Rückwärts in die Dunkelheit
Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?
- die letzten Worte eines Sterbenden.
7. Kapitel
Der Vampir
"Blut ist das Bindeglied
zwischen Gut und Böse,
zwischen Leben und Tod."
- ein Piratenkumpel
Ein Vampir. Das da ist ein Vampir!, schoss es James immer wieder durch den Kopf. Er wusste nicht, ob er es gut oder schlecht finden sollte, im Augenblick fand er es eher schlecht... sehr schlecht, am schlechtesten, um genau zu sein, denn was taten Vampire wohl mit Leuten wie ihnen? Das Blut aussaugen, natürlich. Wenn er wüsste, dass sie dieses Abenteuer heil erleben würden, würde er es mit Sicherheit total cool finden. Aber so... jetzt und hier, inmitten der dunklen Kapelle, die nur von ihrem Licht der Zauberstäbe erhellt war, sahen die Chancen alles andere als gut aus.
Wir sind zu viert, sagte James zu sich und für einen kurzen Moment ernüchterte er. Und er ist allein. Aber dann fielen ihm wieder die Vampirgeschichten ein, in denen erzählt wurde, welch' Zauberkraft jene hatten, die zu den Untoten wurden. Kein Wunder, sie hatten ja auch eine Ewigkeit Zeit, um zu üben.
Der Vampir trat derweil ein und die Tür schwang wie durch Geisterhand zu, als er die Kapelle endgültig betreten hatte. Er lächelte, doch wieder erreichte das Lächeln seine Augen nicht. Diese huschten kalt von einem Jungen zum anderen, während er etwa zwei Meter vor ihnen stehen blieb.
"Seid ihr immer so unhöflich und schaut in fremde Särge?", erkundigte er sich amüsiert, doch der lauernde Beigeschmack verschwand nicht aus seiner Stimme. Genauso wenig, wie der undeutliche, aber eindeutig vorhandene gelangweilte Unterton, der stets mitzuschwingen schien, so, als hätte der Mann bereits alles gesehen, was es zu sehen gab, und könnte an der Unendlichkeit nichts Faszinierendes mehr entdecken.
"Du bist tot, rührst du auch nur einen von uns an", stieß Sirius heiser hervor.
James warf ihm einen flüchtigen Blick zu. Das klang mutig, aber der Junge musste genauso gut wie er selbst wissen, wen sie da vor sich hatten.
Der Vampir lachte leise. "Du hast einen sonderbaren Sinn für Humor, hm?", fragte er rhetorisch. "Du kannst mich nicht töten, mein Junge."
"Dann lass' uns gehen", fuhr Sirius tonlos fort. Er war noch blasser, als sonst.
"Es... es tut uns auch aufrichtig leid, dass wir Ihren...äh, Ihren Sarg geöffnet haben", fügte Remus höflich, aber nervös hinzu. "Das ist doch Ihrer, nehme ich an?" Der Untote warf Remus einen Blick zu - und plötzlich flackerte es in seinen dunklen, leblosen Augen auf, kurz nur, für einen Bruchteil der Sekunde, und in dem Moment, in dem James es wahrgenommen hatte, war es bereits wieder verschwunden. Aber es war da gewesen. "Ja..., ja, das ist mein Sarg", beantwortete er Remus' Frage und klang leicht versonnen. "Aber warum wollt ihr denn schon wieder gehen?" Er wandte sich wieder Sirius zu und ein tückisches Lächeln umspielte seine dünnen Lippen.
"Nun", fing Sirius mit leisem Spott in der Stimme an, doch das angsterfüllte Zittern war nicht zu überhören, "wir wollen weder sterben, noch zu Vampiren werden, und du bist nur auf unser Blut aus. Ich finde, das beantwortet deine Frage."
James lachte unwillkürlich auf. Das war gut gekontert.
"Bei Merlin, seid still oder wir werden alle sterben", wimmerte Peter ganz leise direkt neben ihm.
"Nun, du musst einsehen, dass ich bestimme, wann ihr gehen werdet", sagte der Mann nachdrücklich und fand offensichtlich Gefallen an dem Entsetzen der Jungen. "Was führt euch hierher?"
James überlegte gerade, ob es Sinn machte, den Vampir einfach einen Erstarrungszauber entgegenzuschleudern, und gerade, als er es einfach mal darauf ankommen lassen wollte, machte sein Gegenüber eine halbkreisförmige Handbewegung.
Und schon flogen alle vier Zauberstäbe aus den Händen der Jungen auf ihn zu.
James erstarrte und Sirius keuchte zornig auf. "Gib' sie uns wieder her!"
Der Vampir schnipste jedoch nur mit den Fingern und James fiel dabei auf, dass er lange, schwarze und spitze Fingernägel hatte, und die Kerzen leuchteten auf.
"Nox", sagte er und das Licht der Zauberstäbe verschwand. "Nur, damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt", erklärte er leise und warf James und Sirius einen spöttischen Blick zu. "Ihr wäret mir ohnehin unterlegen. Also?" Er sah erwartungsvoll in die Runde. "Ich habe noch keine Antwort erhalten..."
"Durch Zufall", sagte James frustriert. Jetzt saßen sie wirklich in der Scheiße. Ohne Zauberstäbe waren sie aufgeschmissen. Irgendwie fühlte sich sein Kopf leer an, als wüsste er nicht, was sie noch tun könnten, um zu fliehen. Zeit gewinnen, sagte er zu sich, das erschien ihm im Moment das Beste.
"Wir waren auf der Flucht vor einigen Zauberern", fügte Remus leise hinzu. "Da stießen wir auf diese Kapelle."
"Und da dachtet ihr euch, ihr könntet einfach so hereinspazieren und in meinen Sarg hereinschauen?" Der Vampir schien alles andere als begeistert und sein drohender Unterton hatte sich verstärkt.
"Na", fing Sirius achselzuckend an, "die Tür war offen." Offensichtlich war dem Jungen mittlerweile alles egal.
Der blasse Mann starrte ihn einen Augenblick an reglos an und James fragte sich atemlos, ob sie jetzt zu weit gegangen waren. Doch dann legte der Unsterbliche seinen Kopf in den Nacken und fing an zu lachen. Es war kein sympathisches Lachen, denn es war viel zu sehr beherrscht von Kälte und Ausdruckslosigkeit, aber es war ein Lachen. Dann hörte er so abrupt damit auf, dass James verwirrt blinzelte. "Diese Zauberer... meint ihr die Knights of Walpurgis?", hakte er zischelnd nach.
James nickte. "Ja. Genau die."
Der Vampir zog seine schwarzen Brauen finster zusammen. "Ja... sie sind häufiger hier, in letzter Zeit."
"Weißt du, wo sich das Herz des Waldes befindet?", fragte Sirius gespannt dazwischen und James horchte auf.
"Vorhin ist mir einer über den Weg gelaufen", fuhr der Mann fort, ohne auf Sirius' Frage einzugehen. "Ich habe sein Blut getrunken." Er warf den Jungen einen nun hungrigen Blick zu. "Wie ich es mit allen mache, die mir begegnen."
James schloss für einen kurzen Moment panisch die Augen. Verdammt, sie mussten einen Ausweg finden, und zwar schnell.
Ein Schnipsen des Mannes ließ ihn wieder die Augen aufreißen. Dünne Seile erschienen aus der Luft und ehe James es sich versah, hatten sie sich fest um seine Handgelenke gewunden. Wie auch bei Sirius und Peter... nur Remus blieb unberührt.
"Mach' uns sofort wieder los!", stieß Sirius wütend hervor. "Oder du wirst es noch bitter bereuen!" Er tauschte einen nervösen Blick mit James aus.
"Große Töne spuckst du sehr gerne, hm?", stellte der Vampir unbeeindruckt fest. "Also, wer will zuerst?"
James starrte ihn an. War's das jetzt? Würde er gleich sterben oder selbst untot herumlaufen, durch die unendliche Ewigkeit, Schlachten gegen die Zeit ausführen, die er dann doch verlieren würde? "Du kannst uns nicht aussaugen", sagte er tonlos, doch seine Stimme war nur ein Flüstern. "Das kannst du nicht tun."
Die gefühlslosen Augen des Vampirs verengten sich zu Halbschlitzen. "Ich kann sehr vieles tun, mein Junge", zischte er. Ein auffällig sanfter Zug legte sich um seine dünnen Lippen. "Und du wirst es nicht verhindern können." Seine langen Wimpern warfen halbmondförmige Schatten auf seine Wangen und verliehen ihm etwas Unschuldiges. Dies war so paradox, dass James für einen Moment nicht mehr wusste, was wirklich war und was nur Betrug: die gefährliche Ausdruckslosigkeit der Ewigkeit oder die begleitende Unschuld.
"Bist du denn nicht satt?", fragte er dann nervös, aber unbeirrt weiter. Zeit gewinnen. Einfach nur Zeit gewinnen.
"Man kann von Blut nie genug kriegen." Der Vampir schenkte ihm ein unechtes Lächeln. "Blut ist so kostbar... es lässt dich leben. Es lässt dich sterben. Es ist gut und es ist böse. Man kann so vieles darin hineininterpretieren. Wenn du irgendwo Blutflecken siehst, denkst du sofort an rohe Gewalt, nicht wahr? Aber wenn dich die Dornen einer schönen Rose stechen und nur ein einzelner Blutstropfen deiner Fingerkuppe entschwindet, was denkst du dann? Gestehst du dem Blut dann seine Unschuld zu?" Die Schatten der Fackeln zogen die Formen seines hohlwangigen Gesichtes scharf nach, wie scharfe Kanten eines Edelsteines.
"Nun..." James runzelte verwirrt die Stirn. "Alles hat zwei Seiten, nicht wahr? So auch das Blut. Und es ist ungerecht, wenn du uns unser Blut nimmst, um deinen Hunger zu stillen, wenn es doch unser Lebenselixier ist."
Der Mann wedelte mit seiner Hand. "In einem Punkt irrst du dich. Wir Vampire sind unsterbliche Wesen und demnach höher gestellt, als ihr. Wir nehmen uns demnach, was uns zugesteht. So, wie ihr es mit den Tieren macht, da ihr euch für überlegen haltet, gehen wir mit euch Sterblichen um."
James starrte ihn verachtend an. "Das ist widerlich", schnaubte er.
"Was ist eigentlich mit Remus?", schaltete Sirius dazwischen. Offenbar sah er in dieser Diskussion keinen Sinn.
"Remus?", wiederholte der Mann, halb erstaunt und halb besinnlich. Seine Augen huschten fort von James zu Sirius und glitten dann zu dem dunkelblonden Jungen. "Du heißt Remus?" Seine Stimme klang eigenartig distanziert.
Remus nickte leicht. In seinem Blick lag Furcht, aber da war auch etwas Nachdenkliches... etwas, welches ihn ein wenig überlegen zu machen schien. Das Gold hob sich deutlich aus dem Braun hervor und ließ seine Augen schimmern. "Und... und wie heißen Sie?", erkundigte er vorsichtig.
Der Vampir blinzelte verstört und James schwante es, dass ihn wohl schon lange niemand mehr so höflich nach seinen Namen gefragt hatte.
"Vyperus Serpentius...", er wollte fortfahren, als ihn ein leises Klopfen an der Tür unterbrach.
"Von wegen, selten Besuch", schnaubte Sirius verblüfft und verächtlich zugleich.
Der Vampir glitt zur Tür, es schien, als würde er fast schweben und öffnete sie.
--
"Oh, hallo", sagte er dann. Seine Stimme klang zwar noch gefährlich, aber nicht mehr lauernd. Irgendwie resigniert. "Es wäre besser, wenn du später wiederkommen würdest." Sprachs, hatte er auch schon die Tür verschlossen.
Remus hatte die Zeit gut genutzt, indem der Vampir unachtsam war. Hastig hatte er die Fesseln seiner Mitschüler gelöst und James und Sirius setzten ihre Fluchtpläne in die Tat um. Sie schienen immer dieselben oder zumindest ähnliche Ideen zu haben, führten die kleine Gruppe an und kamen sich niemals in die Quere.
James hatte Recht gehabt, als er meinte, er und Sirius seien ein gutes Team, fand Remus. Denn das waren sie wirklich.
Die beiden Jungen hatten sich hinter den Vampir geschlichen, während Peter und Remus sich im Verborgenen halten sollten. Sie dachten alle nicht darüber nach, was sie taten. Sie setzten einfach alles in die Tat um, was ihnen in den Sinn kam. Vielleicht war es der Reflex, der Instinkt, der Menschen in der Not beherrschte, vielleicht war es aber auch die Unschuld, die sie als Kinder noch in sich trugen, ahnungslos von den Abläufen der Welt, nur erahnend, wie hart das Leben manchmal sein konnte, und gerade durch ihr unbekümmertes Wesen ließen sie sich zu Aktionen hinreißen, die sie vor ihrem frühzeitigen Tode bewahrten.
Und in dem Augenblick, in dem Vyperus sich ihnen wieder zuwenden wollte, hatten sie ihn mit all ihrer Kraft gegen die schwere Tür gestoßen, so dass er mit seiner Stirn brutal gegen sie prallte.
Unsterblich hin oder her - das machte ihn benommen und sie nutzten es aus.
Mit flinken Fingern griff Sirius nach ihren Zauberstäben.
"LOS! WEG HIER!", rief James und Remus eilte hervor, dicht gefolgt von Peter, den er mit sich zerrte.
James stieß die Tür auf, Remus und Peter rannten hinaus ins Freie, doch ein unterdrücktes Keuchen ließ ihn verharren. Er drehte sich um, stieß Peter die Treppen herunter, damit er fliehen konnte und starrte zurück.
Es war, als ob Remus alles in Zeitlupentempo sähe.
James, der vor der Tür stand und sich halb zur Kapelle umdrehte.
Sirius, der im Türrahmen stand und von Vyperus hinterrücks gepackt worden war. Dessen Augen waren weit aufgerissen und da der Vampir jeden Moment seine spitzen Zähne in dessen Hals stoßen würde, konnte Remus in ihnen große Furcht erkennen. Die nicht stillstehen wollenden Pupillen verrieten Sirius' Entsetzen.
"Lauft, ihr Bastarde!", krächzte er angsterfüllt.
"Nein!", rief James panisch und hielt seinen Zauberstab auf Vyperus.
Remus fasste in diesem Moment einen Entschluss. Wieder, ohne nachzudenken. Wissend, dass er der einzige von ihnen war, der sich nicht von dem Vampir zu fürchten brauchte. Er machte einen Schritt auf James zu, riss ihn weg in Richtung Treppe und baute sich vor Vyperus auf.
"Lass' ihn", befahl er ruhig.
Vyperus schaute auf und Remus erkannte wieder jenes Aufflackern in dessen sonst so ausdruckslosen Augen. Irgendetwas an Remus schien der Mann zu fürchten oder zu respektieren und er vermutete stark, dass der Unsterbliche fühlen konnte, dass er ein Werwolf war. Daran musste es liegen und darin lag der springende Punkt. Remus wusste, Vyperus würde ihm nichts tun. Er würde es nicht wagen. Sehr zu seinem Glück und Vorteil.
Ohne weiter zu verhandeln, schnellte Remus Hand hervor und zog Sirius aus dem Griff des Vampirs. Der Junge prallte gegen ihn, so dass sie beide nach hinten stolperten und gegen James stießen.
Diese kleine Unachtsamkeit reichte, um die Situation zu gefährden.
Remus sah zur Tür, wo Vyperus stand. Doch er war nicht mehr da. Er wirbelte herum, erfasste mit schnellen Blicken die nebelige Umgebung, doch nichts ließ auf ihn deuten.
"Wo ist er?", fragte Sirius heiser.
Remus' Puls raste.
Peter, der etwa zehn Meter von der Treppe entfernt stand, winkte ihnen wie wild entgegen. "Kommt! Kommt, wir müssen zurück!"
Remus starrte ihn an. "Peter...", brach es aus ihm heraus. "Komm' sofort zu uns! Wir müssen zusammenbleiben!" Nur das konnte ihnen jetzt noch Schutz bieten: Zusammenarbeit.
Es war totenstill. Jeden Augenblick konnte der Vampir aus der Dunkelheit hervorpreschen. Um von einem von ihnen das Blut zu trinken. Und wenn Peter dort alleine inmitten der kreisrunden Lichtung vor der Kapelle stand, war er gefundenes Fressen. Schlanke, hohe Bäume umringten den Ort und warfen in nahezu höhnischer Anmut ihre Schatten auf den vom Sternenlicht erhellten Boden. Sogar der sanfte Wind hatte seinen Atem angehalten, um den Sekunden der Zeit seine Ehrerbietung zu zollen.
"Verdammt", flüsterte James. "Kommt, wir bilden ein Dreieck!"
Rasch formierten sie sich, so dass zu jeder Richtung einer von ihnen schauen und die Umgebung wachsam beobachten konnte.
Peter eilte zu ihnen zurück, die Angst stand auf seinem Gesicht geschrieben und Furcht beherrschte seine wässrigen Augen. Sobald er sie erreicht hatte, lösten sie das Dreieck auf und bildeten ein Viereck.
"Dein Zauberstab, Pettigrew", wisperte Sirius und drückte ihn dem dicklichen Jungen in die Hand.
Jeder von ihnen hielt diesen hocherhoben.
"Wir kommen nie mehr lebend hieraus", wimmerte Peter.
"Scheiße, Alter, halt' deine Klappe oder ich sorge dafür, dass du es für immer tun wirst!", herrschte Sirius ihn wütend an. Er war gereizt, merkte Remus, so wie sie alle.
Nichts regte sich, und Remus hörte nur ihren unkontrollierten Atem. Sein Herz klopfte so laut, dass er glaubte, dass es meilenweit zu hören sei, so ruhig war es sonst. Und doch, so wusste er, lauerte der Vampir in seinem Versteck, ganz in ihrer Nähe, beobachtete sie aus seinen leblosen Augen und wartete auf den richtigen Augenblick. Der Gedanke, von ihm gesehen zu werden, behagte Remus ganz und gar nicht. Ein eisiger Schauer lief über seinen Rücken.
Wenn sie jetzt nicht konzentriert aufpassten, würde alles vorbei sein. Vyperus würde seine Chance gut zu nutzen wissen. Nur ein Atemzug. Ein Augenblick. Eine Sekunde im strahlenden Licht der Ewigkeit, und alles könnte vorbei sein.
"Was machen wir jetzt?", wisperte er.
"Wir gehen erst einmal die Treppe runter", flüsterte James angespannt zurück. "Und dabei behalten wir die Viereckformation bei. Bei der kleinsten fremden Bewegung wendet den Erstarrungszauber an."
"I-ich k-kann den aber nicht", hauchte Peter panisch. "Jedenfalls nicht so gut."
"Dann benutze irgendeinen anderen Zauber", raunte James. "Egal. Und dann wird gerannt. Ich zähle bis drei."
Auf sein Zeichen gingen sie langsam und überaus wachsam die Treppe runter. Kein einziges Mal brach ihre Formation auf, denn jeder musste seine Winkel im Auge behalten. Vyperus konnte überall lauern. Und er dürstete nach Blut.
Als sie am Ende der Treppe angekommen waren und Remus den weichen Waldboden unter seinen Füßen spürte, hörte er ein Knarren.
Er fuhr zusammen und starrte zur Kapelle. Wie von Geisterhand fiel in einem langsamen Tempo die Eichenholztür quietschend und knarrend ins Schloss.
"Oh, mein Gott", machte James tonlos. "Ist er in der Kapelle?"
"Er wird uns mit Sicherheit nicht so einfach gehen lassen", hielt Sirius dagegen. Remus löste seinen Blick rasch von der Tür und nahm seinen Teil der Umgebung wieder wahr. Seine Augen huschten über die dunkle, mysteriös erhellte Fläche und nach wie vor konnte er nichts Verräterisches entdecken.
"Wo mag er sein?" James setzte sein flüsterndes Gespräch mit Sirius fort und obwohl Remus ihre Gesichter nicht sehen konnten, wusste er, dass auch jeder von ihnen die Umgebung mit stechendscharfen Blicken beobachtete.
"Woher soll ich das wissen? Er wird uns jedenfalls dann überfallen, wenn wir uns in Sicherheit wiegen."
"Das wird erst sein, wenn wir in Hogwarts sind. Er wird uns kaum bis dorthin folgen." James atmete aus. "Bei Merlin, mir wäre es lieber, wenn er sich zeigen würde."
"Meinst du, mir nicht?" Sirius klang ausdruckslos. "Ich hasse Versteckspiele."
Sie entfernten sich Schritt um Schritt von der Kapelle. Remus konnte spüren, wie Peter am ganzen Leib zitterte, doch keinen Mucks mehr sagte.
Und plötzlich, wie aus dem Nichts, erschallte ein Kichern. Leise, hoch und gemein.
"Wah, verdammt!", fluchte James panisch.
"Wo ist er? Seht ihr ihn?", raunte Sirius angespannt. Die Tonlosigkeit aus seiner Stimme war wie weggeblasen und hatte gereizter Furcht Platz gemacht.
"Lauft", ertönte von irgendwo her eine Stimme, sie schien die von Vyperus sein, doch sie klang sehr viel gemeiner und etwas irre.
Remus sah sich wie wild um, aber er konnte den Ort nicht ausmachen, woher die Stimme kam. Sie schien aus allen Richtungen zu ihnen ans Ohr zu dringen und hallte unnatürlich und gespenstisch wider.
"Lauft, meine kleinen Freunde." Sie kicherte wieder. Listig und frohlockend. "Solange ihr noch laufen könnt...!" Das Kichern wurde lauter und entwickelte sich zu einem hässlichen Lachen.
Remus überkam ein Schaudern.
"AAAAHHHHH!", schrie Peter nun hysterisch. Er löste sich aus dem Viereck und rannte los, die Bäume anstrebend.
"Halt!", zischte Sirius zornig und heulte auf vor Wut. "DU DEPPENHIRN! ICH BRINGE DICH UM!"
James rannte hinter Peter her, um ihn aufzuhalten.
Verstand der Junge nicht, dass, so Furcht erregend das alles auch war, sie nur zusammen heil herauskamen? Ein Junge alleine konnte sich niemals gegen einen Vampir wehren.
Remus und Sirius folgten James - was blieb ihnen anderes übrig. Doch bevor einer von ihnen Peter erreicht hatte, fiel etwas von oben herab, nahe der Baumkrone, die Peter am nächsten war - wie eine übergroße Fledermaus und Remus zog scharf die Luft ein.
Vyperus.
Peter kreischte auf, als der Vampir auf ihn fiel und beide zu Boden prallten.
"NEIN!", schrie James. Er richtete seinen Zauberstab auf Vyperus. "Petrificus Totalus!", rief er - aber als ein schadenfrohes Kichern erklang, wusste Remus, dass Peter getroffen wurde.
"Verdammt!", fluchte James.
"Finite Incantatem!", zauberte Remus schnell und Peter konnte sich wieder bewegen. Hastig rappelte er sich auf, wurde von Vyperus aber wieder zu Boden gezerrt.
"Arghhrmbl", hörte er Peter und sah, wie der Vampir blind um sich biss. Er schien einen Volltreffer zu machen, denn seine Zähne waren dabei, einen Weg zu finden.
Remus stürzte sich auf Vyperus und zerrte ihn am Arm von Peter fort. James zog Peter zu sich, während Sirius unermüdlich Erstarrungszauber auf den Untoten abfeuerte, die allesamt nicht funktionieren.
Vyperus knurrte. "Niemand von euch Sterblichen wird einen Kampf gegen einen Vampir gewinnen, ihr Narren!"
Das mochte stimmen.
Aber auf einmal kam etwas aus den Bäumen hervor angeschlittert, eine Person, so groß wie die Jungen, schlank und in einem bodenlangen Umhang gehüllt, die Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass man nichts erkennen konnte.
Der Neuankömmling warf sich einfach auf den Vampir. "Tue ihnen nichts!", rief er und Remus glaubte, die junge Stimme schon einmal gehört zu haben.
"Was machst du da, Junge!", zischte Vyperus. "Geh' sofort von mir runter" und im nächsten Augenblick flog der andere im hohen Bogen durch die Luft.
"Petrificus Totalus! Petrificus Totalus! Petrificus Totalus!", stieß jemand immer wieder mit ängstlicher Stimme hervor. Remus sah sich erstaunt um und sah, wie Peter, der sich aus dem Durcheinander herausgemogelt hatte, nun direkt hinter dem Vampir stand und ihm unentwegt den Erstarrungszauber aufhetzte.
Und es wirkte. Es wirkte tatsächlich.
Vyperus war erstarrt, doch er blinzelte noch, vielleicht war er ja gegen Zauber gewappnet, aber wie es dem auch sei, ganz gleich, wie kurz er nur verharren würde, dass war die Gelegenheit. Doch in diesem Moment bewegte er sich wieder.
"Lauft!", schrie der Fremde ihnen zu, der sich wieder aufgerappelt hatte und dabei war, sich auf Vyperus zu stürzen, um ihn aufzuhalten. Offensichtlich hatte dieser keine Angst, gebissen zu werden...
Niemand der vier sagte etwas, sie rannten alle einfach nur weg. Sie sprinteten förmlich, James zog Peter mit sich, der noch immer zitterte, und sie suchten Heil in den drohenden Schatten der hohen Bäume, weit, weit fort von der Lichtung und der Kapelle, dem Zufluchtsort des Vampirs.
Fort. Einfach nur fort.
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Peter wusste nicht, wie lange sie gerannt waren, aber es war ihm auch gleich. Hauptsache, sie entfernten sich immer mehr von Vyperus, und wenn sie sicher hier rauskamen, würde er schwören, nie wieder einen Fuß in den schrecklichen Wald zu setzen.
"Wir haben uns verirrt", hörte er Sirius keuchen, der langsamer wurde und stehen blieb.
Auch James tat es und da er ihn, Peter, noch immer gepackt hielt, blieb ihm nichts anderes übrig, als es ihnen gleichzutun. Am liebsten wäre er weiter gerannt, aber er war auch froh - sie waren entfernt genug, hoffte er, und er konnte echt nicht mehr. Sein Puls raste und er hatte das Gefühl, als ob sein Herz sich jeden Moment überschlagen würde.
Er gestattete sich einen Blick auf die neue Umgebung, während er verzweifelt versuchte, zu Atem zu kommen. Hier sah es aus, wie überall sonst. Der frostige Waldboden, die Nebelschwaden, die hohen, dunklen Bäume und das Schattenspiel im Sternenlicht.
"Wie kommen wir hier wieder raus?", fragte er nervös, als er einigermaßen wieder zum Atmen gekommen war.
"Weitergehen", schlug James vor. Sein und die Gesichter der anderen waren blutig zerkratzt - vom Dornengestrüpp bei der Flucht vor den dunklen Zauberern, und auch er spürte, wie heiß sein Gesicht war und einige Stellen brannten.
"Und wenn wir dem Vampir wieder in die Arme laufen?" Peter machte große Augen. "Wer war dieser Junge?"
"Gute Frage", sagte James grimmig. "Ohne ihn wären wir zu Vampirfutter geworden."
Sirius winkte ungeduldig ab. "Scheiß ' was drauf, wer der Typ war, Hauptsache, wir sind in Sicherheit."
"Wir hätten ihm helfen müssen", warf Remus leise ein. "Was ist, wenn er nun gebissen wird?"
James zuckte mit den Achseln. "Da hat er selber Schuld."
"Glaube ich nicht", sagte Peter im selben Moment plötzlich. "Das war bestimmt derjenige, der zuvor an der Tür geklopft hat, erinnert ihr euch?" Er schob nachdenklich die Unterlippe zwischen die Zähne und ließ seinen Blick über die anderen schweifen. "Ich wette, die kannten sich."
"Du meinst, der andere war auch ein Vampir?", wunderte Remus sich.
Peter wiegte den Kopf hin und her. "Nee, nicht unbedingt. Aber vielleicht waren das... Freunde?"
Er merkte, wie die anderen ihn anstarrten. Dann brachen Sirius und James in Gelächter aus.
"Hahahahaha, ja, nee, ist schon klar, Pettigrew", prustete Sirius.
Peter warf ihm einen verletzten Blick zu. "Warum denn nicht? Das kann doch sein! Nur weil du so etwas wie Freundschaft nicht kennst, musst du nicht gleich von dir auf andere schließen."
Stille.
Er merkte, wie Remus ihn aufmunternd ansah, James' Blick hingegen deutete Unglaube an und in Sirius' Augen sprühten Funken.
"Du kannst vor Glück sagen, dass dein Lähmungszauber uns geholfen hat zu entkommen, sonst würde ich mich hier und jetzt vergessen und dich persönlich beim Vampir abliefern", zischte er.
"Lass' ihn in Ruhe, Black", mischte James sich sofort ein. Dann sah er in die Runde. "Also? Wo sind wir?"
Peter warf ihm einen dankbaren Blick zu. Er war selbst überrascht gewesen, als er einen solchen Konterspruch von sich gegeben hatte. So etwas tat er selten, so sehr er es sich auch wünschte. Vielleicht hatte ihm die ganze Aufregung ihn ja zu mehr Mut beflügelt? Er merkte, wie die anderen sich nicht länger für den geheimnisvollen Jungen interessierten und fing somit auch nicht mehr von ihm an.
"Seht ihr diesen Stern dort?", fragte Sirius. Er streckte seinen Arm in Richtung des Horizontes aus und Peter folgte ihm.
Er sah den Hundestern. Er glaubte zu sehen, dass ein dunkler, kleiner Stern ihm folgte, doch er war sich dessen nicht sicher und selbst, als er die Augen zusammenkniff, konnte er es nicht eindeutig sagen. Aber es kümmerte ihn auch nicht länger, denn Sirius meinte mit Sicherheit den Hundestern.
"Ja?", machte James.
"Wir müssen uns nur an ihn halten", sagte Sirius tonlos.
Wieder war Peter sich nicht sicher, ob der Junge nicht trotzdem etwas anderes meinte, als den Hundestern... vielleicht nicht doch diesen schwarzen Stern, der ihm folgte? Aber als er wieder hinaufsah, konnte er nur noch den Hundestern erkennen. "Bist du dir sicher?", fragte er zweifelnd.
"Klar, Mann. Wir kamen aus der entgegen gesetzten Richtung. Und solange wir dem Stern in Richtung Westen folgen, meiden wir die Kapelle."
Peter löste den Blick vom Sternenhimmel und sah Sirius skeptisch an.
Dieser merkte es und sein Gesicht verdüsterte sich augenblicklich. "Und wage es nicht, meine Aussagen in Frage zu stellen!"
"N-nein, werde ich nicht!", beeilte sich Peter schnell zu versichern. Er war leicht gekränkt, zeigte es aber nicht. Er war es gewohnt, gehänselt zu werden.
"Hey, lass' ihn", bekam er unerwartete Schützenhilfe von James und er schaute ihn dankbar an.
James sah zurück und grinste schief. "Die Aktion von vorhin mit dem Erstarrungszauber, Pettigrew... die war echt super. Ohne dich hätte es kritisch ausgesehen." Ein ehrlicher Ausdruck lag in seinen haselnussbraunen Augen.
Remus nickte und klopfte ihm auf die Schultern. "Das war echt gut."
Und Peter strahlte. Sein Herz erwärmte sich richtig und er fühlte sich auf einmal richtig stolz, etwas, was er sehr selten empfand. Ihm gelang nicht oft etwas, wofür er Lob erntete. "Danke", lächelte er.
"Und was ist mit dir, Lupin?", erkundigte Sirius sich beiläufig.
Remus blinzelte. "Wie meinst du das?"
Sirius hob die Schultern und verschränkte seine Arme vor die Brust. Sein Blick lag leicht und unlesbar auf Remus. "Der Vampir... hatte ungeheuerlichen Respekt vor dir, hm?"
Peter sah den blondbraunen Jungen an. Dieser lachte hell, aber nervös. "Keine Ahnung, was diese Aktion von dem sollte."
James kaute nachdenklich auf seine Unterlippe herum und Sirius' Blick schien nur allzu deutlich kenntlich zu machen, dass er Remus nicht ein Wort glaubte.
Doch bevor eine unangenehme Situation entstehen konnte, ertönte auf einmal eine tiefe, melodische Stimme. "Solltet ihr nicht zu dieser Zeit im Bett in Hogwarts liegen?" Peter klatschte seine Hand vor dem Mund, um nicht aufzuschreien.
Er merkte, wie James, Sirius und Remus herumwirbelten und ihre Zauberstäbe erhoben.
"Firenze!", stieß James erleichtert aus. "Mann, Alter, hast du mich erschreckt!"
Peter starrte mit großen Augen auf das Wesen, welches aus dem Dickicht hervorgetreten war. Ein Zentaur... ein leibhaftiger Zentaur, er konnte es kaum glauben. Halb Mensch, halb Pferd, mit hellem Haar und ungewöhnlichen saphirblauen Augen, in denen Weisheit und Melancholie aufglitzerten, wie Tautropfen in der Morgensonne. Es war noch ein sehr junger Zentaur. Es war jener, von dem James und Sirius schon erzählt hatten.
"Das tut mir Leid, das war nicht meine Absicht", entgegnete Firenze sacht. Er maß alle vier Jungen mit sonderbaren Blicken. "Ihr scheint viel erlebt zu haben."
"Oh ja", lachte James. "Verfolgungsjagden. Walpurgisritter und ein Vampir."
"Oh", machte Firenze leicht besorgt. "Ihr solltet vorsichtig sein. Der Wald kann gefährlich sein."
"Wir haben uns verlaufen", mischte sich Remus ein.
Firenze sah ihn aufmerksam an. "Dann werde ich euch den richtigen Weg weisen."
Peter fiel ein Stein vom Herzen. Ein Zentaur war bei ihnen und würde sie sicher hinaus begleiten - demnach war alles wieder gut. Er war so erleichtert, dass er einen langen Seufzer ausstieß.
"Ihr Zentauren seid echt spitze", sagte James, als sie losgingen. "Ihr habt mir und Sirius schon letztes Mal geholfen."
"Oh, die Herde meinst du? Sie haben es nicht für euch getan."
"Nicht?" James schien dennoch nicht erstaunt.
"Sie wollten den Zauberern eine Lektion erteilen, weil sie mich angegriffen hatten und sie aus dem Wald vertreiben. Denn warum sollten wir euch helfen? Meine Herde meidet ein Bündnis mit den Menschen. Zentauren waren von Beginn an überlegener, weißt du..."
"Aber du hilfst uns", hielt Sirius nachdrücklich entgegen.
"Nun..." Firenze streifte ihn mit sanftem Blick, "ich fände es nicht verkehrt, in Zeiten der Not Bündnisse zu schließen. Ich habe nichts gegen euch Menschen, trotz eurer Einfalt."
"Sag', Firenze, was steht denn nun in der Prophezeiung?" James neigte offensichtlich gerade dazu, vor Neugier zu platzen. "Ist sie wirklich von so großer Bedeutung?"
"Jetzt nicht mehr", antwortete Firenze besonnen. "Wir haben sie zerstört."
"Was?" Sirius blieb wie angewurzelt stehen.
"Dann sind wir heute umsonst hierher gekommen und knapp dem Tod entronnen?", fragte Remus seufzend.
"Wir hielten es für besser, die Prophezeiung zu vernichten. Zuviel Aufmerksamkeit lenkt sie auf sich, zuviel Interesse. Manche Dinge sollten lieber im Verborgenen verweilen und die Geschicke der Zeit und die Taten der Menschen nicht beeinflussen." Firenze klang melancholisch und ging unbeirrt weiter.
Peter nickte. Das klang einleuchtend.
"Na toll", maulte Sirius, der sie wieder eingeholt hatte. "Dann kannst du uns jetzt doch alles sagen!"
Firenze sah ihn aus großen, traurigen Augen an. "Du hast nichts verstanden, nicht wahr? Sie soll keinen Einfluss auf Taten und Handlungen der Menschen nehmen, und gerade, weil sie es tun würde, wenn ihr ihren Inhalt wüsstet, haben wir sie zerstört. Meine Herde tat es dennoch in erster Linie für den Schutz des Waldes. Der Grund, unseren Lebensraum zu betreten ist mit der Zerstörung der Vorhersage weggefallen und wir hoffen, jene Dunklen Zauberer werden uns von nun an in Ruhe lassen."
James schnaubte, halb verärgert, halb enttäuscht.
Peter sagte zu alldem nichts. Der Zentaur würde ihnen nie im Leben etwas verraten und wenn die Prophezeiung sowieso vernichtet war, wozu sollten sie sich nun noch um ihren Inhalt scheren? Sämtliche Argumente zugunsten der Neugier waren in der Tat weggefallen.
Sie waren leise, als sie Hogwarts wieder betraten.
"Gebt auf Filch acht", wisperte James. "Der würde mir noch fehlen."
"Oder seine dämliche Katze", fügte Sirius mit einem Grinsen in der Stimme hinzu, während sie die Treppen zum Gryffindorturm emporstiegen.
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Remus fühlte sichtliche Entspannung in warmen Wellen durch seinen Körper gleiten. Hier in Hogwarts würde nichts mehr passieren. Es war wirklich aufregend gewesen, ja, aber sehr gefährlich und er hatte nicht die Absicht, sein Leben sinnlos zu gefährden. Sie würden nicht immer so viel Glück haben. Das Leben glich einem Rad und die, welche oben auf saßen, fühlten sich froh und glücklich, doch wenn der Wind anfing, aufzukommen und das Rad sich drehte, würden jene, die oben saßen, auf einmal nach unten purzeln, direkt ins Pech und in die Dunkelheit hinein, während diejenigen, die eben dort verweilten, nun aufstiegen und die guten Seiten des Lebens erleben durften. Momentan mochten sie sich ja obenauf befinden, aber irgendwann... würde sich auch ihr Rad zu drehen beginnen.
"Hey, Fette Dame, wach' auf", flüsterte James und nannte das Passwort.
Sie grummelte im Schlaf, öffnete die Augen und funkelte sie verschlafen an. "Waschfällteuschein", murmelte sie und klappte auf.
Schnell kletterten sie durch das Portraitloch in den wohligwarmen Gryffindorgemeinschaftsraum. Niemand war mehr dort, denn es war tief in der Nacht. Feuer brannte nach wie vor in den Kaminen und warfen tanzende Schatten in die Dunkelheit. Hier wirkte es so friedlich, fand Remus. So ruhig. So sehr, dass er glaubte, es wäre schon illusionär, ein Trugbild seiner Fantasie, eine Halluzination seiner nervenaufgeriebenen Gefühle.
Es war eine lange Nacht geworden. Sie hatten viel erlebt und sich gegenseitig geholfen, wenngleich sie letztendlich ihrem Glück und jenem Fremden ihr Leben zu verdanken hatten. Jeder hatte für den anderen eingestanden und Remus wusste einfach, dass, auch wenn er derartiges nicht angestrebt und nicht gewollt hatte, er durch diese Nacht das kostbarste Gut auf Erden gefunden hatte: wahre Freunde. Und er war glücklich.
"Haha, wir sehen wir nur aus!", grinste James, als er sie alle anblickte und an sich herunterschaute. Die Kleidung war teilweise zerrissen und Kratzer, bedeckt mit getrocknetem Blut, übersäten ihre Gesichter. Dunkle Schatten lagen unter ihren Augen, gefolgt von einer Spur des Entsetzens, welches über sie gekommen war, als sie mit einem Geschöpf der Ewigkeit um ihr Blut, ihre Seele und um ihr Leben gekämpft und einen Wettlauf mit dem Tod begonnen hatten.
"McGonagall wird uns umbringen, wenn sie uns morgen sieht", prophezeite Sirius und ein trotziges Grinsen lag auf seinem Mund.
Remus sah ihn an. Im Kaminlicht wirkte sein blasses Gesicht geisterhaft und seine schwarzen Augen viel größer.
Sie wandten sich der Treppe zu und stiefelten übermüdet zu ihrem Schlafsaal.
"Wir sind toter, als tot", setzte Sirius noch hinzu und lachte leise.
"Natürlich, Sirius", entgegnete Remus nun trocken und warf ihm einen langen Blick zu. Ihm fiel gar nicht auf, wie er nun den Vornamen benutzte. "Das Schlimmste an einer Nacht wie dieser, das Schlimmste an einem lebensbedrohlichen Kampf mit einem blutrünstigen Vampir sind das Geschimpfe und der Punkteabzug McGonagalls."
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A/N: Buhu! Na? Mitgefiebert? Sagt es mir per Review!
Hier die übliche, aufrichtige DANKsagung an euch, ihr seid echt spitze! so viel Feedback --strahl
Im achten Kapitel werde ich mit dem zweiten Schuljahr beginnen. Denn der "erste" Teil dieser Geschichte, der Schritt zur Freundschaft, ist hiermit beendet. Die Marauders haben sich zusammengerauft (die Prophezeiung wird in späteren Kapiteln eine kleine Rolle spielen). Lily Evans und Regulus Black kommen nach Hogwarts (Lily gewinnt aber erst im späteren Ablauf an Bedeutung). In den nächsten Kapiteln wird v.a. auf Remus eingegangen, denn dass er es nicht schafft, sein Geheimnis vor Sirius, James und Peter zu verbergen, ist bekannt. Wie finden sie es heraus und werden sie reagieren?
Zur Geschichte im allgemeinen: neben Freundschaft und Verrat bezüglich Marauders, die Entwicklung Narcissas und Andromedas, das Verhältnis Sirius - Regulus, das Haus Black, Lily - James, Walpurgisritter und Voldemort, Snape vs. Marauders, usw.
Vorweg mal eine Frage: In Band 3 wird Remus, als sie die Hütte verlassen, erst zum Werwolf, als der Mondschein auf ihn fällt. Er hat vergessen, den Trank zu nehmen. Aber warum musste er dann als Schüler immer zur Hütte, statt ihn in ein fensterlosen Raum zu verfrachten, wenn ´nur´ der Vollmondschein ausreicht, um ihn zu verwandeln? War das ein logischer Fehler? Ich bin mir nicht sicher, schätze, dass ich es besser fände, wenn Remus sich immer bei Vollmond verwandelt, egal, ob der Mond auf ihn scheint oder nicht (?).
Würde Remus dann so lange Werwolf bleiben, wie der Vollmond am Himmel steht - also die ganze Nacht über?
Vielleicht weiß jemand, was JKR dazu gesagt hat und kann es mir sagen?
Ansonsten schreibe ich es so, wie es mir eben logisch erscheint.
