Disclaimer: ich war's nicht
Author's Note: "seufz" Ich wünschte wirklich, das hier ginge schneller. Aber die Uni hat wieder angefangen und ich bin schon wieder mit Arbeit eingedeckt. Ich versprech aber, das ich mein Bestes tun werde, damit das hier bald komplett ist. Ich bin froh, dass Ihr mich weiterhin alle so toll unterstützt. DANKE!
arwen: Lucius, Lily und James werde ich wie gesagt alle 3 in ein und derselben Geschihcte erzählen lassen. Aber ich freu mich auch schon wahnsinnig drauf :)
maia: kein Problem :) Ich hoffe, die neue Geschichte wird so ein schönes Epos wie der "Erlkönig".
knuddelmuff: Danke! "lacht" tut mir Leid, dass es immer so ein Nervenkitzel ist. Ich streng mich auch an, wieder schneller abzudaten.
chambermaid: Danke fürs Peter-Kompliment :) Ichhab mir über ihn auch ziemlich viele Gedanken gemacht.
meta: In der neuen Geschichte werde ich nochmal 3 verschiedene Peter-Portraits liefern - aus Lilys, James' und Lucius' Sicht eben. Ich denke, das wird ein Heidenspaß :) Ist das wahr, berührt Lupin Silber im 5. Band? Daran kann ich mich überhaupt nicht erinnern "confusion" Muss ich nochmal nachlesen. Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass ich mal irgendwo - nicht unbedingt bei JKR - gelesen habe, dass Werwölfe kein Silber ertragen können.
So. Auf ein Neues. Seveus' erstes Treffen mit seiner Kleinen - und der Anfang vom Ende für die Longbottoms.
24. Dezember 1981, mittags
Mit einemmal sind Leute da, man hilft mir aus dem Stuhl, kümmert sich um meine Handgelenke. Ich brauche ein paar Sekunden, um aus meiner Lethargie aufzuschrecken und festzustellen, dass es nicht mein Onkel ist, der mir zu Hilfe kommt. Dumm von mir, dergleichen so selbstverständlich anzunehmen. Warum sollte er, nach allem was war...? Es sind meine alten Lehrer. Professor McGonagall, Professor Flitwick und Professor Sprout. Ich wusste nicht einmal, dass sie alle da sind. Aber würde ich nicht auch den Prozess gegen einen ehemaligen Schüler von mir sehen wollen? Ich frage mich, wieviele sie schon mitangesehen haben. Ich bin so schwach auf den Beinen, ich würde zusammenklappen, wenn Minerva nicht meinen Ellbogen stützte. Mehr als alles andere wünschte ich, Professor Karkarova hier zu sehen, doch damit hat ja alles angefangen. In gewisser Weise ist sie deshalb bei mir. Ich weigere mich, nach Alastor Ausschau zu halten. Ich weiß auch so, er muss enttäuscht sein, wie die Sache hier ausgegangen ist. Wenn er etwas hasst, dann wenn Leute, die offensichtlich schuldig sind, straffrei ausgehen. Dumbledore, der sich so vehement für mich eingesetzt hat, gönne ich gleichfalls keinen Blick.
Meine eigene Generation stößt dazu, Remus, Alice und Frank. Es ist erst kurz nach Mittag, stellt sich heraus, als wir das Ministerium verlassen. Ich weigere mich, dort zu essen, obwohl ich mittlerweile vor Hunger fast krepiere. Es wimmelt da einfach von Leuten, denen ich jetzt nicht über den Weg laufen muss. Wenn mich heute noch jemand auch nur schief anblinzelt, könnte ich für nichts garantieren. Das Schneetreiben, das ich früh morgens vom Fenster aus beobachtet habe, während ich darauf wartete, dass mein Fall aufgerufen wird, hat noch zugenommen, als wir in der Winkelgasse ankommen. Ich bin hin- und hergerissen zwischen meinem knurrenden Magen und dem schlichten Wunsch, für eine Weile als freier Mann frische Luft zu atmen. Mir gefällt, was ich sehe: eine weiche, weiße Decke, die noch die grauenvollsten Dinge für eine kleine Weile erträglich machen wird. Doch um in der Kälte vor mich hin zu philosophieren, müsste ich allein sein.
Im Tropfenden Kessel herrscht reger Betrieb, als wir eintreten, doch Frank schafft es irgendwie einen freien Tisch für uns zu ergattern. Ich sehe auf meine Hände: die Haut ist so bleich, dass sie gelblich scheint. Die Fingernägel sind blau vor Kälte. Als sie mich nach Askaban hineinschafften, war ich überzeugt, mir würde niemals mehr warmwerden. Jetzt sitze ich hier - in der Winkelgasse, an einem Tisch mit lauter Gryffindors - und löffle Pilzsuppe. Ein unwirkliches Gefühl. Bis die Suppenschüsseln halb leer sind, will kein richtiges Gespräch in Gang kommen, wofür ich im Grunde dankbar bin. Ich habe mein ganzes Innenleben an einem Morgen ausbreiten müssen, und der Tag ist noch nicht zuende. Ich weiß, was mir bevorsteht, sobald wir von hier aufbrechen. Ich weiß es und sehne mich danach und fürchte mich zugleich davor. Daher will ich lieber erst von den Tragödien anderer Menschen hören. Ich lasse den Löffel in die halbleere Schüssel zurücksinken und frage in die Runde: "Was war in Godric's Hollow? Ist es so gewesen, wie ich denke?"
Das bewirkt, dass auch die anderen ihre Mahlzeit unterbrechen. Alice und Frank tauschen einen raschen Blick. Nur Lupin scheint die Frage auszublenden. Still blickt er durch die nicht eben saubere Fensterscheibe ins Schneegestöber. Frank macht eine unbestimmte Handbewegung. "Es gibt nicht viel zu sagen, was du nicht sowieso schon weißt. Sie hatten einen Fideliuszauber. Sirius Black war der Geheimniswahrer." Er verlagert unruhig sein Gewicht. "Pettigrew hat ihn noch vor uns gefunden. Er wollte Lily und James rächen, aber natürlich war Black schneller." Black heißt er von jetzt an. Er. der so viele Jahre Sirius für sie alle war. "Er hat die ganze Straße in die Luft gejagt. Außer Pettigrew sind noch zwölf Muggel gestorben."
Ich werde jetzt nicht sagen, dass ich es von Anfang an gesagt habe. James ist nicht hier, doch er würde wissen, dass ich es von Anfang gesagt habe. "Ist er in Askaban?" frage ich fast verträumt.
"Black? Ja," sagt Alice. "Lebenslänglich."
"Wann war der Prozess?"
"Wir haben uns gedacht - er braucht keinen."
Dergleichen schockiert mich nun längst nicht mehr. So geht es seit langem zu. Verurteilungen im stillen Kämmerlein statt vor Gericht, der Einsatz der Unverzeihlichen Flüche nicht nur im Kampf, sondern auch bei Verhören. Wir alle erinnern uns wohl noch an Crouchs berühmte Rede vom Herbst 1978, in der er forderte, "Feuer mit Feuer" zu bekämpfen. Und das wurde dann getan. Und die meisten Auroren hießen das scharfe Vorgehen gut und beteiligten sich daran. Auch Eliza. Nach manchen Verhören unter dem Einsatz von Cruciatus konnte es vorkommen, dass beide - der Verdächtige und die Inspektorin - flennend in einer Ecke lagen. Mit dem Unterschied, dass Elizas Tränen niemand sehen durfte. Zuviel Mitgefühl mit Pack wie uns hätte ihr beruflich das Genick gebrochen.
Ich sehe in die Gesichter meiner Tischnachbarn. Zwei von ihnen sind Auroren, ein weiterer hat die entsprechende Ausbildung. Zusammen mit Eliza gemacht übrigens. Ich habe die Longbottoms nie in Aktion erlebt, obwohl jede Menge unschöne Geschichten über ihre "engagierten Methoden" kursierten, wenn der Tagesprophet wieder mal eine Titelstory über einen ihrer spektakulären Erfolge gebracht hatte. Darüber wurde in der Öffentlichkeit natürlich nicht gesprochen, das hätte die Moral der Zauberergemeinschaft untergraben. Und so habe ich nie erfahren, wieviel davon tatsächlich wahr war.
"Es tut mir nicht Leid um Black," gibt Frank bekannt. "Das einzige, was mir Leid tut, ist, dass wir's nicht geschafft haben, den Rest von diesem Pack festzunageln."
Es dauert einen Moment, bis mir klar wird, dass er sich auf den Rest der Familie bezieht. "Ihr habt sie festnehmen lassen?"
Alice nickt. "Wir hatten die ganze Familie vorübergehend in Gewahrsam. Wir konnten ja nicht wissen, wer Kontakt zu ihm hatte. Wahrscheinlich aber alle."
Frank legt den Arm um sie. "Ich weiß noch, wie Black damals bei Ordenstreffen immer über seine Cousinen geredet hat. Wie er uns um jeden Preis
Die Züge seiner Frau verfinstern sich. "Bei denen wusste man aber hundertprozentig, dass sie Rassisten sind. Sie haben nie ein Hehl daraus gemacht. Böses Blut allesamt. und der Junge war auch nicht besser. Es hieß damals immer, dass Black sich von seiner Familie losgesagt hätte, weil er deren rassistische Vorurteile nicht mehr ertragen konnte."
"Keine schlechte Tarnung", stimme ich. All die Jahre hat er wie die andern gebrüllt, Nieder mit Voldemort, und zum Schluss lässt er sich erwischen. "Dass man sich in den Menschen so täuschen kann," sage ich nur halb schadenfroh. Auch ich habe schließlich Verrat an meinen Freunden begangen - und bin verraten worden. Frank beschließt an der Stelle, dass wir noch eine Runde Getränke brauchten. Er steht auf und stößt im Gedränge mit einem hellhaarigen, sommersprossigen Jungen zusammen, der erschrocken sein Butterbier ausbalanciert, Frank aber gleich freundlich anlächelt.
„Barty!" Frank lacht. „Tut mir echt Leid! Was machst du hier? Komm, setz dich zu uns." Er organisiert noch einen Stuhl. Barty Crouch junior – denn so gering die Ähnlichkeit mit seinem hochdekorierten Vater auch sein mag, mir wird schlagartig klar, dass das hier Crouchs Sohn sein muss – lässt sich mir gegenüber nieder. Er ist noch ein Junge: grüne Augen, rötlichblondes Haar und Sommersprossen. Ich sehe ihn an und fühle mich alt. Uralt. Alice reicht ihm die Hand über die Tischplatte.
"Was machst du denn hier?"
"Meine Mutter schickt mich, ich soll Vater holen."
"Aber für heute nachmittag sind noch Prozesse angesetzt."
"Ach?" Seine Laune scheint etwas zu sinken. "Das wusste ich nicht."
"Es wird bestimmt nicht lange dauern," fällt Frank beruhigend ein und stellt das frische Butterbier vor uns ab. "Du kannst ja mit uns rüber zum Ministerium kommen und dort auf deinen Vater warten."
"Okay." Er sucht sichtlich nach etwas, das ihn von diesen trüben Aussichten ablenkt und findet mich. Er weiß, wer ich bin und ich erinnere mich an ihn, er war mit uns in Slytherin. Vier Klassen unter uns. Es ist nicht auszumachen, was er denkt, wenn er mich ansieht. Seine Augen sind komplett ausdruckslos. Er ist Crouchs Sohn, ja. Aber er war auch in Slytherin, ist praktisch mit uns als Vorbildern großgeworden. Und ich wäre überrascht, wenn Barty Crouch senior sich als guter Vater herausstellen würde.
„Ich weiß auch nicht, was das soll," seufzt Alice. "Ausgerechnet heute drücken sie uns noch diese ganzen Verhandlungen rein, als ob es nichts Wichtigeres gäbe."
"Womit willst du dann den Rest deines Lebens verbringen, wenn nicht damit, die alten Feinde hinter Gitter zu stecken?"
„Severus," sagt Alice leicht vorwurfsvoll. „Wir haben Heiligabend. Wir alle haben Besseres zu tun, denke ich."
Oh, Merlin. Das Fest der Liebe und des Friedens. Vor einem Jahr um diese Zeit arbeiteten Evan und ich den Überfall auf die Bones aus. Deswegen konnte ich Dumbledore rechtzeitig Bescheid geben, was geplant war... und sie konnten trotzdem nicht gerettet werden. Eliza ließ unsere drei Monate alte Tochter in der Obhut ihrer Mutter und elite zum Tatort - von dem ich gerade verschwunden war. Was für ein Leben. Nun soll ich feiern. Mit meinem kleinen Mädchen unter dem Longbottom'schen Christbaum sitzen. Und mich fragen, ob ihre Mutter mich gehasst hat für das, was sie dort sehen musste. Für so viel.
Alice gibt Frank und Barty ein Zeichen und die beiden stehen auf. "Heute wird euch nichts geschehen," sagt sie. "Ihr seid bei uns, in Sicherheit. Du kannst es von allen Dächern schreien, dass sie deine Tochter ist, wenn du möchtest." Sie erhebt sich ebenfalls. „Wir kommen nach, wenn wir im Ministerium fertig sind. Und dann erledigen wir das mit dem Fideliuszauber." Sie zwinkert mir mit beiden Augen zu. „Alles wird gut."
Ich starre in mein Glas, sehe ihnen nicht nach, wie sie den „Kessel" vermeintlich in Richtung Ministerium verließen, Barty Crouch im Schlepptau. Und jetzt gibt es nichts mehr zwischen mir und dem Rest des Nachmittags. Ich kann nicht gut hier sitzen, mit Remus Lupin auch noch, und mein Leben vor mir herschieben. Statt dessen lasse ich mir von ihm das Stichwort geben, das äußerst prosaisch ausfällt: "Gehen wir, Severus?" Und das tun wir.
Vor der Tür überkommt mich plötzlich Panik. Neben Remus gehe ich die Treppenstufen zu Mrs. Longbottoms Heim hinauf. Ich weiß nicht, ob ich stark genug dafür bin, sie zu sehen, mein Fleisch und Blut. Ich habe noch nie von jemandem als mein Fleisch und Blut denken müssen. Dies ist eine Verantwortung, der man nicht ausweichen kann. „Alles okay?" fragt Remus mit einem Blick auf mich.
„Was sonst?" frage ich zurück, mir voll darüber im Klaren, dass ich keinen souveränen Eindruck mache. Wenn schon, ich möchte jeden anderen an meiner Stelle sehen: zum allerersten Mal mit dem Kind konfrontiert, desen Existenz ich aus meinem Kopf habe verbannen müssen, schon bevor es geboren war. Wenn sie von ihr erfahren hätten, hätten sie uns alle drei umgebracht.
„Du bist es," sagt Agatha Longbottom.
„Natürlich," antworte ich mit einer Gleichmut, die ich nicht empfinde. „Wer außer deinem Geheimniswahrer könnte so einfach unangemeldet hereinplatzen?"
Wir betreten den Flur, hängen unsere eingeschneiten Roben auf und ziehen die Schuhe aus. Ich weiß, ich sehe zum Fürchten aus. Und ich weiß auch, was Agatha denkt. Was alle denken. Wie kann eine Frau wie Eliza McKinnon ihr Herz an eine boshafte, verbitterte Vogelscheuche wie mich gehängt haben? Ich bin immer unsicher, wie ich mit Leuten umgehen soll, die Eliza gut kannten oder ihr nahe gestanden haben. Obwohl ich der Vater ihrer Tochter bin, gab es so viel in ihrem Leben, worüber ich nichts wusste. Wir hatten nie den Alltag, wie er in einer Familie üblich ist. Wie hätte das auch angehen sollen? Sie jagte Leute wie mich, ich tötete Leute wie sie. Es sind nicht nur Außenstehende, die sich wundern, auch ich selbst finde es bis zu einem gewissen Grad befremdlich, dass Eliza McKinnon und ich es fertiggebracht haben, ein Kind in die Welt zu setzen. Es gibt so viele Hexen und Zauberer, die sie besser kannten: ihre Lieblingsfarbe, ihr Lieblingsessen, tausende Kleinigkeiten und wie es war, mit ihr zusammenzuleben.
Was mir bleibt, sind nur Gespräche - voller Unruhe, Angst, Gewissensbissen, Heimlichkeit - und körperliche Empfindungen. Und die zusammengeklaubten Erinnerungen an unsere kurze gemeinsame Schulzeit. Dinge, die ich vergessen hatte, weil sie mir damals nichts bedeutete. Das Einzige, was ich wirklich von damals behalten hatte, war die Sache mit dem Weihnachtslied. Und etwas, das sie mir einmal während unserer Nachhilfestunden anvertraut hatte. Sie wäre fast in Slytherin gelandet. Der Sprechende Hut (der niemals einem älteren Schüler als ihr auf den Kopf gesetzt worden war) hatte ihr gesagt, sie habe "ein Gryffindorherz und ein Slytherinhirn". Das waren vertraute Worte für mich. Dasselbe hatte der Hut fünf Jahre zuvor zu mir gesagt. "Besser als umgekehrt," hatte ich geantwortet und war in Slytherin gelandet. Eliza hatte sich offensichtlich anders entschieden. Von da an schrieb ich ihren starken Willen dem Slytherinteil von ihr zu. Und es war diese Stärke, ihr funkensprühender Geist, das Bewusstsein, dass sie mir ebenbürtig war, die sie mich bemerken ließen, die mich nachdem wir so lange getrennt gewesen waren, noch immer so in Bann schlugen, dass sie selbst meine abgestumpften Gefühle beeinflussen konnten, zu Respekt, zu Freundschaft und schließlich Liebe zu werden. Aber es gab da eine ganze Welt, die mit ihr ausgefüllt war, sonst hätte sie kein solches Loch bei ihren Mitmenschen hinterlassen, und die ich kennengelernt hätte nach und nach. Wenn wir die Zeit dazu gehabt hätten.
Agatha kommt mit meiner und Elizas Tochter ins Wohnzimmer zurück. Im ersten Moment glaube ich, einen Geist zu sehen. Ich kenne dieses Kind. Ich habe es aus den Ruinen von Godric's Hollow aufgehoben und in den Armen gehalten, das ist gerade mal acht Wochen her. Aber dann huschen Elizas schmale himmelblaue Augen in dem kleinen Gesichtchen zu mir herüber und mit dem Gefühl, als hätte ich ein paar in den Magen verpasst bekommen, vergeht der erste Eindruck. Agatha tritt einen Schritt näher und reicht mir ohne viele Umstände meine Tochter.
Halb rechne ich damit, dass sie zu plärren anfangen wird. Ich verstehe nichts von Kindern und meine Unsicherheit wird sich auf sie übertragen, da bin ich sicher. Doch Rowan trägt ihren Platzwechsel gelassen. Andrerseits hat sie schon so oft in ihrem kurzen Leben die Aufsichtsperson wechseln müssen, dass sie vermutlich so schnell nichts mehr umhauen kann. Zuerst war sie bei Eliza; nach dem Tod ihrer Mutter kümmerte sich Marlene, ihre Großmutter um sie. Und schließlich - keinen Tag zu früh, da die McKinnons auf Voldemorts schwarzer Liste standen - stellten wir sie unter den Fideliusschutz der Longbottoms. Vorsichtig drücke ich sie an mich, nicht zu fest. Sie ist so leicht und zart. Ein warmes, lebendiges kleines Bündel Hexe, zur Hälfte Elizas, zur Hälfte mein Erbe. Das McKinnonhaar, das in alle Himmelsrichtungen steht. Mitternachtsschwarz wie meins. Elizas weitauseinanderliegende kristallblaue Augen. Meine Hände, ganz eindeutig, aber viel, viel kleiner und mit erstaunlich langen Fingernägeln.
Ich könnte heulen, aber ich weine nie. Dass ich sterben wollte, ohne je mein Kind gehalten zu haben. Ich hatte ihre Existenz so erfolgreich verschwiegen und verleugnet, die ganzen letzten zwei Jahre, seit Eliza mir gesagt hatte, dass sie schwanger war, dass ich mich in Askaban nicht an ihr festhalten konnte. Wir setzen uns, die Rattanmöbel im Wintergarten knarzen. Rowans pechschwarzes Köpfchen lehnt an meiner Brust. Ich wünschte, Agatha und Remus würden sich verpissen. Noch ein Kleinkind ist im Haus. Neville läuft bereits, erklärt mir Agatha ungebeten, Rowan noch nicht. Das interessiert mich jetzt natürlich brennend. Da höre ich es. Der magische Rundfunk kann auf Musik, die der Jahreszeit angepasst ist, nicht verzichten.
Sti-hil-le Nacht. Hei-li-ge Nacht.
Elizas Lied. Das sie nicht hören konnte bei ihrem ersten Weihnachtsfest in Hogwarts, weil es sie so aufregte. Sie weinte. Weil es sie an ihre verlorene Heimat erinnerte, wo es komponiert worden war. Merlin, ich wünschte, sie wäre hier. Heute abend könnte sie es ertragen, da bin ich sicher. Zusammen mit mir und unserem Kind könnte sie sich das anhören.
Das ist etwas, das ich Rowan erzählen muss. Die Kindheit ihrer Mutter in Wolkenkuckucksheim. Wer soll es auch sonst tun? Die McKinnons sind tot bis auf das warme, kleine Bündel auf meinem Schoß. Und James ist tot. Tot ist auch Eliza (zum ersten Mal gestatte ich mir ganz bewusst, es zu denken), aber unsere Tochter und ich, wir leben. Und ich habe noch das ganze verdammte Leben vor mir, um ihr zu erzählen, wer ihre Mutter gewesen ist. Sie soll den Blödsinn nicht hören müssen, der in aller Munde ist und seinen Weg in künftige Geschichtsbücher finden wird. Ich kann ein anderes Bild von Eliza zeichnen. Eins, das Rowan brauchen wird, um sich im Leben zurechtzufinden. Was ja kein leichtes Unterfangen darstellt für ein Kind ihrer Eltern.
Die Öffentlichkeit will aus Eliza den Leitstern künftiger Generationen von Auroren machen, ohne Fehl und Tadel. Mit einer Vorkämpferin gegen das Böse, die ihr reines Herz an eine finstere Kreatur wie mich verloren hat, kann man nicht viel anfangen. Noch weniger mit einer, die im kleinen Kreis mitunter berechtigte Zweifel an der Reinheit besagten Herzens äußerte.
Dieselbe Öffentlichkeit will Lily als sanftes, ehrgeizloses Weibchen sehen, James als reifen, verantwortungsvollen Familienvater und beide als Heilige obendrein. Pettigrew als einen Ausbund an Tapferkeit und Ehrgefühl (da lachen nun wirklich die Hühner). Sirius als Verkörperung des niedrigen Geistes und des durch Inzucht verursachten Wahnsinns unserer alten Reinblutdynastien. (Wobei es selbstverständlich keine Rolle spielen wird, dass das Ministerium schon seit langem scharf ist auf die weitverzweigten Besitztümer der Blacks.)
Und ich? Wenn ich gestorben wäre, wäre die Frage leichter zu beantworten. Niemand will allen Ernstes Slytherins als Helden, also hätten sie meine Rolle im Krieg gegen Voldemort hübsch unter den Tisch fallen lassen. Aber ich lebe noch. Ich kann selbst für mich sprechen. Das macht mich unbequem für eine ganze Reihe von Leuten. Wenn die wüssten, wie wenig mich das alles jetzt noch interessiert. Ich bin so erschöpft, ich wollte mich umbringen. Ich will nur noch meine Ruhe. Und hier, im Longbottom'schen Wintergarten, eingelullt von der Wärme, die meine Tochter ausstrahlt, hat die Erinnerung keine Macht über mich. Binnen Minuten dösen wir beide.
Author's Note: Ihr wisst ja: Reviews halten Euren Schreiberling am Leben:)
