Kapitel 17: Harte Worte

Es schien wieder der alte Trott zu sein. Severus ignorierte Kolleen so gut er konnte und sie wusste auch nicht wie sie das ändern sollte. Obwohl sie sich für ein paar Stunden näher gewesen waren, als schon lange nicht mehr, schien er nun viel fremder als zuvor.

Nach ein paar Tagen verstärkte sich das Gefühl in ihr er würde alle Ignoranz und Abneigung, die er besaß, nur für sie aufbewahren. Aber vielleicht war sie selbst nicht viel besser, dachte Kolleen als sie gerade vom Essen auf den Weg in ihr Büro war und Severus mal wieder keines Blickes gewürdigt hatte. Dabei fühlte sie sich zu ihm hingezogen, auch wenn sie es sehr ungern zugegeben hätte. Vor allem, weil sie sich selbst für recht dumm deswegen hielt. Immerhin war Severus nicht sonderlich charmant zu ihr. Trotzdem entschied sie sich an jenem Abend, als sie am Schreibtisch saß, doch noch mit ihm zu reden. Vielleicht würde das ja noch einmal funktionieren.

Doch schon als sie auf dem Weg in die Kerker war, verfluchte sie sich für diese dumme Idee und war doch zu stur um wieder umzudrehen. Warum fühlte sie sich eigentlich immer wie jemand unerwünschtes, wenn sie bei ihm klopfte? ‚Weil du es bist', schoss ihr durch den Kopf. Trotzdem hob sie die Hand und klopfte.

Severus fluchte kurz leise vor sich hin. Wer war das denn nun schon wieder? Konnte er nicht einmal seine Ruhe haben?

„Ja!", rief er den ungebetenen Gast herein.

Kolleen betrat den Raum und setzte sich auch gleich. Severus runzelte die Stirn und sah sie an. „Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?"

„Äh….ja. Ich finde es schade, dass es wieder so ist wie….nun ja wie es gerade ist eben."

„Wie ist es denn?"

„Severus! Jetzt tu nicht so unwissend! Wir ignorieren einander und das schon wieder seit Wochen und wenn wir miteinander reden streiten wir uns."

„Wochen? Nun übertreib mal nicht. Es sind vielleicht gerade mal zwei. Nun ja, da das ganze auf Gegenseitigkeit beruht, sehe ich da gar kein Problem."

„Kein Problem? Und warum war es dann vor zwei Wochen soviel besser? Warum ging es da plötzlich wieder? Wieso schläfst du mit mir und ignorierst mich dann?"

Severus sah Kolleen an, das konnte sie doch nicht ernst meinen….

„Ich? Wer ist denn gegangen mitten in der Nacht? Ich nicht! Und meinst du im Ernst, dass eine Nacht sechs Jahre einfach wegwischt?"

Sie sah etwas überrascht aus. „Nein…aber…"

Severus unterbrach sie. „Was aber? Es ist viel passiert! Meinst du etwa du kennst mich? Meinst du sechs Monate reichen aus um jemanden sein Leben lang zu kennen? Du kennst mich nicht! Kein Stück! Und nun hör endlich auf, dir einzubilden du hättest irgendein Recht an meinem Leben teilzuhaben!"

Er konnte die Trauer in ihren Augen sehen, als sie langsam aufstand.

„Ich hab immer gedacht es hätte dir etwas bedeutet. Aber ich war wohl zu naiv."

Sie drehte sich um und durchquerte den Raum. Mit einem leisen klicken fiel die Tür ins Schloss.

Mit einem Seufzer ließ Severus sich in seinem Stuhl zurück sinken. Vielleicht war er doch etwas hart gewesen, ganz so hatte er das ja auch nicht gemeint. Aber was sollte er denn machen? Sie brachte ihn mal wieder schon durch reine Anwesenheit auf die Palme. Und immerhin war seine Ignoranz nur eine Reaktion auf ihre und wieso versuchte er gerade sich vor sich selbst zurechtfertigen?

Sein Blick fiel auf die Aufsätze vor sich. Na wunderbar, die konnte er nun auch vergessen! Er stand auf, ging ins Wohnzimmer und ließ sich auf sein Sofa fallen. Was erwartete Kolleen auch! Immerhin sollte sie ihn gerade ausspionieren! Sollte er sich etwa mit ihr hinsetzten und nette ausführliche Gespräche über sein „Doppelleben" führen? Welch großartige Idee! Er schnaubte abfällig und es brauchte eine gute halbe Stunde, bis er sich genügend beruhigt hatte um sich seinem Buch zu widmen.

Immerhin konnte Severus durchschlafen. So saß er wacher als gewöhnlich beim Frühstück und konnte doch nicht sagen, welchen Ausdruck Kolleen auf ihrem Gesicht trug, da er sie gar nicht beachtet hatte. Eigentlich ärgerte ihn allein schon die Verschwendung eines Gedankens an sie. Beim Essen ließ er sich Zeit, was er nicht oft tat, aber heute wäre er am liebsten krank gewesen um nicht unterrichten zu müssen. Woher diese Unmotivation kam, konnte er sich selbst nicht erklären.

Die Schüler bekamen seine schlechte Laune zu spüren. Er zog noch mehr Punkte ab als sonst schon und die Gryffindors waren ganz arm dran. Elendig zäh zog sich der Tag dahin und schon beim Mittagessen hatte Severus das Gefühl er hätte mindestens eineinhalb Tage gearbeitet.

Doch wurde der Nachmittag noch schlimmer, als die vorhergegangenen Stunden. Dauernd war Snape damit beschäftigt irgendwelchen verschütteten Zaubertrank vom Boden verschwinden zu lassen oder eben Schüler davon abzuhalten ihren Kessel zum explodieren zu lassen. Vielleicht lag es einfach daran, dass es sich nur um Schüler aus Ravenclaw und Huffelpuff handelte.

Als die Schlussglocke läutete, wartete Severus nur noch darauf, dass alle Schüler verschwunden waren. Dann ging er hinüber in sein Wohnzimmer und beschloss sich dort für den restlichen Tag nicht mehr weg zu bewegen.

Es war gegen Sieben und Severus hatte sich gerade ein Glas Wein eingeschenkt, als es an seiner Bürotür klopfte. Einen kurzen Augenblick dachte er darüber nach einfach nicht zu öffnen, doch schon während dieser kurzen Überlegung klopfte es erneut. Offensichtlich hatte es da jemand eilig.

Mit einigen schnellen Schritten war er in seinem Büro und öffnete die Tür. Lucius Malfoy stand vor ihr und drängelte sich, sichtlich aufgebracht, an Severus vorbei, welcher die Tür wieder schloss.

„Kannst du mir mal sagen, was sich diese Frau einbildet? Wer ist sie überhaupt, dass sie sich so etwas erlaubt?"

Lucius sah Severus an, der noch nicht ganz verstand, aber eine böse Vorahnung hatte.

„Wen genau meinst du?"

„Diese Anderson! Ihretwegen habe ich einen Brief von Dumbledore bekommen! ‚Draco würde nicht am Unterricht teilnehmen und wenn ihn stören.' Was kann denn Draco dafür, wenn er erkannt hat wie unfähig sie ist!"

„Und was genau soll ich da nun tun, Lucius?"

„Rede mit ihr! Immerhin bist du Dracos Hauslehrer!"

Severus runzelte die Stirn und setzte sich auf seinen Stuhl hinter dem Schreibtisch. „Warum tust du es nicht selber? Immerhin ist er dein Sohn."

„Weil ich sicherlich nicht freiwillig mit einer Aurorin rede, solange ich nicht unbedingt muss."

„Jetzt wirst du wirklich albern."

„Mir egal. Tu mir den Gefallen und rede mit ihr oder willst du, dass Draco deswegen schlechtere ZAGs bekommt?"

„Na meinetwegen. Ich werde es versuchen. Erwarte aber nicht zuviel."

Lucius nickte scheinbar zufrieden. „Gut, danke. Ich muss dann auch gleich weiter. Schönen Abend dir noch." Und schon war er wieder verschwunden.

Severus musste dem Bedürfnis seinen Kopf auf die Tischplatte fallen zu lassen widerstehen. Was hatte er eigentlich getan, dass diese Frau ihn nicht einmal in Frieden leben lassen konnte? Am besten er ging gleich, bevor er es nie tat.

Seine Vernunft sagte Severus trotz allem Ärger, dass das Thema „Draco" durchaus ernster war, als es vielleicht auf den ersten Blick schien und so versuchte er sich möglichst weit zu beruhigen, während er auf dem Weg zu Kolleen war.

Er klopfte und es dauerte einen kleinen Moment, bis sie ihm öffnete. Es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie die Tür am liebsten gleich wieder geschlossen hätte.

„Was möchtest du?" Die Selbstbeherrschung war deutlich hörbar.

„Lucius Malfoy war gerade bei mir."

„Oh bitte nicht!" Kolleen ließ ihn einfach in der offenen Tür stehen und ging hinüber zu ihrem Schreibtisch. „Und? Was wollte er? Sich darüber beschweren wie furchtbar ungerecht ich seinen armen armen Sohn behandle?"

Severus betrat ebenfalls den Raum und schloss die Tür hinter sich.

„So ähnlich ja. Hör mir jetzt bitte einmal zu: Es ist nicht klug sich Lucius zum Feind zu machen, vor allem für jemanden nicht, der auch beim Ministerium arbeitet. Er ist einflussreich und es wäre sicherlich für ihn ein leichtes dich zumindest hier wegzureden."

„Vielen Dank für deine überaus gütige Fürsorge, doch ich bin alt genug um das selbst einschätzen zu können."

„Meinetwegen halte dich für alt genug, aber ich kenne ihn immer noch besser und er ist jetzt schon wütend."

„Soll er doch wütend sein! Es gibt abgesehen von seinem Sohn niemand der sich in dieser Sache falsch verhält!"

Severus atmete hörbar aus. „Gut, dann mach was du willst, aber sage ja nicht hinterher ich hätte dich nicht gewarnt!" Er sah sie wütend an.

„Keine Angst, da…." Ein Klopfen an der Tür unterbrach Kolleen.

„Ja!", rief sie den Gast unfreundlich herein.

Severus war überrascht, als ein großer älterer Zauberer den Raum betrat. Dieser schien allerdings genauso über Severus Anwesenheit verwundert zu sein, denn sein Blick haftet länger an ihm.

„Oh…störe ich?", wollte er wissen.

„Dad! Nein, natürlich nicht. Professor Snape wollte sowieso gerade gehen." Sie sah Severus an, der bloß nickte und schließlich die Tür hinter sich schloss. Er verweilte noch einen Moment auf dem Flur, bevor er wieder nach unten ging.

Kolleen strahlte ihren Vater an. „Was machst du hier? Also ich mein schön dich zu sehen, aber…."

„Was wollte er hier?" Mr. Anderson nickte gen Tür.

„Was? Achso… mit mir über einen Schüler sprechen."

Kolleens Vater machte ein skeptisches Gesicht. „Ach ja? Wirklich?"

„Ja, natürlich. Was sollte er sonst hier wollen?"

„Du weißt genau was ich denke und was ich von ihm halte."

Kolleen schnappte nach Luft. „Das ist doch nicht dein Ernst oder? Das ist sechs Jahre her!"

„Und? Wenn er dich damals schon…."

Sie unterbrach ihn, ungläubig so etwas zu hören. „Wenn er mich damals schon was? Ins Bett gekriegt hat? Und du meinst, dann wäre das jetzt erst Recht kein Problem?"

„Nein…das…so habe ich das nicht gemeint. Nur er ist ein Todesser und…"

Wieder unterbrach Kolleen ihn. „Nein ist er nicht! Er ist kein Todesser mehr! Musst du immer Menschen die einmal einen Fehler gemacht haben ihr Leben lang verurteilen? Aber das scheinst du ja selbst bei mir schon zu tun."

„Tue ich überhaupt nicht. Nur diese Leute ändern sich nicht, auch wenn es manchmal vielleicht den Anschein macht."

„Und woher willst du das wissen? Nur weil du noch niemanden getroffen hast, der sich geändert hat, heißt das noch lange nicht, dass es niemanden gibt!"

„Du nimmst ihn ja noch immer in Schutz!"

„Nein, tue ich überhaupt nicht! Es geht hier ums Prinzip! Nur weil du deinen Glauben in das Gute im Menschen verloren hast, sind trotzdem nicht alle gleich schlecht! Und selbst würde ich planen Severus zu heiraten, was definitiv nicht so ist, selbst dann wäre das immer noch meine Entscheidung und mein Leben!"

Einige Augenblicke sah ihr Vater Kolleen bloß an.

„Gut, ganz wie du meinst. Ich geh dann wohl besser wieder." Er drehte sich zur Tür und öffnete sie.

„Dad….das…."

Doch ihr Vater hatte das Zimmer schon verlassen. Kolleen seufzte und schloss die Tür. Sehr langsam ging sie ins Wohnzimmer und ließ sich in ihren Sessel sinken. Trotz des Feuers im Kamin war ihr kalt. Sie zog die Knie an und umschloss sie mit den Armen. Ein paar erste Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen.

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