Kapitel 5
in welchem Blaise jegliche Eloquenz abhanden kommt
Um fünf nach halb zwölf am Abend war Blaise immer noch nicht sicher, wie er in die "Drei Besen" geschleppt worden war. Als er einen Schluck von seinem siebten Butterbier nahm, fiel es ihm wieder ein: Pansy hatte äußerst scharfe Fingernägel, und Daphne war außerordentlich gut mit dem Flederwicht-Fluch.
Blaise versuchte, die Geräuschkulisse in der Kneipe mit seinen eigenen Gedanken auszublenden, während er sich wünschte, es wäre mehr Alkohol in seinem Getränk. Er hatte im Alter von sieben Jahre gelernt, daß genug Alkohol in Butterbier war, um eine Hauselfe beschwipst zu machen. Seine Mutter war nicht sehr erfreut gewesen, als Goolie, die einzige Hauselfe der Zabinis, nahezu drei Tage lang betrunken gewesen war.
"Blaise, tanzt du jetzt oder nicht?" Pansy zupfte ungeduldig am Ärmel seiner Robe, und Blaise versuchte sie abzuschütteln.
"Oder nicht", war seine Antwort. "Ich tanze nicht", erklärte er.
"Jeder tanzt", beharrte Pansy, während sie sich bemühte, nicht die Geduld zu verlieren. "Sogar Daphne, und sie sieht aus wie eine Vogelscheuche, wenn sie tanzt."
Blaise sah sie finster an. "Willst du wirklich, daß ich mich zum Idioten mache?" Die Slytherin, gekleidet in eine glitzernde rosa Robe, schüttelte den Kopf.
"Natürlich nicht. Das wäre nur ein zusätzliches Plus."
"Pansy..." warnte er. Pansy zuckte mit den Schultern.
"Gut, dann eben nicht. Ich werde dich um Mitternacht nicht küssen, sowohl ist sicher." Sie kehrte zur Tanzfläche zurück, wo sie sich wieder zu Daphne und Hermine gesellte. Mit Interesse stellte Blaise fest, daß Daphne tatsächlich aussah wie eine Vogelscheuche, die vom Wind umhergetrieben wurde, wenn sie tanzte.
Aus dem Augenwinkel konnte Blaise Professor Mayfair erkennen, die beinahe auf Professor Snapes Schoß saß, während sie versuchte, ihn mit einem erotischen Tanz zu animieren. Blaise hatte anonym eine Flasche Scotch zu dem Tisch geschickt, an dem die Lehrer saßen, und sie schienen sie recht fröhlich zu leeren. Snape schien sogar zu lächeln. Nun ja, Blaise vermutete, daß er lächelte, es konnte natürlich auch sein, daß er nur Blähungen hatte.
Was immer es war, die Lehrer waren ausreichend angetrunken, was bedeutete, daß sie nicht im geringsten auf die Schüler achteten.
Pansys Abgang hatte Blaise wieder in seine Träumereien versinken lassen, und er versuchte gerade, sich die elfte Anwendungsmöglichkeit von Drachenblut ins Gedächtnis zu rufen, als Hermine sich neben ihm niederließ. "Amüsierst du dich?" fragte sie mit einem Lächeln. Seine Antwort darauf war ein verachtungsvoller Blick. "Es ist nur noch eine Viertelstunde bis Mitternacht", sagte Hermine entschuldigend. "Danach können wir zum Schloß zurückgehen." Ihre Wangen färbten sich rot. "Ich meinte das nicht als Einladung", stotterte sie, "ich hab nur eine Tatsache festgestellt."
"Ich weiß."
"Gut."
"Hat Pansy dich geschickt, um mich zum Tanzen zu bewegen?" fragte er, wobei er seine Stimme hob, damit sie ihn über die Musik hinweg hören konnte.
"Nein. Meine Füße tun weh", erklärte sie. "Ich hätte keine Schuhe mit Absätzen tragen sollen", fügte sie hinzu. Blaise lächelte.
"Ich hätte nicht gedacht, daß du der Typ wärst, der überhaupt Schuhe mit hohen Absätzen besitzt."
Hermine lehnte sich verschwörerisch nach vorn. "Ich hab sie mir von Daphne geliehen", gab sie mit einem Grinsen zu.
"Du siehst damit größer aus."
"Soll das heißen, daß ich klein bin?" fragte Hermine mit gespielter Entrüstung. Blaise zuckte zusammen.
"Gibt es darauf eine richtige Antwort?"
"Hermine, willst du tanzen?" Justin Finch-Fletchley war an ihrem Tisch erschienen und sah die Gryffindor hoffnungsvoll an.
'Was ist das bloß mit Hufflepuffs und der Farbe Gelb?', wunderte sich Blaise, als er Justins gelbe Robe musterte. Er vermutete, es lag daran, daß Gelb gewöhnlich mit Fröhlichkeit assoziiert wurde, wodurch sie mit dem Slytherin-Verhaltenskodex verknüpft war: Unwissenheit macht selig. Deshalb sind Hufflepuffs immer so fröhlich. Es war nicht so sehr eine Art, sein Leben zu leben, als vielmehr eine Hilfe, wenn man es mit Mitgliedern aus dem Haus des Dachses zu tun hatte.
"Ich, ähm..." Hermine sah hilflos zu Blaise.
"Was siehst du mich an?" fragte Blaise. "Ich bin nicht dein Aufpasser."
Für einen Moment sah sie enttäuscht aus, aber dann lächelte sie Justin strahlend an. "Ich würde sehr gern tanzen", antwortete sie und stand auf, obwohl sie Blaise gerade vor einem Augenblick noch erzählt hatte, daß ihr die Füße wehtaten.
Etwas seltsames war gerade passiert, soviel wußte Blaise. Als Finch-Fletchley Hermine zum Tanzen gebeten hatte, hatte sie ihn angesehen. Hatte sie seine Zustimmung gesucht? Blaise würde sie sicherlich nicht davon abhalten, mit dem Hufflepuff zu tanzen - Finch-Fletchley war absolut harmlos. Er war immerhin ein Hufflepuff. Oder wollte sie seine Erlaubnis? In diesem Fall wären die Dinge etwas komplizierter geworden.
Wenn sie ihn um Erlaubnis gefragt hatte, dann implizierte das, daß er und Hermine... nicht direkt etwas laufen hatten, aber daß sie...
Blaise konnte es nicht einmal begreifen. Ihm fiel nichts ein, womit er seine Beziehung zu Hermine in Worte fassen konnte. Sogar das Wort "Beziehung" kam ihm etwas übertrieben vor. Sie waren Freunde, und das war alles. Hermine hatte ihm sogar direkt gesagt, daß sie ihn nicht mal anziehend fand.
Und er fand sie auch nicht im mindesten attraktiv.
Selbstverständlich nicht.
Er schob den Ärmel seiner schwarzen Robe hoch, so daß er seine Uhr sehen konnte. Noch fünf Minuten bis Mitternacht. Noch fünf Minuten, bis ein neues Jahr begann. Noch fünf Minuten, bis Blase sich in die Behaglichkeit seines Schlafsaals zurückziehen konnte.
Es war schön, seinen Schlafsaal für sich zu haben, hatte Blaise festgestellt. Crabbe schnarchte so laut, daß Blaise sicher war, die Bodenplanken müßten erbeben. Goyle redete im Schlaf, er schien schlafend um einiges heller zu sein als wenn er wach war. Blaise hatte tatsächlich einige ziemlich tiefschürfende Unterhaltungen mit Goyle geführt, als der geschlafen hatte.
Dann war da Draco. Der Malfoy-Erbe benutzte so viel Aftershave, daß es Blaise wunderte, daß er sich damit noch nicht erstickt hatte. Nicht, daß Malfoy Aftershave brauchte. Er hätte nicht gewußt, was Gesichtsbehaarung war, wenn sie ihn in einem von Theodores T-Shirts attackiert hätte.
Theodore Nott ließ überall seine Klamotten liegen. Überall. Blaise argwöhnte allerdings, daß inzwischen alle Theodore vergessen hätten, würde seine Kleidung nicht als ständige Erinnerung an seine Gegenwart dienen.
Drei Minuten bis Mitternacht.
'Ist das eine Sommersprosse auf meinem Handrücken?' fragte sich Blaise. Er rieb darüber. 'Nein, nur ein Tintenfleck. Ich frag mich, wie der da hinkommt.'
Blaise trommelte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch. Konnte dieses Jahr nicht einfach zu Ende sein? 365 Tage waren wirklich genug.
Zwei Minuten bis Mitternacht.
"Hogwarts, Hogwarts, warzenschweiniges Hogwarts, bring uns was Schönes bei..." Blaise begann die Schulhymne zu murmeln zu der Melodie, die gerade gespielt wurde.
"Ob alt und kahl oder jung und albern..." Dieser Vers hatte ihm immer gefallen. Ihm war allerdings noch nie jemand Kahlköpfiges in Hogwarts begegnet. Außer, Snape hatte in Wirklichkeit eine Glatze und trug nur eine schlechte Perücke. Diese Theorie würde er später mit Pansy und Daphne diskutieren müssen.
Eine Minute bis Mitternacht.
Daphne glitt auf den Stuhl neben ihm, ein breites Grinsen im Gesicht. Das blonde Mädchen kicherte und starrte ihn an, und plötzlich fühlte Blaise sich befangen. Warum starrte sie ihn so an?
Er richtete seinen Blick bewußt auf die Tänzer. Hermine und Finch-Fletchley tanzten viel zu eng für Blaises Geschmack. Bildete er sich das ein, oder wanderten Justins Hände tiefer?
Dreißig Sekunden bis Mitternacht.
"Blaise?" fragte Daphne leise. Sie war über die Musik kaum zu verstehen. Blaise blinzelte.
"Ja?" fragte er, während er weiterhin Hermine und Justin ansah.
Zehn. Neun.
"Blaise, kann ich..."
Acht. Sieben. Sechs.
"Ja, warum nicht."
Fünf. Vier.
Alle zählten jetzt mit, als es auf Mitternacht zuging.
Drei. Zwei. Eins.
Blaise stieß ein überraschtes Quieken aus, als Daphnes Lippen sich auf seine legte, und seine Augen flogen auf.
Gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Hermine Justin küßte.
ooOOoo
Als Hermine schließlich den Mut fand, die Augen zu öffnen, wünschte sie sofort, sie hätte es nicht getan. Alles war gelb.
Alles.
Während sie blinzelte und sich abmühte, in eine sitzende Position hochzukommen, sah Hermine sich um und wünschte sich, sie könnte den Kopf klar kriegen. Als sie wieder zusammenhängend denken konnte, war das Erste, was ihr auffiel, daß sie nicht in ihrem Schlafsaal war. Noch war sie in einem Bett.
Sie war vollständig angezogen - Gott sei Dank - und wenn sie hätte tippen sollen, dann hätte sie gesagt, daß sie sich im Hufflepuff-Gemeinschaftsraum befand. Aber wie war sie dort hingekommen?
Hermine schloß die Augen, hauptsächlich um sich von der gelben Monstrosität abzuschotten, die der Hufflepuff-Gemeinschaftsraum war. Vage Erinnerungen begannen sich in Hermines Gedächtnis aufzustapeln. Justin hatte angeboten, sie zurück nach Gryffindor zu begleiten, als sie zum Schloß zurückgekehrt waren, und irgendwie waren sie statt dessen in Hufflepuff gelandet.
Dann war da Küssen gewesen. Und möglicherweise einige unangemessene Berührungen.
Justin, dem es gelungen war, ein paar Drinks von der unerfahrenen Bardame zu erhalten, war definitiv angeheitert gewesen und war schließlich davongestolpert und hatte etwas davon gemurmelt, er müsse sich übergeben. Unnötig zu erwähnen, daß Hermine darüber nicht besonders erfreut gewesen war. Während sie auf Justins Rückkehr gewartet hatte, mußte sie eingeschlafen sein.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, stellte Hermine fest, daß Justin nirgends zu sehen war. Er war letzte Nacht offensichtlich nicht zurückgekommen.
Als Hermine aufstand, um sich schnell davonzumachen, zuckte sie zusammen - sie hatte die ganze Nacht über Daphnes hohe Schuhe getragen, und ihre Füße waren wundgescheuert. Sie beugte sich vornüber und streifte sie ab, wobei leuchtend rote Streifen auf ihrer Haut zum Vorschein kamen, wo die Riemen gedrückt hatten.
Sie entschloß sich, es zu riskieren und barfuß zurück zum Gryffindor-Turm zu gehen, obgleich sie nicht genau wußte, wie weit das eigentlich war. Wenn sie erst diesen gelben Gemeinschaftsraum verlassen hatte, würde sie hoffentlich in der Lage sein, sich zu orientieren.
Als Hermine draußen im Korridor war, rannte sie praktisch zurück zum Gryffindor-Turm; ihre Füße hämmerten auf den Steinfußboden des Schlosses. Als sie sicher in ihrem eigenen Schlafsaal angekommen war, legte Hermine rasch ihre Robe ab und stellte die Dusche im Bad kochend heiß ein. So angenehm das Privileg eines eigenen Vertrauensschüler-Badezimmers auch sein mochte, es gab Zeiten, da half nur eine Dusche.
Sie trat unter den heißen Wasserstrahl und griff nach der Shampoo-Flasche. Wie konnte sie nur so dumm gewesen sein? Warum hatte sie zugestimmt, mit Justin zurück nach Hufflepuff zu gehen? Sie hatte sich völlig in der Gewalt gehabt, sie hatte den ganzen Abend nur Kürbissaft getrunken - sie hatte noch nicht einmal Butterbier getrunken.
Die einzige Person, von der sie sich erinnern konnte, gesehen zu haben, daß sie welches getrunken hatte, war Blaise. Als sie ihre Haare und den Rest von sich einschäumte, machte sie sich Vorwürfe. In letzter Zeit hatten ihre Gedanken die Angewohnheit gehabt, zu dem dunkelhaarigen Slytherin zu wandern. Sie war zu der Auffassung gelangt, daß er nicht ganz so unattraktiv war, wie sie es ihm gesagt hatte. Nicht, daß sie ihm das jemals sagen würde. Sie wußte ganz genau, daß das sein Ego nur vergrößern würde.
Ganz zu schweigen davon, daß er einen schlechten Einfluß auf sie ausübte. Verglichen mit der Zeit, bevor sie angefangen hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten, trank sie zehnmal mehr Kaffee. Wann immer sie in seiner Gegenwart war, fühlte sie sich... nach Flirten? So würden es wahrscheinlich Parvati und Lavender beschreiben. Die Zankereien zwischen ihnen waren fast erheiternd, und sie bemerkte, daß sie sich mehr auf ihre Zusammentreffen freute, als sie es hätte sollen. Sie war sowohl physisch als auch geistig ausgelaugt vom Lernen und dem Animagus-Training, dennoch schien der Gedanke ihn zu sehen die Erschöpfung zu lindern. Es gab Zeiten, da war er ein arroganter Slytherin, und manchmal war er ein typischer Teenager. Es war wirklich verblüffend.
Während sie ihre Haare ausspülte überlegte sie, ob Blaise sich gerade in einer ähnlichen Situation befand wie sie. Bereute er diesen Kuß mit Daphne um Mitternacht - sogar Hermine hatte das gesehen - und versuchte sich jetzt von der Erinnerung reinzuwaschen? Stand er unter der Dusche und wusch seine dunklen Haare?
Plötzlich drifteten ihre Gedanken zu etwas anderem.
'Nein, Hermine', schalt sie sich selbst, 'denk nicht an einen nackten Blaise. Das ist sehr schlecht. Wirklich sehr schlecht.'
ooOOoo
Blaise blickte erst auf, als ihm von Pansy eine Ausgabe des "Tagespropheten" unter die Nase geschoben wurde. Es war der dritte Januar, und Blaise war das neue Jahr schon wieder leid.
An Neujahr hatte er bis um drei Uhr nachmittags geschlafen, war dann aufgestanden, hatte geduscht, war in die Große Halle gegangen, hatte Unmengen von Kaffee konsumiert und war anschließend wieder ins Bett gegangen. Dieses Muster hatte er seitdem wiederholt, bis er sich entschieden hatte, seine Hausaufgabe für Zaubertränke hinter sich zu bringen. Auf diese Weise würde er in der Lage sein, an etwas anderes als Hermine zu denken.
'Sie hat kein Recht, einfach so in meine Gedanken einzudringen', dachte Blaise bitter, während er einen Teil seiner Notizen unterstrich. Es war nicht so, als benutzte sie Magie, um sich ihren Weg in seinen Kopf zu bahnen, nein, es war, als wäre sie das einzige, woran er noch denken konnte, und er konnte es keinen Moment länger ertragen.
Sie regte ihn auf. Sie ging ihm auf die Nerven. Sie stachelte ihn an. Sie neckte ihn. Sie behandelte ihn wie einen Bruder. Sie war noch nicht mal hübsch.
Aber irgendwie war sie in Blaises Bewußtsein verwurzelt, und das Bild von ihr und Justin, als sie sich küßten, war permanent auf seinen Augenlidern eingebrannt. Warum störte es ihn so, daß Hermine diesen... Hufflepuff küßte? Es war eigentlich nicht seine Sache, wen sie küßte, aber Blaise hatte eine schleichende Ahnung, daß er wußte, weshalb er sich so fühlte.
Eifersucht.
Nicht alles, was von den Muggeln stammte, hatte überhaupt keinen Eindruck auf die magische Gemeinschaft gemacht. Eine solche Ausnahme war Shakespeare. Blaises Mutter hatte eine besondere Leidenschaft für den Dichter, und ein Zitat ging Blaise wieder und wieder durch den Kopf: Bewahrt Euch vor Eifersucht, dem grünäugigen Scheusal, das besudelt die Speise, die es ißt!
Oder so ähnlich. Blaise war nie sonderlich gut darin gewesen, sich den genauen Wortlaut von Zitaten zu merken. Außer bei einem. Dem Sprichwort, das Hermine ihm in seine Weihnachtskarte geschrieben hatte. Daran erinnerte er sich Wort für Wort.
"Blaise", sagte Pansy ungeduldig. Er sah zu ihr auf.
"Wie bitte?"
"Sieh dir das mal an." Sie zeigte mit einem pink lackierten Fingernagel auf den "Tagespropheten".
Krum gefunden lautete die Schlagzeile, und für einen Moment war Blaise erleichtert. Hermine hatte sich um den Quidditch-Star Sorgen gemacht, seit sie herausgefunden hatte, daß er vermißt wurde. Als er die nächste Zeile las, wurde ihm schlecht: Sucher der Quaffelschläger ermordet: Todesser verdächtigt!
Blaue Augen überflogen schnell den Artikel. Blaise sah in Panik zu Pansy. "Hat Hermine das schon gesehen?" wollte er wissen.
Pansy sah einen Augenblick besorgt aus. "Ähm, ich glaube nicht. Sie war heute morgen nicht beim Frühstück."
'Sie war heute morgen nicht beim Frühstück.' Jetzt wo er darüber nachdachte, fiel Blaise auf, daß er Hermine seit ein paar Tagen nicht mehr beim Essen gesehen hatte. Sogar er hatte es fertiggebracht, in der Großen Halle zu erscheinen, wenn alle anderen es taten, aber ihr Platz war verdächtig leer geblieben. Er hatte sie ein paar Mal im Flur getroffen, aber nie bei den Mahlzeiten.
Blaise hob die Zeitung auf. "Ich geh sie suchen", verkündete er. Pansy schüttelte den Kopf.
"Daphne ist schon gegangen."
"Wieso?"
Pansy schien unruhig. "Sieh mal, Blaise, ich mein das nicht auf eine negative Art oder so, aber Daphne und ich haben bemerkt, daß du und Granger etwas... merkwürdig werdet, wenn ihr zusammen seid. Ich weiß wirklich nicht, was da zwischen euch vorgeht, und ich bin nicht sicher, ob ich es überhaupt wissen will, aber vielleicht solltest du dich eine Weile von ihr fernhalten. Damit sich die Situation etwas entspannt, verstehst du?"
Der dunkelhaarige Junge lehnte sich in seinem Sessel zurück. "Ja", murmelte er, "ich verstehe."
ooOOoo
Das nächste Mal, daß Blaise Hermine sah, war beim Abendessen am selben Tag. Sie sah blaß und abgespannt aus, und er konnte sehen, daß sie geweint hatte. Ihr Haar war im Nacken zu einem unordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihre Robe war zerknittert. Sie neigte nur leicht den Kopf zum Gruß.
Sie setzte sich neben Blaise und schob ihr Essen mehr auf ihrem Teller umher, als daß sie es aß. Als sie dann doch aß, kaute sie langsam, als würde sie eigentlich nicht essen wollen. Blaise reichte ihr wortlos ein Brötchen.
Hermine nahm es mit einem leichten Lächeln, brach es in der Mitte durch und begann, daran zu picken.
"Viktor ist tot", sagte sie schlicht. Sie sah ihn mit trüben braunen Augen an. Er nickte.
"Ja."
ooOOoo
"Ich glaube, ich bin nah dran", verkündete Hermine strahlend, als Blaise zu ihrer Animagus-Stunde eintraf. Es war der Abend, bevor die übrigen Hogwarts-Schüler zurückkehren sollten. Sie hüpfte praktisch, und Blaise konnte nicht anders, als die dunklen Ringe unter ihren Augen zu bemerken. Diesen Morgen beim Frühstück war er zu beschäftigt damit gewesen, eine Tasse Kaffee zu kriegen um über ihre Erscheinung nachdenken zu können.
Aber jetzt, ohne ihre Robe und mit ihren buschigen Haaren in einem hohen Pferdeschwanz, konnte er sehen, wie dünn sie war. Er hätte sie in der Tat als schrecklich dünn beschrieben. Trotz ihrer wachsenden Freundschaft fragte sich Blaise, ob es unangebracht wäre, wenn er sich nach ihrer Gesundheit erkundigte. Er konnte nicht die richtigen Worte finden, um sie zu fragen, daher entschied er sich für: "Das ist toll." Dann fügte er hinzu: "Weißt du, was deine Gestalt ist?"
Sie wirkte verlegen. "Na ja, ich glaube. Ich will es aber eigentlich noch nicht sagen, falls ich falsch liege." Er nickte verständnisvoll.
Hermine reichte ihm ein Buch. "Professor McGonagall hat mir das hier zum Durchblättern gegeben. Wir sind mit den ersten Kapiteln so ziemlich fertig, Kapitel sieben ist recht interessant." Das Buch war alt, und der Buchrücken löste sich bereits ab. Der Titel des Buches war nicht mehr erkennbar, und als Blaise das Buch öffnete, sah er, daß die Seiten gelb waren und zerbrechlich vom Alter. Winzige Schrift bedeckte die Seiten, und komplizierte Diagramme waren in den Text eingelassen.
Blaise ließ sich im Schneidersitz nieder und begann, sorgfältig die Seiten bis zu Kapitel sieben umzublättern. Schließlich fand er es, die kleine Schrift war beinahe unleserlich.
Wenn ein Animagus zum ersten Mal die Verwandlung in seine tierische Form vornimmt, wird die Hexe oder der Zauberer häufig mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert. Die erste ist die Kleidung.
Über die Jahrhunderte haben viele Animagi berichtet, daß ihre Kleidung die Verwandlung nicht mitgemacht hat, was dazu geführt hat, daß sie nackt waren, als sie ihre menschliche Form wiedererlangten. Nach einiger Übung geschieht dies jedoch nur noch, wenn der Animagus seine Kleidung zu verlieren wünscht.
Blaise blickte zu Hermine auf. 'Nein', warnte er sich streng, 'denk nicht an eine nackte Hermine. Schlechte Gedanken, sehr schlechte Gedanken.' Vielleicht sollte er sich besser rar machen, wenn ihr die Verwandlung schließlich gelang. Er ging davon aus, daß Hermine nicht unbedingt wollte, daß er sie nackt sah.
"Du siehst aus, als hättest du Verstopfung", bemerkte er, als er versuchte, seine Konzentration wieder auf das Buch zu lenken, anstatt auf Gedanken über eine nackte Hermine. 'Schlechte Gedanken, Blaise. Denk nicht daran.'
Die andere Schwierigkeit ist wesentlich problematischer. Der Geist des Tieres überwältigt oft den Geist der Hexe oder des Zauberers, wenn die erste Verwandlung abgeschlossen ist, was dazu führt...
Blaise kam jedoch nicht weiter, bevor er ein lautes "Popp" hörte. Er riß überrascht den Kopf hoch und fand eine kleine getigerte Katze, wo gerade noch Hermine gestanden hatte. Blaise rappelte sich schnell hoch. Es gab ein weiteres "Popp", und Hermine war zurück.
"Ich hab's geschafft", flüsterte sie heiser, die Augen weit aufgerissen. "Blaise, ich hab's geschafft!" Sie sprang ihn praktisch an und erwürgte ihn fast mit ihrer Umarmung. "Mein Herz rast", teilte sie ihm atemlos mit. Ihr Atem kitzelte ihn am Ohr, und er tat sein Bestes, um sämtliche primitiven Instinkte zu unterdrücken, die in ihm aufstiegen.
'Meins auch', dachte er und schlang seine Arme um sie. Er wich zurück - er befürchtete, daß ihm sozusagen gewisse Komplikationen daraus erwachsen könnten, wenn sie ihm weiterhin so nahe war. 'Verdammte Hormone', fluchte er innerlich. "Gut gemacht", sagte er, zu überwältigt, daß sie es tatsächlich geschafft hatte, als daß er sich eloquenter hätte ausdrücken können.
"Ich muß es noch mal versuchen", sagte sie hastig. Die dunklen Ringe um ihre Augen schienen jetzt noch mehr hervorzustechen. Sie sah aus, als könne sie jeden Moment zusammenbrechen.
"Vielleicht solltest du dich ausruhen, Hermine." Blaise konnte die Besorgnis in seiner Stimme nicht verbergen. "Es ist offensichtlich, daß du erschöpft bist."
"Ich muß es noch mal versuchen", wiederholte sie, diesmal mit festerer Stimme. Der Ausdruck in ihren Augen war vollkommen wild, und für einen Moment hatte Blaise Angst vor ihr.
"Hermine..."
Aber es war zu spät, und nach einem "Popp" lag ein Haufen Kleidung zu seinen Füßen, und Hermines Animagusform versuchte, sich daraus zu befreien. Blaise ging in die Hocke und nahm die Katze vorsichtig auf den Arm. Hermine schnurrte zufrieden bei seiner Berührung, aber als er ihren Kopf streicheln wollte, schlug sie plötzlich nach ihm, wobei ihre Krallen drei rote Streifen auf seiner Wange hinterließen.
Der Slytherin schrie auf vor Überraschung und Schmerz und ließ Hermine fallen, als er sich mit der Hand das Gesicht hielt. Die Katze fauchte ihn an, bevor sie mit erhobenem Schwanz aus dem Zimmer rannte.
"Na gut, wie du willst, Hermine", grummelte er und entfernte seine Hand von seinem Gesicht. Er betrachtete seine Finger. Die Kratzer bluteten. Er war sicher, sie würde in einer Minute zurück sein, peinlich berührt, daß ihre Kleidung verschwundenen war, und bestürzt, weil sie ihm weh getan hatte. Mit einem frustrierten Brummen hob Blaise das Buch auf, das Hermine ihm gegeben hatte.
Der Geist des Tieres überwältigt oft den Geist der Hexe oder des Zauberers, wenn die erste Verwandlung abgeschlossen ist, was dazu führt, daß das Bewußtsein des Animagus unterdrückt wird.
Als er diesen Satz beendete, richteten sich Blaises blaue Augen panisch auf den Stapel Kleidung, der noch immer auf dem Boden lag, dann auf die Tür, durch die Hermine gerannt war. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend kam Blaise jegliche Eloquenz abhanden:
"Oh, verdammt."
Anmerkungen:
Seht, diesmal war ich schnell, oder? Was soll man bei Gewitter auch sonst tun als fleißig weiterarbeiten... ;) Mal sehen, wann das nächste Kapitel rauskommt.
Silke Riddle: Um Harry muß man sich, glaub ich, nicht zu viele Sorgen machen. Er hat natürlich wie immer jede Menge Probleme, aber er und Ron werden Hermine nicht im Stich lassen, oder so was ähnliches. Also, sei beruhigt. :)
teddy172: Gute Idee mit dem eisgekühlten Kaffe :). Bei mir hier ist es gerade unerträglich schwül und stickig. Hier ein imaginiäres Würstchen für dein Camperdasein. Was ist das schon ohne Grillen :D.
In den Urlaub werde ich mich wohl in nächster Zeit leider nicht aufmachen, also müßte folglich die Geschichte auch noch vorher fertig werden. ;) Ich wünschte, ich hätte auch mal Ferien...
Mehr Verwandte hat der gute Professor Dumbledore übrigens meines Wissens in Hogsmeade nicht.
sweet-teeni: Die eine Frage ist jetzt ja beantwortet, es dauert noch eine Weile ;). Von Ron und Pansy werdet ihr noch ein bißchen mehr sehen, ansonsten erst mal aber keine weiteren Paare.
Vielen Dank auch an: Rubinonyx, kurai91, LadyEvelyn, Loki Slytherin, Maia May und blub!
