Der Schock, dass Snape seinem Schüler so einfach in den Erinnerungen herumgepfuscht hatte, sass vor allem bei Hermine sehr tief, aber auch für Ron und Harry war es kaum zu begreifen. Snape war zwar ein mieser Mistkerl, aber noch immer ein Lehrer. Ein Lehrer sollte nicht seine Macht so gegen seine Schüler ausspielen. Ausserdem warf es die Frage auf, warum Snape es ihm nicht einfach erklärt hatte. War er so abhängig vom guten Willen Malfoys oder aber hatte er etwas zu verbergen?
Tatsache war aber, dass Malfoy augenscheinlich die ganze Erinnerung an den Artikel verloren hatte und die unausgesprochene Angst, dass jeder der Schüler mal zu einem Opfer werden konnte oder schon geworden war ohne sich daran zu erinnern schien plötzlich sehr substanziell.
Jedoch wurde dieser Schock bald von etwas noch Unglaublicherem abgelöst.
Selbst Hermine, obwohl sie nichts von der, zugegeben nicht gross vorhandenen, Seriosität des Quibblers hielt, gab sich manchmal mit solcher Lektüre ab. In letzter Zeit sogar recht häufig. Ob es an ihrer engeren Bekanntschaft mit Loona Lovegood oder mit ihrem missglückten Streich zusammenhing, konnte Harry nicht sagen, aber ein paar Wochen nach der ganzen Sache, kam sie sehr verstört zu spät am Morgen in die schon fast leere Grosse Halle, in ihren Händen die neueste Ausgabe der Zeitung.
Wortlos setzte sie sich an den Tisch neben Harry und Ron, schob ihnen das geöffnete Magazin unter die Nase und zeigte auf eine der neuen Anzeigen.
Harry glaubte erst nicht, was er da las:
Hallo L.M.
Ich wäre interessiert, Dich für ein erotisches Abenteuer zu treffen. Ich bin knapp vierzig, schlank und entspreche auch sonst Deinen Ansprüchen. Wie Du bin ich eher dem männlichen Geschlecht zugetan. Und wie Du bin auch ich Rollenspielen und erotischen Spielereien nicht abgeneigt. Auch für Bondage bin ich offen. Leider ist ein Treffen bei mir Zuhause nicht möglich. Mach doch bitte einen Vorschlag, solltest Du auch Interesse an einem Date haben.
S
„Da hat jemand auf unsere Kontaktanzeige geantwortet", schluckte Ron fassungslos.
„Snape", sage Harry tonlos.
Rons Augen weiteten sich erst, bis auch er sich zu erinnern schien. „Niemand sonst weiss davon..."
„Snape muss doch zumindest eine Verbindung zwischen Lucius Malfoy und dem Inserat gezogen haben. So dumm ist er doch nicht", sagte Harry.
„Und er hätte andernfalls auch nicht Malfoy Junior geoblivated..." sagte Ron.
„Vielleicht will er herausfinden, ob es wirklich Malfoy ist", überlegte Hermine.
„Oder aber..." Ron verstummte, und er sah aus als sei ihm sehr übel. Auf alle Fälle hatte er nun Hermines und Harrys Interesse. „Oder aber was?" fragte Harry.
„Oder aber wir haben mit dem Inserat voll ins Schwarze getroffen und Snape denkt, dass das Inserat eine Spielerei Malfoys ist."
Das liess sie erst mal alle verstummen.
„Du kannst doch nicht glauben, dass Snape ihm so was zutrauen würde?" sagte Hermine.
Ron zuckte mit den Schultern. „Es sind Slytherins. Die leben für verdeckte Spielchen..."
Harry wusste nicht, welchem Impuls er nachgeben sollte. Gelächter oder Unglauben. „Das kann nicht sein. Snape und Malfoy schwul?"
„Harry Potter", schalt Hermine mit halbherziger Entrüstung. „Da ist nichts falsches an Homosexualität."
„In der Zaubererwelt schon", flüsterte Ron. „Das ist einfach eklig." Er schauderte übertrieben.
Harry warf Hermine einen entschuldigenden Blick zu und ignorierte Ron. An das konservative Denken der Zauberergesellschaft hatte er sich bereits gewöhnt, und gerade das machte den Gedanken von den Reinblütlern und pro-Voldemort eingestellten Slytherins zusammen im Bett so lächerlich.. „Ich habe nichts gegen Homosexuelle, Hermine. Aber wir sprechen hier von Malfoy Senior und Snape. Snape mit irgend jemandem im Bett..." Nun war es an Harry zu schaudern. Sich Snape beim Sex (oder auch nur verträumt Liebesbriefe schreibend) vorzustellen war schlimmer als sich Tante Petunia und Onkel Vernon bei der Zeugung Dudleys zu verbildlichen. Snape war fies, gemein, hässlich, dünn, fettig und alles in allem einfach asexual.
Der nächste Quibbler wurde von den dreien mit grösster Spannung erwartet. Das Warten lenkte sie sogar von Umbridge und ihren immer schlimmer werdenden Gemeinheiten ab.
Und tatsächlich, in der nächsten Ausgabe gab es mehr als eine Reaktion auf Snapes Inserat.
Insgesamt gab es sogar drei Interessenten.
Hallo Unbekannter. Ich habe Deine Annonce gelesen. Falls dieser L.M. kein Interesse an einem Treffen haben sollte, dann können wir uns gerne bei mir treffen.
Bis hoffentlich bald
K.
stand in der ersten der Antworten unter einer Anzeige einer ‚gut erhaltenen, tabulosen Achtzigjährigen'.
Gleich daneben war eine zweite Antwort auf ‚Snapes' Anzeige..
Lieber S.
Ich habe Deine Antwort an einen bestimmten L.M. gelesen und wollte fragen, ob Du auch an Spielereien mit Tieren und Vergrösserungszaubern interessiert wärst.
R.
Zuunterst auf der Seite fanden sie dann aber das, was sie interessierte:
Hallo S.
Kennen wir uns oder bist Du ein Seher, dass Du meine Vorlieben so gut kennst? Gerne würde ich mich mit Dir treffen. Ich schlage einen öffentlichen Platz vor. Kennst Du die ‚Drei Besen' in Hogsmeade. Das ist in Schottland. Sicher kannst Du ausfindig machen, wo das ist und dort hin apparieren. Unser Treffen wird folgendermassen ablaufen: Wir treffen uns am Mittwoch um neun Uhr Abends. Ich setze mich zu Dir und wir reden. Wenn wir uns sympathisch sind, gehen wir auf mein gemietetes Zimmer, wo ich Dir beim Brauen eines Gleitmittels zuschauen, bevor wir unserer weiteren Fantasie freien Lauf lassen.
Liebe Grüsse
L
„Das wird ja immer verrückter. Malfoy würde sich wohl kaum in der Öffentlichkeit blicken lassen. Und Snape auch nicht", flüsterte Ron
Hermine überlegte kurz. „Sie können sich ja einen Illusionszauber über sich legen, falls sie befürchten entdeckt zu werden. Aber diese Seite des Quibblers wird wohl kaum sehr häufig gelesen. Und die wenigen, die es tun, haben entweder andere Interesse an den Inhalten oder kennen zumindest Snape nicht."
„Da muss ich dabei sein", sagte Harry entschlossen.
„Wir dürfen aber so spät nicht mehr aus den Gemeinschaftsräumen, geschweige denn nach Hogsmeade", wandte Hermine ein.
„Dem lässt sich einfach abhelfen, Hermine. Falls du es vergessen hast; Harry hat einen Tarnumhang und wir kennen einen geheimen Tunnel", grinste Ron, dem die Aussicht sehr zu gefallen schien, Snape in einer kompromittierenden Situation zu erwischen.
Ron wirkte ungemein vergnügt, als sie sich gedrängt durch den geheimen Durchgang, der nach Hogmeade führte, bewegten. In Wahrheit war er schon die letzten Tage so gewesen und er war nicht alleine damit. Hermine schien die einzige von ihnen zu sein, welche die Idee eines schwulen Snapes nicht komplett aus den Bahnen geworfen und zumindest teilweise von ihren anderen Problemen abgelenkt hatte.
„Vielleicht sehen wir, wie Snape einen der Bewerber, oder sogar Malfoy küsst", säuselte Harry vergnügt, blickte zu Ron und sie beide verzogen wie auf Kommando das Gesicht und machten würgende Laute, nur um gleich loszulachen.
„Das ist nicht lustig", sagte Hermine, doch auch ihr Gesicht widersprach ihren Worten. Sich Snape beim Küssen vorzustellen war auch zu arg.
„Hmm", sagte Ron gedehnt und machte plötzlich ein sehr nachdenkliches Gesicht.
„Was ist nun schon wieder?" fragte Hermine spitz.
Ron gab sich alle Mühe ernst zu bleiben, als er mit schlecht gespielter Nachdenklichkeit sagte: „Erinnert ihr euch noch an die Anzeige der rüstigen achtzigjährigen Hexe?"
„Und?" puffte Hermine nur halb interessiert.
„Vielleicht war das ja von McGonagall..."
Harry prustete los, doch Hermine blickte Ron bloss noch wütender an. „Du benimmst dich wie ein kleines Kind, Ron Weasley."
Ron ignorierte sie.
„Und der andere Interessent auf Snapes Kontaktanzeige?" fragte Harry vergnügt.
Hermine verwarf die Arme und drängte sich vor um vor ihnen zu gehen, doch Ron dachte einen Moment lang angestrengt nach. „Hmm. Der mit den Tierspielen hat doch mit R. unterschrieben..."
„Wenn du nun Rubeus Hagrid sagst, Ron, haue ich dich", warnte Harry halbherzig.
„Ich dachte eher an Remus Lupin", grinste Ron und fügte gleich ein theatralisches „Aua", hinzu, als ihm Harry in die Seite boxte, ohne jedoch sein eigenes Grinsen ganz von seinem Gesicht verbannen zu können.
„Hört endlich auf mit euren Kindereien, wir sind da", sagte Hermine über ihre Schulter.
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T.B.C.
