Kapitel 16:
Kolleen starrte die geschlossene Tür an. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte sie sie genau gegen die Stirn bekommen. Was hatte das nun zu bedeuten?
Sie war noch immer völlig ratlos, als sie einige Stunden später ihre Unterlagen mit müden Augen von sich schob. Glücklicherweise waren die letzten paar Stunden der Nacht so völlig ohne Ereignisse, dass sie bald mit dem Kopf auf dem Tisch einschlief.
Es war Madame Pomfrey, die Kolleen mit einem Lächeln auf dem Gesicht weckte.
"Sie sollten zum Frühstück gehen, Professor."
Kolleen schreckte leicht zusammen. "Oh...ist es schon so spät?"
"Es ist kurz vor acht, sie haben also noch etwas Zeit."
"Ja, vielen Dank." Sie begann ihre Sachen zusammen zupacken.
"Sever...äh Professor Snape hat gestern Abend die Tränke vorbei gebracht, die sie haben wollten."
"Das ist gut, sonst hätte ich die ganzen Erkältungen gar nicht mehr behandeln können." Kolleen nickte. "Ich gehe dann, soll ich sie heute Abend wieder vertreten oder geht es ihnen wieder besser?"
Madame Pomfrey lächelte sie freundlich an. "Vielen Dank, im Moment fühle ich mich sehr gut. Aber wenn es wieder schlimmer wird, wäre ihre Vertretung mir eine große Hilfe."
"Gut, kein Problem. Bis bald!" Mit ihren Büchern auf dem Arm verließ Kolleen den Krankenflügel und betrat kurz darauf ihr Büro.
Seufzend ließ sie ihre Bücher auf den Schreibtisch fallen. Da ja Ferien waren, konnte sie sich noch Zeit lassen. In Ruhe ging sie duschen und machte sich dann auf den Weg in die Küche, um sich Frühstück zu besorgen. Die Hauselfen bestürmten sie wie üblich und am Ende verließ Kolleen die Küche mehr als satt.
Während sie die ganze Zeit relativ wach gewesen war, kam die Müdigkeit ausgerechnet dann über sie, als sie anfangen wollte zu arbeiten. Sie schaffte wenigstens noch etwas, bis sie dann doch todmüde ins Bett fiel.
Als Kolleen zum Abendessen ging hatte sie völlig verdrängt, dass sie dort Severus treffen würde, bis er sich schließlich neben sie setzte. Sie versuchte ihn weitestgehend zu ignorieren, aber allein seine Anwesenheit ließ sie sich so unwohl fühlen, dass sie nicht viel, von dem was auf ihrem Teller lag, schaffte. So war sie schnell wieder auf dem Weg zu ihrem Büro.
Der Vorsatz wenigstens noch etwas zu arbeiten, löste sich schon beim Anblick ihres Schreibtisches voller Pergamentrollen in Nichts auf. Es war gerade mal halb acht und trotzdem zog Kolleen ihren Schlafanzug an und legte sich ins Bett. Sie war noch immer furchtbar müde und wollte den Tag einfach nur hinter sich bringen. Trotzdem schwirrten ihr immer wieder dieselben Gedanken im Kopf herum. Was hatte Severus nur gemeint und bedeutete es ihm mehr, als nur dieser eine kleine „Unfall"? Doch jedes Mal wenn ihre Gedanken weiter zu den Details dieser Nacht schwenkten, versuchte sie sich abzulenken, denn das wühlte sie noch viel mehr auf.
Doch sie hatte keine halbe Stunde Ruhe, bis es an ihrer Tür klopfte. Kolleen seufzte und versuchte auch das erneute Klopfen zu ignorieren. Doch wer auch immer vor ihrem Büro stand, war nicht davon abzuhalten sie sprechen zu wollen. Sie stand auf und öffnete die Tür. Unverkennbar stand ein Auror vor ihr.
"Oh...entschuldigen sie, Miss Anderson. Habe ich sie geweckt?"
"Nein, bloß aus dem Bett geholt, aber das ist nicht so wichtig." Sie trat einen Schritt zur Seite um den fremden Zauberer einzulassen.
"Setzen sie sich doch. Was kann ich für sie tun?"
Der nicht viel ältere Auror nahm Platz und begann etwas unsicher zu sprechen: "Ich bin Andrew Dickens, Mr. Kinsley hat mich geschickt. Ich soll sie fragen inwieweit sie bereit sind für das Ministerium zu arbeiten."
Kolleen, die sich inzwischen hinter ihren Schreibtisch gesetzt hatte, sah ihn überrascht an. "Moment mal. Was soll das auf einmal? Neulich wurde ich noch mehr oder weniger gezwungen an einem Einsatz teilzunehmen und nun kommt er an und fragt?" Andrew zögerte etwas. "Nun ja, es ist kein einfacher Einsatz."
"Sondern? Was denn dann? Soll ich einen Todesser beschatten oder wie?"
"Ja, eigentlich genau das."
Kolleen machte ein ungläubiges Gesicht. "Das kann nicht ihr Ernst sein! Und wann soll ich das machen? Ich habe hier rein zufällig genügend zu tun."
"Sie sollen gar nicht weit weg gehen. Der Verdächtige ist hier."
"Hier? Wer sollte das bitte sein? Glauben sie wirklich Dumbledore würde nicht merken, wenn hier jemand zu den Todessern gehört?"
"Das Ministerium ist sich da nicht so sicher. Wir vermuten, dass Professor Snape bei weitem der dunkeln Seite nicht so sehr abgeschworen hat, wie er vorgibt."
"Na ja fragen sie mal seine Schüler..."
"Bitte?" Andrew war ganz ernst.
Kolleen seufzte. "Sie hatten ihn doch sicherlich auch im Unterricht. Er macht nun mal keinen sonderlich sympathischen Eindruck, aber das hat doch noch lange nichts zu sagen!"
"Bedeutet das sie sehen es als Schwachsinn an und lehnen den Auftrag ab?"
"Er wird auf jeden Fall beobachtet oder? Wenn nicht von mir, läuft hier bald jemand fremdes rum, richtig?"
"Ja, ich denke schon."
Kolleen nickte. "Ich überlege mir das bis morgen. Aber sagen sie unserem Chef, dass ich das für ziemlichen Blödsinn halte. Ich schicke ihm dann Morgen eine Eule."
Andrew erhob sich. "Gut, ich werde es ihm ausrichten. Einen schönen Abend noch." Er verließ Kolleens Büro.
Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen ließ sie ihren müden Kopf auf den Tisch vor sich sinken. Warum denn gerade sie? Obwohl..., wenn sie berichtete, dass ihr nichts besonderes aufgefallen war, würde das Severus entlasten. Aber eigentlich musste sie erstmal wissen, was die im Ministerium wirklich von ihr wollten.
Da würde sie wohl morgen nach London müssen. Kolleen erhob sich um wieder ins Bett zu gehen, doch weiter als bis ins Wohnzimmer kam sie nicht. Es klopfte schon wieder an der Tür. Das durfte doch nicht wahr sein!
"Ja!", rief sie schon auf dem Rückweg in ihr Büro und kaum hatte sie einen Fuß hineingesetzt, fand sie Severus vor sich.
"Was ist denn mit dir los, dass du so unfreundlich bist?"
"Ich dachte du hättest dich inzwischen daran gewöhnt."
"Ich hatte eigentlich gehofft es mir wieder abgewöhnen zu können, aber scheinbar eher nicht. Wie auch immer, ich habe Madame Pomfrey eben noch ein paar Tränke gebracht und sie meinte mir unbedingt zwei deiner Bücher mitgeben zu müssen, die du scheinbar vergessen hattest."
Severus durchquerte den Raum und legte die beiden Bücher auf Kolleens Schreibtisch. "Länger wollte ich dich auch gar nicht stören." Er wandte sich zum gehen.
Kolleen hatte die ganze Zeit regungslos im Raum gestanden, irgendwie war das ihrem Gehirn gerade etwas viel Information auf einmal.
"Äh...danke...", murmelte sie bloß und erst als Severus schon wieder fast aus der Tür war, hielt sie ihn vom gehen ab. "Warte noch mal eben bitte."
Severus drehte sich langsam um. "Ja? Was denn?"
"Mach doch bitte die Tür zu." Er schloss die Tür und kam ein paar Schritte näher.
"Es war gerade jemand vom Ministerium hier", begann Kolleen.
"Und? Was habe ich damit zu tun?"
"Eigentlich alles. Sie wollen dass ich dich beobachte."
Man sah ihm die Überraschung an. "Wie kommen die denn bitte darauf?"
"Keine Ahnung. Ist es dir lieber wenn ich das mache oder willst du irgendeinen Auror an den Hacken haben?"
"Niemanden will ich an den Hacken haben! Was würdest du denen denn sagen?"
"Das nichts ist natürlich."
"Warum erzählst du mir das dann, wenn du dich ohnehin schon entschieden hast es zu machen?"
Kolleen war etwas vor den Kopf gestoßen. "Ähm... eigentlich hatte ich mich nicht entschieden... ich weiß nicht, vielleicht schicken sie trotzdem noch jemand anderen. Ich wollte halt, dass du vorsichtig bist okay!"
"Ich bin immer vorsichtig."
"Aber scheinbar nicht genügend, sonst hätten die dich sicher nicht wieder auf der Liste!"
"Das muss überhaupt nichts damit zu tun haben! Und berichte denen meinetwegen was du willst!" Er wendete sich zum gehen.
"Jetzt sein doch nicht wieder so schrecklich stur!"
Ohne eine Reaktion verließ er das Zimmer.
Am liebsten wäre Kolleen ihm hinterher gelaufen um ihn anzuschreien, was für ein Idiot er doch war. Aber sie ging dann doch lieber ins Wohnzimmer und ließ sich mit einer Menge Groll im Magen auf das Sofa sinken.
Severus hatte mit einem ziemlich schlechtem Gefühl Kolleens Büro verlassen und das wurde auf dem Weg in sein eigenes keineswegs besser. Das war überhaupt nicht gut. Wenn das Ministerium ihn wirklich ernsthaft im Blick hatte, konnte das noch sehr unangenehm werden. Vor allem konnte er sich zurzeit keine Ausfälle leisten. Der dunkle Lord war ohnehin nicht sonderlich positiv gestimmt im Moment. Severus ließ sich an seinem Schreibtisch nieder. Immerhin war es vielleicht wirklich gar nicht so schlecht, dass Kolleen das machte, das würde die Gefahr wohl möglichst niedrig halten. Trotzdem bereitet ihm das ein schlechtes Gefühl. Nachher wollte sie dadurch mehr Zeit mit ihm verbringen und das war keine sonderlich beruhigende Vorstellung. Warum es ihm so unangenehm war, wusste er auch nicht genau. Einige Minuten saß er nur da und starrte vor sich hin, bis er es schaffte sich aufzuraffen und doch noch etwas zu arbeiten.
Als Kolleen am nächsten Abend das Ministerium verließ, hatte sie einen Entschluss gefasst. Sie würde diesen "Auftrag" annehmen und danach sofort ihre endgültige Kündigung einreichen. Das hätte sie schon lange machen sollen. Würde Mr. Kinsley normal fragen, wenn sie Unterstützung brauchten wäre es akzeptabel gewesen, aber er ließ ihr ja keine andere Wahl. Nun würden er eben ganz auf sie verzichten müssen.
Auf dem Weg nach Hogwarts versuchte sie Formulierungen für ihren Bericht zu finden, die möglichst überzeugend herüberbrachten, dass Severus unschuldig war. Das wirklich schwierige daran war, dass Kolleen wusste, dass es nicht so war. Und würde sie ihn ernsthaft beschatten, würde sie wohl auch genau das herausfinden. Außerdem wollte sie sich eigentlich so wenige wie möglich mit Severus beschäftigen. Heute bei den Mahlzeiten, hatte er es geschafft sie erfolgreich zu ignorieren und Kolleen hatte wirklich gehofft, dass sie zumindest darüber hinweg wären. Aber scheinbar hatte sie sich da geirrt. Wäre diese eine verdammte Nacht nicht gewesen, würde es vielleicht noch immer gut sein. Nur weil sie nicht hatte nein sagen können. Obwohl...er hatte es ja auch nicht getan.
