Rückwärts in die Dunkelheit


Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

- die letzten Worte eines Sterbenden.



11. Kapitel

1. Teil

Schuld und Unschuld



"Nur die schuldig Geborenen erkennen
Unschuld als das, was sie ist:
Als die seltenste Sache im Universum
und die Kostbarste."

- Andromeda TV

Als Narcissa die Kratzer auf Sirius' Haut geheilt und die Prellung auf seinem Rücken so gut es ging behandelt hatte, entließ sie ihn.

Zuvor hatte sie ihm ein Hemd herbeigezaubert, damit er nicht halbnackt durch das Schloss geistern musste und einen Beutel mit Kleebattkraut gegeben, welches er auf die Prellung auf seinem Rücken legen sollte. Zudem eine Phiole mit dem Inhalt einer schmerzbetäubenden Flüssigkeit.

"Na, super, Narcissa, und wie soll ich daran kommen?", hatte er spöttisch gefragt.

Sie hatte ihn unbekümmert angeschaut. "Du bist doch Gryffindor. Ihr brüstet euch doch immer damit, Freunde zu haben... frag' einen von ihnen."

"Du musst mitkommen... ´n Freund von mir ist auch verletzt."

"Warum sollte ich ihm helfen?", hatte Narcissa arglos gefragt.

"Na, weil er mein Kumpel ist."

"Aber nicht meiner. Wenn er nicht schwer verletzt oder ernsthaft krank ist, kannst du Andromeda fragen, okay?" Ihre Stimme hatte hart geklungen, und Sirius hatte gewusst, dass hier nichts half. Narcissa heilte keinen Gryffindor, wenn er nicht gerade mit ihr verwandt war. Er müsste also nun doch einen Weg finden, Andromeda wach zu kriegen, noch ehe der Morgen anbrach. James war in der Tat nicht schwer verletzt, nur die Wunde auf seiner Stirn könnte ihm Schwierigkeiten bereiten. Zumal sie auffällig war.

Als Sirius aus dem Gang heraustrat, lungerte Aryan noch immer im Gemeinschaftsraum. Es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, bis die Sonne aufging.

Sirius warf dem Dunkelhaarigen einen raschen, erstaunten Blick zu, ignorierte ihn dann aber und strebte die Tür an, die diesmal nicht mehr rötlich schimmerte. Lucius musste den Verriegelungszauber aufgehoben haben, als er gegangen war.

"Du kannst dich glücklich schätzen", sagte Aryan neutral und in die Stille hinein, als Sirius soeben die Tür öffnen wollte.

Der Gryffindor hielt inne, starrte einen Augenblick lang auf den Ausgang, ehe er sich langsam umdrehte.

Aryan saß noch immer da, wo er schon vorher gesessen hatte. Zurückgelehnt, die Hände am Hinterkopf verschränkt, strichen seine hellen Augen ausdruckslos über Sirius. Aber dennoch war in ihnen dieses ehrliche, leicht warme Leuchten, welches ihn nahezu sympathisch wirken ließ.

"Was meinst du?", erkundigte Sirius sich und errang einen gelangweilten Ton.

Aryan lächelte elegant. "Mit Narcissa."

Sirius neigte den Kopf und verengte die Augen. Was war das jetzt schon wieder für ein Spiel? "Ja", sagte er knapp. "Sie ist nicht so lästig und niederträchtig, wie ihr."

Der andere Junge lachte. Es war ein angenehmes Lachen, obgleich der stets lauernde Schatten nie aus seiner Stimme wich.

"Warum bist du nicht draußen und jagst unschuldige Kinder im Verbotenen Wald?", fuhr Sirius höhnisch fort.

Aryan hörte auf zu lachen, doch ein leichtes, verschlagenes Grinsen blieb zurück. "Wenn du dich damit meinst, so bezweifle ich sehr, dass du jemals unschuldig gewesen bist."

"Pah. Gib' doch zu, dass die Zentauren euch nicht mehr reinlassen."

Der andere legte den Kopf schief und sah Sirius unter den dichten Wimpern hervor an. "Unruhige Zeiten stehen an", sagte er dann nachdenklich. Das grünsilbrige Feuer im Kamin hatte sein Haar in die Slytherinfarben eingetaucht.

Sirius blinzelte verwirrt. "Und?" Er begann, sich unwohl zu fühlen. Er sollte besser gehen. Doch der Walpurgisritter sprach bereits weiter.

"Und niemand reagiert darauf." Aryan lächelte versonnen.

Er würde nicht gehen. Das Gespräch drohte, interessant zu werden und Sirius hatte manchmal eine Schwäche für so etwas. "Du meinst, niemand, der etwas dagegen hätte..." Er schob seine Unterlippe zwischen die Zähne und lehnte sich leicht an die Tür. Das stimmte allerdings. Voldemort, wie sein Deckname hieß, propagierte in gewissen Kreisen immer heftiger die Dunkelheit und Reinblütigkeit, doch das, was an die Öffentlichkeit geriet, wurde herablassend schmunzelnd abgewinkt. Man hielt jene Vertreter für Fanatiker, für Spinner. "Das nennt man Blindheit."

Aryan erhob sich langsam und grinste Sirius träge an, wie ein Kater. Die Hände vergrub er in die Hosentaschen, während er um den Tisch herumging und sich ihm näherte. Zwei Meter vor dem Jungen blieb er stehen, verlagerte sein Gewicht auf sein linkes Bein und hielt die schwarz umschminkten Augen halb geschlossen. Doch ein Aufglitzern, vereinigt mit der Siegesgewissheit eines Jägers ließ Sirius blitzartig erkennen, dass er in dessen Falle gelaufen war.

"Dann stehst du auf unserer Seite?", zog er das Zuschnappen des Hinterhaltes noch für einen Moment hinaus, scheinbar wissend, dass Sirius ihm ohnehin nicht mehr entkommen konnte.

"Nein", lautete die rebellische Antwort. Er hatte nicht vor, auf derselben Seite zu stehen, wie seine Eltern.

Aryans Lächeln glitt hinauf zu seinen blassgrünen Augen. "Aber wenn du weder blind bist, noch auf unserer Seite stehst, was ist es dann? Wieso reagierst du nicht darauf? Auf die Blindheit der Gesellschaft?" Die Falle schloss sich.

Was nun? Das war eine Frage, die Ehrlichkeit beinhaltete; viel zu viel, als dass es gut sein konnte. Sirius musterte sein Gegenüber ausdruckslos. Er bezwang seine Gefühle mit äußerlicher Ruhe, so wie es sein Vater ihm von klein auf beigebracht hatte, was ihm aber nur selten gelang. Sein Gesicht war steinern und glich einer regungslosen Totenmaske. "Warum sollte ich?", fragte er bestimmt, jedoch arglos. "Ich bin reinblütig, also habe ich nichts zu befürchten. Was ihr mit den anderen macht, die nicht in euer Denkschema passen, interessiert mich nicht." Er wusste selbst noch nicht einmal, ob es die Wahrheit war.

Aryan nickte leicht, als hätte er keine andere Antwort erwartet. "Und doch wolltest du im letzten Jahr deinen Freund schützen. Ist das nicht ein Widerspruch?"

Sirius starrte Aryan wütend an, die Ausdruckslosigkeit floh in unbekannte Weiten. "Hast du etwa ein Problem damit?" Seine Nerven lagen nach einer solchen Nacht sowieso blank. Nicht, dass er unter normalen Umständen selbstbeherrscht wäre - das war er selten - aber jetzt vermochte ihn jedes falsche Wimpernzucken aufzuregen. "Und wisch' dir dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht, ehe ich es magisch verschwinden lasse!"

Aryans Lächeln löste sich in Luft auf, dafür funkelten seine bleichen Augen vor Hohn. "Ohne Zauberstab, Black?" Und wieder war das Grinsen da, diesmal breiter und unverschämter. "Ach, lass' mich in Ruhe." Sirius wollte sich abwenden. Warum war er eigentlich noch hier und unterhielt sich mit einem schwarzmagischen Zauberer? ´So ein Bastard.´

"Weißt du, was ich sehe?", fragte Aryan, fast schon melodramatisch.

Er rollte genervt mit den Augen. Wenigstens war das Grinsen aus Aryans Gesicht wieder verschwunden. "Du willst einen auf Wahrsager machen?" Sirius warf ihm einen verächtlichen Blick zu. "Erspare mir das bitte." Dann drehte er sich endgültig um und öffnete die Tür. Er hätte schon längst gehen sollen.

"Ich sehe einen Jungen vor mir, der zum ersten Mal Erfahrungen mit Freundschaft gemacht hat", fuhr Aryan unbeeindruckt fort. Der lauernde Unterton in seiner Stimme war entwichen. Er klang zwar ausdruckslos, aber leicht betrübt. Als wüsste er, wie tief man durch so etwas fallen könnte.

Wieder war Sirius gestoppt und hatte sich langsam umgedreht. Sein Blick strich irritiert über Aryans blasses, edel geschnittenes Gesicht. Das Fackellicht hatte sich in dessen Augen verfangen und schien das helle Grün zu durchleuchten, wie blaue Adern eine bleiche Haut.

Er schwieg und wartete darauf, bis der ältere Junge erklärte, was er meinte. Vielleicht hatte er sich in ein Gespräch mit dem Zauberer einwickeln lassen, um Antworten zu finden, die er unbewusst suchte, aber willentlich nicht finden konnte.

Aryan schaute weg, richtete seine Augen auf das grünsilberne Licht neben der Tür, welches Sirius von der Seite aus beleuchtete. Nur langsam kehrte sein Blick zu dem Jungen zurück. "Es verwirrt dich. Der Umstand, etwas kennen zu lernen, was dir vollkommen fremd ist, meine ich." Seine Stimme klang noch immer tonlos. Nur leichte Bitterkeit schwang darin, die Sirius stutzen ließ. "Ich sehe es", fuhr der ehemalige Slytherin fort. "Deine Augen... sie sind manchmal ein Spiegel deiner Seele, wusstest du das?"

Nein, das hatte Sirius nicht gewusst und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Finster sah er Aryan an und spürte wieder Ärger in sich hochsteigen. Diese Überlegenheit des anderen regte ihn auf und er ballte seine Faust. Es fehlte nicht viel und er würde sie direkt in dessen Gesicht schlagen, damit fackelte Sirius normalerweise ohnehin nicht lange.

Doch der ehrliche Ausdruck auf Aryans Gesicht zähmte seinen nervenschwachen Charakter. Er spürte den Blick des Jungen auf sich ruhen, wie der Atem eines Gewitters, düster, drohend, aber rätselhaft und wissend, dass ihm die ruhige Stille der Helligkeit folgen würde.

"Aus welchen Gründen du auch vor Dunkelheit fliehen magst, Black... und ich wette, wenn du älter bist, wirst du bessere Argumente drauf haben, als die eines rebellischen Kindes, welches alles in Erwägung zieht, zu tun, nur um seine Eltern zu ärgern - " - das hatte Sirius ganz und gar nicht behauptet, doch es war dem älteren Jungen offensichtlich bekannt - "aber..." Aryan lehnte sich ein wenig vor und senkte seine Stimme zu einem Flüstern herab, eine merkwürdige Mischung aus verwirrender Traurigkeit und gemeinem Hohn, "aber wenn du Pech hast, wirst du sehen, dass Freundschaft, Vertrauen und Liebe einen in noch viel tiefere Dunkelheit zu stoßen vermögen, als sämtliche schwarze Zauber dieser Welt."

Für den nächsten Bruchteil der Sekunde starrte Sirius den anderen an. Und dann stürmte es in ihm orkanartig. Als ob Lava brodeln würde, um den Ausbruch eines Vulkans zu einem ungewissen Zeitpunkt bekannt zu geben. Er wusste, dass es stimmen konnte, aber er wusste auch, dass er unvernünftig genug war, diese Warnung vor Freundschaft in den Wind zu schlagen und zu ignorieren. Wie immer in solchen Situationen fand er seinen Spott als erstes wieder. "Spricht da jemand aus Erfahrung?", griente er.

Aryan prallte zurück, seine Augen flatterten. Für einen kurzen Moment jagte eine nackte Emotion über sein Gesicht, wie eine Welle eines Schauderns, gezeugt von Schmerz und Verzweiflung, doch nur für die Dauer eines Herzschlages, dann war alles wieder vorbei. Auch er hatte gelernt, wie man mit der Gefühllosigkeit umzugehen hatte und verbarg seine Gedanken hinter einem Mantel von eisigem Schnee. "Mach' dir die Dinge ruhig einfach, Black. Du bist noch naiv, aber das wird sich sicher legen", höhnte er.

Sirius zog missmutig die Augenbrauen zusammen. "Ach, halt deine Klappe, Lestrange." Dann ging er. Und diesmal wurde er nicht mehr aufgehalten.

Er spürte nicht mehr so viel von seinen Verletzungen, denn Narcissa hatte sie mit irgendeiner leuchtendblauen Flüssigkeit, von der er lieber nicht wissen wollte, was es gewesen war, betäubt. Doch er war sehr müde. Seine Glieder wurden immer schwerer und ihm war immer noch kalt. Er musste zu James.

Schon halb schlafend stolperte er zum Gryffindorturm hinauf, murmelte das Passwort und kletterte umständlich hinein. Es war gar nicht mehr so dunkel. Durch die Fenster konnte er sehen, wie die Sonne im Osten bereits aufging und dem indigoblauen Himmel einen rötlichen Streifen gab, der wie Feuer wirkte. Als ob weit hinten irgendetwas brannte und die Flammen sich so weit gen Horizont hinaufzüngelten, um mit der Morgensonne zu konkurrieren.

James saß noch immer im Sessel, aber erstaunlicherweise in einem anderen Zustand, als er ihn zurückgelassen hatte. Er war in eine Decke eingehüllt und um sein rechtes Handgelenk und um seine Stirn war sorgfältig ein Verband gewickelt worden. Das ganze Blut war gewissenhaft abgewischt und der Gryffindor schien tief und fest zu schlafen, mit einem feinen Lächeln auf den Lippen. Er hatte sich zusammengekauert und die Beine angewinkelt. Der Kopf lehnte seitlich an der Rückenlehne und seine Hände ruhten auf der sich sanft auf und hinabsenkenden Brust.

Wer hatte sich um ihn gekümmert? Sirius blieb vor James stehen und schaute ihn nachdenklich an. Es schien, als sei es nicht nötig, Andromeda zu wecken, vielleicht hatte die magische Heilung der Wunden ja auch Zeit bis kurz nach dem Aufwachen.

Also beugte er sich herab, rüttelte an James' Schulter und holte ihn aus seinem Schlaf.

Er blinzelte müde. "Hm?", machte er verwirrt und schloss wieder benebelt die Augen.

"Komm', wir müssen ins Bett", wisperte Sirius. Er zog James einfach auf die Füße und legte die Decke um ihn. Der unbekannte Helfer hatte ihm auch die Kratzer am Oberkörper mit hellbraunen Pflastern verbunden, stellte er fest, und den Kleidungsfetzen entsorgt.

James hatte wieder die Augen einen Spaltbreit geöffnet und ließ sich willig von Sirius mit ziehen.

Leise schlichen sie sich in den Schlafsaal. Sirius bugsierte James, der auf der Stelle wieder einschlief, in sein Bett, deckte ihn zu und ließ sich total erschöpft in sein eigenes Bett fallen.

Das war eine lange, anstrengende Nacht gewesen. Noch immer hatte Sirius nichts dergleichen verarbeitet und darüber nachgedacht, und das tat er auch jetzt nicht. Seine Augen fielen zu, schwer und bleiern, wie sie waren, und Schwärze wölbte sich über seine Lider. Er fühlte, wie er in einen Schlaf glitt, tief und weit entfernt von jeglicher Wirklichkeit.

- . -

Remus war halb bewusstlos, als sein Körper sich wieder zurückverwandelte. Zunächst war er vollkommen desillusioniert und völlig neben der Spur. Verstört bemerkte er, dass er sehr zornig war, als sein Verstand langsam wieder einsetzte. Die Veränderung in sein eigenes Ich tat zwar nicht so sehr weh, wie die Wandlung zum Werwolf, doch die seelische Pein war diesmal bei Weitem schlimmer. Zu wissen, ein Werwolf gewesen zu sein, die tiefer greifende Dunkelheit, die sich über den Jungen legte, wie ein langes, schweres Gewand. Die Angst, etwas getan zu haben, was Remus nie verkraftet hätte, schlug zu und beherrschte seine Gedanken: jemanden gebissen zu haben. Er stellte sich nichts Schlimmeres vor, als einem Menschen das Leid anzutun, welches er jedes Mal bei Vollmond erleben musste. Zitternd vor Kälte und Düsternis lief er den langen Weg durch den Gang zurück zur Hütte, um sich anzuziehen. Er war erschöpft und er stolperte mehr, als dass er ging. Er war müde. So müde. Schemenhafte Bilder der vergangenen Nacht jagten durch seinen Kopf, die ihn in tiefe Verwirrung stießen.

War er letzte Nacht hinter jemanden her gewesen? Ihm schien es so, er glaubte nahezu, seine Wut auf eine entkommene Beute zurückführen zu können. Tief in sich machte seine Vernunft ihm klar, dass er wusste, dass er jemanden gejagt hatte. Er hatte während seines Werwolfsdaseins Furcht gespürt. Das war er selbst gewesen, denn auch wenn sein Verstand sich ausgeschaltet hatte, blieb es existent. Es verschwand ja nicht. Und sein Ich, sein richtiges Ich, hatte große Furcht gespürt.

Remus hielt den Atem an. Konnte das sein? Konnte das tatsächlich sein? Dass jemand den Weg zu seinem Versteck gefunden hatte? ´Bitte nicht. Wer weiß, was ich ihm angetan habe.´ Ein Gefühl des Nichtwissens breitete sich in ihm aus, gefolgt von zerrissener Hilflosigkeit. Wenn er doch nur wüsste, was geschehen war! Irgendetwas war geschehen... aber was?

Als der Junge am Ende seiner Kräfte endlich die Hütte erreicht hatte und sich die Stufen hoch schleppte, blieb ihm abermals die Luft weg. Entsetzt riss er die Augen auf und sein Blick huschte panisch über den Raum.

Blut. Blutflecken an der Wand und auf dem Boden, nicht viel, aber nicht zu übersehen. Fetzen eines Pullovers lagen in ihrer Nähe. Es waren nicht die Fetzen seines Kleidungsstücks... denn diese lagen unversehrt unter dem Bett, wie er sofort feststellte.

Er zog sich lähmend an, doch die Kälte schien sich in seinen Gliedern eingenistet zu haben, denn sie dachte nicht daran, fort zu gehen. Ganz im Gegenteil, sie schien die Dunkelheit zu sich einzuladen.

Langsam drehte Remus sich herum, einmal um die eigene Achse und bedachte den Raum noch immer mit bedrückten und geschockten Blicken. Und plötzlich gewann etwas seine Aufmerksamkeit.

Ein Zauberstab, schwarz und schmal, direkt vor der Tür, lag er da und schimmerte sanft im fahlen Licht der Fackel.

Mit drei, vier schnellen Schritten war Remus dorthin gehechtet und ging in die Knie. Vorsichtig, nahezu behutsam nahm er den Zauberstab in die Hand, umwölkt von Bestürzung. Das war nicht sein Zauberstab. Er wusste nicht, wem er gehörte, es gab viele schwarze, schlanke Zauberstäbe. Dieser hier war pechschwarz und fühlte sich glatt an. Vielleicht aus Elfenbein? Elfenbein war normalerweise weiß, aber mit Sicherheit gab es das Material auch in schwarz zu finden. Oder schwarz zu machen. Irgendwie glaubte Remus, dass er Sirius gehörte. Er meinte, Sirius hätte auch so einen richtig durch und durch schwarzen Zauberstab.

Er schüttelte ungläubig den Kopf. Warum kam er denn auf Sirius? Sirius war gestern nicht hier gewesen. Er hatte doch selber gesagt, dass man sich sagte, in der Hütte hause ein Monster, also würde der Junge nicht hierhin kommen, um festzustellen, ob am Gerücht etwas dran war - Doch. Genau das würde Sirius tun.

Remus starrte auf den Zauberstab. Am Ende waren zwei ineinander verschlungene Zeichen eingraviert, wie zwei Symbole, oder eher Runenzeichen. Er kannte sie nicht, prägte sie sich aber genau ein. Es ließ sich ja sehr einfach herausfinden, ob er Sirius gehörte oder nicht. Wenn er tatsächlich hier gewesen war, dann auch sicher in Begleitung von James...

Den Schock, der dieser Vermutung gefolgt war, nahm er erst jetzt wahr. Wenn das wirklich Sirius' Zauberstab war, dann... dann könnte das durchaus bedeuten, dass er wusste, welch' Geheimnis Remus verbarg. Dann könnte es das Ende bedeuten.

´Nein. Bitte nicht. Das kann... das kann einfach nicht sein!´ Remus sprang auf, erzürnt. Seine Hand umschlang den Zauberstab so sehr, dass seien Knöchel weiß hervortraten. Jedes Mal nach einer Werwolfsnacht spielten seine Gefühle verrückt. Er war dann immer geplättet und müde, aber auch gereizt und angespannt.

Was erdreisteten sich die beiden eigentlich dabei, hierher zu kommen? Hier herumzuschnüffeln und seine Nase in Angelegenheiten zu stecken, die ihnen nichts, aber auch gar nichts, angingen?

"Mr Lupin? Remus?", erschallte Madam Pomfreys mütterliche Stimme.

Hastig fuhr Remus herum und fegte die Stofffetzen des Pullovers unter das Bett. Den Zauberstab steckte er weg.

Rechtzeitig genug, denn sie stieg bereits die Treppe hoch.

Er musste zurück. Wieder den langen Weg durch den Gang. Seine Müdigkeit war jedoch verflogen.

"Was...", machte sie, als sie das getrocknete Blut auf dem Boden sah. Erschrocken sah sie Remus an. "Haben Sie sich verletzt?"

Er nickte leicht, winkte aber ab. "Nicht so schlimm."

Madam Pomfrey musterte ihn mit besorgtem Blick. "Sie sehen vollkommen fertig aus."

Das war er auch. Mit einem Male spürte er es wieder. Wie ausgelaugt er war. Wie müde. Wie... seine Beine gaben nach und er fiel zu Boden, doch ehe er aufprallte, hatte sich bereits die Schwärze über ihn gelegt.

Als Vorbotin der Dunkelheit, als wüsste sie, dass es kein Entrinnen gab.

- . -

"James?" Peter schaute zum Bett seines Freundes, doch die geschlossenen Vorhänge versperrten ihm die Sicht. "James, steh' auf, es ist höchste Zeit!"

James öffnete schlaftrunken die Augen. Er murmelte etwas Unverständliches.

"James, wie siehst du überhaupt aus? Was ist passiert? Steh' endlich auf, wir haben verschlafen! Moodys Stunde hat schon seit zehn Minuten angefangen und wenn McGonagall - "

James' Lider flogen auf. "Scheiße", stöhnte er. "Warum kann man in dieser verdammten Schule nicht einmal ausschlafen?" Doch er fühlte sich besser, als er erwartet hatte, auch wen er vor Müdigkeit einging. "Was ist mit Sirius?"

Peter eilte zum anderen Bett und riss die Vorhänge auf. "HEY!" Erstaunt blickte er auf einen tief schlummernden Jungen, dessen Gesicht zu blass war und dessen Atem zu schnell ging. "Sirius?", fuhr er vorsichtig fort und rüttelte ihn leicht an der Schulter. "Schau' dir das mal an, James. Ich glaube, er ist krank."

James zwang sich, aufzustehen, was ihm nach zwei Versuchen endlich gelang und tapste benommen herbei. Kritisch musterte Sirius.

Sein Haar lag ihm nass auf die Stirn. Schweißperlen standen dort und über der Oberlippe.

Rasch legte James' seine Hand auf Sirius Gesicht und fuhr erschrocken zurück. "Er glüht ja!"

"Komisch", sagte Peter, der es ihm nachgemacht hatte. "Und warum ist er so blass? Und warum sieht dein Oberkörper so aus, wie er aussieht? Warum ist deine Stirn verwundet? WAS habt ihr gemacht?"

James blinzelte und unterdrückte ein Gähnen. "Bisschen viele Fragen für diese Uhrzeit, meinst du nicht?"

Peter warf ihm einen missmutigen Blick zu. "Ihr habt was angestellt!"

James winkte ab und ließ sich auf Sirius' Bettkante nieder. "Wir waren draußen, ja." Er schloss die Augen und wölbte sich der wohltuenden Schwärze entgegen.

"Warum habt ihr mich nicht mitgenommen?", erkundigte der andere sich verletzt.

James öffnete wieder seine Lider, unwillig und langsam, und sah Peter beschwichtigend an. "Glaub' mir, da wärst du nicht gerne dabei gewesen." Schmerz hämmerte immer noch gegen seine Stirn, aber die Kopfschmerzen hatten nachgelassen. Alles, was er brauchte, war Schlaf.

Kurzzeitig glaubte er, es hätte an der Tür geklopft, aber er war sich nicht sicher. Außerdem interessierte er sich im Moment nicht im Geringsten dafür.

"Hm." Peter schaute wieder zu Sirius. "Und nun? Wir sollten ihn zur Krankenstation bringen."

"Lieber nicht!" James zog eine Grimasse. Dann beugte er sich hervor, suchte in Sirius' Bett nach dessen Pyjama und zog ihn hervor. "Na, komm'", forderte er Peter auf, "hilf' mir, das Hemd und die Hose auszuziehen."

"Ihn ausziehen?" Peter machte große Augen, dann nickte er verstehend. "Ach so, ja."

"James, erst McGonagall, dann mein Cousin?", ertönte eine spöttische Stimme und James fuhr herum.

"Andromeda!", rief er erleichtert aus. "Mann, hast du noch nie von Anklopfen gehört?" Ärgerlich wandte er sich ab.

"Du wechselst deine Liebe wohl häufiger, als deine Unterwäsche, was?", fuhr Andromeda grinsend fort, als sie näher kam. "Ich will lieber nicht wissen, warum du Gefallen daran findest, Sirius auszuziehen."

"Haha, wie witzig", kommentierte James zynisch und versuchte, Sirius wach zu kriegen, indem er ihn an den Schultern gepackt rüttelte.

"Was ist mit dir?", erkundigte sich Andromeda erstaunt, ihn merkwürdig musternd. Dann fiel ihr Blick auf Sirius. "Und was ist mit ihm?" Die Belustigung in ihrer Stimme hatte sich in Luft aufgelöst und ihre grünen Augen waren fest auf ihren Cousin geheftet. Dann stieß sie auch schon James zur Seite, setzte sich auf die Bettkante und befühlte Sirius' Stirn. "Huh, er hat Fieber!"

"Was du nicht sagst." James setzte sich neben sie. "Wir müssen ihn wecken und ihm seinen Schlafanzug anziehen, ehe McGonagall stutzig wird und nach dem Rechten schaut."

Andromeda warf ihm einen flüchtigen Blick zu. "Wie geht es dir überhaupt? Und was habt ihr angestellt?" Sie fuhr mit ihren Fingerspitzen vorsichtig über seinen Verband um die Stirn.

"Nichts!" James sah sie empört aus großen Augen an und nahm ihre Hand weg. "Ehrlich!"

Andromeda lächelte spöttisch. "Und das soll ich dir glauben?" Sie nahm Sirius' Handgelenk und tastete seinen Puls ab. "Hm... etwas schnell, aber ansonsten okay." Dann griff sie nach James' Handgelenk und tat dasselbe.

"Warum schläft er so tief?", wollte Peter wissen. "Wegen dem Fieber?"

Andromeda zog die Schultern hoch. "Kann sein", sagte sie abwesend. "Okay, dann helft mir mal."

James zog Sirius' Oberkörper einfach die Höhe, so dass dieser davon langsam wach wurde. Benommen blinzelte er kurz, schloss dann aber wieder die Augen. "Waschischlosch", murmelte er undeutlich.

Andromeda knöpfte sein Hemd auf und zog es runter.

Um Sirius' Rücken war in der Mitte ein Verband gewickelt worden und Andromeda zog es ab. Grünes Kraut fiel herunter.

"WAH!", machte Peter, als er Sirius' Rücken sah.

In der Mitte befand sich ein gewaltiger blauer Fleck, der fast schwarz zu schimmern schien. Die Stelle war zudem angeschwollen und wenn die dunklen Farben nicht so dominierend wären, würde sie sicher in einem satten Rot leuchten, dessen war James sich sicher.

Sirius fiel mit seinem Oberkörper einfach nach vorne, nuschelte irgendetwas Unverständliches und schlief weiter.

"Oh, bei Merlin", flüsterte Peter.

"Scheiße." Das war alles, was Andromeda sagte. Dann, nach einem kurzen Schweigen: "Wir... bringen ihn lieber nicht zur Krankenstation."

"Nicht?", wiederholte Peter verdutzt.

James nickte heftig. "Natürlich nicht! Wenn rauskommt, dass wir..."

"Ja?" Andromeda sah ihn scharf an.

"Nichts", murmelte James schnell.

Andromeda fragte nicht weiter, sondern machte sich daran, Sirius die Hose auszuziehen. Darunter trug er dunkelblaue Boxershorts. James gab ihr die Pyjamahose, die sie ihm mit einigen Schwierigkeiten anzog.

James half ihr dabei, nur Peter starrte ihn grüblerisch an. "Ich finde es doof, dass ihr ohne mich gegangen seid", gab er beleidigt Auskunft.

Andromeda durchsuchte Sirius' Hosentaschen und fand schließlich einen Beutel, den sie sogleich öffnete. "Kleeblattkraut", stellte sie fest und klang überhaupt nicht überrascht. "Da ist es ja."

James stutzte, dann fixierte er das Mädchen mit argwöhnischem Blick. "Warum bist du eigentlich hierher gekommen?"

Andromeda sah zurück. "Narcissa hat mir gerade eine Eule geschickt und mir geschrieben, ich solle nach Sirius sehen und das Kleeblattkraut benutzen."

"Narcissa? Deine Slytherinschwester?" James machte ein missmutiges Gesicht. "Was hat die denn damit zu tun?"

Andromeda zuckte mit den Achseln. "Keine Ahnung. Frag' ihn doch, wenn er aufwacht." Sie rollte Sirius vorsichtig auf den Bauch, welches dieser mit einem Blinzeln und schläfrigem Murren quittierte, und begann mit dem Kleeblattkraut zu hantieren, welches sie ihm schließlich auf die blauschwarze Stelle legte.

James sprang auf und begann, rastlos im Schlafsaal auf und ab zu gehen. "Wird es nicht auffallen?", fragte er. "Wenn er nicht zum Unterricht erscheint?" Zum ersten Mal wurden ihm die Konsequenzen bewusst, die sie erwarteten, wenn rauskäme, was sie letzte Nacht getan hatten.

"Hm", machte Andromeda, immer noch mit Sirius beschäftigt. "Noch mehr wird dein Zustand auffallen. Ich nehme an, er war bei Narcissa und sie hat seine anderen Verletzungen geheilt. Das müsstest du doch eigentlich wissen?"

"Ich... ich hab' im Gemeinschaftsraum geschlafen. Keine Ahnung, wie ich hierher gekommen bin, ich glaub', Sirius kam und hatte mich geweckt." James fuhr sich mit der Hand durch die Haare und dachte angestrengt nach. Lily war auch zwischenzeitlich da gewesen.

"Hm", machte Andromeda. "Schau', alles, was es zu heilen gab, hat Narcissa wohl schon erledigt. Bis auf die Prellung auf dem Rücken. Wenn wir diese irgendwie soweit lindern können, dass es Pomfrey nicht auffällt, geben wir ihm einen Übelkeitstrank und bringen Sirius zur Krankenstation. Dann wird sie denken, er hätte sich einfach den Magen verdorben."

"Klingt gut", sagte James sofort. "Aber wie kriegen wir das mit dem Rücken hin?"

"Ich weiß, wer uns helfen könnte", lächelte Andromeda. "Hier, verteil' das Kraut weiter auf die Prellung", fügte sie zu Peter gewandt zu, der auf der anderen Seite des Bettes saß und stand auf. "Bin sofort wieder da. Um deine Wunden kümmern wir uns gleich, damit du wieder normal aussiehst."

James sah ihr stirnrunzelnd hinterher.

- . -

Remus saß aufrecht in einem Bett auf der Krankenstation und blätterte in einem Buch, um das er bei Pomfrey gebeten hatte.

Symbolische Symbolisierungen der Symbole nannte es sich mit dreifacher überflüssiger Betonung und erklärte alle Zeichen und Runen, welche die Menschheit kannte.

Remus hoffte, darin die Buchstaben erklärt zu finden, die auf dem Zauberstab sorgfältig eingeschnitzt waren, um - und das gestand er sich nicht offen ein - seinen Verdacht zu bestätigen.

Wenn das wirklich Sirius' Zauberstab war, wüsste er nicht, was er dann machen sollte.

Die Morgensonne durchflutete den Raum und ließ die weißen Wände und die weißen Bettlaken noch heller erscheinen, als sie es so schon waren.

Da. Endlich hatte er es gefunden. Die zwei Symbole waren vor ihm auf Seite 645 abgebildet (Remus hatte wohlweislich sofort unter ´S´ wie Sirius nachgeschaut), schwarz und überdeckten ein Viertel der Seite.

Es handelte sich hierbei nur um ein Zeichen, wie Remus erkannte, denn es hieß schlicht und ergreifend ´Sirius´.

Remus starrte auf das Symbol, so sehr, dass es in seinen Augen brannte und die Schrift verschwamm. Also doch. Das war Sirius' Zauberstab. Sein Kopf war wie leergefegt. Schock breitete sich in ihm aus. Er hatte gestern versucht, Sirius zu töten. Oder ihm dasselbe Schicksal aufzuhalsen, wie er es erleiden musste.

Bei Merlin. Seine Hände fingen an zu zittern und er schloss die Augen, im Versuch, die Tragweite dieser Erkenntnis zu verarbeiten. Aber Remus schaffte es nicht. Das war ein wenig zu viel. Sein dunkles Geheimnis hatte man herausgefunden. Hogwarts konnte er vergessen. Beinahe hätte er einen Jungen zu seiner Beute gemacht - etwas, was er noch nie getan hatte und darüber war er bisher unsäglich glücklich gewesen. Sirius musste verletzt sein. Aber niemand sonst war auf der Krankenstation, also... Vielleicht war James da gewesen und sie konnten fliehen. Remus war sich dessen sicher, denn auch wenn sein Verstand in jener Zeit ausgeschaltet worden war, so erinnerte er sich düster, sehr schemenhaft an gewisse Schatten. Gewisse, benebelte Gedankenfetzen.

Remus schluckte erneut. Also gut, dachte er, in aufwallender Resignation und Traurigkeit. Mag kommen, was will. Innerlich breitete sich eine Leere aus, welche die Gefühle in eine Kiste versperrte, bis diese jedoch rebellieren und ihr Gefängnis einfach aufsprengen würden.

Hastig nahm Remus wieder das Buch zur Hand und las, was ´Sirius´ eigentlich bedeutete.

Sirius - der Stern
Sirius ist der Name eines Sternes. Wenn man den Oriongürtel beobachtet, muss man einfach nur links herunter schauen, um ihn zu finden. Das heißt, wenn jemand tatsächlich Hilfe braucht, den hellsten Stern am Himmel zu finden. Sein Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie "verbrennen". Er ist ein Leuchtkörper des Sternbildes Canis Major, der große Hund, welcher den großen Jagdhund des Orion repräsentiert. Deswegen wird er auch als Hundstern bezeichnet. Er bildet zusammen mit Betelgeuse im Orion und dem Stern Procyon vom Sternbild Canis Minor das Winter-Dreieck.
Sirius - fachliche Daten
Sirius ist mehr als doppelt so massiv wie unsere Sonne, dadurch ist er heller und heißer als sie. Seine Oberflächentemperatur beträgt 9400 Grad Kelvin. Er ist für uns der hellste Stern am Himmel, da er relativ nah ist, denn er ist nur 8.6 Lichtjahre von uns entfernt - doppelt so weit wie der nächste Stern Alpha Centauri.
Der dunkle Freund
Des Weiteren besitzt er einen dunklen Begleiter. Er leuchtet 10.000 mal schwächer als Sirius A, ist aber der heißere der beiden. Daraus kann man resultieren, dass er viel kleiner ist. Wahrscheinlich ist er ein weißer Zwerg der eine Umlaufperiode von 50 Jahren besitzt. ...

Das klang sehr astronomisch, fand Remus, aber das Wesentliche wurde ja gesagt. Ein heller Stern am Abendhimmel, mit einem dunklen Begleiter namens Sirius B, einem weiteren Stern, der jedoch nicht dieselbe Leuchtkraft besitzt, wie Sirius A.

Sein Blick glitt zum Fenster, hinab zu den Ländereien von Hogwarts. Was sollte er bloß tun?

- . -

Sirius wachte auf und war eindeutig nicht in seinem Schlafsaal. Alles war sehr hell und roch nach - Krankenstation.

"Nein!", rief er aus und fuhr hoch. Gefolgt von einem stechendem Schmerz im Rücken. Dann erstarrte er wie elektrisiert, als er Remus neben sich im Bett sitzen sah, direkt am Fenster, den Kopf über ein Buch gebeugt, die Sonne auf sein hellbraunes Haar scheinend.

"Ah, Sie sind wach!", ertönte Madam Pomfrey. "Und, wie fühlen Sie sich?"

"Gut", antwortete Sirius verwirrt. Er fühlte sich tatsächlich gut. Der Schmerz im Rücken war vergangen, doch obwohl es immer noch weh tat, hielt er es aber im Großen und Ganzen für erträglich. "Nur... müde. Und... mir ist etwas übel", stellte er erstaunt fest.

"Ja, ja, Ihnen schien nicht gut gewesen zu sein. Sie hatten ein wenig Fieber, aber das habe ich senken können. Sie haben sich den Magen verdorben", plapperte Madam Pomfrey und stellte sich neben seinem Bett.

Magen verdorben?, wiederholte Sirius in Gedanken und runzelte verstört die Stirn. Was geht denn jetzt ab? Aber er sagte nichts, war er doch erleichtert, dass Pomfrey nichts von Werwölfen und ´Das Sie DAS gewagt haben, Mr Black, das wird harte Konsequenzen nach sich ziehen´ und so weiter erwähnte.

"So, Mr Black, dann trinken Sie mal das hier", sagte die Hexe und drückte ihm eine Tasse mit dampfender, grüngelber Flüssigkeit in die Hand.

Remus starrte ihn mittlerweile an. Sirius sah direkt in die bernsteinfarbenen Augen und die Erinnerungsbilder vergangener Nacht hetzten durch seine innere Iris. Der Werwolf, der sich auf ihn stürzte. Der wilde Ausdruck in den Augen. Die Gier. Wusste er es?

"Hallo", sagte er dann, betont lässig und grinste schief. "Geht's dir immer noch nicht besser?" Sirius setzte sich gerade und stellte die Tasse ab, als die Hexe ins andere Zimmer verschwand. "Das Zeug stinkt vielleicht", fügte er angeekelt hinzu. "Ich trinke es gar nicht aus, sondern schütte es aus dem Fenster." Er machte Anstalten, aus dem Bett zu steigen.

Madam Pomfrey erschien plötzlich wieder im Türrahmen, die Hände auf die Hüften gestützt und Sirius ärgerlich anfunkelnd. "Das habe ich gehört, Mr Black! Trinken Sie es aus, sofort!"

Sirius verzog das Gesicht und ließ sich entmutigt zurücksinken. "Aber..."

"Soll ich Sie zwingen?"

"Nein!" Er lachte etwas nervös. "Und das dürfen Sie übrigens auch gar nicht."

"Ich darf sehr vieles, Mr Black. Und ich warte..." Madam Pomfrey klang sehr ungeduldig und Sirius nahm mit angewiderter Miene die Tasse wieder in die Hand, schnupperte und würgte.

"Bäääh! Davon muss ich KOTZEN!"

Madam Pomfrey schnaubte und rauschte herbei. Ihre kleinen Knopfaugen waren verengt und glitzerten verärgert.

Hastig setzte Sirius die Tasse an seinen Mund und trank, dabei den Atem anhaltend, um das üble Gebräu nicht schmecken zu müssen. Er hoffte, sie würde wieder gehen, damit er es nicht runterzuschlucken bräuchte, aber die Hexe dachte offensichtlich nicht im Entferntesten daran.

Schließlich hatte er das Zeug herunterbekommen. "Bah! Das schmeckt ja wie abgefaulte Spinnenbeine!"

Madam Pomfrey sog die Luft ein und machte ein angeekeltes Gesicht. "Haben Sie etwa abgefaulte Spinnenbeine gegessen?"

"Hey, nein", sagte Sirius und grinste verwegen.

Madam Pomfrey riss beinahe schon theatralisch ihre Arme in die Höhe. "Sie haben nichts als Unsinn im Kopf, Mr Black. Und lassen sie Mr Lupin in Ruhe, hören Sie?", schimpfte sie, während sie Sirius' Tasse an sich riss und wieder im Nachbarzimmer verschwand. "Sie sind auch nur dann unschuldig, wenn Sie schlafen, befürchte ich!"

Sirius sah zu Remus und grinste noch breiter. "Na, Lupin? Wann kommst du wieder raus?" Bloß nicht an letzte Nacht denken. Er wollte es sich kaum eingestehen, aber irgendwie sah er sich nicht mehr in der Lage, darüber ein Gespräch zu führen. Momentan jedenfalls nicht.

Remus musterte ihn kühl. "Weiß ' nicht."

Sirius blinzelte. Wusste sein Freund nun, dass er gestern bei ihm war? Eigentlich dürfte er das doch gar nicht wissen, denn der Junge war ja nicht er selbst gewesen. Also... "Hm, ich fühl' mich irgendwie ziemlich gerädert."

"Hast' wohl was Schlechtes gegessen?", erkundigte Remus sich beiläufig.

Sirius zuckte mit den Achseln. "Wird wohl." Er fragte sich, ob Remus, der nun so gar nicht mehr einem Werwolf ähnelte, seinen Zauberstab gefunden hatte und wenn ja, ob er wusste, dass es seiner war. Außerdem fragte er sich, wer ihn hierher gebracht und warum Pomfrey nicht bemerkt hatte, was wirklich abgelaufen war. Vielleicht ging es James besser und er hatte Andromeda geholt. Seine Cousine konnte Meisterleistungen vollbringen, wenn es darum ging, Verbotenes zu vertuschen und illegalen Dingen den Mantel der Legalität zu verpassen.

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A/N:
Soho, das war der erste Teil von Kapitel elf. Der zweite folgt in Kürze. Hat es euch gefallen? Ja? Nein? Freue mich auf Resonanz!

Ah, die Erklärung des Sternes Sirius stimmt soweit, sogar die Sache mit dem dunklen Begleiter. ;) D.h., ich hoffe, das alles stimmt. Dafür garantieren tue ich lieber nicht. Ich hatte nämlich mal an der Uni im zweiten Semester, also im SoSe 2003, ein Astronomieseminar belegen müssen und da haben wir u.a. über Sterne geredet. Aus:

Wer mehr wissen will - fragt mich einfach!

So, ihr ward mal wieder irre lieb und habt soo viel reviewt -strahl und Kekse verteil-

Hehe, eure Diskussionen sind ja echt cool. Da es, was Narcissa betrifft, etwas heißer zuging, ein kurzes Statement dazu:
Ich denke, dass ich sie zwar als lieblich dargestellt habe, gewisse Andeutungen jedoch bereits in Kapitel 3 und spätestens Sprüche in Kapitel 10 klar gemacht haben, dass für sie nur das reines und verwandtschaftliches Blut zählt. Das geht vielleicht ein wenig in die Richtung von Verwandtschaftsaltruismus. Ob ihr sie nun als lieben Engel oder als bösen Rassisten seht, überlasse ich euch. Ob sie Sirius hilft, weil er dasselbe reine Blut trägt, wie sie, oder ob sie es tut, weil sie ihn wirklich mag, wird erst in späteren Kapiteln gelöst.