Liderphin: Puh... da muss ich Kathi mal nach fragen, ich weiß das nicht :) Vielen lieben Dank für dein Review und schön, dass es dir immer noch gefällt :)


Beta: Tarika

Higher than hope

(Arwens POV by Mirenithil)

Die Zeit ist vorüber gegangen.

Es heißt, wir seien unsterblich. Wir würden nicht geboren werden um zu sterben und zu vergehen wie jedes andere Volk, würden ewig leben in unserer Weisheit und Glückseligkeit. Es heißt, die Unsterblichkeit wäre eine Gabe und ein Geschenk der Götter. Wir könnten leben, für immer, Jahrhunderte längst vergangen, Jahrtausende zum Greifen nah. Schmerz berührte uns nicht, denn verschwunden ist er im nächsten Moment, fortgetragen von unseren Liedern, die hinauf klingen zu den Sternen, klingen mit einem Hauch von Ewigkeit. So heißt es.

Die Wahrheit ist: Unvergänglichkeit ist eine Bürde, die Jahrtausende sind ein Fluch. Welche Bedeutung hat Zeit, wenn man sie nicht fassen kann? Welche Bedeutung hat der Himmel, wenn er keinen Raum mehr kennt? Jahre ziehen vorüber wie Tage, ohne dass ich sie aufhalten könnte. Gefühle ziehen vorüber wie Seelen, ohne dass ich sie begreifen kann. Gestern noch sah ich uns hier in den Gärten stehen, sah unsere erste Begegnung; vor wenigen Stunden noch sah ich uns auf dem Cerin Amroth stehen, sah unseren Schwur. Und nun?

Die Zeit ist vorüber gegangen und hat mich hier gelassen. Die Glückseligkeit der vergangenen Jahre liegt verschlossen hinter Mauern und Ketten, eingesperrt mit meiner Hoffnung, der Schlüssel ging verloren in den unzähligen Tränen, die seither geflossen sind.

Ich empfinde Schmerz mit jedem unschuldigen Leben, das genommen wird, mit jeder neuen Schlacht. Doch kein Schmerz ist so groß wie der eine, den ich empfinde, wenn ich zurückdenke an unsere Tage des Glücks.

Damals hatten wir noch Hoffnung, wir beide, Aragorn. Wir hatten Hoffnung, eines Tages zusammenbleiben zu können, für immer verbunden durch unsere Liebe und unser Blut, durch den Stern Earendil, der uns vereinte. Damals sang die Welt noch für uns.

Und nun? Nun bin ich hier, und meine Träume leben nur noch durch dich.

Eine rote Sonne geht auf und ich scheine zu ertrinken in ihrem Licht, scheine nicht mehr atmen zu können. In ihrem Schein liegt Dunkelheit, keine Wärme mehr.

In manchen Momenten ist mir, als ständest du hier neben mir, ganz so wie früher, um mich durch meine Zeit des Leidens zu begleiten. Dann sehe ich dein Gesicht, höre deine Worte und rede mir ein, dass sie mir Trost spenden würden – wärst du nur hier.

Dann ist es, als stände mir ein Geist zur Seite, ein Gott der Zuversicht.

Aber keiner der Götter wird kommen. Keiner von ihnen wird diesen Krieg beenden – das kannst nur du. Nur du kannst uns vom Blick des Auges befreien, vom spröden Eisen der Schwerter... nur du kannst unseren Seelen die Furcht und das Leiden nehmen.

Einst zeigte mir meine Hoffnung Bilder, Bilder von einer besseren Zukunft, ein Paradies im Frühling, ein Sommer voll Poesie und Licht.

Die Zeit ist vorüber gegangen. Wenn ich sie nur fassen könnte, festhalten, anhalten, um die Erinnerung an dich nur noch ein wenig länger zu bewahren. Die Zeit hat mich hier gelassen, frierend in der Dunkelheit. Nun herrscht Herbst, meine Hoffnung liegt im Nebel, und beim ersten Schnee werde ich nicht mehr sein...

Ich habe den Schlüssel gefunden, Aragorn. Ich fand ihn in Zeiten, als ich schon nicht mehr daran geglaubt habe. Ich habe ihn gefunden und das Verlies aufgeschlossen, in dem meine Hoffnungen lagen, habe sie fliegen lassen wie die Vögel im Wind.

Die Nachricht erreichte uns spät, beinahe zu spät. So aufgeregt waren die Boten, sie konnten kaum sprechen. So zweifelnd waren wir, wir konnten kaum glauben. Doch es war geschehen; die wiederkehrende Wärme der Sonne und ihr Licht sprachen eine eindeutige Sprache. Aber noch mehr als diese sprach es mein Herz. Ich meinte fast, die Tränen in deinen Augen zu sehen, als du begriffen hast, dass es vorbei war. Endgültig vorbei. Endgültig gesiegt hatte die Gemeinschaft des Rings. Zerstört war die Macht des Einen, gebrochen der Fluch deines Blutes.

Wie konnten wir jemals zweifeln, melethron?

Diese Frage stellt sich mir nun. Jetzt, wo alles hell und gut scheint, frage ich mich, wie der Schatten der Hoffnungslosigkeit jemals so groß werden konnte in meinem Herzen und ich weiß, es gibt keine Antwort auf diese Frage. Aber es kümmert mich auch nicht mehr. Du weilst immer noch auf dieser Welt, hier in Mittelerde, und ich tue es ebenso. Bald schon werden wir uns wiedersehen, Estel, schon bald.

Wieder reite ich durch Wälder und über Ebenen, doch dieses Mal führt mein Weg nicht in den Westen – im Gegenteil. Dieses Mal führt er zu dir und zu dem, was diesen Krieg überdauert hat, diesen Krieg und alle Widerstände, die zwischen uns beiden lagen. Es gibt Dinge, die kein Schwert und kein Hass vernichten können, nicht vollständig und nicht für immer. Gleich, wie dunkel es wird, hinter den Wolken scheinen die Sterne unvermindert und ungerührt weiter. Immer, während jedes einzelnen Tages unserer Trennung stand dort Earendil und blickte auf uns herab. Gleich, wie schlecht es auch ist, immer gibt es etwas Gutes, das überdauert. Vor wenigen Tagen noch habe ich nicht daran geglaubt, doch jetzt verstehe ich. Jetzt weiß ich.

Etwas, das tiefer ist als der Ozean, der uns hätte trennen sollen.

Weiter als der Himmel, der sich über uns erstreckt.

Und höher als die Hoffnung, die so lange verloren schien.

TBC...