Kapitel 18

Neue Wege

Der Unterricht und die viele Korrekturarbeit lenkten Kolleen am nächsten Tag vom Streit mit ihrem Vater ab. Die Auseinandersetzung mit Severus belastete sie nicht ganz so stark. Daran hatte sie sich inzwischen schon gewöhnt, zumindest redete sie sich das ein. Am Abend nach dem Essen erhielt sie einen Brief von ihrer Mutter, die sich darüber beschwerte, dass Kolleen sich mit ihrem Vater gestritten hatte. Seufzend ließ sie das Pergament auf ihren Schreibtisch sinken. Da schien es jemand gerade nicht sonderlich gut mit ihr zu meinen. Sie kam sich schrecklich einsam vor. Wieso mussten nun auch noch ihre Eltern auf sie wütend sein. Vielleicht steigerte sie sich auch in etwas hinein, aber das machte momentan auch keinen Unterschied. Wie es in den letzten Tagen scheinbar unvermeidbar war, kam ihr schon wieder Severus in den Sinn. Seine Worte wiederholten sich immer wieder in ihrem Kopf. Es ärgerte sie jetzt besonders, dass sie ihn nicht einfach loslassen konnte. Aber seine Faszination war ungebrochen, auch wenn Kolleen eigentlich sicher war, dass er soviel ihrer Aufmerksamkeit nicht verdiente. Doch so sehr hatten sie sich beide nicht verändert, als das er ihr vollkommen egal sein könnte. Bei ihm war das aber scheinbar der Fall, woran sie wohl auch selbst schuld war. Hätte sie ihm damals die Situation erklärt, wäre vielleicht manches anders gelaufen. Kolleen schüttelte den Kopf. Es half noch immer nicht, der Vergangenheit hinterher zu trauern. Mit einem erneuten Seufzer stand sie auf, um sich einen Tee zu machen.

Mit dem warmen Becher in der Hand setzte sie sich in den Sessel vor ihrem Kamin, um ein wenig auszuspannen. Doch diese Ruhe dauerte nicht einmal fünf Minuten. Jemand klopfte an ihrer Tür und riss sie aus den Gedanken. Nach kurzem Zögern stellte Kolleen den Becher ab und ging hin, um zu öffnen. Zu ihrer Überraschung war es kein Schüler, sondern ein Lehrer, der dort stand und sie nun freundlich anlächelte.

„Professor Lucans? Kommen Sie doch rein." Kolleen trat einen Schritt zur Seite, um ihn einzulassen. In den letzten Wochen hatten sie sich immer wieder mit dem Astronomieprofessor unterhalten. Meistens hatten sie sich auf dem Weg zum Essen getroffen. Etwas überrascht war sie über diesen Besuch trotzdem.

„Danke. Ich wollte auch nicht lange stören." Er trat ein und sah sich kurz um.

„Sie stören nicht", meinte Kolleen freundlich. „Was kann ich für Sie tun?"

„Nun ja…" Er machte eine kurze Pause. Es schien ihm ein wenig unangenehm zu sein.

„Ich vermute ich habe einen Irrwicht in meinem Schrank und wollte fragen, ob Sie mir dabei helfen könnten ihn loszuwerden."

„Ja, natürlich. Jetzt gleich?"

„Wenn Sie gerade Zeit hätten, wäre das sehr freundlich. Dann kann ich wieder ruhig schlafen." Er lächelte etwas verlegen.

„Kein Problem, ich kann ohnehin gerade nicht arbeiten." Sie sah ihn freundlich an. „Wollen wir dann?"

Professor Lucans nickte und wendet sich zur Tür. Nachdem sie die Kerzen gelöscht hatte, folgte Kolleen ihrem Kollegen in dessen Büro.

Sie war noch nicht hier gewesen und sah sich um. Der Raum war ein wenig chaotisch und stand voller Regale mit Büchern. Ein großes Teleskop am Fenster nahm sicherlich ein viertel des ganzen Zimmers ein.

„Und wo ist nun der Irrwicht", wollte sie freundlich wissen.

„Im Schlafzimmer, hier entlang."

Er führte sie durch ein recht großes Zimmer in sein Schlafzimmer. Der große Schrank gegenüber der Tür wackelte hin und wieder lautstark. Kolleen holte ihren Zauberstab aus der Tasche.

„Dann lassen Sie uns mal anfangen…" Sie lächelte ihn freundlich an.

Der Professor nickte und zückte ebenfalls seinen Zauberstab. Mit Hilfe ihres eigenen öffnete Kolleen die Schranktür und trat einen Schritt nach vorne. Genau wusste sie nicht was oder wer nun auf sie zu kommen würde, aber eine grobe Vermutung hatte sie.

Eine große Gestalt in schwarzer Robe, Kapuze und Maske kam aus dem Schrank. Eindeutig ein Todesser. Trotz der Vorbereitung erschrak sie im ersten Moment und brauchte ein paar Sekunden, bis sie sich soweit gefasst hatte um laut „Riddikulus" zu rufen.

Der „Todesser", der langsam auf sie zukam, verhedderte sich in seiner langen Robe, stolperte und fiel schließlich auf sein Gesicht. Ein kleines Grinsen konnte Kolleen sich nicht verkneifen und trat dann zur Seite, um Professor Lucans Platz zu machen.

Sein Irrwicht war eine riesige Biene, die auch Kolleen zunächst zurück schrecken ließ, doch als ihr nach dem Zauberspruch Stachel und Flügel abfielen, konnte sie mit ihrem Kollegen nur darüber lachen. Es dauerte keine fünf Minuten bis der Irrwicht schließlich so verwirrt war, dass er vor Professor Lucans Zauberstab in einem Haufen Rauch aufging.

Kolleen seufzte leise und lächelte ihr Gegenüber an. „Na das war ja nicht so schlimm wie erwartet…."

Er schüttelte den Kopf. „Nein, war es nicht. Darf ich Sie jetzt zum Dankeschön, noch auch ein Glas Wein einladen?"

„Ja gern, warum nicht? Wo ich ohnehin nicht arbeiten kann."

Als Kolleen schließlich wieder auf dem Weg in ihr eigenes Büro war, fühlte sie sich wunderbar, wenn auch sehr müde. Es war schon etwas her, seitdem sie sich so gut mit jemanden unterhalten hatte und gerade an diesem Abend, wo ihr zunächst alles auf den Kopf hatte fallen wollen, war es eine wirkliche Erleichterung. So fiel sie dann mit einem wohligen Gefühl, unerwartet jemanden so nettes getroffen zu haben, ins Bett und schlief, ohne groß über etwas nachzudenken, ein.

Es ging langsam aber sicher auf die letzten Unterrichtstage vor den Prüfungen zu. Das bedeutete für Kolleen, wie für alle anderen Lehrer auch, weniger Arbeit, aber dennoch stieg ihre Nervosität. Immerhin mussten die fünften und siebten Klassen die Prüfungen des Ministeriums überstehen, nachdem sie von ihr vorbereitet worden waren.

Doch am Abend musste Kolleen sich zunächst mit einem ganz anderen Thema beschäftigen – mit dem Auftrag des Ministeriums Severus zu beschatten. Inzwischen hatte sie mit Dumbledore geredet und alles zumindest mit ihm abgesprochen, wo der Betroffene selbst nichts davon hören wollte. Doch die Tatsache, dass sie wusste was sie schreiben wollte, half ihr nicht dabei, die richtigen Worte zu finden, um es auch wirklich glaubhaft herüber zu bringen. Es dauerte fast den ganzen Abend und die verworfenen Pergamentrollen füllten so langsam ihren Papierkorb aus. Schließlich, gegen elf Uhr, lehnte sie sich zurück und las ihre hoffentlich endgültige Fassung. Es war recht viel geworden und sie hoffte, dass die vielen Argumente genügend Überzeugungsarbeit leisten würden.

Während Kolleen den Bericht zum zweiten Mal las, schweiften ihre Gedanken ab. Sie hoffte, dass ihre Eltern sich beide wieder beruhigt hatten und als sie etwas weiter darüber nachdachte, kam ihr eine Gedanke… Doch sie schüttelte gleich wieder den Kopf darüber, das war einfach zu absurd, so etwas würde ihr Vater nicht tun. Zumindest glaubte sie das. Trotzdem ließ dieser Gedanke sie nicht los und er beschäftigte sie noch immer, als sie am nächsten Morgen beim Frühstück saß. So wütend wie ihr Vater auf Severus gewesen war, wäre er vielleicht doch dazu fähig gewesen, immerhin wusste er ja schon vorher, dass er noch immer in Hogwarts arbeitete… Sie würde einfach noch kurz zu Hause vorbeischauen, nachdem sie beim Ministerium gewesen war und genaueres in Erfahrung bringen. Doch zuerst hatte sie einen vollen Unterrichtstag vor sich und die Hitze draußen erleichterte dieses Unterfangen nicht gerade. Sämtliche Schüler schienen sich definitiv zu lange in der Sonne aufgehalten zu haben.

Wie erwartet waren alle schon in der ersten Stunde so aufgekratzt, dass Kolleen Schwierigkeiten hatte, ihren Stoff durchzubekommen und als sie dann nach der Mittagspause die fünfte Klasse mit den Slytherins hatte, war endgültig alles vorbei. Draco Malfoy zog es vor zu schlafen, statt auch nur annähernd aufzupassen und so einige andere aus seinem Haus folgten diesem Beispiel. Doch sah es Kolleen nicht ein, ihnen auch noch den Gefallen zu tun, sie vom Unterricht auszuschließen, stattdessen schickte sie die sechs Schüler alle zu Madame Pomfrey mit dem Auftrag, dort auf sie zu warten.

Nachdem sie den Unterricht beendet hatte, ging sie nach oben in den Krankenflügel und verpasste den dort auch noch wirklich wartenden Schüler einen Trank, der sie die nächsten paar Stunden ganz sicher nicht schlafen ließ, aber sonst vollkommen harmlos war.

Eigentlich war Kolleen schon am Ende mit ihren Nerven, aber sie musste noch zwei Stunden Erstklässler überstehen. Leise seufzend betrat sie ihren Klassenraum, in dem es, weil sie ein wenig spät war, ziemlich turbulent zuging. Überraschenderweise genügte jedoch ihr stiller Gang zum Pult, um unter den Schülern für Ruhe zu sorgen.

Am Ende war die Stunde, wenn man es überhaupt über eine Unterrichtstunde sagen konnte, relativ entspannt. So packte Kolleen schlussendlich ganz in Ruhe ihre Unterlagen zusammen und machte sich auf den Weg nach Hogsmeade.

Doch sie kam zunächst nicht weiter, als bis zur Eingangshalle. Sie war schon fast an der Tür, als jemand ihren Namen rief. Es war Professor Lucans, oder besser Patrick, der nun freundlich lächelnd auf sie zukam. Sie waren zum „Du" übergegangen, da nicht nur Kolleen es albern gefunden hatte, sich weiterhin zu siezen.

„Wo willst Du denn hin, wenn ich fragen darf."

Kolleen sah ihn freundlich an und lächelte zurück. „Darfst Du, ich muss im Ministerium noch etwas erledigen und dann kurz nach Hause."

„Ach so, schade eigentlich."

Sie runzelte etwas die Stirn. „Wieso?"

„Weil ich eigentlich fragen wollte, ob Du nicht Lust hast mit mir etwas trinken zugehen. Aber dann eben ein anderes Mal." Patrick lächelte sie freundlich an.

„Oh, das tut mir leid. Ich kann auch gar nicht sagen wie lange das dauert. Ich komme aber sicher auf das „andere Mal" zurück." Sie zwinkerte und sah auf die Uhr. „Ich muss dann auch leider schon los, sonst ist im Ministerium nachher niemand mehr." Mit einem Lächeln verabschiedete sich Kolleen und machte sich dann wirklich auf den Weg nach Hogsmeade.

Severus betrat die Eingangshalle und sah wie sich Kolleen mit Professor Lucans unterhielt. Er runzelte ein wenig die Stirn und fragte sich was das nun zu bedeuten hatte. Ein wenig langsamer als gewöhnlich ging er weiter, nicht ohne immer wieder einen Blick zu den beiden hinüber zu werfen. Doch bevor ihn irgendwer bemerken konnte, war er auch schon wieder weg.

Einige Zeit später holte Kolleen am Empfang des Ministeriums ihren Zauberstab wieder ab und hatte ein mulmiges Gefühl im Magen. Ihr Chef schien von ihrem Bericht nicht sonderlich begeistert gewesen zu sein, offensichtlich hatte er etwas anderes erwartet.

Mit einem flauen Gefühl im Magen verließ Kolleen zwei Stunden später das Haus ihrer Eltern. Irgendwie schien bei ihnen der Wurm drin zu sein. Ihr Vater glaubte ihr noch immer nicht, dass sie keine Beziehung zu Severus hatte und ihre Mutter wusste zwar nicht weswegen sie sich stritten, aber natürlich unterstützte sie ihren Mann darin. Das alles enttäuschte und verwunderte Kolleen sehr, denn so kannte sie ihre Eltern gar nicht. Bisher hatten sie immer zu ihr gestanden und nun hörte ihr Vater ihr nicht einmal richtig zu. Vielleicht hatten sie beide einfach Angst, nun seitdem Voldemort wieder da war.

Trotz des nahenden Sommers war es schon fast ganz dunkel, als Kolleen auf dem Weg nach Hogwarts war. Es war ein schöner Abend, der Mond spiegelte sich im See und kurz blieb sie stehen um die Ruhe etwas zu genießen. Alles war so chaotisch zurzeit. Die seltsame Situation mit Severus, bei dem sie immer noch nicht wusste woran sie war, oder was sie nun wirklich wollte, dann noch der Streit mit ihren Eltern und nebenher noch die ganze Arbeit. Immerhin würde sich letztere in absehbarer Zeit legen. Eigentlich sollte sie Severus noch über ihren Bericht für das Ministerium informieren, dachte sie, aber wahrscheinlich war es sinnvoller und vor allem stressfreier, wenn sie es Dumbledore sagte.

Es dauerte etwas, bis Kolleen sich von ihrer Aussicht losreißen konnte und weiter, hinauf ins Schloss ging. In ihrem Büro angekommen setzte sie sich an den Schreibtisch, um noch etwas zu arbeiten. Gegen halb eins machte sie sich schließlich auf den Weg ins Bett.

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