Kapitel 6
in welchem ein Elend nicht allein kommt
In panischer Eile sammelte Blaise hastig Hermines Kleidung auf und rannte aus dem Raum. Als er im Flur stand, war von Hermine nichts zu sehen, weder als Katze sonst sonstwie.
Er fluchte, erst auf Englisch, dann fiel er ins Italienische zurück. Er hatte gelernt, daß es einfacher war, in der Schule auf Italienisch zu fluchen - da die Lehrer nicht wußten, was er sagte, konnte sie ihn deswegen auch nicht rügen.
Was sollte er jetzt tun? Hermine streifte irgendwo durch die Schule, als eine Katze, ihre eigene, menschliche Intelligenz unterdrückt von den Instinkten der Katze. Und er hatte keine Ahnung, was er unternehmen sollte. Selbst wenn er sie finden sollte, wüßte er nicht, wie er die Verwandlung rückgängig machen und sie wieder menschlich werden lassen konnte. Ganz zu schweigen davon, daß selbst wenn er sie zurückverwandeln konnte, er im Moment ihre Kleidung hatte.
Blaise fiel nur eine Antwort darauf ein, und die gefiel ihm ganz und gar nicht.
McGonagall.
Die Hausvorsteherin von Gryffindor hatte Hermines Animagus-Training überwacht, aber Blaise war nicht besonders erpicht darauf, sie zu besuchen, denn erstens war sie die Hausvorsteherin von Gryffindor und damit der Feind, und zweitens war sie völlig ahnungslos, daß Hermine ihren Unterricht an ihn weitergab.
Er verwarf alle Gedanken daran, was die strenge Lehrerin für Verwandlung sagen würde, und entschied, daß es am besten sein würde, sie zu finden. Er wandte sich lieber an sie als an Professor Dumbledore, und Professor Snape wäre auch keine große Hilfe. Er durchschritt schnell den Korridor, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ihm den Weg zu McGonagalls Büro zeigen konnte. Da er wenig bis gar kein Interesse an ihr hatte und noch nie dort gewesen war, hatte er keine Ahnung, wo es sich befand.
Er beschloß, ein Portrait zu fragen. Er hatte nie zuvor eine Unterhaltung mit einem begonnen, daher fand er es etwas seltsam. Er wählte ein Bild aus, daß einigermaßen freundlich aussah und klopfte vorsichtig an den Rahmen. "Verzeihung? Könntest du mir vielleicht sagen, wo Professor McGonagalls Büro ist?"
Das Portrait, ein junges Mädchen, beäugte ihn argwöhnisch. "Du bist ein Slytherin."
"Dessen bin ich mir bewußt", schnappte er. "Wo ist McGonagalls Büro?"
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. "Es gibt keinen Grund, so unhöflich zu sein!" jammerte sie. "Jetzt werd ich's dir nicht sagen, weil du gemein bist, und scheußlich, und du bist ein Slytherin, und ich mag Slytherins nicht! Und du stinkst!"
Ein eisiger Schauer lief Blaise über den Rücken, ausgehend von seinen Schultern. Er keuchte auf, drehte sich um und ließ beinahe Hermines Sachen fallen.
"Du suchst Professor McGonagalls Büro?" fragte der Geist, den Blaise als Gryffindors Hausgeist erkannte. Er nickte stumm, seine Schulter war noch immer taub, wo der Geist ihn berührt hatte. "Dann komm mit mir."
Blaise folgte dem Geist schweigend, während er sich zu erinnern versuchte, wie der Geist hieß. Fast Kopfloser Ned, oder so was ähnliches. Schließlich hielt der Geist vor einer Tür inne. "Ich fürchte, du wirst selbst anklopfen müssen", erklärte er Blaise. "Ich habe leider nicht die Fähigkeit dazu."
Blaise klopfte vorsichtig. Die Tür wurde plötzlich geöffnet, und das strenge Gesicht der Hausvorsteherin von Gryffindor erschien vor Blaise.
"Sir Nicholas", sagte sie überrascht. Dann bemerkte sie Blaise, und ihr Tonfall wurde ernster. "Mr Zabini."
Nicholas', dachte Blaise, also das war sein Name.'
Sir Nicholas entschied sich in diesem Moment, durch den Boden zu sinken und Blaise mit Professor McGonagall alleinzulassen.
"Wollten Sie etwas von mir, Mr Zabini?"
"Ähm, Professor, also, na ja..." Blaise konnte nicht die richtigen Worte finden, ihr zu erklären, was passiert war.
"Spucken Sie's aus, Mr Zabini." Ihr Augenmerk fiel auf den Stapel Kleidung, den Blaise in Händen hielt. "Was machen sie mit der Kleidung von jemand anderem?"
"Ah, nun ja... Hermine hat es geschafft, zu... und dann ist sie weggerannt... und das hier war einfach da... und dann bin ich zu Ihnen gekommen", platzte Blaise heraus, wobei mehrere Worte irgendwo auf dem Weg von seinem Gehirn zu seinem Mund verlorengingen.
McGonagall bemerkte die Kratzer an Blaises Wange, und sie wurde bleich, als ihr klar wurde, was geschehen war. "In mein Büro, Zabini. Sofort." Sie zerrte Blaise geradezu in ihr Arbeitszimmer.
"Legen Sie die Sachen auf den Fußboden und nehmen Sie sich einen Ingwerkeks." Verwirrt von den Anweisungen der Lehrerin ließ Blaise Hermines Kleidung fallen. Bevor er auch nur blinzeln konnte, hatte McGonagall sich in ihre Animagusform verwandelt und scharrte an Hermines Kleidern. Dann streifte sie aus ihrem Büro hinaus, vermutlich auf der Suche nach Hermine.
Blaise fühlte sich etwas schwach und vollkommen verwirrt. Er setzte sich und nahm sich einen von den Keksen, die McGonagall ihm angeboten hatte. Er mochte Ingwerkekse nicht sonderlich, aber ihm war etwas unwohl, und er hatte gehört, daß Ingwer gut gegen Magenverstimmungen war.
Er saß dort fast eine Viertelstunde lang und knabberte an seinem Keks, bevor McGonagall zurückkehrte, diesmal in menschlicher Gestalt und mit einer zappelnden getigerten Katze in den Armen.
"Können Sie sie zurückverwandeln?" fragte Blaise, woraufhin McGonagall ihm einen vernichtenden Blick zuwarf, als wollte sie sagen "Für was für eine Art Hexe halten Sie mich?", als sie die Katze absetzte und schnell die Bürotür schloß, damit Hermine nicht entwischen konnte. Die Katze fauchte, und Professor McGonagall sagte:
"Das reicht, Ms Granger." Sie holte ihren Zauberstab aus der Tasche ihrer schottengemusterten Robe hervor und deutete damit direkt auf Hermine.
"Wollen Sie, daß ich gehe, oder so...?" begann Blaise. Er kam jedoch nicht weiter als bis hier, bevor ein blauer Lichtstrahl Hermine traf. Er drehte schnell den Kopf weg und schloß die Augen, nur zu Sicherheit.
Das nächste, was er hörte, war ein verlassenes "Au".
"Ziehen Sie das an, Ms Granger", hörte Blaise McGonagall sagen.
Nach ein paar Minuten und dem Geräusch von raschelndem Stoff fragte Blaise: "Kann ich die Augen wieder aufmachen?"
"Ja, Mr Zabini." Professor McGonagall klang reichlich amüsiert. Als Blaise wieder hinsah, sah er Hermine, rot im Gesicht und mit einem verlegenen Gesichtsausdruck, in eine von Professor McGonagalls Roben gehüllt. Da ihre Kleider immer noch am Boden lagen, schloß er, daß sie unter der Robe nackt sein mußte. Seine Wangen röteten sich bei diesem Gedanken.
"Tut mir leid, daß ich dich gekratzt hab", entschuldigte sich Hermine.
"Ähm, schon in Ordnung."
"Sie können jetzt zurück zu ihrem Gemeinschaftsraum gehen, Mr Zabini", sagte Professor McGonagall. Es war offensichtlich, daß das nicht verhandelbar war, und er ging rasch. McGonagall war nie ein Sonnenschein, aber er konnte erkennen, daß sie nicht erfreut darüber war, daß Hermine sich verwandelt hatte.
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Pansy schob gerade ihren Brokkoli auf Blaises Teller, als sie fragte: "Irgendeine Ahnung, warum Granger nicht bei Potter und Weasley ist?" Blaise blickte von seinem Essen auf und hinüber zum Gryffindor-Tisch. Hermine saß tatsächlich nicht bei ihren Freunden. Er suchte schnell mit den Augen den Tisch ab, aber keine Spur von ihr.
Die restlichen Schüler waren an diesem Nachmittag zurückgekehrt, und dies war die erste Mahlzeit seit ihrer Ankunft.
"Ich hab gehört, daß sie im Krankenflügel ist", ließ Daphne wissen, wobei sie um ein Haar eine Kanne mit Kürbissaft umstieß, während sie nach einer Schüssel mit Rosenkohl langte.
"Vorsichtig, Daffy", warnte Millicent und schob die Kanne in sichere Entfernung. Daphne grinste unwillkürlich.
"Weshalb ist sie da?" fragte Pansy. Blaise beschäftigte sich damit, seine Bratkartoffeln zu zerschneiden, aus denen Dampf aufstieg. Er hatte so eine Ahnung, daß er wußte, weshalb, aber er würde es ihnen sicherlich nicht sagen.
"Violet hat gesagt, daß sie eine Treppe runtergefallen ist", enthüllte Daphne.
"Violet?" fragte Millicent mit vor Verwirrung gerunzelter Stirn. Es gab in Slytherin niemanden mit dem Namen Violet. Es gab zwar eine Vivienne, aber die war in der dritten Klasse und außerdem über Weihnachten zu Hause gewesen.
"Dieses Portrait. Die beste Quelle für Informationen in der ganzen Schule."
"Du meinst für Gerüchte", korrigierte Millicent, bevor sie einen großen Schluck aus ihrem Kelch nahm. "Du glaubst auch alles, was du so hörst."
"Ich bezweifle auch ernsthaft, daß Granger dämlich genug wäre, eine Treppe runterzufallen", warf Pansy ein. Sie machte eine nachdenkliche Pause. "Schon wieder", fügte sie hinzu.
"Das letzt Mal wurde sie von einem Quaffel getroffen", stellte Blaise fest, der sich jetzt in die Unterhaltung einmischte. "Das war wohl kaum ihre Schuld." Er legte Messer und Gabel zur Seite. "Wißt ihr, ich hab eigentlich keinen Hunger mehr. Ich glaube, ich geh zurück zum Gemeinschaftsraum."
Die drei Slytherin-Mädchen beobachteten wortlos, wie Blaise die Große Halle verließ. Erst als seine schwarzgekleidete Gestalt außer Sichtweite war, sprach Pansy.
"Also, was meint ihr?"
Millicent kaute nachdenklich, schluckte und erwiderte dann: "Er mag sie, aber der blöde Arsch hat zuviel Angst, es zuzugeben." Daphne kicherte daraufhin in schrillen Tönen. Millicent warf ihr einen finsteren Blick zu, und Daphne lief rot an.
"Sie ist ganz nett, schätz ich", sagte Daphne, "es ist nur schade, daß sie eine Gryffindor ist."
"Es ist nichts dabei, in Gryffindor zu sein", antwortete Pansy knapp.
"Sie sind die Lieblinge der Lehrer!" entgegnete Millicent verächtlich.
Pansy war ziemlich rot geworden. "Nicht alle. Sie sind nicht alle so." Sie schob ihren Teller von sich, wobei sie Bratensoße auf die Tischdecke kleckerte. "Ich glaub, mir ist gerade der Appetit vergangen."
Die Slytherin-Vertrauensschülerin verließ praktisch im Laufschritt die Großen Halle. Eine verwirrte Millicent spießte einen Rosenkohl von Pansys Teller auf. "Haben wir was Falsches gesagt?" fragte sie Daphne. Daphne zuckte mit den Schultern.
"Weiß nicht. Sie ist einfach komisch."
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Als er die Tür zum Krankenflügel aufstieß, kam Blaise der Geruch nach Pfefferminz entgegen. Er rümpfte die Nase. Der Geruch war wirklich stark, jemand sollte wirklich mal ein Fenster öffnen. Ein "Was machst du hier, Zabini?" begrüßte ihn ebenfalls.
"Ron!" warnte Hermine und zog den Vorhang um ihr Bett zurück. Sie lächelte Blaise matt an. "Hallo."
"Hi." Er hielt das Buch hoch, das er bei sich hatte. "Ich bin gekommen, um das zurückzugeben." Es war das Buch über Animagus-Verwandlung, das Professor McGonagall Hermine gegeben hatte. Er war es am vergangenen Abend holen gegangen, nachdem er McGonagalls Büro verlassen hatte. Er hatte gewußt, daß Hermine sich darum Sorgen machen würde.
"Danke." Sie nahm das Buch und setzte sich wieder auf ihr Bett. Sie sah erschöpft aus, stellte Blaise fest, als hätte sie drei Tage nicht geschlafen. Erst jetzt bemerkte er, daß Harry und Ron ihn anstarrten.
"Ja?" fragte er.
"Du hast ihr das Buch zurückgebracht, jetzt kannst du wieder gehen", teilte Harry ihm tonlos mit. War das etwas, das in Gryffindor umging, oder sah Harry auch aus, als litte er unter Schlafmangel?
"Gut." Blaise wandte sich zum Gehen, aber Hermine rief ihm nach.
"Blaise. Später", sagte sie auf Italienisch. Blaise lächelte in sich hinein, sogar im Zustand der Erschöpfung war ihre Aussprache perfekt.
"Wie bitte?" fragte er. Er folgte ihrem Beispiel und sprach ebenfalls Italienisch.
"Komm später wieder." Ihr Italienisch war stockend und zögerlich, aber dennoch problemlos zu verstehen. "Ich würde gern mit dir sprechen."
Blaise nickte und ließ Hermine mit Harry und Ron allein. Die beiden sahen sie erwartungsvoll an. "Was hast du zu ihm gesagt?" fragte Ron.
"Das er einen Haarschnitt braucht", erwiderte Hermine.
"Nein, das hast du nicht gesagt", unterbrach Harry.
"Nein, hab ich nicht", stimmte Hermine zu. "Aber was ich zu ihm gesagt habe, geht euch nichts an." Harry schien das zu bezweifeln.
"Hermine", sagte er langsam. "Du und Zabini, du weißt schon, seht ihr euch?"
"Nein."
"Aber du magst ihn", hakte Ron nach.
"Ich weiß nicht." Hermine machte eine Pause. "Er bringt mich durcheinander. Ich meine, ich bin verwirrt, wenn ich mit ihm zusammen bin. Manchmal glaub ich, er macht mich schwindlig, und dann denk ich, ich mag ihn, aber dann komm ich mir wieder so blöd vor." Sie seufzte und legte das Buch auf ihren Nachttisch. "Er ist nicht wie ihr zwei. Ich kann ihn mir nicht als eine Art Bruder vorstellen, egal wie sehr ich es versuche. Er ist intelligent, charmant auf seine eigene besondere Weise und ein bißchen geheimnisvoll."
Harry fuhr sich mit der Hand durchs Haar, wodurch es noch unordentlicher wurde, als es sowieso schon war. "Zu dumm, daß er ein Slytherin ist", murmelte er. Ron reagierte hierauf.
"Sei nicht so ein Blödmann, Harry", sagte er. Harry und Hermine waren überrascht. "Wäre er ein Ravenclaw oder ein Hufflepuff, würdest du ihn nicht diskriminieren."
"Was ist denn in dich gefahren?" fragte Harry, irritiert über die Reaktion seines Freundes auf eine so simple Bemerkung.
"Gar nichts! Alles, was ich sage ist, daß er nicht gleich ein Todesser-Anwärter ist, nur weil er ein Slytherin ist!" Rons Gesichtsfarbe wurde zunehmend dunkler.
"Willst du damit sagen, daß ich das über alle Slytherins denke?"
"Na ja, so benimmst du dich manchmal! Manche Slytherins sind einfach normale Schüler."
"Ron! Harry!" Hermine funkelte ihre Freunde wütend an. "Könntet ihr wohl damit aufhören? Ich hab ohnehin schon Kopfschmerzen." Sie sah Harry flehentlich an. "Vielleicht solltest du zurück zum Gemeinschaftsraum gehen, Harry", schlug sie vor. "Bevor Madame Pomfrey euch beide rauswirft."
Harry stand mit finsterem Blick auf. "Na gut", grummelte er, bevor er aus dem Krankenflügel stürmte. Hermine seufzte. Sie würde später mit ihm reden müssen. Ron sah sie besorgt an.
"Willst du, daß ich auch gehe?" fragte er unsicher.
"Noch nicht."
"Wolltest du was Bestimmtes?"
"Ich will, daß du Harry von Pansy erzählst." Hermine sah Ron an. "Er sollte es wissen."
Ron stieß einen leisen Pfiff aus. "Ich schätze, Zabini hat's dir erzählt?" fragte er. Die Spitzen seiner Ohren begannen, sich rot zu färben.
"Ja. Du mußt es ihm erzählen, oder ich werde es tun." Ron konnte an ihrem Tonfall erkennen, daß das keine leere Drohung war.
"Ich weiß nicht, wie ich es ihm sagen soll", gestand Ron. "Ich hab's versucht, ich schwör's, aber... Es ist schwierig, verstehst du?"
"Ich denke schon."
Der Rotschopf rieb sich den Nasenrücken. "Ich sollte wohl besser gehen. Soll ich Zabini herschicken, wenn ich ihn sehe?"
Hermine schüttelte den Kopf. "Ich bezweifle, daß du ihn sehen wirst." Ron stand auf und küßte Hermine auf die Wange.
"Du hättest es wesentlich schlechter treffen können als mit Zabini", sagte er noch, bevor er ging. Hermine lächelte, als sie zusah, wie er ging, und zog den Vorhang wieder um ihr Bett. Das passierte nicht oft, aber sie hatte das Gefühl, daß Ron damit recht hatte.
Es war Morgen, bevor Blaise wieder zum Krankenflügel ging. Hermine, die schläfrig in McGonagalls Buch gelesen hatte, lächelte, als sie den Becher Kaffee sah, den Blaise in den Händen hielt. Anstatt das Frühstück zu verpassen, hatte er seine morgendliche Mahlzeit mitgebracht - wenn man es so nennen konnte. "Morgen", murmelte sie. Er antwortete mit einem leisen Lächeln, bevor er einen großen Schluck von Kaffee nahm.
"Du wolltest mit mir reden?" fragte er und setzte sich lässig mit überkreuzten Beinen hin. Hermine nickte und legte ein Lesezeichen zwischen die Seiten ihres Buches.
"Ich wollte dir dafür danken, daß du McGonagall geholt hast. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn du das nicht getan hättest."
"Du hättest das gleiche für mich getan, hoff ich doch."
"Natürlich." Sie biß sich auf die Lippe und schob sich ihr unordentliches Haar hinters Ohr. "McGonagall läßt Snape einen Trank für mich herstellen. Er soll meine Fähigkeit, mich zu verwandeln, blockieren."
Blaise schien verwirrt zu sein. "Wieso?"
"Sie sagt, ich habe meinen Körper mißhandelt", erwiderte Hermine düster. Sie sah gequält aus, als sie das sagte. "Ich versäume nicht mit Absicht die Mahlzeiten!" rief sie aus. "Ich bin nur so beschäftigt mit Lernen und der Arbeit an meiner Verwandlung, daß ich vergesse, wie spät es ist!"
"Ich weiß", sagte Blaise leise.
"Und ich kann es nicht ändern, daß ich mich in einem Buch verliere und nicht vor zwei Uhr morgens ins Bett gehe."
"Das ist mir auch schon passiert", gestand der Slytherin. Er nippte an seinem Kaffee, während er sie aufmerksam betrachtete. "Aber du mußt besser aufpassen. Du machst dich noch richtig krank." Hermine sagte nichts und begann, an der Quaste ihres Lesezeichens herumzufummeln. Schließlich fragte Blaise: "Ist der Trank umkehrbar?"
Hermine nickte. "McGonagall sagt, sie wird mir das Gegenmittel geben, "wenn ich gelernt habe, meinen Körper zu respektieren"." Sie grinste. "Ich frage mich, ob das irgendwann in naher Zukunft sein wird."
"Darüber solltest du keine Witze machen", sagte Blaise ernst.
"Wenn ich keine Witze darüber machen kann, was soll ich dann tun? So tun, als würde es nicht passieren?" Hermine war jetzt aufgebracht und riß beinahe die Quaste von ihrem Lesezeichen ab. Blaises leicht kalte Hände bedeckten ihre, und eine entwand das Buch sanft ihrem Griff.
"Wir wollen ja nicht, daß du noch McGonagalls Buch zerfetzt, oder?" Er blickte zu ihr auf, eine Hand immer noch auf ihrer, und Hermine fand, es sollte wirklich illegal sein, so blaue Augen zu haben. Sie spürte, wie sie sich nach vorn lehnte, als sie sah, daß Blaise dasselbe tat.
Sie atmete zittrig ein. "Vielleicht solltest du gehen", schlug sie flüsternd vor, als ihr bewußt wurde, was geschah. Er leckte sich über die Lippen und nickte dann.
"Ja", stimmte er zu. "Das ist wahrscheinlich eine gute Idee."
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"Ist sie immer noch da oben?" fragte Harry.
Parvati nickte. "Habt ihr irgendeine Ahnung, was mit ihr los ist?" Harry und Ron hatten das asiatische Mädchen angehalten, als sie die Treppe vom Mädchenschlafsaal heruntergekommen war, dicht gefolgt von Lavender.
"Möglicherweise", sagte Ron zögernd. Lavender hob interessiert eine Augenbraue.
"Irgendwas, das wir wissen müßten?"
"Nein", sagte Harry kurzangebunden und blickte die Treppe hinauf. Er und Ron wußten aus Erfahrung, daß sie nicht die Treppe hochgehen konnten, um Hermine zu sehen, wie gern sie es auch wollten.
"Gut", sagte Parvati augenrollend. "Komm, Lavender. Padma und Su warten auf uns." Die Blonde warf sich ihr Haar über die Schulter und folgte Parvati aus dem Gemeinschaftsraum.
Als sie allein waren, sah Ron Harry an. "Ich nehme an, wir sollten uns mal mit Zabini unterhalten", sagte er. Harry neigte zustimmend den Kopf.
Draußen im Flur jedoch standen Harry und Ron vor einem Dilemma. "Hast du eigentlich irgendeine Idee, wo wir ihn finden können?" fragte Harry.
"Keine Ahnung. In der Bibliothek? Oder auf dem Quidditchfeld?" war Rons Vorschlag.
Harry sah skeptisch aus. "Ich glaub nicht, daß er Quidditch spielt." Er krauste die Nase. "Vielleicht sollten wir, ähm... Pansy fragen?" Als Ron ihm von Pansy erzählt hatte, war Harry seltsam still geworden. Dann war er durchgedreht und hatte eine Fensterscheibe eingeworfen. Schließlich war Hermine aus dem Krankenflügel zurückgekehrt, hatte ihn geohrfeigt, und seitdem hatte er seine Meinung über Rons Freundin für sich behalten.
Er sah nicht aus, als wäre er sonderlich scharf darauf, die Slytherin-Vertrauensschülerin um Hilfe zu bitten, aber wußte, daß sie mit Zabini befreundet war. Harry war nicht ganz sicher, ob Slytherins Freunde hatten, aber wenn ja, dann war das wahrscheinlich die Beziehung, die Pansy und Zabini hatten.
Blaise', erinnerte Harry sich selbst. Sein Name ist Blaise. Das hat Hermine gesagt, also werd ich ihn wohl so nennen.'
Das war noch so eine Sache, die Harry recht schwerfiel. Er war so daran gewöhnt, die Slytherins mit ihrem Nachnamen anzusprechen, daß es eine bizarre Idee war, sie beim Vornamen zu nennen.
Der Gryffindor-Vertrauensschüler schien verwundert über Harrys Vorschlag, nickte aber. "Ja, sie müßte in der Bibliothek sein und an Wahrsagen arbeiten."
In der Tat konnten sie Pansy zuerst nicht finden, weil ein Stapel Bücher, der sie umgab, sie vor ihren Blicken verbarg. Ron legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter. Sie sah auf, und als sie Harry hinter Ron stehen sah, raunzte sie: "Was wollt ihr, Gryffindors?"
"Ist schon gut, Pansy", versicherte Ron ihr. "Er weiß über uns Bescheid." Die Slytherin entspannte sich.
"Oh." Sie blickte zu Ron auf und fragte : "Was wolltest du?"
"Wie suchen Z... Blaise", sagte Harry, der seinen Fehler sofort korrigierte. "Weißt du, wo er ist?"
Ihre dunklen Augen verengten sich. "Warum sucht ihr ihn?"
"Weil wir seit drei Tagen wieder in Hogwarts sind und Hermine kaum gesehen haben", erklärte Ron. "Sie verbringt ihre gesamte Freizeit oben in ihrem Zimmer, und wir vermuten, daß sie wegen Zabini Trübsal bläst." Er verdrehte die Augen. "Blaise. Wie auch immer."
"Wirklich? Ich hab Blaise nämlich nicht mehr so unglücklich gesehen, seit er damals eine Gehirnerschütterung hatte und Madame Pomfrey ihm eröffnet hat, daß sich Koffein nicht mit dem Trank verträgt, den sie ihm verabreicht hat." Bei dem Anblick der beiden verwirrten Gryffindors erläuterte sie: "Nichts kommt zwischen Blaise und seinen Kaffee."
"Aha", sagte Harry langsam. "Warte. Er ist unglücklich?"
"Jep. Todunglücklich. Meint ihr, es hat was mit Granger zu tun?"
"Wahrscheinlich", sagte Ron. "Wir wollen mit ihm reden. Irgendeine Ahnung, wo er ist?"
"Unten am See", war Pansys Antwort. "Er schwimmt." Sie grinste. "Er nennt es schwimmen, aber Daphne und ich vermuten, daß er versucht, sich zu ertränken." Sie sah sich um und spähte über den Bücherstapel. "Wo wir gerade von Daphne sprechen, sie ist vor zehn Minuten losgegangen, um ein Buch zu holen. Ich glaube, sie hat sich verlaufen."
Ron grinste. "Danke, Pansy." Er küste sie rasch auf die Wange und wurde fürchterlich rot, als er Harrys Gesichtsausdruck sah.
Als sie zum See hinuntergingen, fragte Harry: "Unterstützen wir das?"
"Was?" Ron stieß eine Tür auf, und sie traten in die Januarsonne hinaus.
"Hermine und Blaise."
"Ich wäre ein Heuchler, wenn ich das nicht täte", brummelte Ron und schob seine Hände in die Taschen. "Kalt, nicht?" fragte er, wobei sein Atem in einem Wölkchen aufstieg.
"Ja", stimmte Harry mutlos zu.
Ron sah Harry von der Seite an. "Du siehst nicht allzu glücklich aus, Harry."
"Ich hab nie... na ja, ich hab nie geglaubt, daß Hermine an Jungs interessiert ist, wenn man mal von Krum absieht."
"Du hast gedacht, sie mag Mädchen?" neckte Ron mit einem Grinsen. Seine Wangen wurden langsam rot von der Kälte.
"Nein!" protestierte Harry und boxte Ron in den Arm. "Es ist nur... es ist Hermine. Es ist merkwürdig, sich vorzustellen, daß sie jemanden mag." Der Junge, der lebte, sah Ron verschlagen an. "Also, wie lange triffst du dich schon mit Pansy?"
"Ich weiß nicht. Ähm, seit September?" Harry hatte so ein Gefühl, daß es nicht die Kälte war, die Rons Ohren rot färbte. "Ich hab allerdings im Hogwarts-Expreß das erste Mal gemerkt, daß sie nicht der abgrundtief böse Abkömmling eines Dämons ist", vertraute er Harry an. "Wußtest du, daß ihre Eltern beide Ravenclaws waren?"
Harry schüttelte den Kopf. "Sie kam mir immer vor wie der "Slytherin-seit-mehr-Generationen-als-ich-zählen-kann-Typ"."
"Ne, ihre Familie ist sogar ziemlich jung, verglichen mit einigen anderen." Ron packte einen Ast, um auf dem vereisten Untergrund nicht den Halt zu verlieren, und stieg ein paar Steinstufen zum See hinunter. "Siehst du Zabini irgendwo?"
"Sollten wir ihn nicht "Blaise" nennen?" fragte Harry, während er den See absuchte.
Ron schnaubte. "Ich nenne ihn, wie auch immer ich ihn verdammt noch mal nennen will."
Harry deutete auf einen dunklen Punkt auf dem See und fragte: "Ist er das? Pansy hatte recht - er schwimmt. Das Wasser muß eisig sein." Er erschauerte schon, wenn er nur an das eiskalte Wasser dachte.
Sie machten sich auf den Weg dahin, wo Harry den dunklen Umriß auf dem See entdeckt hatte. Als sie sich dem Wasser näherten, wäre Ron um Haaresbreite gestolpert. Er fing sich ab und ignorierte Harrys leises Lachen. Er drehte sich um, um nachzusehen, woran er mit dem Fuß hängengeblieben war. Anstelle eine Astes oder Steins fand er einen Stapel Stoff. Er hob ihn auf und erkannte, daß es eine Robe mit den Slytherin-Insignien war. "Ich nehme an, die gehört Zabini."
"Ja, und ich wäre dir sehr verbunden, wenn du sie zurückgeben würdest", sagte der Slytherin, als er neben Ron erschien. Er war barfuß, aber immer noch so groß wie der Rotschopf. Er funkelte sie finster an, grabschte nach der Robe und zog sie sich über. Seine vom See nassen Haare klebten ihm am Gesicht.
"Ist dir nicht kalt?" fragte Harry ungläubig.
"Erst jetzt, seit ich nicht mehr im Wasser bin. Was macht ihr zwei hier unten?" fragte er spitz, bevor er den Kopf schüttelte, um seine Haare von dem Wasser zu befreien.
"Wir suchen dich", sagte Ron beiläufig. "Irgendeine Idee, weshalb Hermine in ihrem Schlafsaal schmollt?"
"Die Zeit des Monats?" fragte Blaise, schob sich das feuchte Haar aus den Augen und steckte die Hände in die Taschen. Er mied den Blick der Gryffindors und bückte sich, um seine Schuhe unter einem Busch hervorzuholen.
"Sogar ich weiß, daß es das nicht ist", sagte Harry. Er warf Ron einen Blick zu, vorübergehend verunsichert. "Ist es doch nicht, oder?"
"Erst in ein paar Wochen, nach meiner Schätzung", antwortete Ron nach einem Augenblick des Nachdenkens. "Wir glauben, daß sie dich mag", teilte er Blaise mit.
"Ach, tatsächlich?" fragte Blaise, während er grob einen Fuß in einen seiner Schuhe schob. "Das bezweifle ich."
"Und ich habe den Einruck, Pansy glaubt, daß du Hermine magst."
"Wirklich. Wie interessant", bemerkte Blaise trocken und machte sich im Geiste eine Notiz, daß er Pansy hätte umbringen sollen, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Von ihrem Freund und dessen bestem Freund ausgefragt zu werden, war nicht unbedingt etwas, das er wollte.
"Und?" fragte Harry.
Blaise runzelte die Stirn. "Wenn ich "ja" sage, laßt ihr mich dann in Ruhe?"
"Ja!" sagte Ron eifrig.
"Also gut. Ich mag sie", gab Blaise zu. Er war sich nicht sicher, warum er ihnen das offenbarte. "Aber ich glaube wirklich nicht, daß sie an mir interessiert ist." Seine Miene verfinsterte sich, als er hinzufügte: "Falls es euch entgangen ist, sie ist nicht mehr glücklich gewesen, seit sie erfahren hat, daß Krum ermordet wurde."
Blaise stellte sicher, daß seine Schuhe fest zugebunden waren. "Und wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich muß gehen und mich abtrocknen."
Anmerkungen:
Danke an meine treuen Reviewer: Loki Slytherin, Rubinonyx, kurai91, LadyEvelyn, silver moonstone und blub:)
teddy172: Bitte sehr ;). Noch Senf gefällig? Wenn schon jemand Camping auf sich nimmt, um auf ein Update zu warten, kann ich das Warten ja wenigstens so angenehm wie möglich machen. :) Ich hoffe nur, ich werde nicht noch kaffeeabhängig...
ElliSophie: Ich nehme mal an, die Autorin hat eine Möglichkeit gesucht, Ron sozusagen über Hermine hinwegzutrösten und gleichzeitig die Gryffindor-vs.-Slytherin-Problematik auszubauen. Da ist Pansy wahrscheinlich die ideale Wahl, wenn man bedenkt, daß sie nur aussieht wie ein Mops und nicht auch noch bullig ist, wie Millicent. Na ja, ist nur eine Vermutung. Wenn Du es genau wissen möchtest, kann ich sie ja mal fragen. :)
