Kapitel 7: Verdrängte Wahrheit
Kolleen wachte auf und ihr war furchtbar schlecht. Sie lag im Bett, doch hatte sie keine Ahnung wie sie dahin gekommen war. Geschweige denn warum ihr so schlecht war.
Irgendetwas war auch mit ihrem Kissen seltsam, es war so hart und kantig.
Als sie danach fasste, ertastete sie definitiv ein Bein. Ein Bein! Kolleen schreckte hoch und sah, dass Severus in ihrem Bett saß. Ganz offensichtlich hatte sie gerade in seinem Schoß gelegen.
Sie saß ihm nun gegenüber, was machte er nur in ihrem Bett? Er schlief scheinbar und erst da fiel ihr auf, dass der ganze Raum dunkel war. Wieso war es Nacht? Was war nur passiert?
Der Schwang von Übelkeit kam so plötzlich, dass sie kaum noch Zeit hatte zur Toilette im Bad zu kommen.
Zehn Minuten später wusch sie sich das Gesicht und fühlte sich etwas besser. Trotzdem erschrak sie halb zu Tode, als sie Severus im Spiegel hinter sich sah. Hastig drehte sie sich um.
„Alles in Ordnung?", fragte er in einem fast besorgt klingenden Tonfall.
Kolleen nickte und schob sich an ihm vorbei zurück ins Schlafzimmer, seufzend ließ sie sich auf ihr Bett sinken.
„Was machst du hier?" Ihr Tonfall war unfreundlicher als gewollt.
„Auf dich aufpassen."
„Meinst du nicht, dass ich das alleine schaffe?"
Severus funkelte sie böse an. „Nein! Offensichtlich nicht! ICH lasse mich zumindest von niemanden vergiften!"
Mit einigen schnellen Schritten war er an der Tür und warf sie wütend hinter sich ins Schloss.
Kolleen sprang auf und rief ihm hinterher.
„Severus! Bitte! Es tut mir leid! Ich…." Er hörte sie sowieso nicht mehr…..
Sie verstand seine Worte nicht, erst als sie ungefähr eine Stunde die Wand gegenüber ihrem Bett angestarrt hatte kamen langsam ein paar Gedankenfetzen wieder.
Nachdem sie dann in ihrem Büro gewesen war und die vermeintliche Ahornrinde als Blauwurzpilz entlarvte, wurden ihre Erinnerungen um einiges klarer. Doch da waren noch einige Dinge, die sie nicht verstand.
Eine viertel Stunde später klopfte sie an Severus Bürotür, in der Hoffnung das er noch wach war.
Als es klopfte zuckte Severus zusammen. Wer war dass denn nun schon wieder?
„Ja!"
Die Tür wurde vorsichtig geöffnet und Kolleen betrat den Raum, sie sah noch immer erschöpft aus.
„Was willst du?", fragte er unfreundlich.
„Ich wollte dich etwas fragen."
Die aufkommende Unsicherheit und vielleicht sogar Furcht versteckte er tief ins ich.
„So? Dann tu das doch. Aber hätte es nicht auch bis morgen Zeit gehabt?"
Kolleen schüttelte den Kopf und einige Strähnen ihres roten Haars fielen in ihr Gesicht.
„Nein hat es nicht." Ohne Aufforderung setzte sie sich.
Severus war verwirrt, normalerweise taten die Leute in seinem Büro nur das was er wollte, das war etwas neues. Er setzte sich hinter seinen Schreibtisch und sah sie fragend an.
„Nun? Was kann ich so dringendes für dich tun?"
„Einmal kannst du mir erzählen was passiert ist, weil mir mein Gedächtnis seit dem Mittagessen fehlt."
Ein höhnisches Grinsen trat auf sein Gesicht.
„Nun ja, du scheinst dich wohl in deinem Vorratsschrank vergriffen zu haben und hast dich dadurch selbst vergiftet und bist dann vor versammelter Klasse ohnmächtig geworden."
Er sah deutlich, dass sie das mit der Ohnmacht noch nicht wusste, doch schnell fasste sie sich wieder und ein Funkeln trat in ihre Augen.
„Ich habe mich nicht versehen! In dem Glas war nicht das drin, was darin sein sollte und ich habe das nicht geändert!"
„Musst du ja scheinbar, ich habe noch von keiner Zaubertrankzutat gehört die selbstständig von einem Glas ins andere hüpft, soweit es verschlossen ist."
Kolleen sah ihn wütend an und stand auf.
„Hör verdammt noch mal auf, dich über mich lustig zu machen! Ich weiß Sehrwohl wie man Trankzutaten aufbewahrt und auch wie man mit ihnen umgeht und ich habe sicherlich nichts in meinem eigenen Schrank vertauscht!"
Severus blieb völlig ruhig.
„Und wer soll es dann gewesen sein? Ein Geist oder ein Hauself vielleicht?" Er lachte. „Vielleicht hast du auch nicht richtig auf dein Büro aufgepasst und es war irgendein Schüler. Hast du irgendwelche Feinde?"
Kolleens Blick war inzwischen kreidebleich, doch nicht vor Schreck sondern vor Wut.
„Nein! Im Gegensatz zu dir habe ich nicht sämtliche Schüler gegen…..", sie stockte.
„Was wolltest du sagen?"
„Malfoy…..", murmelte sie.
„Was?"
Sie sah ihn an. „Malfoy. Draco Malfoy!"
„Und was ist mit ihm?"
„Er war es."
Severus lachte, aber es war ein gespieltes. Darüber hatte er auch schon nachgedacht. Draco hasste sie und das wäre genau die Weise wie Lucius das Problem gelöst hätte. Herrgott und er hatte geglaubt er wäre doch anders als sein Vater.
„Das ist doch Unsinn. Wie sollte er denn an deine Sachen kommen und vor allem was hätte er für einen Grund?"
„Er hasst mich! Wie er daran gekommen ist? Ich habe keine Ahnung, aber er war es! Garantiert!"
„Wunderbar! Wenn du Beweise gefunden hast, dann komm wieder und wir reden weiter, ja?"
Plötzlich explodierte eines der Gläser die hinter Kolleen im Regal standen, sie schien wirklich sauer zu sein.
„Ich hasse dich! Ich hätte dich nach Askaban schicken sollen, denn das wäre genau der Richtige Ort für ein Idioten wie dich!" Sie stürmte aus dem Zimmer und die Tür fiel krachend ins Schloss.
Severus stand auf. Er hatte schon schlimmeres gehört als das und gehasst zu werden war er gewöhnt. Wie sehr es ihn wirklich berührte ließ er nicht einmal sich selbst merken.
Kolleen hätte platzen können, wenn ihr nicht noch immer so furchtbar schlecht gewesen wäre, nun waren auch noch Kopfschmerzen hinzugekommen. Sie war sauer auf Severus, weil er sie behandelte wie ein Kleinkind und wütend auf sich, weil sie völlig überreagiert und wohl alles nur noch schlimmer gemacht hatte.
Als sie endlich in ihrem Bett lag, schlief sie schnell ein.
Der nächste Morgen begann viel zu früh und mit schrecklichen Kopfschmerzen. Kolleen war sicher, irgendwer hatte ihr einen Mann ins Gehirn gehext, der gerade ihre Nerven traktierte.
Seufzend stand sie auf und ging zum Frühstück. Nachdem sie die ewig vielen Fragen der anderen Lehrer beantwortet hatte und Severus noch mehr als sonst ignorierte, kam sie auch zum essen.
Eine Stunde später stand sie vor der Fünften Klasse und das noch genervtere Gesicht von Draco Malfoy war nicht zu übersehen. Woher auch immer, Kolleen war sich sicher dass er es war, auch wenn sie nicht wusste wie er die Sachen hatte austauschen können.
Ihre Kopfschmerzen verschwanden bis zum Abend und nach den ganzen Anstrengungen der vergangenen Tage, war sie froh mal wieder etwas Zeit zu haben. Entspannt saß sie am Kamin, als ein sehr überraschender Gedanke in ihren Kopf kam. Es war Februar…., sie hatte morgen Geburtstag und hätte es selbst fast vergessen. Sie sollte dringend weniger arbeiten! Aber wahrscheinlich machte es keinen Unterschied, ob sie wusste dass sie Geburtstag hatte oder nicht, denn der Rest würde es eh vergessen.
Leider behielt sie Recht, außer ihren Eltern gratulierte ihr niemand, aber auch das war sie inzwischen gewöhnt.
Am Abend, als sie gerade vom Essen aus der Großen Halle kam, stand ein großer Mann mit silbrigblondem Haar an die Große Treppe gelehnt und wartete offensichtlich auf jemanden. Er hatte stahlgraue Augen, mit einem sehr durchdringenden Blick. Es war Lucius Malfoy. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte was er hier wollte, wurde sie von hinten angerempelt und Severus schritt zügig an ihr vorbei.
„Lucius! Schön dich zu sehen. Lass uns nach unten gehen."
Lucius Malfoy antwortete etwas, was sie nicht verstand. Dann fiel sein Blick direkt auf Kolleen, die jetzt erst merkte, dass sie die ganze Zeit wie angewurzelt da stand. Gerade wollte sie an beiden vorbei die Große Treppe hinauf gehen, als Severus sie aufhielt.
„Miss Anderson! Kommen sie doch bitte eben her, ich möchte ihnen Mr. Malfoy vorstellen."
Kolleen lächelte bittersüß und ging zu ihnen hinüber.
„Inzwischen Professor Anderson oder muss ich sie noch immer daran erinnern, Professor Snape?"
Er überging ihre Bemerkung und stellte ihr Lucius Malfoy vor. In dem Moment, in dem sie ihm die Hand gab durchschoss sie ein stechender Schmerz in der Brust und ein Bild war deutlich vor ihren Augen. Es war als würden alle Erinnerungen, an den Abend im November wieder zurückkommen. Als hätte sie in Feuer gegriffen ließ sie die Hand ruckartig los und taumelte beinahe einige Schritte zurück.
Sie sah die überraschten Gesichter der beiden Männer und bemühte sich um den letzten Rest Fassung.
„Entschuldigen sie mich, Sir. Ich habe noch viel zu tun. Einen schönen Abend noch!" Ohne irgendeine Reaktion abzuwarten, lief sie die Treppen hinauf und rannte beinahe bis sie in ihrem Zimmer war.
Das konnte nicht sein, oder doch? Das konnten nicht plötzlich ihre ganzen Erinnerungen sein, die da auf sie einstürmten. Die Bilder überschlugen sich fast in ihrem Kopf und doch ergaben sie ein logisches Bild und vor allem erklärten sie so manches. Severus seltsames Verhalten zum Beispiel. War er wirklich dabei gewesen? Lucius Malfoy war es auf jeden Fall. An sein Gesicht konnte sie sich jetzt gut erinnern und dann sehr verschwommen an jemanden der ihn zurückgehalten hatte. Was danach geschah, war noch immer weg. Aber endlich wusste sie wieder wie sie in diese Falle gelaufen war, wie Steve gestorben war und ganz grob auch was danach geschehen war, auch wenn das Meiste von Schmerzen verschleiert blieb. Trotzdem verstand sie nicht, wie dieser bloße Händedruck das alles auslösen konnte, aber vielleicht gehörte so was zu den magischen Geheimnissen die auch im Dunkeln blieben.
Dass ihn das Gespräch eigentlich ziemlich langweilte und er auch eine völlig andere Meinung vertrat, ließ sich Severus nicht anmerken. Was einiges an Anstrengung erforderte, da Lucius bei weitem kein dummer Mann war.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Was war nur los in den letzten Tagen? Dauernd störte ihn irgendwer.
Mit missmutigem Blick stand er auf und öffnete die Tür. Zu seiner Überraschung stand eine ziemlich verstört blickende Kolleen vor ihm.
„Kann ich rein kommen?"
Severus schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe Besuch."
„Es kann aber nicht warten!" Sie schob sich an ihm vorbei und stand in seinem Büro. Seufzend drehte Severus sich zu ihr. „Was ist denn so wichtiges?"
„Ich will wissen, ob du dabei warst."
Der Fluch hatte also nachgelassen, wie er es immer befürchtet hatte. Nur hatte er mit sehr viel mehr Zeit gerechnet und so plötzlich damit konfrontiert zu sein, brachte ihn ziemlich aus dem Konzept.
„Äh, tut mir leid, aber ich weiß nicht ganz was du meinst. Würdest du es mir erklären?" Er sprach wie mit einem Kleinkind.
Kolleen trat einen Schritt näher auf ihn zu, ihre Stimme wurde leise. „Oh, ich denke, dass weißt du sehr genau. Er….", sie deutete nach nebenan, „ war auf jeden Fall da und nun erzähl mir nicht du hast keine Ahnung."
Etwas besorgt fiel sein Blick auf die Tür zu seinem Wohnzimmer. Lucius sollte dieses Gespräch besser nicht mitbekommen.
„Psst, sprich etwas leiser. Ob ich was mit deinem kleinen „Unfall" mit den Todessern zu tun habe, ja? Willst du das wissen?"
„Kleiner Unfall!" Ihre Lautstärke war alles andere als ein Flüstern. „Kleiner Unfall? Ich war mehr tot als lebendig! Also warst du da?"
Jetzt war auch Severus Beherrschung hinüber.
„Verdammt noch mal nein! Wenn du zu blöd bist auf dich selbst aufzupassen, was sollte ich damit zu tun haben?", schrie er sie an.
Einige Sekunden lang sah sie ihn nur stumm in die Augen.
„Du lügst!"
Ohne ein weiteres Wort schlug sie die Tür hinter sich zu. Severus fühlte sich miserabel, doch als er einen grinsenden Lucius im Türrahmen stehen sah, begann sein Schauspiel mal wieder von neuem.
„Selten, dass du dich so ungestraft als Lügner beschimpfen lässt, Sev. Was ist los?" Lucius grinste noch immer.
Severus machte einen genervten Gesichtsausdruck. „Ach, die war zu blöd ein Gift von etwas anderem unterscheiden zu können und hat sich dadurch selbst vergiftet. Warum auch immer sie mir jetzt die Schuld dafür gibt."
Er schüttelte den Kopf, ging zurück ins Wohnzimmer und ließ sich in einen Sessel fallen, Lucius folgte ihm.
„Es muss schwer sein mit einer Aurorin im Schloss zu arbeiten." Er sah Severus mitleidig an.
„Es ist vielleicht etwas anstrengender, aber das liegt nur daran, dass sie eine absolut nervige Persönlichkeit ist!"
Zum Glück schwenkte das Gespräch schnell wieder zu anderen Themen, worüber Severus wirklich froh war, denn weiter über Kolleen nachzudenken, ließ eine beinahe unbremsbare Wut in ihm aufkommen.
Irgendwann nach Zwölf ging Lucius und nachdem Severus noch zwei Stunden gearbeitet hatte, ging auch er schlafen.
