Disclaimer: nix meins, alles gehört Tolkien, wie immer
Anmerkung: Nachdem ich das erste Kapitel, Ein Licht in der Dunkelheit, vollendet habe, habe ich das ganze noch aus einer anderen Perspektive geschrieben (Schuld daran ist meine tolle Beta Liderphin 'knuddel', die unbedingt Aragorns Gefühle wissen wollte) Nach endloser Überarbeitung hat Der letzte Kampf ebenfalls den Weg in diese heiligen Hallen gefunden. Und ihr dürft immer noch reviewen!
Der letzte Kampf
Erschöpft lasse ich meinen Blick durch die Halle wandern. Leichen sind alles, was ich wahrnehme, überall nur Leichen. Menschen und Orks liegen vereint im Tod nebeneinander.
Ich lasse den Kopf zurücksinken. Alle Bemühungen, alle Anstrengungen und alle Hoffnungen waren umsonst. Ich war die Hoffnung der Menschen, doch nun gibt es keine Menschen mehr. Außer mir.
Mir ist klar, dass ich der letzte bin.
Die Türen der Halle hängen in den Angeln, durch das zerborstene Holz kann ich das verdorrte Gras und den Schatten wahrnehmen. Und die dunkle Gestalt in schwarzer Rüstung, die langsam, aber bestimmt über das verblasste Grün schreitet.
Der Hexenkönig von Angmar.
Er erreicht die Torflügel, durchschreitet sie, während er seinen Blick über die umgestürzten Standbilder der Könige Gondors schweifen lässt.
Dann erblickt er mich und kommt auf mich zu.
Ich spüre, wie er mich erkennt, als ich ihn geradeheraus anschaue. Jeder Gedanke an Tod hat seinen Schrecken für mich verloren.
„Kommst du, um mich zu töten?" Die Worte kommen ungewollt über meine Lippen.
„Fürchtest du mich nicht?"
„Wie sollte ich dich fürchten, jetzt, da ich nichts mehr zu verlieren habe?"
Ich stehe auf, gehe in Angriffshaltung. Ich weiß, dass es sinnlos ist; wie jeder andere kenne ich die Prophezeiung, dass mein Gegenüber nicht von eines lebenden Mannes Hand fallen wird. Das geht diesem offenbar ebenfalls durch seinen Kopf.
„Du Narr! Kein lebender Mann vermag mich zu töten!"
„Das werden wir bald herausfinden."
Ich hebe mein Schwert. Andúril, die Flamme des Westens.
Elrond hat sie mir übergeben. Jene Zeit kommt mir vor wie aus einem anderen Leben. Damals haben alle noch ihre Hoffnung in mich gesetzt. Jetzt ist keiner mehr da, der hoffen kann, jedenfalls nicht in diesen Landen.
Das Rasseln des Morgensterns reißt mich aus meinen Gedanken.
Beim Kampf gegen eine Keule oder ähnliches darfst du nicht versuchen, diese mit deinem Schwert zu parieren. Tauche darunter hindurch und durchbreche die Deckung deines Gegners woanders.
Elronds Anweisungen klingen in meinen Ohren, als ob er sie jetzt, in diesem Moment, aussprechen würde, obwohl ich ihrer seit Jahren nicht mehr gedacht habe.
Gerade noch rechtzeitig tauche ich ab, entkomme der dorngespickten Kugel. Ich bin darauf konzentriert, eine Schwäche zu finden, nur eine kleine Schwäche, doch er gibt sich keine. Er ist nicht umsonst der gefürchtetste Gegner, dem lebende Wesen jemals gegenüberstanden.
Ich sehe, wie er im Lauf der Zeit rasend wird. Rasend vor Wut, dass ich so lange durchhalte, zornig über meine scheinbare Gelassenheit, während alles in mir schreit, am Leben zu bleiben, fortzulaufen vor diesem Ungeheuer, das ich ohnehin nicht besiegen kann.
Ich sehe den Schlag erst in letzter Sekunde und kann gerade noch darunter abtauchen. Ich spüre ein kleines Gewicht auf meiner Brust.
Es gehört mir und ich schenke es, wem ich will. Wie mein Herz!
Wärme fließt in mein Herz. Es ist, als spräche sie diese Worte genau in diesem Moment, als stünden wir wieder auf jener Brücke im Mondschein, als die Welt noch ganz und hoffnungsvoll war.
Weiß sie, wie ich hier mit dem Tod ringe?
Weiß sie, dass ich verlieren werde, dass meine Zeit hier auf Erden abgelaufen ist?
Weiß sie, ob sie ihre Entscheidung ändern wird, jetzt, da wir keinerlei Aussicht auf ein gemeinsames Leben haben?
Diesmal bemerke ich den Schlag nicht. Unerträgliches Feuer brennt in meiner Brust; ich fühle, wie ich durch den Raum geschleudert werde, wie ich gegen die Wand schlage. Ich fühle, wie das Leben unaufhaltsam aus meinem Körper rinnt.
Auf einmal erinnere ich mich an die Stimme Elronds, wie er mir einst Anweisungen in meinen Trainingsstunden gab. Streng und erhaben und doch gleichzeitig voller Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit.
Ich schelte mich selbst für meine Unaufmerksamkeit. Für was habe ich Tag für Tag, Jahr für Jahr mit dem besten Krieger Bruchtals Schwertkampf geübt? Für was habe ich mir stundenlang seine Predigten anhören müssen?
Für das hier...
Auf einmal fühle ich eine vertraute Gegenwart in meinem Geist.
Estel... Gepeinigt von Schmerz nehme ich sie deutlicher wahr als jemals zuvor. Mein Blick verschwimmt, ich sehe ihr Gesicht vor mir.
Arwen... verzeih mir...
Was sollte ich dir verzeihen? Dass du dich mutig deinem Feind gestellt hast? Dass du nicht feige vor dem Kampf davongelaufen bist?
Es ist, als schwämmen mir Tränen in den Augen, durch die ich ihre wie durch einen Schleier wahrnehme.
Ich sagte, ich würde nicht zurückkommen...
Mir ist, als spürte ich ihre kühlende Hand auf meiner Wange.
Ich wusste, wir würden zusammensein; und ich weiß es auch jetzt. Zweifle nicht an dir, Estel. Du hast den Menschen bis zuletzt Hoffnung geschenkt, du hast dich bis zum Ende nicht ergeben. Zweifle nicht mehr.
Auf einmal wird mein Blick wieder klarer. Ich sehe eine dunkle Gestalt über mir aufragen, konturlos zwar, doch ich weiß, wer da vor mir steht. Unerbittlicher Zorn, gemischt mit Verzweiflung und Trauer erfüllt mein Herz. Ich taste nach meinem Schwert, das mir bei meinem Sturz aus der Hand gefallen ist.
Andúril, die Flamme des Westens, geschmiedet aus den Bruchstücken Narsils...
Wie im Traum höre ich Elronds Worte in mir nachklingen.
Der, der ein solches Schwert zu führen vermag, vermag es auch, eine Streitmacht aufzustellen, die tödlicher ist als jede andere.
Dieses eine Mal in seinem langen Leben hatte Elrond geirrt, und den Namen Estel verdiene ich nicht mehr. Mein Tod ist sicher, doch ich weiß genau, welche Tat ich davor noch vollbringen werde.
Möge sich der Dunkle Herrscher an mich erinnern als den Mann, der die Schlacht und alle Hoffnung verlor, und doch den treuesten Diener des dunklen Turms mit in den Tod riss!
Endlich ertaste ich den Knauf meines Schwertes, doch ich habe nicht mehr genug Kraft, es zu packen.
Gib mir Kraft...!
Ich weiß nicht, wen ich bitte, doch auf einmal steht mir wieder Arwens Gesicht vor Augen und ich fühle entsetzt, wie sie ihre Lebenskraft auf mich überträgt.
NEIN!
Führe es zu Ende...
Ihre Stimme ist kaum mehr ein Flüstern. Bitte, bitte nicht, denke ich mir immer wieder. Bitte, bitte nicht. Geh nicht meinetwegen fort aus dieser Welt.
Es ist meine Entscheidung... und jetzt führe es zu Ende!
Ich reiße das Schwert hoch und treibe es mit Arwens und meiner letzten Kraft in die Brust der gefürchtetsten Kreatur, die Sauron in sein Heer aufgenommen hat. Ein durchdringender Schrei erfüllt den Raum, doch mir wird nur langsam klar, dass es meine eigene Stimme ist, die ihn ausstößt.
Der letzte Tropfen Kraft verlässt mich, als wäre ich ein Sieb. Ich sehe eine Dunkelheit auf mich zukommen, doch nicht die furchtbare, erschreckend schwarze Dunkelheit Mordors, sondern eine sanfte, tröstende Stille.
Arwen...
Ich bin hier. Komm. Vertrau mir.
Es ist, als strecke sie ihre Hand aus, und freudig greife ich danach und lasse mich von ihr in den Strudel aus Stille, Frieden und Ruhe führen.
Und all die Unruhe, Zweifel, Sorgen und Ängste, die mich erfüllten seit dem Tag, an dem ich meine Herkunft erfuhr, weichen, und Friede schleicht sich in mein Herz.
