Rückwärts in die Dunkelheit
Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?
- die letzten Worte eines Sterbenden.
4. Kapitel
Im Verbotenen Wald
"Den wahren Freund
erkennt man in der Not."
- Cicero
Sirius und James folgten schweigend Hausmeister Filch, der sie über die Ländereien zu Hagrids Hütte führte.
Es war dunkel und der Halbmond tauchte die Umgebung in silbrigweißes Licht. Die Sterne schienen matt, aber glitzernd herab und bildeten ein Perlennetz am blauschwarzen Himmel. Es war ruhig, nur eine sanfte Spätsommerbrise wehte umher und spielte mit den Blättern an den Bäumen, so dass sich hin und wieder sanftes Rascheln durch die Stille zu ihnen herüberbahnte. Zwei Eulen flogen über sie hinweg und ihr beruhigendes Flügelschlagen war deutlich zu hören.
Sirius hatte in der Tat bis kurz vor zehn geschlafen und mit einem Stärkungstrank seiner Cousine befand er sich wieder einigermaßen gut. Doch er wusste, dass er sich morgen wie zerschlagen fühlen würde und er fragte sich lieber nicht, wie er es schaffen sollte, aus dem Bett zu kommen.
"Aufhängen sollte man euch", führte Filch gerade Selbstgespräche. "Mit den Beinen zuerst. Und am besten noch die Bäuche aufschlitzen und auspeitschen. Das sind die einzigen Mittel, euch Lümmel unter Kontrolle zu halten!"
"Sie verlieren Ihren Job, wenn Sie das in die Tat umsetzen ", meinte Sirius leichthin. Er nahm den Mann keineswegs ernst.
Filch drehte sich herum und warf dem Jungen einen bösartigen Blick zu. "Halt' dich zurück, Bürschchen, ich habe dich und deinen rotzfrechen Freund im Auge. Oh ja!"
Sirius sah, wie James das Gesicht zu Filchs Miene verzog und tat, als würde er ihn nachäffen, und er fing an, unwillkürlich zu lachen.
Doch dann fiel ihm ein, dass er gerade über einen Witz von Potter lachte und er hörte schlagartig damit auf. Nur, weil James heute Abend versucht hatte, einen auf Held zu machen, um ihn aus seiner unglücklichen Misere zu ziehen, hieß das noch lange nicht, dass sie Freunde waren!
Hagrid, bärtig und ein Koloss, aber mit leuchtenden, braunen Augen, die nie still zu stehen schienen, wartete bereits vor seiner Hütte. "Aah, da sin'se ja, unsere Unheilstifter", begrüßte er sie lachend. Er hatte eine tiefe, gutmütige Stimme. "Der zweite Tag für euch und schon Strafarbeiten?" Er gluckste. "Ich glaube, damit habt ihr eindeutig einen Rekord aufgestellt."
Sirius grinste stolz. "Ja, das ist nicht schlecht, heh?"
Filchs Kopf ruckte in seine Richtung. "Nicht schlecht?", wiederholte er knurrend. "Junge, wenn ich euch auch nur ein einziges Mal beim Ärger machen erwische, seid ihr dran!"
"Na, na, Filch", meinte Hagrid beruhigend. "Dafür sin' die Hauslehrer da."
"Zu schade", stieß Filch verärgert hervor. "Ich hoffe, sie verrecken im Wald!" Dann drehte er sich um und stapfte wütend zur Burg zurück.
"Ah, nehmt den nich' ernst", sagte Hagrid. "Der mag nieman'n, der Schüler auf Hogwarts ist."
"Was werden wir im Verbotenen Wald machen müssen?", wechselte James das Thema und sah Hagrid neugierig an.
"Dich aussetzen, Potter", griente Sirius und fing sich einen bösen Blick von James ein.
"Ich dachte, wir liefern dich als Futter für die Monster aus, die dort hausen", entgegnete der Junge mit den wild abstehenden Haaren.
"Tja, da hast du dich geirrt." Schwarze Augen starrten in haselnussbraune und die Luft schien kurz davor, Feuer zu fangen.
"Jungs", warf Hagrid beschwichtigend ein und verhinderte, dass die Atmosphäre anfing zu brennen. "Hier wird nich' gestritt'n. Wir... wir suchen Schlangenkräuter."
"Schlangen-was?"
"Schlangenkräuter, du hohle Nuss", antwortete James für Hagrid und grinste spöttisch. "Hört sich... interessant an."
Hagrid winkte ab. "Ah, das is' einfach so ein Kräuterzeuch, welches sich anfühlt wie Schlangenhaut. Dürfte auch nich' so lange dauern." Hagrid grinste unbekümmert, stiefelte los und die beiden Jungen folgten ihm.
"Weißt du, ich glaube dir nicht", sagte Sirius gelassen, während er auf Hagrids riesigen Rücken starrte.
Er merkte, wie James ihn ansah und kein bisschen überrascht schien. Offensichtlich glaubte er dem Wildhüter genauso wenig.
"Die Sache mit den Schlangenkräutern, stimmt's?", meinte er auch schon.
Sirius nickte.
Hagrid war stehen geblieben und warf den Jungen einen nervösen Blick zu. "N-natürlich stimmt das!" Sein Blick flackerte leicht, so, als sei er ertappt worden.
Sirius lächelte still. "Mag sein, aber das ist nie im Leben der wahre Grund, warum wir in den Wald gehen." Er sah Hagrid herausfordernd an.
"Ah ja? Und was glaubt der junge Black, warum wir in'n Wald gehn?"
"Keine Ahnung. Um Potter loszuwerden. Aber Schlangenkräuter kann man auch tagsüber suchen", antwortete Sirius schelmisch.
"Sie zu suchen ist kein Grund, abends loszugehen, wenn es dunkel geworden ist", fügte James herabblassend hinzu. "Und ich schätze, wir übergeben Black einem Anti-Black-Monster, der ihn mit einem Haps verschlingen wird. Sozusagen als Opfergabe."
Hagrid starrte die beiden Jungen an und schaffte es keineswegs, seine Nervosität zu verbergen. "So'n Quatsch." Die stichelnden Kommentare der zwei ignorierte er. "Kommt jetzt weiter."
Er wandte sich wieder um und strebte einen kleinen, dunklen Pfad an, der direkt in den Verbotenen Wald führte. Die Bäume erhoben sich groß und schlank, nahezu schwarz, während sie in das mystischsilbrige Licht des Mondes eingetaucht waren, der vom indigoblauen Himmel herab schien. Nebelschwaden krochen am Boden entlang und verliehen dem Wald etwas Gefährliches.
"Un' jetzt seid leise", zischelte Hagrid. "Wenn ihr was Auffälliges bemerkt, sagt es mir sofort. Besser, wir trennen uns nich'."
"Was suchst du wirklich, Mann?", fragte James eindringlich.
"Sag' es uns doch ruhig, dann können wir dir helfen", unterstützte Sirius den Jungen, während er auf Hagrids riesigen Rücken starrte.
--
Hagrid seufzte und blieb stehen. "Also gut, also gut. Wir suchen einen Zentauren."
"Wow!"
"Cool!"
Hagrid sah, wie die Gesichter der beiden Jungen anfingen, vor Aufregung zu glühen. "Ich hab' heute Morgen Blutspuren gesehn und glaub', er muss hier irgendwo sein. Vielleicht wurd' er ja auch schon von seiner Herde aufgesammelt."
"Warum hast du das dann mit dem Schlangenkraut gesagt?", erkundigte sich Sirius perplex.
Hagrid bedachte den Jungen mit einem Blick. Ihm waren die dunklen Ringe unter dessen Augen und der müde Ausdruck aufgefallen, doch da auch James Kennzeichen einer Prügelei aufwies, schrieb er es auf deren Rangelei ab, durch die sich die beiden die Strafarbeiten zugezogen hatten. "Ich führe hier nur Befehle aus", meinte er achselzuckend. Dann grinste er kurz. "Kommt weiter. Hoffe, wir find'n den Zentauren. Sind interessante Wesen, schade, dass sie mit uns Menschen nichts zu tun hab'n woll'n."
Sie gingen weiter. Hin und wieder erschallten vereinzelte Jagdrufe von Tieren zu ihnen herüber, aber keiner schien so nahe, als das es gefährlich werden könnte.
Und schließlich fanden sie ihn.
Er lag auf einer kleinen Anhöhe, die zu einer Lichtung führte, auf der Seite und sein Brustkorb hob und senkte sich sehr matt. Das fahle Mondlicht tauchte ihn in einen silbrigen Schimmer ein, so mysteriös, als ob das Wesen nicht von dieser Welt wäre.
Hagrid eilte zu ihm hin. "Firenze!", rief er erstaunt und besorgt aus. "Firenze, kannst du mich hören?"
Der weißblonde Zentaur lächelte müde. Er schien sehr jung. Bis zur Hüfte war er ein Mann, und darunter hatte er den glänzenden Pferdekörper eines Palominos. "So laut wie du bist, Hagrid, wäre es ein Wunder, wenn ich es nicht täte."
Hagrid hörte ein unterdrücktes Kichern der Jungen und grinste erleichtert. "Dir geht's gut? Was ist mit dir?"
Firenze richtete sich mühsam auf, so dass er saß. Blut sickerte aus einer klaffenden Wunde an seiner Brust heraus. Er hatte eindrucksvoll blaue Augen, wie blasse Saphire. "Ein kurzer Kampf. Doch sie sind geflohen."
"Wer?" Hagrid sah Firenze gespannt an.
"Düstere Gestalten. Zauberer. In schwarzen Umhängen und die Gesichter unter weiten, spitzen Kapuzen verborgen." Ein ernster Ausdruck lag in seinem Blick.
"Die Knights of Walpurgis", hörte Hagrid Sirius erstaunt flüstern und er fuhr zu ihm herum. "Was?", herrschte er den Jungen scharf an. "Was hast du da gesagt?"
"Nichts", entgegnete Sirius ausdruckslos und mied hastig Hagrids Blick.
Er starrte auf den blassen Jungen, der stur den Zentauren ansah und gerade dabei war, eine solch' unschuldige Miene aufzusetzen, dass dem Wildhüter von vornherein klar war, dass sie gelogen war. Hagrid schnaubte.
Dann wandte er sich wieder dem Zentauren zu. "Warum haben sie dich angegriffen?"
"Sie haben den Ort der Prophezeiung gesucht", entgegnete Firenze ruhig. "Sie wollten von mir wissen, wo er sich befindet, doch ich habe mich geweigert, es ihnen zu verraten. Dann haben sie mich angegriffen, aber ich habe sie in die Flucht schlagen können."
"Was ist das für ein Ort?", wollte Sirius wissen. Er klang aufgeregt und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er und James hatten sich mittlerweile auf den Waldboden gesetzt.
"Wer seid ihr eigentlich?", fragte Firenze zurück. "Seid ihr von der Schule oben?"
James nickte. "Ja. Seit vorgestern. Ich bin James Potter."
"Sirius Black."
Firenze sah die beiden Jungen aufmerksam an. "Und was hat euch heute in den Wald geführt? Ist er nicht für euch Schüler verboten?"
"Schon", fing Sirius an. "Aber diesmal hat man uns hingeschickt."
"Die zwei haben sich geprügelt", fügte Hagrid erklärend hinzu und warf den beiden Jungen einen langen Blick zu. Wie vortrefflich sie sich doch um diese Tatsache herumgeredet haben. "Und nun müssen sie mir zur Strafe heute Nacht helfen."
Firenze lachte leise. Doch in seinen großen Augen lag plötzlich ein nachdenklicher Ausdruck. "Interessant. Zwei Jungen, erst Feinde, dann Freunde..."
"Wir sind keine Freunde!", riefen James und Sirius gleichzeitig und verärgert.
Hagrid verdrehte die Augen, doch er schmunzelte. "So hitzig?" Dann sah er wieder Firenze an und eine kleine Falte erschien auf seiner Stirn. Ihm gefiel es ganz und gar nicht, was der Zentaur ihm erzählt hatte. "Warum haben sie den Ort gesucht?" Was wollten solche dunklen Zauberer hier, die noch nicht einmal davor zurückschreckten, einen Zentauren anzugreifen? Was ist bloß so wichtig an der Vorhersage?
Der Zentaur sah den Wildhüter aus halbgeschlossenen Augenlidern an und Hagrid wusste, dass er keine klare Antwort erhalten würde. "Ich weiß es nicht, Hagrid", antwortete er mit weicher Stimme. Wehmut war deutlich rauszuhören. "Aber der Mars wird in den kommenden Jahren sehr hell."
"Und, das heißt?", erkundigte Sirius sich schnell.
Hagrid warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Der Junge sah Firenze erwartungsvoll an. In seinen schwarzen lebendigen Augen spiegelte sich das blauweiße Sternenlicht wider und ließ sie durchsichtiger wirken. Seine helle Haut war in den milchigblassen Schimmer des Mondes eingetaucht, als ob sie von innen heraus von einem Leuchten erfüllt war, so dass seine aristokratischen Gesichtszüge markant hervorstachen. Wie die scharfen Kanten eines Edelsteines.
"Im vergangenen Jahrzehnt deuteten die Zeichen darauf, dass die Zaubererschaft einen Krieg erleben wird. Mars, der Schlachtenbringer, wird erahnen lassen, wann es soweit ist. Und es ist bald soweit. Wenn der Mars am hellsten leuchtet, wird der Kampf ausbrechen."
"Also stehen uns kriegerische Zeiten bevor?" James piff beeindruckt durch die Zähne.
"Wie bald?", fragte Sirius gespannt.
"Den Zeitpunkt können wir Zentauren nur versuchen, herauszufinden... man muss dazu gewisse Kräuter und Blätter verbrennen und die Flammen und den Rauch beobachten." Firenze seufzte. "Doch selbst unsere Deutungen sind oftmals falsch."
"Aber was hat das mit der Prophezeiung zu tun?" Sirius hatte die Stirn gerunzelt. "Was steht da drin?"
"Das darf ich nicht sagen..." In Firenzes saphirblauen Augen lag sanfte Traurigkeit, als er die beiden Jungen anschaute.
Hagrid merkte es und fragte sich unwillkürlich, was dieser Ausdruck zu bedeuten hatte.
"Ach, komm' schon, Firenze! Sag' schon!"
"Ja, stell' dich nicht so an, sag' schon, sag' schon!"
"Sag', sag', saaaaaag'!"
"Schluss jetzt!", mischte sich Hagrid energisch ein. Die beiden Jungen konnten wirklich nerven. "Ihr habt g'hört, was er g'sagt hat."
"Nö." James riss gespielt verwirrt die Augen auf. "Was denn? Außer nebulöses Zeug?"
Sirius grinste.
"Wie wäre es, wenn ihr ein wenig die Umgebung nach Spuren durchforstet?", schlug Hagrid vor. Und ohne eine Antwort abzuwarten, zerrte er die zwei in die Höhe, drückte ihnen Leuchtraketen für alle Fälle in die Hand und scheuchte sie fort. "Geht aber nich' zu weit! Und achtet auf Spuren. Ich rede derweil mit Firenze."
--
Sirius und James entfernten sich, erst maulend, dann schweigend.
Doch sobald sie außer Sicht- und Hörweite von Hagrid waren, wurde Sirius, ehe er es sich versah, von James am Kragen gepackt und mit dem Rücken brutal gegen den nächsten Baum geschleudert.
Leuchtraketen flogen ihm aus den Händen und Sirius' Hinterkopf prallte hart gegen den Baumstamm. Er spürte, wie die von Marlene geheilte Platzwunde wieder aufriss und keuchte unterdrückt auf, während sein Blick flackerte. Ihm schwindelte und für einen Augenblick lang war er versucht, sich der wohltuenden Schwärze hinzugeben, die sich aufmachte, um über sein Bewusstsein zu herrschen.
Doch James hinderte ihn daran, indem er ihn schüttelte. Er sagte etwas, doch Sirius war noch viel zu sehr damit beschäftigt, die Schwärze zu verdrängen.
Als er seine Situation realisierte, schnellten seine Hände nach oben und er umschloss James' Handgelenke, um sich aus dem Griff zu befreien. "Verdammt, Potter, was soll das?", presste er wütend, aber benommen hervor.
"´Knights of Walpurgis´?", wiederholte James seine Worte von vorhin. Er klang erbost. "Was weißt du über sie?"
"Ich-- "
"Antworte! Ich gebe dir keine Zeit, dir Lügen auszudenken!" James presste Sirius grob gegen den Baumstamm und fing an, Sirius wieder zu schütteln.
Dieser las Zorn in dessen haselnussbraunen Augen, die dadurch viel dunkler wirkten.
"Lass' mich los, Mann! Potter, lass' mich los!" Vergeblich versuchte er sich zu befreien, doch er war viel zu benommen. Er spürte, wie warmes Blut von der Wunde am Hinterkopf an seinem Nacken hinabtröpfelte. Hass stieg in ihm auf und er wünschte sich, einfach nur per Gedanken diesen dreisten Jungen verfluchen zu können.
"Antworte! Ich lasse dich nicht eher los, ehe du es mir erzählt hast!"
Sirius wollte gerade etwas entgegnen, als er plötzlich menschenähnliche Schatten sah, die hinter den Bäumen hinter James vorbeihuschten, die vorher eindeutig nicht da gewesen waren.
Er riss die Augen auf. Die Wut war wie verraucht. "Ssh", machte er hastig. Das konnte doch nicht wahr sein...
"Was?" James' Augen verengten sich. "Keine Tricks, Black!"
"Verdammt, Potter!" Endlich schaffte Sirius es, sich in einem Akt der Verzweiflung und Aufgebrachtheit loszureißen. Er packte den verblüfften James und zerrte ihn mit sich. Er umrundete den Baum, hinter dem sie sich dann verbargen.
"Still!", zischte Sirius angespannt. "Da ist jemand." Für ihn gab es keine Zweifel. Das mussten sie sein.
"Wer?", wisperte James verwirrt zurück.
Sirius wandte seinen Blick nicht von den Gestalten ab. "Übrigens, Potter, das von gerade kriegst du zurück!"
"Uh, ich zittere schon vor Angst. Nun sag'. Wer soll wo sein?"
Sirius antwortete nicht, sondern starrte angestrengt in die Dunkelheit. Er merkte, wie James seinem Blick folgte und eine Sekunde später die kalte Nachtluft scharf einsog. Auch er musste sie gesehen haben...
In den vom Mond erhellten Nebelschwaden konnte er die Schatten erkennen, die sich weiter vorne zwischen den Bäumen regten. Er sah die Konturen der spitzen Kapuzen, die sie aufgesetzt hatten. Sie waren noch zu weit entfernt, als dass sie die Jungen gesehen haben konnten und um eine Gefahr darzustellen, dessen war Sirius sich sicher. Doch sie kamen eindeutig näher. Was sollten sie tun? Wegrennen? Oder lieber im Versteck ausharren, um zu schauen, wer sie waren... Der letzte Gedanke war entschieden mehr nach Sirius' Geschmack, also packte er James am Arm, zischte "Komm', ins Gebüsch" und zerrte ihn schon mit ins Gestrüpp.
James protestierte nicht.
Dornen stachen ihnen ins Gesicht, doch das störte Sirius in keiner Weise. Sie hockten sich hin und warteten.
Die Schatten kamen immer näher und langsam wurden sie zu scharfen, dunklen Umrissen. Gestalten in schwarzen, langen Umhängen, deren Gesichter unter weite, spitze Kapuzen verborgen.
Also, doch. Firenzes Angreifer. Die Knights of Walpurgis, schoss es Sirius durch den immer noch pochenden Kopf und er spürte, wie sein Herz anfing, vor Aufregung schneller zu schlagen.
"Das sind sie...", hörte er James neben sich murmeln, "Das sind sie, nicht wahr?"
"Ja." Obwohl Sirius' Stimme nicht mehr als ein Wispern war, lag pure Ausdruckslosigkeit darin. "Hab' gehört, sie fressen Jungs wie dich." Den Spruch hatte er sich einfach nicht verkneifen können.
"Sehr witzig", flüsterte James zischend zurück. "Warum legst du deinen schwarzen Umhang nicht um und folgst ihnen? Gleich und gleich gesellt sich gern."
Sirius hob erstaunt und misstrauisch die Augenbrauen. Er war sowieso über James' Reaktion überrascht gewesen, als er ihn gegen den Baum geschleudert hatte, denn sie war zu heftig, als dass er nichts über diese Walpurgisritter wissen konnte. Doch normalerweise wusste auch niemand von ihnen. Niemand. Außer, man gehörte einer urschwarzmagischen Familie an. Und das tat James nicht. Die Potters waren nicht wirklich reinblütig, denn durch deren Ahnenreihen waren immer und immer wieder Muggles gehüpft.
Diese paar Wortgefechte, die sie hatten, seit sie sich zum ersten Mal begegnet waren, hatten Sirius schnell klar gemacht, dass James die Dunklen Künste bis aufs Blut hasste. Also, woher wusste er von ihnen? Die Tatsache, dass James wohl nur Vermutungen anstellte, da er ihn, Sirius, sonst nicht gefragt hätte, wer sie seien, reichte dem dunkelhaarigen Zauberer schon. Es reichte ihm schon, dass James den Namen wusste.
"Okay, was machen wir?", fragte James raunend.
"Hinterherspionieren", entgegnete Sirius kurzangebunden.
"Wie wäre es mit Hagrid warnen?", flüsterte James gereizt.
"Der hat doch den Zentauren." Sirius winkte verächtlich ab.
"Wir müssen sie warnen, verdammt!" James sah Sirius aufgebracht an.
Sirius erwiderte den Blick, scheinbar ruhig. "Dir ist klar, dass sie uns dann entdecken? Kannst du es mit ihnen aufnehmen?", fragte er gelassen, doch in ihm brodelte es. Was bildete sich dieser arrogante Typ eigentlich ein? "Hast du in deinem Hass gegen Schwarze Magie gelernt, wie du diese bekämpfst?"
Sie sprachen gedämpft, aber explosiv.
"Also, ich finde schon einen Weg, ohne dass sie mich entdecken", schnaubte James und begann, sich rückwärts nach hinten zu robben - sich von den Gestalten entfernend.
Sirius stöhnte unterdrückt auf. Verdammt, was war eigentlich mit dem Jungen los, dass er Dunkle Magie so extrem hasste, und doch nicht in der Lage war, sie und die damit verbundene Gefahr einzuschätzen? Sirius war vielleicht nicht bewusst, dass er gefährliche Situationen ebenfalls nicht einschätzen konnte, doch er bildete sich ein, es zu können.
Das kann doch jetzt nicht wahr sein.
Er folgte dem Jungen. Was blieb ihm anderes übrig? Sobald sie aus dem Gebüsch raus waren, würde er ihn schon irgendwie überwältigen und die Kontrolle über die Situation übernehmen.
Als sie auf der anderen Seite aus dem Gestrüpp herauskamen, völlig zerzaust und zerkratzt, schien die Gefahr zunächst gebannt. Schlanke Bäume erhoben sich in die Höhe, und ein kleiner, halbverwilderter Weg erstreckte sich vor ihnen, eingetaucht im sanften Nebel, der im Mondlicht gespenstisch wirkte. Ein Vogel flog verschreckt fort, als er die beiden Jungen sah und ließ einen Warnruf verlauten.
"Siehst du? Hat doch alles wunderbar geklappt", triumphierte James. "Und nun, los."
Sirius antwortete nicht und sah sich misstrauisch um. Langsam, damit James es nicht merkte, wanderte seine Hand zu seinem Zauberstab.
James ging einen Schritt voran, und er folgte ihm blind, als er plötzlich in dessen Rücken rein rannte.
James war stehen geblieben und stolperte einen Schritt nach vorne, als Sirius gegen ihn stieß.
Rasch flog seine Hand zum Zauberstab.
"Einen guten Abend, wünschen wir euch", ertönte eine leise, junge, aber lauernde Stimme.
Sirius zückte endgültig seine Waffe und hob wie in Zeitlupe seinen Blick.
Sie waren umzingelt. Die Knights of Walpurgis hatten einen runden, großen Kreis um sie geschlossen, ohne dass er es auch nur bemerkt hatte.
Sirius schloss kurz in einem Anflug von Resignation und unterdrückter Wut die Augen. Wie hatte er nur so unachtsam sein können?
James stellte sich neben ihm. "Scheiße", war alles, was er sagte. Sein Gesicht war blass, vom Mond erhellt und seine Augen weit aufgerissen. Seine rechte Hand hielt seinen Zauberstab fest umklammert.
"Guten Abend", entgegnete Sirius derweil und war froh, als er hörte, dass seine Stimme ruhig und scheinbar besonnen klang. Er sah den Zauberer an, der sie angesprochen hatte. Dazu musste er nur geradeaus schauen. "Was verschafft uns die Ehre?" Er spürte sein Herz gegen seine Rippen schlagen und versuchte, klar zu denken. Was bedeutete das schon? Sie standen doch nur einer Horde mordlustiger Zauberer gegenüber, die Folter und Verbotene Flüche als ihre Lieblingsbeschäftigung ansahen. Oh. Verdammte. Scheiße.
"Oh, sieh' an, ein galanter Junge", bemerkte der Zauberer belustigt. Sein Gesicht war in der weiten Kapuze verborgen und seine Arme hingen reglos in den weiten Falten des Umhanges herab.
Sirius grinste unwillkürlich in Gedanken. Im Hause Black musste jeder lernen, wie man sich zu benehmen und auszudrücken hatte. Er hoffte, seinen Namen als Trumpfkarte ausspielen zu können. Seine Familie beteiligte sich zwar nicht an schwarzmagischen Organisationen und Gruppierungen, wie den Walpurgisrittern, doch jeder dieser Sekten war der Name ´Black´ bekannt, das wusste Sirius. Und er war sich sicher, dass mindestens die Hälfte derer, die gerade um ihn herum standen, schon mal bei ihm zu Hause zum Dinner geladen waren. Dass sie ihn, Sirius, nicht erkannten, wunderte ihn nicht. Jedes Mal, wenn es ein Essen mit ´Freunden´ gab, verzog er sich.
"Ich denke nicht, dass das eine Antwort auf meine Frage war", sagte er nun lässig. Innerlich strebten seine Gedanken und Gefühle das reinste Chaos an. Sie befanden sich in einer äußerst üblen Lage. "Halt's Maul, egal, was gesagt wird, Potter, oder ich bringe dich um", zischte er dem Jungen zu.
Dieser warf ihm einen finsteren Blick zu und schien nur unter größter Anstrengung seine Bemerkungen herunterzuschlucken, die er gegen die Zauberer schleudern wollte und die sie augenblicklich in ziemlich tödliche Schwierigkeiten gebracht hätten.
"Keine Sorge, ich werde dich nicht bei eurem Plausch stören", stieß er aggressiv flüsternd hervor.
"Ach, wir haben uns gefragt, was zwei so kleine Jungen wie ihr hier im Walde machen?" Der andere schien interessiert und versuchte im Plauderton zu reden, aber sein bedrohlicher Klang verriet, dass er sie in eine Falle locken wollte.
"Schlangenkräuter suchen." Sirius tat, als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt.
"Nachts." Der Zauberer klang sarkastisch, was klar machte, dass er dem Jungen nicht glaubte.
"Wir haben etwas angestellt und sollen halt zur Strafe Schlangenkräuter suchen", erklärte Sirius arglos. "Diskutieren Sie mit mir nicht die pädagogischen Maßnahmen der Hogwartslehrer, denn da steige ich auch nicht hinter."
Ein paar der Dunklen Magier lachten nun.
"Weißt du, du erinnerst mich an wen. Wie ist dein Name?" Der Zauberer klang plötzlich nicht mehr lauernd, sondern scheinbar aufgeschlossen und nett. Dennoch wich die gewöhnliche Kälte nicht aus seiner Stimme.
"Sirius." Er wusste sehr genau, dass er den Magier an seinen Vater erinnerte. Sie hatten oft den gleichen Sinn für Humor.
"Sirius, heh? Und weiter?" Der Walpurgisritter schien die Antwort schon zu erahnen.
"Black." Er sah provozierend in die Runde. Na? Was sagt ihr jetzt?, fragte er in Gedanken und überlegte, ob es auf seinem Gesicht abzulesen war.
Ein Raunen ging durch die Reihe und auf einmal wirkten die Umstehenden nicht mehr so bedrohlich, wie vorhin noch.
"Black? Warum hast du das nicht gleich gesagt." Der Zauberer löste sich aus der Reihe und trat einen Schritt auf Sirius und James zu. Er schien nicht länger überrascht zu sein. "Es freut mich, dich endlich kennen zu lernen."
Von James ertönte ein Schnauben.
"Dein Vater hat mir viel von dir erzählt", fuhr der andere fort und ein Lächeln schwang in seiner Stimme mit.
James schnaubte erneut und voller Verachtung.
"Ich bin Aryan Lestrange."
"James Potter", mischte sich James nun zynisch ein. "So, und nachdem wir uns nun alle einander vorgestellt und Freundschaften für's Leben geschlossen haben, können wir dann endlich gehen?"
Sirius sah, wie er ihm einen bösen Blick zuwarf. James schien keine Ahnung zu haben, was die Knights of Walpurgis mit jenen anstellten, die ihnen in ihren nächtlichen Aktionen in die Quere kamen.
"Einen lustigen Freund hast du da", meinte Aryan genüsslich. Er fing an, die beiden Jungen zu umrunden, wie eine Raubkatze ihre Beute. "Ihm ist aber schon klar, dass er gleich sterben wird?"
"Was?", machte James außer sich. Furcht erklang mit einem plötzlichen Aufbrausen in seiner Stimme, die sich langsam in seinem Kopf auszubreiten schien.
"Ich fürchte, nein", murmelte Sirius.
"Sterben?", wiederholte James entrüstet und mit zusammengezogenen Augenbrauen. "Oh, wie mutig. Ist ja auch echt ´ne Leistung, ´nen Elfjährigen umzulegen!" Hass funkelte in seinen Augen und machte sie düster.
"Halt' deine Klappe", nuschelte Sirius angespannt. Haarsträubende, abenteuerliche Ideen nach einem Ausweg schossen ihm durch den Kopf, die er alle nacheinander verwarf. Sie mussten hier irgendwie wieder raus.
"Sieh' an, ein großes Mundwerk hat er auch", lachte Aryan. Dann wandte er seinen Kopf langsam zu Sirius und schien ihn aus seinen Augen unter der Kapuze anzustarren. "Dich töten wir natürlich nicht. Du bist ja einer von uns."
James stieß einen langen Atem aus und drehte sich zu Sirius herum. Seine Augen waren mittlerweile schwarz vor Aufruhr.
Doch ehe er etwas sagen konnte, zog Sirius ihn rasch zu sich und warf Aryan einen brennenden Blick zu. "Er wird nicht getötet!"
"Ich bedaure, dir mitteilen zu müssen, dass du kaum etwas zu fordern hast", entgegnete Aryan amüsiert.
"Sehe ich das richtig? Wir verhandeln gerade mit zwei kleinen Jungen?", rief einer der Umstehenden verächtlich dazwischen.
"Bei einem der beiden handelt es sich immerhin um den Erben des Hauses Black", sagte Aryan mit Nachdruck, ohne den Blick von Sirius zu lösen.
"Ihr müsst erst an mir vorbei, wenn ihr Potter haben wollt", entgegnete Sirius angriffslustig. "Und ich würde zu gerne wissen, wie du meiner Mom erklären willst, dass ihr mich umlegen musstet." Er grinste flüchtig und überheblich, obgleich sein Puls raste. Wenn sie hier heil raus kamen, würde James einen aufs Maul bekommen, das schwor Sirius sich gerade. Auch wenn er zugeben musste, dass das hier ein wirklich gutes und Nerven kitzelndes Abenteuer war. "Sie wird euch die Köpfe abreißen", fügte er schadenfroh hinzu. Gryffindor hin oder her, noch war er ihr Sohn und seine Mutter würde jedem den Kopf abreißen, der es wagte, ihrem reinblütigen Nachwuchs ein Haar zu krümmen. Er setzte gerade alles auf eine einzige Karte: sein Familienname. Er spekulierte darauf, dass sie ihn wirklich nicht töten würden und hoffte, damit auch für James verhandeln zu können. Denn er, Sirius selbst, war nicht derjenige, der sich in Gefahr befand. Nun, zumindest solange nicht, wie er James nicht allzu sehr schützte.
Die anderen lachten derweil und kamen näher und näher. Aryan murmelte etwas und wie aus dem Nichts erschienen dünne Seile, die sich geschwind um James Handgelenke schlangen.
"Hey!", rief James matt. Seine Stimme klang flach. Panik schien darin aufzulodern.
"Macht ihn sofort los", verlangte Sirius und wollte den Gryffindor befreien, als sich ein Dutzend Zauberstäbe auf ihn richteten. Er hielt mitten in der Bewegung inne.
"Es tut uns aufrichtig leid, Sirius, wirklich", versicherte Aryan mit einem falschen Lächeln in der Stimme, "aber wir können nicht anders. So sind die Regeln."
Sirius schnaubte verächtlich. "Regeln sind zum Brechen da."
Ayran seufzte. "Ja, ja... ich habe schon gehört, dass du der Ansicht bist, Gesetze und Regeln seien für andere da. Nur nicht für dich." Er richtete seine Zauberstabspitze auf James' Brust. "Und nun verabschiede dich von deinem Freund."
"Expelliarmus!", rief Sirius stattdessen, und ohne darüber nachzudenken, und der Zauberstab des anderen flog aus dessen Hand. Geschickt fing er ihn auf.
Aryan starrte ihn verdutzt an.
"Avada...", fing ein anderer an und Sirius zog James hinter sich. "Mann, wir müssen weg!"
Aryan hob die Hände, um seine Leute davon abzuhalten, die Jungen anzugreifen.
"Und wie?" James klang panisch.
Das fragte Sirius sich auch. Er beherrschte nur ein paar Verteidigungsflüche und das auch nur, weil er zu Hause viel mit seinem Vater geübt hatte. Und selbst die klappten nicht immer.
"Gib' mir meinen Zauberstab, Junge", befahl Aryan ruhig. "Und dir geschieht nichts."
"Du kannst mich mal", zischte Sirius. "Bei drei", flüsterte er James unmerklich zu. Egal, sie mussten handeln, am Besten war, einfach das zu tun, was immer ihm und James gerade durch den Kopf schoss.
Der andere Junge nickte angespannt. Er schien zu wissen, was sie gleich tun würden. Wie Gedankenübertragung.
Die anderen lachten.
"Eins...zwei...drei!"
Mehrere Dinge passierten gleichzeitig.
"Expelliarmus!" Sirius ließ seinen Zauberstab tänzeln und wollte drei Zauberer, die in ihrer Fluchtrichtung standen, entwaffnen, aber es funktionierte nur bei einem. Hastig drehte er sich um und riss James die Fesseln runter.
Rote Blitze flogen in ihre Richtung und sie duckten sich.
"Relashio!", rief James und schien zu hoffen, dass gleich mehrere Zauberer einen Stoß heißes Wasser abbekamen, aber diesmal passierte gar nichts.
"LOS, WEG HIER!", brüllte Sirius und er und James stürzten nach vorne und stießen die drei Zauberer aus dem Weg, die ihnen in der Quere standen. Nun nutzten sie ihre Flinkheit und kleine Körpergröße aus, welche zweifellos für die Elfjährigen eindeutig zum Vorteil gereichte, und huschten unter die zupackenden Hände der Feinde hinweg.
"SCHNAPPT SIE EUCH!", schrie Aryan.
Die Zauberer schnitten ihnen den Fluchtweg ab und Sirius sah sich wie wild nach anderen Möglichkeiten um, sein Kopf voll von viel zu vielen Ideen, dass ihm fast schwindelte, als plötzlich Hufscharren ertönte, gefolgt von erbosten Schreien und eine Horde Zentauren wie aus dem Nichts herangaloppiert kam.
"Das sind sie!", rief einer der Wesen zornig. "Sie haben es gewagt, einen von uns anzugreifen!"
"Zentauren! Los, greifen wir sie an!", schrie jemand der Walpurgisritter, dessen Stimme sich fast schon überschlug.
"WAS HABT IHR IN UNSEREM WALD ZU SUCHEN?!", donnerte der Zentaur, der die Herde anführte, auch schon.
"Komm', weg hier!", zischte James und packte Sirius am Arm.
Er löste seinen Blick von den Zentauren und sie rannten los, das neu erstandene Chaos ausnutzend.
Die Zentauren stellten sich auf ihre Hinterbeine, wie zur Drohung, ehe sie die Zauberer angriffen.
"HEY! DIE JUNGS FLIEHEN!", rief jemand.
"DANN HOLT SIE EUCH!", brüllte Aryan zurück, der gerade versuchte, eine Attacke eines Zentauren abzuwehren.
Noch mehr Flüche wurden ausgesprochen, Blitze irrten durch die Luft, aber die beiden Jungen wichen ihnen aus und rannten blind in den Wald hinein.
"Schneller!", rief James.
Sirius hörte, wie einige wenige Walpurgisritter die Verfolgung aufnahmen. Doch er sah nicht zurück, das hätte ihn womöglich an Geschwindigkeit gekostet, also lief er einfach weiter, in der Hoffnung, sie abhängen zu können.
"Avada Kedav--", rief einer und Sirius wusste, dass auf James gezielt wurde. Er sprang ohne nachzudenken auf James und sie beide stürzten flach zu Boden.
Ein grüner Blitz fegte dicht über sie hinweg.
"Alter, war das knapp!", stieß James keuchend hervor.
Sirius rappelte sich auf, fragte sich lieber nicht, warum er das gerade getan hatte, zog ihn in die Höhe und rannte weiter. "Los, Mann, beeil' dich!"
Sie spurteten los, Äste peitschten ihnen ins Gesicht und schlugen gegen ihre Körper, aber das nahm Sirius gar nicht wahr. Hauptsache, sie kamen weg von hier. Einfach nur weg.
Urplötzlich tauchten zwei ihrer Verfolger vor ihnen auf. Sirius versuchte auszuweichen, aber er hatte zu viel Geschwindigkeit drauf und rannte sie direkt über den Haufen. Sie fielen alle zu Boden. Hastig krabbelte er auf seine Knie. Und dann traf ihn der Cruciatusfluch.
Er fühlte Schmerz und keuchte auf. Höllischen Schmerz, der sich aufmachte, seinen Körper zu beherrschen und seine Seele in den Abgrund des Wahnsinns zu stoßen. Wie eine Welle erschütterte es ihn und beim Versuch, die aufkommende Dunkelheit zurückzudrängen, schien es nur noch schlimmer zu werden. Sein Blick wurde unscharf und er konzentrierte sich mit aller Macht darauf, sich nicht dem Schmerz hinzugeben. Er fixierte einen leeren Punkt und hielt sich daran fest, klammerte sich daran, so, als wäre er in eine Schlucht gefallen und der Punkt ein Seil, an dem er empor klettern konnte. Matt stützte er sich mit den Händen auf dem Boden ab. Aryans Zauberstab, den er immer noch hatte, fiel zu Boden.
"Jetzt bist du dran", höhnte einer der Zauberer und die Stimme klang seltsam fern und verzerrt.
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James stoppte. Er war den beiden Zauberern rechtzeitig ausgewichen, aber Sirius war direkt in sie hineingerannt.
Als der Junge vom Cruciatusfluch getroffen wurde, handelte James ohne zu überlegen. Obwohl er wusste, dass die Walpurgisritter ihn töten wollten, und Sirius nicht, hetzte er zurück, rief "Petrificus totalus" , hoffte inständig, dass der Fluch klappte, und ließ einen der Gegner somit erstarren und stieß dem anderen mit aller Kraft in den Magen. Er beglückwünschte sich zum unzähligsten Male, dass er diesen Zauber bereits beherrschte.
Der Verbotene Fluch brach, als der Zauberstab des Feindes zu Boden fiel.
James bückte sich, packte Sirius am Arm und riss ihn in die Höhe. Er atmete unregelmäßig und war noch blasser, als sonst, aber ansonsten schien er okay. Er hatte keine Zeit, sich über den merkwürdigen Ausdruck in Sirius' Augen zu sorgen.
"Schnell, wir müssen weiter!", drängte James. "Verdammt, noch nicht mal ´ne Woche hier und schon rennen wir um unser Leben!"
"Ja, coole Sache, oder?", stieß Sirius schwach und außer Atem hervor.
Sie eilten weiter, und James hörte, wie die anderen Verfolger aufholten.
Immer und immer wieder schossen Blitze durch den Wald, doch die Jungen wichen ihnen blind aus. Sie schienen das Glück gepachtet zu haben.
Da! Endlich konnte James den Ausläufer des Waldes sehen. Und dort war auch Hagrid.
"Hey!", rief er ihnen entgegen. "Ich hab' euch schon überall gesucht. Dachte, ihr wärt wieder zurückgegangen!"
James winkte dem Wildhüter wild entgegen und deutete ihn an, loszurennen, doch dieser schien ihn nicht zu verstehen.
"Was ist los, vor wem rennt ihr davon?" Hagrid schaute verdutzt hinter ihnen.
"Los, Hagrid! LOOOOS!"
"Was?"
Ein grüner Blitz schoss direkt an Hagrids Nase vorbei.
"Waah! Was war das? Der Todesfluch?" Der Wildhüter sprang erschrocken zur Seite und wurde augenblicklich blass.
"Lauf, Hagrid, LAUF!", schrie nun auch Sirius.
James und Sirius flitzten an dem Mann vorbei und packten ihn dabei. Endlich begann er, loszurennen. Es war nicht mehr weit, der Pfad schlängelte sich nur noch ein paar Meter, dann hätten sie die Ländereien Hogwarts erreicht.
Doch sie blieben erst stehen, als sie Hagrids Hütte erreicht hatten. Irgendwie wusste James, dass sich ihre Verfolger hüten würden, aus dem Schutze des Waldes hervorzutreten. Der Nachthimmel war hoch und kühl und so durchsichtig wie ein Stück schwarze Glas.
Vollkommen ausgepumpt und mühselig nach Atem ringend, hielten sie an. James stützte seine Hände auf die Knie und keuchte. Sein Herz schlug schmerzhaft gegen seine Brust und er hatte so üble Seitenstiche, dass er bunte Punkte vor seinen Augen tanzen sah. "Alter, war das..."
"...aufregend", stieß Sirius atemlos hervor. "Und selbstmörderisch."
James nickte. "Ja...! Meine Fresse..."
"Was war los?" Hagrid war sichtlich verwirrt. "Wer war das? Etwa Firenzes Angreifer?"
"Ehm..." James tauschte einen schnellen Blick mit Sirius aus.
Dieser hatte die Augen aufgerissen. Leise Panik glomm in ihnen auf. "Och... das war ein..."
"Wolf." James wusste nicht, warum er log. Er dachte einfach, es sei besser, Ausreden zu erfinden. Irgendwie hatte ihn der Ausdruck in Sirius' Augen irritiert und er fragte sich, ob er ihm damit half, wenn er für ihn log und fragte sich auch, warum er das eigentlich tat. Aber er wusste, dass für ihn ebenfalls besser war. James hasste unangenehme Fragen und diese würden zweifellos folgen, wenn er erzählte, ein paar dunkle Zauberer wären ihnen gefolgt, um sie zu foltern und zu töten.
"Ja. Ein... großer Wolf", setzte Sirius hastig fort.
"Mit schwarzem Fell."
"Und grünen Augen."
"Ah ja?", machte Hagrid, nun sichtlich interessiert. Er sah abwechselnd von James und Sirius und sein bärtiges Gesicht fing an zu glühen.
"Was ist passiert?", ertönte wie aus dem Nichts McGonagalls Stimme.
James fuhr zusammen. "Professor!" Entgeistert starrte er sie an, wie sie aus Richtung Hogwarts kam und aus der Dunkelheit trat.
"Was... was machen Sie denn hier?"
"Was ich hier mache?" McGonagall kam näher, und musterte alle nacheinander aus verengten Augen. "Ja, bei Merlin, es ist weit nach Mitternacht! Ihr solltet schon vor einer Stunde wieder zurück sein!"
"Sie hab'n sich verlaufen und ich hab' sie gesucht", erklärte Hagrid. "Und dann kamen sie auf einmal angerannt."
"So?" McGonagall ließ ihren Blick über James und Sirius schweifen. "Ich habe mir schon Sorgen gemacht!"
Sie sah in der Tat etwas blass aus.
"Wir... wir haben uns verlaufen", sagte Sirius langsam. "Bis... bis diese Riesenspinne auftauchte."
"Welche?" McGonagalls Frage sprang auf ihn zu wie eine angreifende Kobra.
"Keine Ahnung", meinte Sirius prompt.
James sah, wie er ihm einen schnellen, eindringlichen Blick zuwarf.
Er schwamm erst ein wenig, fing sich dann aber. "...Ja, und wir rannten fort. Aber..."
"...ein Wolf war plötzlich da und äh..."
"...der hatte einen riesigen Hunger und wollte, also, der wollte..."
"...der wollte uns fressen, also sind wir losgerannt, bis hierhin", beendete Sirius schwach den Satz.
"Ein Wolf?" McGonagalls Augenbrauen waren misstrauisch zusammengezogen.
"Ja, mit grünen Augen und schwarzem Fell. Der hat so gebrüllt."
"Und was war mit dem grünen Blitz?", warf Hagrid mit Nachdruck ein. "Und die Leuchtraketen?"
"D-das müssen die Angreifer von dem Zentauren gewesen sein", sagte Sirius rasch. "Die Leuchtraketen haben wir verloren."
James, der sich inzwischen mit dem Märchen angefreundet hatte, nickte. "Ja. Und die Verfolger waren hinter dem Wolf her, glaube ich."
"Aber wir sind natürlich nicht stehen geblieben und haben nachgefragt", fügte Sirius hinzu und setzte ein unschuldiges Lächeln auf.
McGonagall schnaubte. "Woher wisst ihr von diesen Angreifern?"
"Na, von Firenze", entgegnete Sirius unbekümmert.
McGonagall warf Hagrid einen scharfen Blick zu.
Dieser hob die Hände. "Ich kann da nichts für. Firenze hat geredet. Aber er hat nicht viel gesagt. Wie immer."
"Auf jeden Fall sind wir einfach nur gerannt und gerannt...", fuhr James fort.
"...und gerannt", vollendete Sirius den Satz. "Bis wir Hagrid hier am Ausläufer stehen sahen und der ist dann natürlich mit uns mit gerannt."
"Hat ihr gezaubert?", fragte McGonagall barsch dazwischen.
"Nein", antwortete James augenblicklich.
"Ja", sagte Sirius.
Sie ernteten einen nahezu tückischen Blick ihrer Hauslehrerin. "Was denn nun?"
"Wir haben gezaubert, Black?", erkundigte sich James zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. So ein blöder Idiot, warum blieben sie nicht bei seiner Ausredetour?
"Ja, Potter", entgegnete dieser beharrlich und warf James einen gehässigen Blick zu. "Ich glaube, du erinnerst dich nicht mehr."
"Dann hilf' mir mal auf die Sprünge."
"Wir haben Abwehrzauber benutzt, um den Wolf zu treffen, damit wir mehr Vorsprung gewinnen", erklärte Sirius mit auffälliger Genugtuung.
"Ach, ja, natürlich." James warf Sirius einen finsteren Blick zu. "Wie konnte ich das nur vergessen."
"Vielleicht bietet sich an dieser Stelle ein halbverhungerter Troll an, der euch in die Quere kam?", warf McGonagall seidenglatt dazwischen.
James Kopf flog zu ihr. "Was? Nein, kein Troll."
"Nur der böse Wolf und seine Verfolger", bestätigte Sirius ernst.
"Dann kann ich mich also glücklich schätzen, dass Sie beide diese Nacht überlebt haben?" McGonagall lächelte kurz erleichtert, doch ihr Blick verriet weiterhin Misstrauen.
"Was war das denn für ein Wolf?", erkundigte sich Hagrid nun wieder neugierig.
"Hagrid, die beiden Jungen müssen ins Bett", hielt McGonagall streng dagegen.
"Natürlich", murmelte der Wildhüter und verzog enttäuscht das Gesicht. "Ihr müsst mir morgen alles erzählen!", rief er ihnen noch zu.
James und Sirius machten sich auf, um der Hexe schweigend zu folgen.
"Verletzt?", erkundigte sie sich knapp.
"Nein", antwortete James. "Oder?", fügte er mit einem schnellen Seitenblick auf Sirius hinzu.
"Nee, nur ein paar Kratzer." Der merkwürdig düstere Ausdruck, der sich seit dem Cruciatusfluch in seine Augen geschlichen hatte, war immer noch da, wenngleich auch nicht mehr so stark wie vorher.
"Gut. Die könnt ihr euch morgen früh von Madam Pomfrey heilen lassen."
James nickte stumm. Jetzt, wo das Abenteuer vorbei war, spürte er die Kälte der Nacht und der Gedanke an sein warmes Bett erfreute ihn. Er warf wieder einen schnellen Seitenblick zu Sirius, welcher stur geradeaus starrte.
Sirius hatte ihm heute Nacht das Leben gerettet, so, wie James ihn gerettet hatte (und obendrein hatten die Zentauren sie beide vor dem Tod bewahrt). Es hieß, dass es manche Dinge gab, die man nicht gemeinsam erlebte, ohne dass man Freundschaft schloss. Und unter normalen Umständen gehörte eine Hetzjagd verrückt gewordener Ultra-Schwarzmagier sicherlich dazu, aber... was war schon normal?
A/N: So, das erste Abenteuer ist geschafft ;) Direkt in der ersten Woche, nicht schlecht, die zwei, oder? lach Aber keine Sorge, Remus (die Werwolfkapitel spuken mir schon im Kopfe herum) und Peter (ja, ich weiß, Peter wird von allen gehasst, dennoch war er ein Freund) werden auch noch oft genug vorkommen. Sowie Snape, der noch zu einer wichtigen Schlüsselfigur wird. Zuerst muss ich das nur mit Sirius und James gebacken kriegen, da sie ja beste Freunde waren.
Reviewt und teilt mir eure Meinungen mit, das würde mich freuen! Unser Deal steht doch noch, oder? -Listig in die Runde schau
Also, mein piratischer, großer, großer, grooooooooooooßer Dank gilt
Ah, zu Sirius und James... mal sehen, wie es sich von nun an entwickelt... ich vertrete eh die Meinung, dass wahre Freundschaft nicht aus dem Nichts entsteht, sondern durch mehrere, gemeinsame Erlebnisse/Erfahrungen, usw. Dennoch ist in diesem Kapitel der entscheidende Schritt getan worden. Warum beide Jungs schon ein paar Zaubersprüche können? Na ja, sie stammen halt aus reinblütigen Familien. Sogar Granger konnte es im 1. Band, und das, obwohl sie nur Bücher hatte. Außerdem... wo gehen Zauberer und Hexen zur Schule, bevor sie 11 werden (grundschulenmäßig)? Selbst wenn es keine Grundschule gibt und sie alles zu Hause lernen, werden ihnen mit Sicherheit schon ein paar Zauber beigebracht. V.a., wenn man ältere Geschwister oder Freunde hat :D .
JKR hat mal gesagt, dass die Death Eater früher Knights of Walpurgis hießen. Wann und warum sie den Namen in Todesser umbenannten, ist nicht bekannt. In dieser Story lasse ich meine eigenen Theorien dazu einfließen.
