meiner. Die Wüste in mir sehnt sich nach Wasser.

Doch da sind nur Schatten und Grauen, mein Licht erlischt und ich habe niemanden mehr, der es neu entfachen könnte.

Ich frage mich, ob mir jemals vergeben werden wird, wenn mein Körper, der mich an diese Erde bindet, vergangen ist. Ob mir jemals gestattet sein wird, Ruhe zu finden? Frieden?

Wie sehne ich mich doch danach, all diesen Wirren des Lebens endlich zu entkommen, doch ich kann nicht. Noch kann ich nicht einfach aufhören, das spüre ich und wenn es das letzte ist.

Und so gehe ich meinen Weg weiter, kämpfend; ich höre weder die Schreie noch das Geklirr der Waffen und Rüstungen, ich spüre keinen Schmerz und meine Hände kennen kein Erbarmen. Ich sehe kein Licht mehr am Ende des Weges und ich weiß, dies ist das Ende aller Hoffnung.

Doch plötzlich scheint alles um mich inne zu halten und ich selbst stocke in meinen Bewegungen und blicke empor zum grauen Himmel. Überall halten Mensch, Tier, Ork, Zwerg und Elb ein und blicken zum Himmel hinauf, als seien sie allesamt erstarrt. Ein heftiger Wind kommt auf, fährt mir wie eine Geisterhand durchs Haar und zerrt an meiner Kleidung. Da steigt ein riesiger schwarzer Schatten, eine geballte Wolke aus Hass und Wut auf, die die Sonne verdeckt. Für einen Moment thront sie dort regungslos und drohend über uns, dann wird sie auch schon vom Wind verweht und vergeht auf immer. Und plötzlich weiß ich, dass ein Feind von der Welt gegangen ist. Dass einer, der einst zu meinem Volke gehörte, nun endlich seine Erlösung gefunden hat.

Doch da ist noch etwas, das ich spüre. Etwas, auf das sich plötzlich alle meine Gedanken richten, das alle Zweifel verschwinden lässt. Da ist ein flackerndes goldenes Licht, zu Füßen der großen Wolke, die gerade vergeht. Und so wende ich mich um und strebe darauf zu. Jeder, der sich mir in den Weg stellt, muss sterben und so habe ich die kleine Anhöhe bald erreicht.

Und dort, auf verbranntem Gras inmitten verkohlter Leichen und des abscheulichen Kadavers des Ungetüms, neben dem toten Körper ihres Onkel und Königs, da liegt sie, neben ihr ihr Helm und das blonde Haar umgibt ihren Kopf und glänzt im fahlen Licht wie gesponnenes Gold. Ihre Haut ist weiß wie Schnee inmitten all des dunklen Blutes, das die Erde auf der sie liegt, getränkt hat. Ihre Augen sind geschlossen und sie scheint nicht am Leben zu sein sondern aus weißem Marmor gehauen. Wie wunderschön sie ist, wie eine weiße Rose, die gerade erst erblühte, als sie abgebrochen wurde, wie selbst eine der Ainur, die trotz ihrer Schönheit und Kühnheit am Ende doch fallen musste.

Ich beuge mich über sie. Und berühre mit den Lippen ihre kühle Stirn. Mein Inneres scheint in Flammen zu stehen, als ich sie so daliegen sehe, schöner als jemals zuvor und endlich erblüht, nun so voller Unschuld und Reinheit und doch gebrochen. Ich winde mich in der Pein, die meine Seele bei diesem Anblick überkommt. Denn ist es nicht meine Schuld? Meine Schuld, dass die Rose von Rohan brach?

Voll Schmerz wende ich mich um und ich schäme mich nicht für die Tränen in meinen Augen, die eine helle Spur auf den schmutzverkrusteten Wangen hinterlassen.

Und als ich langsam den Hügel hinuntergehe, da ist die Welt um mich zuerst wie verschwommen, denn vor meinen Augen brennt das Bild der weißen Dame, wie ich sie das erste Mal sah, so voller Stolz und Mut in all ihrer Schönheit und doch noch nicht erblüht und nun, auf dem Hügel liegend, als könne all das Gräuel um sie sie niemals trüben. Und plötzlich klärt sich mein Auge wieder und ich bin zurück auf dem Schlachtfeld. Doch all die Bitterkeit scheint von mir abgefallen, nur Schmerz und Trauer wohnen nun noch in mir. Und ein neuer Wille ist in mich eingekehrt, wenn doch keine Hoffnung, dann wenigstens ein neuer Wille. Éowyn soll nicht umsonst gestorben sein. Und wenn dieser Tag nun das Ende des Lichts und aller Hoffnung sein soll, dann sei es so, doch niemand, der sein Leben hier ließ, soll es umsonst getan haben.

Ich stehe auf den Mauern der weißen Stadt und blicke hinaus gen Osten. Alle dunklen Wolken haben sich für eine Weile verzogen und der Himmel ist von einem kristallklaren Blau, doch die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Tief sauge ich die Morgenluft ein, die von ungewohnter Frische scheint. Ein kühler Wind fährt durch mein Haar und lässt meine Kleidung leicht flattern und meine Haut angenehm prickeln, treibt Tränen in meine Augen. Alle Müdigkeit des Vortages und der Nacht scheinen von mir abgefallen und ich genieße die morgendliche Stille, die hier herrscht. Ich bin eingehüllt in meinen alten, dunklen Waldläufermantel. Ich weiß, in wenigen Stunden werde ich ihn wohl für immer ablegen, doch noch bin ich in dieser Stadt unerkannt, ein Fremder, der in der Nacht kam und heilte und wieder verschwand.

Da geht die Sonne auf und schickt ihre ersten Strahlen über den fernen Horizont, die die Nebelschwaden unter mir durchbrechen und das Land erhellen. Plötzlich scheint alles um mich in ein sanftes goldenes Licht getaucht, die letzten Schatten verschwinden und in der Ferne sehe ich nun den Anduin, der sich wie ein silbernes Band durch die Ebene windet. Und plötzlich fühle ich mich frei.

Das erste mal seit langer Zeit lasse ich meine Gedanken wieder umherschweifen, ohne an die Gefahr im Osten zu denken und ich weiß wieder wie es ist, einfach an Hoffnung und Glück glauben zu können, etwas das ich lange vergessen glaubte. An diesem Morgen so hell und strahlend und rein, da scheint alles, was mein Herz bedrückte, für eine Weile von mir abgefallen zu sein.

Und plötzlich, da ich so dort stehe, nahe den Häusern der Heilung, wo nun Éowyn, Faramir und der Merry, der Halbling, gut behütet werden, da wenden sich meine Gedanken wieder dir zu. Ich frage mich, ob du diesen Sonnenaufgang nun ebenfalls siehst, in all seiner Pracht und Schönheit. Ich fühle mich zurückversetzt in die Tage bevor das große Leid kam, als wir beide noch zusammen sein konnten, als Elben durch die Wälder wandelten und wir glaubten, nichts würde uns jemals wieder trennen und unser Glück trüben können. Ach Arwen, wie sehr wünschte ich, du wärest nun bei mir, könntest neben mir stehen und mit mir den neuen Tag begrüßen. Ich frage mich, ob wir eines Tages wieder frei sein können, frei, wie ich es an diesem Morgen bin. Doch wenn ja, wann wird das sein? Viel Leid haben wir ertragen müssen und unsere Wege haben sich von einander geschieden, doch was liegt noch vor uns? Was werden wir noch erleiden müssen, bevor wir dahin zurückkehren können, wo wir begannen, bevor wir uns wieder lieben können wir einst?

TBC...