Kapitel 5:

„Direktor, bitte, Sie müssen uns anhören", drängte Hermine.

Sie hatten eine geschlagene Viertelstunde vor dem Wasserspeier zu Dumbledores Büro verbracht und so ziemlich alle Süssigkeiten aufgezählt, die sie kannten, bis der Direktor irgendwie, durch was auch immer versteckte Warnsysteme der Mann hatte, auf sie aufmerksam geworden war und ihnen bis zum Fuss der Treppe entgegen gekommen war. Erst hatte er sie ernst angesehen und sie dann gefragt, was sie so spät noch hier zu tun hatten, da sie eigentlich zu solch später Stunde in ihrem Schlafraum sein sollten.

Harry ignorierte die neue Kühle Dumbledores ihm gegenüber. Er hatte Wichtigeres zu tun. „Der Orden und ganz Hogwarts sind in Gefahr, Sir."

Dumbledore betrachtete sie der Reihe nach eindrücklich, als könne er so feststellen, ob ihr Anliegen wirklich so wichtig war, wie sie behaupteten. Schliesslich nickte er langsam und deutete ihnen wortlos, ihm zu folgen.

Harry konnte sich noch so lange zügeln, bis er in Dumbledores Büro stand. „Voldemort hat einen Spion in Hogwarts", schoss es dann aus ihm heraus.

Dumbledore sah ihn fragend an. „Und woher haben Sie diese Information, Mister Potter? Hatten Sie wieder eine Vision?" Ein besorgter aber seltsam misstrauischer Ausdruck legte sich über die Augen des alten Zauberers.

Harry entschied sich wieder, das komische Verhalten des Direktors für den Moment zu ignorieren. „Nein, Sir. Aber wir haben herausgefunden, dass jemand Snape entführt hat und nun seine Rolle mit Vielsafttrank eingenommen hat.

Für einen kurzen Moment huschte etwas wie Besorgnis über Dumbledores Gesicht, wich aber sofort wieder dem Misstrauen. „Das heisst Professor Snape, Mister Potter. Und wie sind Sie zu dieser Annahme gelangt?"

Dumbledore glaubte ihnen nicht, wurde sich Harry plötzlich bewusst. Was wenn sie ihn nicht überzeugen konnten? Oder noch schlimmer, wenn Dumbledore ihnen nicht glaubte aber darüber mit dem falschen Snape sprach. Dann waren sie in Lebensgefahr. Noch mehr, als wenn sonst schon ein Spion frei in Hogwarts herumlief. Wenn der erst einmal wusste, dass sie drei ihn enttarnt hatten, würde er versuchen sie aus dem Weg zu räumen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Dumbledore alles zu erzählen.

Auch Hermine schien zu der Erkenntnis gekommen zu sein. „Wir haben versucht, Draco einen Streich zu spielen", begann sie.

Ron löste sie mit der Erklärung ab : „Einiges ging schief und um die lange Geschichte kurz zu machen. Snape... Sorry, Professor Snape hat ein Beweisstück von uns gefunden und das wollten wir zurück holen."

„Wir sind bei ihm in sein Quartier geschlichen um es zurück zu holen, und fanden einige Flaschen mit Vielsafttrank, außerdem Anzeichen, dass er seine Räume eigentlich selten benutzt", beendete Harry die Geschichte.

„Wir müssen den echten Professor befreien, bitte Direktor", flehte Hermine.

Harry dankte ihr innerlich. Wenn sie von ihrem Übertritt auf das Schicksal Snapes ablenkte, dann konnte Dumbledore sie gar nicht bestrafen. Immerhin hatte er schon zuvor ein Auge zugedrückt, wenn ihre Regelverstösse den Tag gerettet hatten, hatte ihnen sogar dafür schon Punkte gegeben.

Dumbledore betrachtete sie lange und strich sich gemächlich über den Bart. „Das sind ganz schön heftige Anschuldigungen, die ihr da habt."

„Aber wir haben Beweise. Der Vielsafttrank und die ungenutzten Räume...", fuhr Hermine auf.

Dumbledore unterbrach sie mit einer erhobenen Hand und einem amüsierten Lächeln. „Ich meinte nicht, eure Beobachtung in Frage zu stellen, Kind. Auch wenn die Art, wie ihr dazu gekommen seid nicht gerade lobenswert ist und ich hoffe, dass sich der Einbruch in eine Lehrerwohnung nicht noch einmal wiederholen wird." Er blickte sie über seine Brillengläser hinweg streng an. „So habt ihr doch einige wichtige Punkte aufgedeckt. Ich werde mich umgehend darum kümmern, das verspreche ich euch."

„Wenn wir irgendwie helfen können", entfuhr es aus Harry, bevor er sich bremsen konnte. Er hatte gründlich die Schnauze voll davon, immer im Dunkeln gelassen zu werden. Das hier war viel zu wichtig.

Dumbledore lächelte ihn freundlich an. „Ich danke dir und auch euch", wandte er sich an Ron und Hermine, „ganz herzlich für eure Hilfe. Aber geht jetzt erst einmal schlafen. Es ist schon spät. Morgen nach der Schule können wir dann über alles reden."

Das stellte Harry einigermassen zufrieden. Scheinbar hatte Dumbledore nicht vor, ihn noch länger von allem ausgeschlossen zu behalten. Er wechselte einen halbwegs zufriedenen Blick mit seinen Freunden und machte sich daran, das Büro des Direktors zu verlassen.

Er hatte kaum zwei Schritte getan, als er die Stimme Dumbledores hinter sich hörte: „Oblivate!"

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Dumbledore sass schon den grössten Teil einer schlaflosen Nacht in Snapes Kerker, als morgens um sieben das Gemälde des purpurnen Lindwurms endlich nach aussen schwang und eine Gestalt, gehüllt in einen schwarzen Kapuzenumhang, freigab.

Der Neuankömmling stutzte, als er sich bewusst wurde, dass er nicht alleine war, und sein Zauberstab schnellte so rasch hoch, als müsse sein Besitzer jederzeit für einen Angriff gewappnet sein.

„Der Zauberstab wird nicht nötig sein", sagte Dumbledore ruhig. „Komm, setz dich. Wir müssen reden."

Die Hand mit dem Zauberstab senkte sich wieder und sein Eigentümer kam in das Zimmer und setzte sich zögernd auf das Sofa, Dumbledore gegenüber. Mit einem weiteren Zögern und einem tiefen Seufzen schob er seine Kapuze zurück und enthüllte strohblondes Haar, graue Augen und ein spitzes Gesicht. Er warf noch einen weiteren skeptische Blick auf den Direktor, bevor er seinen üblichen Gehstock aus den Falten der Robe schälte und ihn neben sich an das Sofa lehnte.

„Ich habe nicht viel Zeit, Direktor. Ich muss mich noch umziehen. Die erste Stunde fängt bald an."

Dumbledore nickte. „Ich weiss, aber etwas ist geschehen. Wir müssen unbedingt deine Räume besser absichern. Harry Potter, Ron Weasley und Hermine Granger sind in dein Quartier eingebrochen. Sie haben bemerkt, dass sie kaum benutzt werden und haben den Vielsafttrank gefunden."

Dumbledore hatte kaum ausgesprochen, als Malfoy auch schon aufgesprungen war. „Diese kleinen Maden. Ich wusste, dass sie hinter der ganzen falschen, beleidigenden Anzeige steckten. Dafür werden sie büssen." Er hob eine Faust und unterdrückte nur mühsam seine steigende Wut. „Sie wollten die Haarnadel zurückstehlen, richtig? Ich dachte mir schon, dass sie von Granger ist. Wir müssen die drei zum Schweigen bringen, oder aber ich bin geliefert", wütete er.

Dumbledore hob beschwichtigend eine Hand und erhob sich ebenfalls. „Bitte beruhige dich. Ich habe mich bereits darum gekümmert. Sie erinnern sich an nichts, was im Zusammenhang mit dem Zwischenfall passiert ist."

Malfoy starrte ihn einen Moment an, liess sich dann aber wieder zurück auf das Sofa fallen und lachte kurz bellend auf.

Dumbledore hob fragend eine Augenbraue.

„Ich hätte nie gedacht, dass ich den grossen Albus Dumbledore einmal dabei erleben würde, wie er einen Schüler oblivatet, vor allem seinen geliebten Harry Potter. Ganz schön heuchlerisch, denken Sie nicht, Direktor, nachdem Sie für gewöhnlich solche Ideen immer verwerfen, wenn ich sie äussere."

Dumbledores Augen verloren ihre Freundlichkeit und nahmen einen gequälten Ausdruck an. „Das ist unfair, und du weißt es", schalt er leise. „Das hier ist wichtiger als ein normaler Schulalltag. Es ist wichtig für den Krieg, dass du deine Position behalten kannst."

Diese Worte liessen Malfoy verstummen und er senkte den Kopf und begann abwesend an einer Haarsträhne herum zu fingern, als diese langsam kürzer und dunkler wurde.

„Der Vielsafttrank hört auf zu wirken", stellte Dumbledore fest, eher um die unangenehme Stille zu durchbrechen, welche sich über den Raum gelegt hatte, als um das Offensichtliche zu kommentieren.

„Genau nach Zeitplan. Ich habe alles perfekt geplant", murmelte der Mann, dessen Gesichtszüge, Hände und Körper langsam wieder zu denen von Severus Snape verschmolzen. „Ich überlasse bei diesem Spiel nichts dem Zufall, das sollten Sie wissen, Direktor."

Auch die Stimme hatte wieder Snapes tiefe, unverkennbare Tonlage angenommen, doch wirkte sie plötzlich sehr müde.

Der alte Zauberer sah mitleidig auf den Mann, der mit hängenden Schultern vorn übergebeugt auf dem Sofa sass.

Er ging um den kleinen Tisch herum und setzte sich neben Snape. „Hast du Probleme Narcissa etwas vorzuspielen, Severus?"

Snape schüttelte den Kopf und verzog den Mund gehässig. „Narcissa ist zu sehr mit sich selber beschäftigt und zu gewohnt, dass Lucius oft den ganzen Tag mit Geschäftskollegen unterwegs ist, um etwas zu bemerken. Solange das Geld fliesst und Lucius ihr, wenn er Zuhause ist, genug Aufmerksamkeit schenkt, fragt sie nicht, wo er sich die ganzen Tage und manchmal auch Nächte herumtreibt.

„Ausserdem hat es auch geholfen, dass ich, mit Hilfe des Zeitumkehrers mit beiden Aussehen am selben Ort gewesen bin. Niemand vermutet etwas. Solange ich von den Unaussprechlichen gedeckt werde und freie Hand bekomme auch mal gegen eine Regel zu verstossen, und vor allem, solange ich meine Vorsicht beibehalte, vermutet niemand etwas."

„Was ist es dann, was dich bedrückt", fragte Dumbledore leise.

Für einen Moment schwieg Snape erneut, bevor er leise sagte: „Ich habe Angst, dass ich langsam mit Malfoy verschmelze. Ich bin gezwungen ihn immer und genau zu spielen. Und Malfoy hintergeht den dunklen Lord nicht."

„Aber Severus Snape schon. Severus, schau mich bitte an."

Der dunkelhaarige Mann hob den Kopf und begegnete dem Blick des alten Zauberers.

„Ich verstehe, dass du eventuell gezwungen bist, schlimme Taten zu tun. Das tun auch unsere Verbindungsmänner im Ministerium. Rechtlich wirst du davon freigesprochen, das weißt du auch."

„Es geht nicht darum, dass ich eine eventuelle, gerichtliche Verfolgung befürchte Direktor, das wissen Sie. Und dass Sie mich noch dauernd darin ermutigen, hilft der Sache auch nicht, Direktor. Was wenn der dunkle Lord jemals einen Schüler in die Hände bekommt? Ich weiss nicht, ob ich meine Tarnung riskieren kann um ihn zu retten. Wie Sie gesagt haben. Diese Sache ist gross, grösser sogar als das Leben eines Ihrer Schutzbefohlenen. Ich spiele dieses gefährliche Spiel in Ihrem Auftrag und muss es gut spielen. Sei es um an Informationen zu kommen, meine Tarnung nicht zu gefährden, oder um Potter die Gefährlichkeit der Situation aufzuzeigen und ihn auf den unausweichlichen Kampf vorzubereiten... worüber Sie übrigens meine eigene Meinung nur zu gut kennen", knurrte Snape.

Der Direktor seufzte müde. „Ich weiss Severus. Mir gefällt es auch nicht, aber Harry ist nun mal unsere einzige Chance und selbst wenn es im Moment nicht so aussieht, haben wir Krieg. Der junge Diggory war nicht das erste unschuldige Opfer. Viele der Kinder, die unter unserem Schutz stehen sollten, sind in Gefahr und wenn Harry das nicht begreift, wenn es Zeit ist, dann wird es noch viel mehr Opfer geben. Ich mag es nicht, was wir hier tun und es ist schwierig den richtigen Weg zu gehen und aufzupassen, dass der Preis für einen Sieg nicht zu hoch wird." Dumbledore zog nachdenklich die Brauen zusammen. „Es ist nicht immer leicht, nicht der Versuchung zu verfallen, wie sein Gegner zu werden und mit seinen Waffen zu kämpfen."

„Genau das ist mein Problem, Direktor. Ich sehe die Grenze schon lange nicht mehr klar. Rechtfertigt das Ziel in diesem Fall wirklich die Mittel? Wir beide wissen, das ich auch töten werde, wenn es der dunkle Lord verlangt, nur um meine Tarnung aufrecht zu erhalten."

„Und was ängstigt dich daran mehr, Severus? Dass du töten musst, oder dass es dir gefallen könnte?

Darauf schien Snape keine Antwort zu haben, oder aber er hatte Angst die Wahrheit auszusprechen. „Was, wenn ich eines Tages meine Überzeugung verliere? Wenn der Reiz des Bösen zu stark wird? Ich bin kein netter Mann. Das war ich nie. Mir gefällt es die Macht über andere zu haben", sagte er schliesslich.

Dumbledore legte ihm väterlich die Hand auf die Schulter. „Solange du noch diese Gedanken hast, kannst du dich immer wieder finden. Ich weiss, dass ich viel von dir verlange und es macht mich traurig, dass wir keine andere Wahl haben."

„Das Risiko ist zu hoch, Direktor." Snape blickte flehend zu dem alten Zauberer hoch. „Malfoy hat zu viel Macht. Ich mag diese Macht und die Freiheit böse zu sein. Viel mehr als ich sollte."

Dumbledore blickte ihm bedauernd in die Augen. „Malfoy ist in der richtigen Position. Es ist gerade sein Einfluss, an beiden Orten, der Gesellschaft und bei Voldemort, der die Stellung so wertvoll macht. Ausserdem weiss ausser einigen vertrauenswürdigen Unaussprechlichen und uns beiden niemand, dass der echte Malfoy schon lange in Askaban sitzt."

Snape ballte die Fäuste in seinem Schoss und senkte den Blick. „Ich kann aber nicht mehr. Jeder andere Todesser wäre akzeptabel, aber nicht Malfoy. Selbst wenn man vergisst, dass er sehr stark sozial engagiert ist und eine Familie hat, und dass es mir zwischen seinem und meinem eigenen Leben, auch mit einem Zeitumkehrer kaum noch Zeit zur Erholung lässt, dann ist da noch immer die andere Sache mit der Macht. Sogar wenn ich einige Stunden Ruhe habe, dann bekomme ich kaum Schlaf, weil mich die Zweifel und Gedanken nicht loslassen."

Einen Moment war es still und dann seufzte Dumbledore. „In Ordnung, Severus. Ich habe dir immer gesagt, dass es deine Wahl ist. Du hast schon so viel für uns getan und ich vertraue dir. Schluss mit Malfoy."

Erleichtert blickte ihm Snape wieder in die Augen. „Bitte glauben Sie mir, dass ich diesen Wunsch nicht äussern würde, wenn es sicher möglich wäre, weiterhin die Rolle Malfoys zu spielen."

Dumbledore lächelte nun. „Das weiss ich, mein Junge." Er erhob sich wieder. „Ich werde gleich meine Verbündeten bei den Unaussprechlichen kontaktieren. Bei der nächsten Gelegenheit wird man Lucius Malfoy wohl offiziell verhaften. Dann können wir deine Identität mit einem anderen Todesser, der nicht so sehr im Rampenlicht steht, austauschen."

„Danke, Direktor", sagte Snape erleichtert. „Ich werde Sie in der neuen Rolle nicht enttäuschen, das verspreche ich."

Noch einmal tätschelte Dumbledore Snapes Schulter. „Ich habe dir zu danken, Severus, für alles was du für uns in Kauf nimmst. Ich und die ganze Seite des Lichts."

Und mit diesen Worten liess er Snape zurück, dass dieser sich für seine erste Zaubertrankstunde umziehen konnte.

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fin

A/N Okay, Leute, lyncht mich nicht. Ich habe ganz schamlos etwas Harrys fünftem Jahr hinzu gefügt, was nie passiert ist. Die Fic ist also ganz gewaltig AU, ich weiss. Aber wen störts:-P Mir gefielen ausserdem die kleinen Seitenhiebe auf alle Slash-fics :-D

Ich gehe übrigens davon aus, dass Snape nicht als Person wieder bei Voldie spioniert, sondern auf sonst eine Weise. Denn Voldie hat ja auf dem Friedhof gesagt, dass er ihn töten wolle, weil er ihn für immer verliess. (Dass er damit Snape meinte, hat JKR angedeutet)

An die Reviewer:

Loki Slytherin: Danke für das Review. Hier ist das nächste und auch schon das letzte. Ich wollte es noch oben haben, bevor das nächste Buch alles offiziell als falsch herausstellt:-P

Nics: Oh, ich kann es auch kaum erwarten, bis das Buch kommt. Und ichmuss es noch nicht einmal kaufen, sondern kriege es geschenkt freu Harry und Co waren komplett auf der falschen Spur:-P