Rückwärts in die Dunkelheit
Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?
(-die letzten Worte eines Sterbenden.)
2. Kapitel
Streitsüchtig
"In der Hitze des Gefechts
droht der Verstand oft
verloren zu gehen."
(-unbekannt)
Remus stand vor dem Raum, der von nun an sein Schlafsaal sein würde. Er seufzte still, als er die drei weiteren Namen las, mit denen er ihn teilen musste.
Black, Sirius.
Pettigrew, Peter.
Potter, James.
Na, das wird ein Spaß werden, dachte Remus sarkastisch. Er stieß die Tür auf und erblickte einen großen Raum mit vier Himmelbetten mit langen, samtroten Vorhängen. Die Koffer waren schon längst nach oben gebracht worden.
Sirius war bereits da und hatte sich den besten Schlafplatz, direkt vor einem Fenster, gesichert.
"Toll", ertönte James' Stimme hinter Remus. Sie triefte vor Zynismus. "Mir bleibt aber auch nichts erspart."
Remus wandte sich um und sah, wie James zu Sirius schaute, die Augenbrauen verärgert zusammengezogen. "Kannste nicht den Raum mit jemandem tauschen?"
Sirius drehte sich zu James um und bedachte ihn mit gelassenem Blick. Doch das Flackern in seinen dunklen Augen verriet seine Unruhe. "Potter", entgegnete er leise, "noch ein Spruch und du wirst dir nie mehr irgendetwas wünschen können."
"Könnt ihr nicht einmal Ruhe geben?", mischte Remus sich ein, während Peter eintrat. "Ihr nervt."
"Was?", kam es empört von James. "Halt du dich da gefälligst raus!"
Remus sah ihn ruhig an. "Ich bin derjenige, der es mit euch beiden im selben Schlafsaal aushalten muss und ich wäre sehr dankbar, wenn ihr euch woanders streiten und duellieren würdet."
Beide Jungen schauten ihn angriffslustig an. ´Na, toll´, dachte Remus, als er erkannte, dass er soeben den Zorn auf sich gezogen hatte, ´das hast du jetzt davon. Halt' doch von nun an deinen Mund und lass' sie streiten, soviel sie wollen´, ermahnte er sich.
Er hob abwehrend die Hände. "Okay, okay. Tut, was ihr nicht lassen könnt, aber lasst mich da raus." Dann stiefelte der dunkelblonde Junge los zu einem der Betten. Es war wirklich besser, wenn er sie ignorierte. Außerdem waren sie ihm beide viel zu arrogant. Das kam ohnehin nicht gut, wenn sie dann sein dunkles Geheimnis herausfänden. Deswegen musste er auch noch zu Dumbledore. Gleich morgen früh, das hatte in seinem Brief gestanden.
Remus hatte eh kaum glauben können, dass der Schulleiter ihm erlaubte, Hogwarts zu besuchen, obwohl er ein Werwolf war. Er war als kleiner Junge gebissen worden und diese Tatsache hatte schließlich auch zur Trennung seiner Eltern geführt. Sie waren mit diesem Druck nicht fertig geworden und hatten ihn an ihrer Ehe ausgelassen. Remus hoffte, Dumbledore hätte einen Plan, wie sie seine Verwandlung geheim halten konnten. Werwölfe waren in der Zaubererwelt nicht angesehen. Sie wurden wie Aussätzige behandelt und im Grunde aus der Gesellschaft verstoßen. Und normalerweise wurden auch keine Werwölfe an Hogwarts geduldet. Die Eltern anderer Schüler würden auf die Barrikaden gehen, wenn sie wüssten...
Remus würde gut daran tun, alles Erdenkliche zu tun, um sein Geheimnis nicht auffliegen zu lassen. Aber das bedeutete auch, dass er keinen Mitschüler zu nahe an sich heranlassen durfte. Denn wenn er hier an der Schule richtige Freunde fand, würden sie mit Sicherheit fragen, warum er immer so kurz vor Vollmond merkwürdig würde und wo er in jener Nacht sei.
Aber er war oberflächliche Freundschaften gewohnt. Seit er gebissen wurde, hatte er alle Kontakte nie so weit vertieft, als das es gefährlich werden konnte. Denn sollten mögliche Freunde es herausfinden, würden sie sowieso nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Wozu also Freundschaften anfangen?
Der stille Junge atmete schwer aus, als er sich für die Nacht fertig machte und sich ins Bett legte.
"Weißt du, Black, ich verabscheue schwarze Magie", hörte er James sagen.
"Habe ich mich nach deinen Vorlieben und Abneigungen erkundigt?", fragte Sirius gelangweilt zurück.
"Und somit", fuhr James fort, Sirius' Bemerkung ignorierend, "hasse ich auch dich. Also, rück' mir nicht auf die Pelle."
Remus schaute flüchtig zu Sirius und nahm erstaunt wahr, wie dieser wie angewurzelt vor seinem Bett stand und James mit erstarrtem Blick aus seinen dunklen Augen fixierte. "Schon klar, Potter. Ein Black kennt nur Dunkle Flüche, kämpft für Reinblütigkeit und kann das Wort ´Freundschaft´ noch nicht einmal buchstabieren, hm?"
Wieder fiel Remus die Bitterkeit in dessen Stimme auf, die er bereits einmal heraus zu hören geglaubt hatte, und diesmal war er sicher, es sich nicht eingebildet zu haben.
Auch James schien verwirrt, denn für einen kurzen Augenblick flackerte Unsicherheit in seinen haselnussbraunen Augen auf. "Ja, so ist es doch, Black", entgegnete er dann schroff.
"Wie einfach du es dir doch machst." Sirius' Augen waren nur noch Halbschlitze.
"Hast du ein Problem damit?", erkundigte sich James lauernd. "Mich wundert sowieso, dass der Sprechende Hut dein Potential an Dunkler Magie nicht wahrgenommen hat. So was fließt doch mit in deinem Blut."
Sirius zog seinen Zauberstab. "Hast du keine Angst, ich könnte einen der Verbotenen Flüche auf dich hetzen!", stieß er laut zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
James zückte den seinen und richtete ihn auf Sirius. "Ich habe keine Angst. Aber nur zu, versuche mich zu verfluchen, Black, wenn du dich traust!"
Man konnte die Jungen sicher schon vom Gemeinschaftsraum aus hören.
"Dir ist schon klar, dass du dann rausgeworfen wirst?", fragte Remus beiläufig und sah Sirius an. Abgesehen davon, dass er ohnehin nicht glaubte, dass Sirius einen der Verbotenen Flüche beherrschte.
"Ich dachte, du wolltest dich aus allem raushalten, Lupin", meinte Sirius kühl, ohne seinen Blick von James zu lösen.
Remus nickte. "Stimmt. Gut, dass du mich daran erinnerst." Er drehte sich in seinem Bett herum, so dass er die beiden Jungen nicht mehr sehen konnte und schloss die Augen.
Es klopfte und jemand trat ein, ohne eine Antwort von den jungen Zauberern abzuwarten.
Remus richtete sich verwundert auf.
Es war McGonagall.
Sie blieb stehen und schnaubte, als sie Sirius und James erblickte, die sich mit den Zauberstäben bedrohten und anfunkelten.
"Was geht hier vor?", verlangte sie mit schneidender Stimme Auskunft.
"Nichts", antwortete Sirius knapp.
"Nichts?", wiederholte McGonagall scharf. "Nach ´nichts´ sieht es nicht gerade aus! Na los, Zauberstäbe weg und ab ins Bett! Und fünf Punkte Abzug für Gryffindor!"
"Aber wir haben uns doch gar nicht duelliert, Professor!", protestierte Sirius. Mit verärgert zusammengezogenen Augebrauen sah er McGonagall an.
Sie blickte streng zurück. "Und wenn ich noch einmal miterlebe, wie ihr zwei euch mit Zauberstäben bedroht, werdet ihr nicht mit nur fünf Punkten Abzug davonkommen! Es gibt Regeln und ich dulde keineswegs, dass Schüler aus meinem Haus diese durchweg verletzen!", drohte sie noch, warf den beiden Jungen vernichtende Blicke zu und stob davon.
Remus seufzte still und ließ sich wieder zurücksinken.
"Olle Schnepfe", murmelte James.
Sirius nickte. Doch dann warf er ihm einen lauernden Blick zu. "Da hast du ja noch mal Glück gehabt, Potter."
"Ich? Du bist derjenige, der noch mal davon gekommen ist. Kannst dich ja bei McGonagall bedanken."
"Na, klar. Eine interessante Sichtweise hast du, Schwachkopf."
"Ich würde gerne schlafen, danke", murmelte Remus von seinem Bett aus.
Die beiden Zauberer schwiegen und hörten doch tatsächlich auf, ihren Streit fortzusetzen.
Remus hörte, wie sie sich hinlegten und sich endlich Stille über den Raum ausbreitete.
Die Betten der beiden lagen gefährlich nahe, aber was sollte es. Ihm, Remus, konnte das doch eh egal sein, solange sie ihn da raus hielten.
xx
James ging alleine runter zum Frühstück in die Große Halle. Der Morgen hatte aufregend angefangen, nachdem der freche Poltergeist Peeves in den Gemeinschaftsräumen der Gryffindors jeden, der müde die Schlafsäle verließ, mit Wasserbomben attackiert hatte. Es war sein Willkommensgruß für die Erstklässler, wie er einer erbosten McGonagall erklärt hatte, und dann war er mit johlendem Gekreische verschwunden.
Auf dem Weg nach unten sprachen ihn zwei Jungen aus seinem Jahrgang an und verwickelten ihn in ein Gespräch.
Offenbar hatte jeder das kleine Duell mit Sirius auf dem Bahnsteig mitbekommen und es gab wohl niemanden, der das nicht "total cool" fand.
James grinste. Ja, da hatte er sich doch glattweg am ersten Tag einen Namen gemacht.
Sie setzten sich am Gryffindortisch hin und James ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Es dauerte nicht lange, bis er an der großen Tür Sirius sah, der soeben von einer kleinen Gruppe von Slytherins aufgehalten worden war.
Sie schienen ein, zwei Jahre älter zu sein und hatten ihm den Weg versperrt. Sie schienen leise und eindringlich auf Sirius einzureden, doch dieser drängte sich an den Slytherins vorbei, bleich im Gesicht, und eilte zu den Gryffindors.
Wieder vermied er es, auch nur eine Sekunde lang zum Slytherintisch herüberzuschauen. James hatte die Stirn gerunzelt, jetzt schob er seine Gedanken diesbezüglich aus seinem Kopf. Wahrscheinlich sind das seine Freunde und sie sind enttäuscht, dass er nicht zu ihnen ins Haus gekommen ist. Er presste die Lippen aufeinander. Geschieht Black ganz recht.
"Schwierigkeiten?", fragte Andromeda, sobald Sirius sich dazu gesetzt hatte. Eine kleine Falte hatte sich zwischen ihren schmalen Augenbrauen gebildet. In ihren großen, grünen Augen lag ein Ausdruck von leichter Sorge und Missbilligung.
Andromeda schien die Szene von vorhin ebenfalls nicht entgangen zu sein und James fand, dass sie sich relativ häufig einmischte und sich erkundigte, in Dingen, die ihren Cousin betrafen - dafür, dass sie die dritte Klasse besuchte und Sirius somit zwei Jahre jünger war.
"Was? Schwierigkeiten?" Sirius lachte kurz und winkte ab. "So ein Unsinn, ich habe nie Schwierigkeiten."
Andromeda warf ihm einen langen Blick zu, der Bände sprach. "Natürlich. Du doch nicht."
Die Stundenblätter wurden verteilt.
"Bist du enttäuscht?", bohrte Andromeda weiter und hatte die Stimme fast zu einem Flüstern gesenkt.
"Ah, gleich habe ich Verteidigung gegen die Dunklen Künste", sagte Sirius, ohne auf Andromedas Frage einzugehen.
Auch James studierte seinen Stundenplan.
"Beantworte meine Frage, Sirius", sagte Andromeda leise.
James schaute unwillkürlich wieder auf. Diesmal konnte Sirius sie ja schlecht ignorieren.
"Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst, Andromeda."
"Oh-oh, da spricht ja einer geschwollen", mischte sich eine feixende, sympathisch klingende Stimme ein.
Es war ein gut aussehender Zauberer in Andromedas Alter, mit schwarzen Rastazöpfen, dunkler Haut und lebendigen braunen Augen. "Dabei kann es sich ja nur um einen Black handeln, nicht wahr?", fuhr er grinsend fort, eine Reihe weißer Zähne entblößend.
"Rick Lee Jordan", stellte Andromeda ihn lächelnd vor. "Bisher unschlagbar in Unruhe stiften und Regeln brechen."
Rick lachte und seine Augen leuchteten. "Na, ich muss zugeben, du scheinst auf dem besten Weg zu sein, Konkurrenz zu werden", neckte er Sirius.
"Du weißt, wovon ich rede", setzte Andromeda ihr Gespräch mit ihrem jüngeren Cousin fort. "Wage es nicht, zu lügen!" In ihren Augen blitzte es temperamentvoll auf.
"Gut. Dann schweige ich", entgegnete Sirius schroff und wandte seinen Blick von ihr ab.
Sie seufzte. "Ach, Sirius. Lass' dir von denen nichts einreden, ja?"
James wusste, dass sie die Slytherins meinte.
Rick stand auf. Mit ihm noch ein blonder Junge. "Kommst du mit, Andromeda? Unsere Sachen holen? Außerdem wollen wir uns na-du-weißt-schon angucken." Er grinste schelmisch.
Das dunkelhaarige Mädchen, welches ebenfalls mit dem Frühstücken fertig war, nickte schmunzelnd, und stand auf. "Wir reden nachher noch, ja?", sagte sie zu Sirius. "Und such keinen Ärger."
"Haha", machte Sirius grienend. "Welch schlechten Eindruck du doch von mir hast, Cousine."
"Hey, ihr zwei", rief eine Stimme über den ganzen Tisch hinweg.
James schaute auf und merkte, dass er und Sirius gemeint waren.
Ein Mädchen winkte ihnen zu, sie hatte ein ovales, freundliches Gesicht und blaue Augen.
"Lasst euch lieber nicht von McGonagall erwischen, wenn ihr Ärger habt", meinte sie lachend. "Sie hat sich gestern schon über euch beschwert."
"Ach ja?", fragte Sirius gelangweilt. "Interessiert mich das?"
Das Mädchen hob belustigt die Augenbrauen. "Nun, interessiert es mich, ob dich es interessiert?"
"Das ist Marlene McKinnon. Schulsprecherin, Alter", meinte ein Junge mit rotblondem Haar, nur ein Jahr älter als Sirius und James.
"Ist nur'n Tipp, Kleiner", fuhr Marlene fort. "Hab' nämlich keine Lust, Leuten aus meinem Haus Punkte abzuziehen." Sie seufzte und zog die Nase kraus.
Ein Junge mit dunklem Haar und liebenswürdigen Ausdruck in den Augen, der neben ihr saß, lachte. Auch er schien im siebten Schuljahr zu sein. "Tu es einfach nicht. Wetten, Malfoy wird schon genug Gründe finden, es bei uns Gryffindors zu tun?"
Marlene stimmte in sein Lachen ein, doch dann zog sie die Augenbrauen zusammen. "Das soll er mal wagen..."
James hörte nicht mehr zu, sondern lenkte seinen Blick wieder auf den Stundenplan.
xx
Remus trat in Dumbledores Büro ein. "Hallo." Verstohlen sah er sich im runden Zimmer um.
Der Schulleiter saß hinter seinem Schreibtisch und schaute auf den dunkelblonden Jungen mit den hellbraunen Augen, die ungewöhnlich golden schimmerten.
"Ah, unser junger Remus", lächelte er und seine blauen Augen glitzerten. "Setzen Sie sich doch." Er wies auf einen Sessel vor seinem Schreibtisch.
Remus tat, was ihm geheißen und legte die Hände in seinen Schoß. Nervös schaute er kurz aus dem Fenster hinter Dumbledore hinaus und sah, wie sich die rötliche Morgensonne aufmachte, den Horizont zu erobern. Dann sah er den Zauberer an.
"Vielen Dank, dass Sie mich aufgenommen haben, Professor", sagte er aufrichtig. Leise Selbstzweifel lagen in seiner Stimme.
Dumbledore lächelte gütig. "Das habe ich gern gemacht, Mr Lupin. Und ich habe auch schon einen Plan, wie wir es vor den anderen geheim halten können."
Remus wurde neugierig. "Und wie?"
"Nun, hast du schon mal von Hogsmeade gehört?", fragte Dumbledore.
Remus nickte. Seine Mutter hatte ihm mal irgendwann davon erzählt. "Ja. Das Dorf in der Nähe der Schule. Es heißt, es sei das einzige Fleckchen Englands, welches nicht von Muggeln bewohnt ist."
Dumbledore nickte. "Richtig. Und dort befindet sich eine einsame, verlassene Hütte. Sie befindet sich abseits und ich habe sie verschlossen. Dort werden Sie verweilen, wenn Sie sich zum Werwolf verwandeln. Ich denke, so werden Sie niemanden gefährden und werden selbst nicht gefährdet."
Remus nickte, erleichtert, weil es einen Plan gab, und bedrückt, weil er nie gerne darüber sprach. Diese Verwandlung war sehr schmerzhaft und erdrückende Gefühle wie Einsamkeit folgten danach.
"Ich denke, Sie wissen selber, dass niemand davon erfahren soll."
Remus nickte. Natürlich wusste er es. Er lächelte schief. "Es liegt wohl in meinem Interesse, nichts von meinem Geheimnis zu verraten."
Dumbledore nickte leicht. "Gut. Madam Pomfrey wird Ihnen gleich den Weg zur Hütte zeigen. Wir haben mit Professor McGonagall einen Geheimgang gezaubert, der direkt von der Peitschenden Weide dorthin führt. Am Baum muss man einen Knotenpunkt berühren, damit man nicht erschlagen wird. Madam Pomfrey wird Ihnen zeigen, wie das geht. Sie wird Sie auch immer hinausschmuggeln, wenn es soweit ist." Er machte eine kurze Pause. "Haben Sie noch Fragen?"
Remus schüttelte den Kopf und stand auf. "Danke."
"Und wann immer etwas ist... kommen Sie jederzeit zu mir, Mr Lupin." Dumbledore lächelte freundlich.
Remus nickte beklommen. Er wusste, er würde es ja doch nicht tun. Er wollte niemandem weiter zur Last fallen und fand, dass er es schon genug tat, weil er ein Werwolf war.
xx
Sirius saß im Klassenzimmer in den Slytherinräumen in der letzten Reihe. Dummerweise saß James neben ihm. Sie hatten Verteidigung gegen die Dunklen Künste mit den Slytherins zusammen und der Hauslehrer jener unterrichtete sie darin.
Es war ein dunkelhaariger Mann mit dem Namen Moody, Bruder des berühmten Aurors Alastor Moody. Seine stechenden, kastanienbraunen Augen schweiften über seine Schüler, während er mit strenger Stimme erzählte.
Remus war mit einiger Verspätung erschienen, doch der Professor hatte nichts gesagt, sondern ihn nur mit kühlem Blick zugenickt.
"Hoffe, wir machen das, was er erzählt, auch in der Praxis", murmelte ein strohblonder Junge mit dem Namen Jake Finch.
"Na, klar, steht doch vollkommen außer Frage", raunte Sirius. Er warf James einen spöttischen Blick zu. "Obwohl es zu schade wäre, wenn du lerntest, wie man sich darin verteidigt."
James feixte. "Und du hättest wohl am liebsten, wenn sich das Fach ´Anwendung dunkler Künste´ nennen würde, du Deppenhirn."
Sirius zog eine finstere Miene. "Na, immerhin habe ich ein Hirn. Ganz im Gegensatz zu dir, Hohlkopf."
"Vollidiot."
Sie steigerten sich immer weiter rein, und erfanden eine Menge unschmeichelhafter Namen, die sie sich gegenseitig an den Kopf warfen, leise, so dass es nur die Schüler, die eine Reihe vor ihnen saßen, mitbekamen.
Diese versuchten erfolglos, ihr Kichern zu unterdrücken.
"Dürfte ich erfahren, was so unterhaltsam ist?", drang Moodys Stimme durch den Raum.
"Ähm", machte Jake schnell. "Nichts, Professor."
"Nichts, hm", wiederholte Moody in einem Ton, der klar machte, dass er Jake nicht glaubte.
Es wurde still, doch weder Sirius, noch James merkten es.
Sie dachten sich gerade besonders geistreiche Schimpfwörter aus, so dass einige zu lachen begannen, und erst jetzt stoppten sie.
Sirius bekam mit, dass Moody sie anstarrte und schaute nach vorne. Aus den Augenwinkeln sah er, dass James es ihm nachtat.
"Hallo", sagte Sirius, betont lässig und lächelte harmlos. Er hatte rasch jene unschuldige Miene aufgesetzt, die oft ziemlich glaubwürdig wirkte.
Moody hob eine Augenbraue. "Zehn Punkte Abzug für Gryffindor", entgegnete er und amte Sirius lässigen Ton vortrefflich nach.
"Aber Professor!", fing Sirius sofort an, sich zu verteidigen. "Warum?"
"Wir haben doch gar nichts gemacht!", bekam er Unterstützung von James.
"Black, Potter, und noch einmal zehn Punkte Abzug für Lügen und das In-Frage-stellen meiner Entscheidungen." Moody fand offensichtlich Gefallen daran, ihnen die Punkte abzuziehen.
Die Slytherins grinsten höhnisch.
"Tja, Black, wärst mal bei uns gelandet. Dann würdest du zu dem Haus gehören, welches Pokalsieger wird", behauptete einer von ihnen.
Sirius wollte etwas darauf erwidern, doch Remus, der auf seiner anderen Seite saß, packte ihn am Arm. "Sei still, sonst verlieren wir noch mehr Punkte!", zischte er.
Der dunkelhaarige Junge biss sich auf die Zunge, um seine Bemerkung runterzuschlucken und tat, was Remus ihm geraten hatte.
"Keine Sorge, Black", hörte er James' leise Stimme neben sich. "Das setzen wir einfach nach dem Unterricht fort."
Sirius grinste höhnisch. "Worauf du dich verlassen kannst, Potter."
xx
Als nächstes folgte Verwandlung bei McGonagall.
Die Gryffindors warteten auf dem Flur, der von ihrem Stimmengewirr erfüllt war.
James stand bei Jake und zwei anderen Jungen und unterhielt sich mit ihnen, als sein Blick auf Sirius fiel, der nicht weit von ihm bei einer kleinen Gruppe stand.
Dieser schaute zurück. Spott lauerte in seinen Augen. "Na, was ist?", rief er dann zu James herüber.
Auf den Spruch hatte James nur gewartet. "´Ne Fortsetzung gefällig, Black? Oder machste jetzt doch ´nen Rückzieher?", höhnte er.
Es wurde still auf dem Flur. Alle schauten wie gebannt zu, als die beiden Jungen sich von ihren Gruppen lösten und aufeinander zutraten.
"Ein Duell?", erkundigte sich Sirius leise.
James erinnerte sich an McGonagalls Worte. Doch gerade ihr Verbot machte es verlockend, den Zauberstab zu ziehen und ihn auf Sirius zu richten.
"Wenn du vor den ganzen Gryffindors eine Niederlage erleiden willst, Black, nur zu", gab er spottend zurück.
"Und du hast immer noch keine Angst, dass ich einen dunklen Fluch auf dich jagen könnte?", fragte Sirius bissig. In seinen Augen loderte Wut.
James' Blick brannte. Es gab etwas, was er bis auf den Tod nicht ausstehen konnte: schwarze Magie. Und Sirius schleuderte ihm einfach ins Gesicht, dass er diese Kunst beherrschte. Er ballte seine Hände zu Fäusten und starrte Sirius an.
Und dann, ehe er auch nur eine Sekunde lang darüber nachgedacht hatte, hatte er seine rechte Faust in Sirius' Magen gerammt.
Ein paar Mädchen schrieen auf.
"Yeah, Kloppe!", rief ein Junge begeistert.
Sirius keuchte auf und krümmte sich. Sein Atem ging unregelmäßig.
"Ich habe keine Angst vor dir, Black", zischte James.
Der andere richtete sich auf und boxte James ohne Vorwarnung ins Gesicht.
Dieser taumelte zurück und spürte, wie etwas Warmes aus seiner Nase lief. Kurze Zeit später schmeckte er Blut.
Und dann gingen sie aufeinander los. Blind vor Wut prügelten sie sich auf dem Flur, angefeuert von einigen Gryffindors.
Ein paar versuchten vergeblich, die beiden auseinander zu ziehen und zogen sich zurück, als sie aus Versehen etwas abbekamen.
"WAS IST DENN HIER LOS!", rief jemand plötzlich mit solch' scharfer Stimme, dass sie die Luft durchschnitt.
Die Gryffindors prallten auseinander, nicht jedoch James und Sirius. Sie lagen inzwischen auf dem Boden und schlugen weiter auf sich ein.
Und plötzlich ergoss sich ein gewaltiger Schub kaltes Wasser über sie.
James zuckte zusammen und erstarrte. Er schaute auf - und stöhnte unterdrückt, als er eine erboste McGonagall vor sich stehen sah. Sie schnappte zornig nach Luft und hielt ihren Zauberstab in der Hand, den sie nun wegsteckte. Sie beugte sich herab, packte James am einen Arm, Sirius am anderen und zog sie beide brutal in die Höhe.
"WAS SOLLTE DAS DENN? SEID IHR NOCH BEI VERSTAND?", polterte sie auch schon los. "DAS WIRD EIN NACHSPIEL HABEN, JUNGS, DARAUF KÖNNT IHR EUCH VERLASSEN!"
"Aber warum denn?", empörte Sirius sich und wischte sich mit dem linken Ärmel das Blut von der Nase. "Wir haben uns nicht mit Zauberstäben bedroht, das war es doch, was Sie uns verboten hatten."
"Genau!", pflichtete James ihm bei, "Von Kloppen haben Sie gar nichts gesagt!"
McGonagall starrte die beiden im ersten Augenblick perplex an. Dann funkelten ihre Augen wütend auf. "Das gibt's doch nicht! So viel Frechheit ist mir noch nie untergekommen!" Sie begann, die beiden Jungen mit sich zu zerren. "Glauben Sie etwa, Sie können die Regeln nach ihrem Sinn bilden?" Sie schaute kurz zu den anderen Gryffindors. "Ihr wartet in der Klasse auf mich! Und wagt es nicht, auch nur daran zu denken, Unsinn anzustellen!"
"Wohin bringen Sie uns?", fragte James. Er merkte, wie sein rechtes Auge zuzuschwellen begann. Seine Lippe brannte und seine Nase blutete. Sirius sah allerdings nicht besser aus, stellte er mit einem zufriedenen Blick auf seinen Rivalen fest.
"Sie täten besser, zu schweigen, Potter!", lautete die zischende Antwort.
McGonagall hatte seinen Arm schraubstockartig umklammert und zerrte die beiden unsanft in die Krankenstation.
"Du meine Güte", erschallte auch schon eine Stimme von einer kleinen Hexe. "Prügelei, hm", stellte sie fest.
"Kümmern Sie sich darum, Pomfrey?", fragte McGonagall. "Aber heilen Sie die Wunden nicht. Das soll den beiden eine Lehre sein." Sie stieß James und Sirius grob ins helle Zimmer herein, so dass sie beide stolperten.
James wandte sich zu ihr noch mal um und war sofort mit einem vernichtenden Blick konfrontiert. "Das gibt vierzig Punkte Abzug für Gryffindor! Und zwar für jeden von euch!"
"Achtzig?", ertönte Sirius aufgebrachte Stimme. "Professor, das ist ungerecht und gemein! Sie können Ihre Wut nicht an uns auslassen und - "
"Und noch mal fünf Punkte Abzug, Black", fauchte McGonagall. "Sie beide kommen sofort hiernach in meinen Unterricht und danach will ich sie in meinem Büro sehen!"
Sie drehte sich um und rauschte davon.
James warf einen Blick auf Sirius, der ihr trotzig hinterher starrte.
Dann zog Madam Pomfrey sie beide mit sich, wusch ihnen das Blut aus dem Gesicht und zauberte kalte Lappen herbei, die sie ihnen auf die Wunden legte. Sie musterte beide mit kritischem Blick. "Tja, mehr kann ich nicht für euch tun. Ihr habt Professor McGonagall ja gehört..."
James grummelte und stand auf. Ohne auf Sirius zu warten, ging er wieder hinaus, zurück zum Verwandlungszimmer.
xx
"Ich werde Sie beide eine Woche lang nachsitzen lassen!" McGonagalls Stimme klang scharf und Sirius tat gut daran, zu schweigen, als er ihren lodernden Blick sah.
"Außerdem werden Sie einen Abend Hagrid bei der Arbeit behilflich zu sein!"
"Das sehe ich nicht ein!", protestierte Sirius nun doch. Mit zusammengezogenen Brauen warf er McGonagall einen verärgerten Blick zu. "Das ist nicht vorgesehen, einem Wildhüter bei seinen Arbeiten zu helfen!"
"Black, an Ihrer Stelle sollten Sie ihre Arroganz zurückhalten", entgegnete McGonagall kühl und streng. "Wir sind nicht bei Ihnen zu Hause, wo sie scheinbar tun und lassen können, was immer Ihnen in den Sinn kommt, sondern hier in Hogwarts. Und ich lege Ihnen jede Strafe auf, die ich für angemessen halte! Aber Sie können sich ruhig bei Ihren Eltern beschweren."
Sirius biss sich auf seine Unterlippe und schaute trotzig drein. Das würde er ganz sicher nicht tun, er kam alleine klar! Seine dunklen, kurzen Haare fielen ihm wie immer in die Augen, doch es störte ihn nicht.
"Und kommt es noch einmal zu einer Auseinandersetzung, werden Sie mit Sicherheit nicht so glimpflich davonkommen!"
"Ach nein?", fragte James angriffslustig. Auch er hatte eine trotzige Miene aufgesetzt. "Was denn dann? Schulverweis?"
McGonagall sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. "Gut möglich, Potter. Gut möglich."
A/N:
DANKE an Molly, die meine Story auf ihrer Homepage hochgeladen hat: mitglied.lycos.de/darkmolly/ (http (ohne www.) vorsetzen, irgendwie nimmt der das bei mir nicht an :( )
Daaaaanke für die bisherigen Reviews!
Zu Lily noch mal: ich habe sie bei mir jetzt ein Jahr jünger gemacht, weil, wie ich schon schrieb, ich mir nicht vorstellen kann, dass dann im 7. Schuljahr 2 Schulsprecher aus dem selben Haus sind. Außerdem sieht Harry sie in Band 5 in Snapes Erinnerungsflash sie auch gar nicht bei den Prüfungen. Zu Lucius: in Band 5 ist er 41, also müsste er 1970/71 der Siebten sein? Na ja, hoffe, ich habe mich da nicht verkalkuliert, ansonsten ist's auch nicht so schlimm. Weil, bei mir ist er jetzt einfach in der Siebten und Schulsprecher grins. Bellatrix müsste die Älteste sein, dann müsste Andromeda folgen und Narcissa müsste die Jüngste sein. Ich habe mich entschieden, dass Bellatrix im Jahre 1970/71 in der 4. ist, Andromeda in der 3. und Narcissa in der 2 sind. Regulus ist ja etwas jünger als Sirius, ich werde ihn ein Jahr jünger machen. :)
So, hier ein kleiner Spoiler zum nächsten Kapitel: James und Remus kriegen etwas mit, was James seehr nachdenklich stimmen wird.
