Rückwärts in die Dunkelheit
Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?
- die letzten Worte eines Sterbenden.
11. Kapitel
2. Teil
Schuld und Unschuld
"Nur die schuldig Geborenen erkennen
Unschuld als das, was sie ist:
Als die seltenste Sache im Universum
und die Kostbarste."
- Andromeda TV
Remus musterte Sirius aus den Augenwinkeln. Der Junge war heute Morgen fiebrig und unruhig schlafend hereingebracht worden - von einem auffällig unschuldig aussehenden James - und hatte bis zum Mittag durchgeschlafen.
Nun schien es ihm wieder besser zu gehen. Remus hatte mit James reden wollen, aber Pomfrey hatte den Jungen und Peter wieder hinausgejagt. Wenigstens schienen die beiden nun eine gute Ausrede für ihr Zuspätkommen zum Unterricht zu haben.
Jeden Moment würde Pomfrey Mittagspause machen und da keiner von beiden mehr ernsthaft krank war, standen die Chancen gut, dass sie die Station verließ. Dann würde Remus seinen ´Freund´ ansprechen und bei der nächstbesten Lüge des anderen das Beweisstück zur Geltung bringen. Er hatte den Zauberstab bei sich, wohlweislich vor der Hexe versteckt und hielt ihn nun unter der weißen Bettdecke.
Ja, er hatte Glück. Mit tausend Ermahnungen und kritischen Blicken verschwand die Medi-Hexe und eine betretene Stille breitete sich zwischen den beiden jungen Zauberern aus.
Sirius schien leicht nervös, ein weiterer Beweis dafür, dass er es gewagt hatte, ihm, Remus, einen Besuch während seines Werwolfsdaseins abzustatten. Ob der Junge sich beschweren würde, dass ein Monster unter ihnen weilte? Ob es ihn befremdete und anwiderte, neben sich einen Werwolf liegen zu haben?
Remus atmete tief ein. Er musste das Gespräch anfangen und auch durchziehen, er musste Gewissheit haben, um abschätzen zu können, wie viel Schaden letzte Nacht angerichtet wurde - für ihn, für Sirius, für alles, was ihm wichtig war. Bei Merlin, es fiel ihm schwer. Am liebsten würde er die Augen schließen und sich wünschen, nichts von dem wäre wahr.
"Was habt ihr gemacht?", fragte er schließlich und hoffte, desinteressiert zu klingen.
"Wie?" Sirius blinzelte ihn verstört an. "Nichts", folgte dann die viel zu schnelle Antwort.
Remus lachte frustriert. "Nach ´nichts´ sieht es nicht aus, finde ich." Er warf Sirius einen durchdringenden Blick zu. "Komm' schon, du kannst mir nicht erzählen, dass du dir den Magen verdorben hast." Übrigens bezweifelte er auch sehr, dass Pomfrey es geglaubt hatte.
Sirius starrte ihn an. Seine großen, schwarzen Augen lagen fest auf ihn gerichtet, und Remus konnte das Gewicht förmlich spüren, welches der Blick mit sich brachte.
Der Junge setzte sich gerade hin, legte die Hände in seinen Schoß und zupfte nervös an der Bettdecke. "Ich weiß nicht, was du meinst." Die Haare fielen ihm wie üblich in die Stirn.
Remus verengte seine Augen und spürte plötzliche, kalte Wut in sich aufsteigen. Der letzte Rest seines Werwolfsdaseins war am Tag nach der Verwandlung immer sehr schwer zu bändigen. Und ehe er es sich versah, hatte er seine Decke zurückgeschlagen, war aufgestanden und zu Sirius' Bett geeilt, nur, um ihm dessen Zauberstab gegen die Brust zu schmeißen.
"Bitte schön", presste Remus zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Seine Augen waren zusammengekniffen und er stierte den anderen unter dichten Wimpern an. "Ich fürchte, den hast du gestern Nacht vergessen, in der, wie nanntest du den Ort noch so treffend, Heulenden Hütte!"
Sirius hatte seinen Zauberstab in die Hand genommen und war um mehrere Grade blasser geworden. Er starrte Remus noch immer an, zunächst undefinierbar, vielleicht ein wenig hilflos. Remus war zu aufgebracht, um sonderlich auf den Ausdruck seines Freundes zu achten.
Einige Augenblicke vergingen, die sich so sehr zuspitzten, dass es beinahe wehtat. Wie eine Scherbe, deren blutscharfe Kante in weiche Haut schnitt.
"Du... du weißt Bescheid?", stellte Sirius noch reichlich belämmert fest.
"Nein, Sirius, ich tue nur so!", zischte Remus und presste die Lippen zusammen. Er wurde wieder viel zu sehr wütend. Aus seinem Entsetzen war schon längst Verzweiflung geworden und daraus erwuchs Zorn. Intensiv, denn die Nacht als Werwolf lag noch nicht lange zurück, und so spürte er alle seine Gemütsregungen sehr stark. Kein Wunder, dass er sich kaum unter Kontrolle halten konnte, um... Er ballte seine Hände zu Fäusten.
"Hör' mal, Remus, okay, ich... ich gebe es zu, ich war da", fing Sirius etwas nervös an. Er legte seinen Zauberstab auf das Nachttischchen. "Ich wollte wissen, was mit dir los ist. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du zu einem Werwolf mutierst." Er lachte kurz, in seinen dunklen Augen leuchtete es. "Aber das war echt abgefahren." Sein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen, doch das hätte er nicht tun sollen.
In Remus machte es einfach ´Klick´. Als hätte jemand in ihm den Schalter umgelegt und seine verwirrten Emotionen katapultierten nun endgültig aus ihm heraus.
Er packte Sirius am Oberteil seines Pyjamas und zog ihn mit einem einzigen, brutalen Ruck aus dem Bett.
"Remus", keuchte dieser auf, sämtliches Leuchten in ihm verschwand, als hätte jemand eine Kerze kräftig ausgeblasen, aber der Dunkelblonde ignorierte ihn.
Schon hatte er Sirius gegen die Wand zwischen ihren Betten gedonnert, so dass dessen Hinterkopf hart aufprallte, und hielt ihn dort gewaltsam fest. Es waren noch die Kräfte eines Werwolfs, die er in sich trug.
Sirius stöhnte auf, sein Blick flackerte und sein Gesicht war vor Schmerzen verzogen.
Remus runzelte kurz die Stirn, doch er war zu sehr in Rage, um sich Sorgen zu machen. "Abgefahren, ja?", stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, die Hände in Sirius' Oberteil des Schlafanzuges gekrallt. Mit seinem Körper hielt er den anderen gegen die Wand, so dass dieser keine Bewegungsfreiheit mehr hatte.
"Lass' mich los", keuchte Sirius. Er hatte Remus' Handgelenke umpackt und versuchte vergeblich, sich zu befreien.
"Ich wette, das fandest du witzig, hm", fuhr Remus fort, zischend und halb ohnmächtig vor Wut und Verzweiflung, eine Folge der schrecklichen Eindrücke der vergangenen Nacht, die schmerzhaft auf seiner Seele lasteten. "Fandest du es auch witzig, als ich mich auf dich gestürzt habe? So wie der Raum aussah, muss ich das ja wohl getan haben! Kapierst du nicht, dass du hättest drauf gehen können? Dass du dabei nicht nur dein, sondern auch mein Leben hättest ruinieren können?"
"Ich... ich kriege. Kaum. Noch. Luft!", presste Sirius abgehackt hervor, wieder im Versuch, sich freizukämpfen.
Remus fuhr ihm jedoch über den Mund: "Das ist alles, was du zu sagen hast?!"
"Ich... ich war neugierig und-"
"Und was fällt dir ein, mir hinterher zu spionieren?" Remus zog Sirius zu sich, wich aus und stieß ihn in die Mitte des Raumes, so dass der Junge hart auf den Rücken fiel und durch die Geschwindigkeit ein paar Meter über den Boden rutschte.
Wieder ein schmerzhaftes Aufkeuchen.
Remus war ihm nachgeeilt und stand nun direkt über ihn. "Hast du schon mal was von Privatsphäre gehört?"
Sirius richtete sich halb auf, auf die Ellenbogen gestützt. "Aber... wir sind doch Freunde", fing er benommen an, blinzelte benebelt, doch ehe er noch irgendetwas tun konnte, hatte sich Remus zu ihm hinabgebeugt und ihn einfach hochgerissen.
"Freunde bringen sich einander nicht in Schwierigkeiten", spuckte er außer sich vor Wut aus. Er hatte Sirius bei den Oberarmen gepackt und fing an, ihn leicht zu schütteln. Seine Gedanken rasten ohnehin schon in einem viel zu schnellen Tempo durch seinen Kopf, als dass er einen hätte zu fassen bekommen können, um eventuell vernünftig zu handeln. "Du bist ein egoistisches Arschloch, das glaubt, die Welt zu besitzen, aber das ist nicht so! Du kannst nicht herumlaufen und auf die Gefühle anderer trampeln, wie es dir gerade beliebt, verdammt!"
"Remus...", wimmerte Sirius fast schon, das Gesicht wieder vor Schmerzen verzogen. "Lass' - mich - endlich - los!" Erneute Versuche, sich loszureißen, doch sie schlugen allesamt fehl. Er war zu benebelt und Remus zu grob.
"Ist das deine einzige Sorge?", fauchte Remus, kam der Bitte aber nach, ließ Sirius los und stieß ihn brutal von sich.
Dieser stolperte nach hinten und wäre wieder hingefallen, wenn er nicht gegen die gegenüberliegende Wand geprallt wäre.
Ein Blick in diese schwarzen Augen, in denen eine Welle von Gemütsbewegungen vorbeirauschte. Benommenheit, Verstörtheit, aber auch Trotz und Aufregung.
Remus blinzelte. Mit einem Male waren alle seine Gefühle verraucht. So plötzlich, dass ihm schwindelig war. Als ob sie jemand fort gezaubert hätte, ohne jegliche Vorwarnung. Nur Gleichgültigkeit blieb zurück. Resignation. Schwer wie Blei und ohne Emotionen. "Ach, hau' doch ab, Sirius. Geh', erzähle allen, was du weißt und komm' einfach nicht mehr in meine Nähe", sagte Remus müde, beinahe flüsternd. Dann drehte er sich herum, er wollte nicht länger in das Gesicht eines Menschen schauen, von dem er gehofft hatte, sein Freund zu sein.
Kurzes Schweigen, welches lauter in seinen Ohren dröhnte, als sämtliche Lärmpegel dieser Welt.
"Remus", drang dann eine leise, ausdruckslose Stimme an sein Ohr. "Sag' so etwas nicht, das wird doch nicht dein Ernst sein..."
"Ist es aber", meinte Remus kalt und ging zu seinem Bett.
"Verdammt, nun dreh' dich wieder um", fuhr Sirius auf, doch zuviel Schmerz lag in seiner Stimme, als dass es hätte bedrohlich klingen können.
Remus runzelte die Stirn. Er hatte den Jungen doch gerade nicht verletzt? Langsam wandte er sich wieder um und sah, wie Sirius sich dabei abmühte, stehen zu bleiben, doch offensichtlich spielten seine Beine nicht mit, denn er sackte schließlich einfach hinab, an der Wand entlang, bis er auf dem Boden sitzen konnte. Die Beine angewinkelt, die Arme seitlich abgestützt, sah er ihn unverwandt an.
Remus konnte den Blick nicht deuten, erkannte aber, dass Sirius wirklich Schmerzen hatte.
"Habe... habe ich dir wehgetan?", erkundigte er sich zögernd.
Sirius lächelte schwach, schüttelte jedoch den Kopf.
Remus starrte ihn an, dann zuckte er mit den Achseln und wollte ihm wieder den Rücken zudrehen, als der Junge ihn aufhielt.
"Remus?", fragte Sirius schlicht, doch etwas schwang in seiner Stimme mit, die ihn inne halten ließ.
Remus konnte die Bedeutung nicht erfassen, denn sie entzog sich ihm, rasch und eilend, wie der Wind, aber sie war da gewesen. Kein Teil der Tonlosigkeit, auch nicht des Schmerzes oder einer Bitte, es war ihm unmöglich, zu sagen, was es gewesen war, und er versuchte auch nicht länger, darüber nachzudenken, denn manche Dinge bedurften keine Erklärungen. Der Instinkt handelte von ganz alleine.
"Ja?"
"Ich war doch einfach nur neugierig", sagte Sirius, ungewöhnlich offen. "Ich wusste doch nicht, dass du ein Werwolf bist. Und ich werde es nicht rum erzählen. Ich finde es wirklich aufregend, weißt du? Okay, die Sache von gestern hätte superleicht ins Auge gehen können... aber... daran ist nun mal nichts zu ändern." Zunächst zögernd gesprochen, wurde er nun immer schneller. Die Worte prasselten über seine Lippen wie Sommerregen. "Was willst du von mir hören? Dass es leichtsinnig von mir war? Dass mich deine Geheimnisse nichts angehen? Aber ich weiß es jetzt und ich finde die Wahrheit nicht schrecklich. Ich meine, du kannst schließlich auch nichts dafür, oder? Du bist unschuldig daran, da du dich wohl kaum freiwillig hast beißen lassen." Ein plötzlich verschlagenes Lächeln lag auf Sirius' müdem, bleichem Gesicht. "Ich hatte noch nie einen Werwolf zum Freund", schloss er schlicht.
Remus stieß einen langen Atem aus. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Geschweige denn denken. Erleichterung durchwallte ihn, als er hörte, dass Sirius es nicht abstoßend fand, dass er ein Werwolf war, so sehr, dass seine Wut gedämpft wurde. Das hätte er sich irgendwie nicht träumen lassen. Er hatte Sirius unterschätzt, etwas, was er eigentlich hätte vorausahnen können. Kurz schloss er die Augen, denn seine Gedanken drehten sich so schnell im Kreis, gehetzt von seinen durcheinander gebrachten Emotionen, dass ihm wieder schwindelte. "Du... du findest es nicht schrecklich?" Er sah den Jungen wieder an, vorsichtig und fragend. "Nicht widerwärtig? Werwölfe sind nicht angesehen und -"
Sirius winkte ab. "Was interessiert mich die Gesellschaft?", erkundigte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen. Ein rebellischer Funken glomm in seinen Augen auf und ließ sie heller erscheinen. "Sie verurteilt dich, weil sie alles verurteilt, was ihr fremd ist. Sie macht aus dir einen Schuldigen, der du nicht bist, habe ich recht? Du bist doch immer noch Remus Lupin, oder? Und nur, weil du dich einmal im Monat zu einem Werwolf verwandelst, will ich nichts mehr mit dir zu tun haben?" Sein Mund spitzte sich, halb vor Empörung, halb vor Verachtung, offensichtlich darüber, dass Remus so etwas gedachte hatte. "So ein Quatsch..."
Remus lächelte kurz, er konnte es nicht verhindern. Er war froh. So froh, dass er Sirius alles verzieh. Alles. Jemand wollte sein Freund sein, obwohl derjenige wusste, was er war. Es stimmte, er war nicht schuldig, denn er konnte nichts dafür. Doch man hatte ihn als Schuldigen verbannt, so sehr, dass er die Bedeutung der Unschuld schmerzhaft kannte. Die Welt, vor einigen Augenblicken noch ein Häufchen Trümmer, erstrahlte plötzlich in einem neuen Glanz.
Sirius stand umständlich auf und ging ein paar Schritte auf ihm zu. "Ich finde die Tatsache, dass du ein Werwolf bist, interessant, Remus." Auch er lächelte leicht.
Remus stutzte kurz, doch er war zu glücklich, als dass ihm etwas aufgefallen wäre, was vielleicht hätte wichtig gewesen sein können.
Die Sonnenstrahlen strichen sanft über Sirius' Gesicht und verfeinerten die Blässe und begannen ein Farbenspiel auf seinen schwarzen Haaren. Reglos sah er Remus an, die Augen halb geschlossen, die Wimpern Schatten auf seinen Wangen werfend. Er lächelte immer noch flüchtig. "Vertraue mir, ich werde dies nicht gegen dich verwenden."
- . -
Kräuterkunde war endlich zu Ende und James und Peter stürmten durch die Burg. Vielleicht schafften sie es, sich an Pomfrey vorbeizumogeln, um ihren Freunden im Krankenflügel einen Besuch abzustatten.
Als sie jedoch die Treppen hinauf rennen wollten, wurden sie aufgehalten.
"Halt!"
Peter stockte inmitten des Laufs und wandte sich um.
Andromeda stand dort, mit Rick Lee Jordan, ihrem besten Kumpel. Sie hatte die Arme vor die Brust verschränkt und musterte sie beide aus verengten Augen, in denen es grün schimmerte.
"Ihr seid mir noch eine Erklärung schuldig", sprach sie weiter, fordernd und offensichtlich nicht dazu geneigt, sie entwischen zu lassen, denn sie und Rick näherten sich rasch, bis sie nur noch eine Stufe unter ihnen standen.
"Erklärung?", wiederholte James in seinem ´Ich weiß gar nicht, was du meinst´-Ton, der Andromeda verächtlich schnauben ließ.
"Wir hatten heute morgen kaum Zeit, um darüber zu reden", erklärte sie dennoch, die feinen Augenbrauen leicht zusammengezogen.
Das stimmte. Es ging alles sehr schnell. Andromeda hatte Rick geholt, sowie ein Mädchen namens Alice, die sie wahrscheinlich mit irgendetwas unter Druck gesetzt hatte, und zusammen hatten sie Sirius' Prellung am Rücken farblos machen können, denn sie zu heilen hatten sie nur halb geschafft. Aber sie hautfarben zu machen, hatte gereicht (Rick hatte da so seine speziellen Tricks), denn Pomfrey sollte ja nichts merken. Dann hatte Rick ihm einen Übelkeitstrank eingeflösst, so dass sie einen Grund hatten, ihn zur Krankenstation zu bringen, während Alice sich um James' Wunden gekümmert hatte. Andromeda und die anderen waren dann auch schon davongeeilt, da der Unterricht längst begonnen hatte.
Seitdem hatte James, wie Peter durchaus aufgefallen war, sie in der Großen Halle gemieden und immer sofort zu den Klassenräumen gewollt.
Nun, es war klar, dass Andromeda ihn früher oder später zur Rechenschaft gezogen hätte. Peter selbst wusste inzwischen, was passiert war - James und Sirius hatten einen Werwolf entdeckt und mussten vor ihm fliehen. Während des ganzen Vormittags hatten sie darüber gerätselt, warum ein Monster in der Heulenden Hütte verweilte und was die Peitschende Weide damit zu tun hatte, und James hatte spaßeshalber gemeint, vielleicht wäre es ja Remus gewesen, aber sie hatten beide darüber gelacht.
Das wäre unvorstellbar. Den bitteren Nachgeschmack ignorierte Peter.
"Sirius und ich haben uns nur im Verbotenen Wald herumgeschlichen", hörte er James soeben unverfroren lügen.
"Und wem seid ihr da begegnet?", hakte Andromeda ungeduldig nach. Um ihre leicht rötlich schimmernden Lippen malte sich ein harter Zug.
"Einem Monster", meinte James, das Mädchen mit großen Augen anschauend. Die Wimpern zuckten kein einziges Mal. "Irgend so ein großer Wolf, der wirklich großen, großen Hunger hatte."
"Wölfe greifen nicht so einfach Menschen an", hielt Rick misstrauisch dagegen, die Augenbrauen hochgezogen. In seinen dunklen Augen glitzerte jedoch Belustigung.
"Dieser Wolf schon!", rief James entrüstet und Peter warf ihm einen halb bewundernden Blick zu. Er konnte wirklich gut lügen.
Andromeda sah es offensichtlich anders, denn sie stieß einen langen Atem aus. Das Fackellicht ließ ihre hoch aufgesteckten Haare glänzen und hob ihre Blässe hervor. "So ein Blödsinn. Sie tun es nur, wenn man sie provoziert." Ihre Augen wurden ganz schmal, so dass man die grüne Iris kaum noch sehen konnte, da die langen, dichten Wimpern sich zusammengeschlossen hatten. "Was war los, James?", zischte sie nun und krallte unverzüglich ihre linke Hand in James' Oberteil. "Du und Sirius könnt nicht so einfach in einem zerrissenen Zustand herkommen und so tun, als sei nichts gewesen! Na los, sag' mir sofort die Wahrheit, ehe ich dich bis in die nächste Woche hexe!"
Peter sah sie leicht erschrocken an, einkalkulierend, dass sie es wirklich ernst meinte, denn in ihren Augen glitzerte es unnachgiebig, wie blendende Reflexionen des Sonnenlichtes in Spiegeln.
James sah sie wütend an. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, und seinem Gesichtsausdruck nach wäre die Bemerkung sicher beleidigend und Streit auslösend gewesen, als eine neue, belustigt klingende Stimme hinter ihnen ertönte.
"Na, Andromeda, Rick, erpresst ihr wieder die Kleinen, damit sie euch als Versuchsobjekte eurer Streiche dienen können?"
Peter wirbelte herum und sah einen schlanken, hoch gewachsenen Jungen in Andromedas und Ricks Alter auf sie zuschlendern. Er trug die Gryffindoruniform. Die Hände waren lässig in den Hosentaschen vergraben und ein amüsiertes, breites Grinsen lag auf seinen Lippen. Sein Gesicht war ganz leicht herzförmig und seine dunkelbraunen Haare hatte er zu einem kleinen, etwa fünfzehn Zentimeter hohen Irokesenschnitt hochgezaubert. Die Spitzen der Haarsträhnen davon waren abwechselnd in Rot und Gold gehalten - in den Farben seines Hauses. An der linken Augenbraue trug er einen kleinen, silbernen Ring, das war Peter sofort aufgefallen. Ebenso der linke Ohrring, der verdächtig nach einem Drachenzahn aussah. Er hatte feine und ebenmäßige Züge. Seine Augen waren groß, dunkel und funkelten unablässig und strichen zunächst über seine Klassenkameraden, dann über James, der von dem Mädchen wieder losgelassen worden war, und Peter, ehe er wieder abwechselnd zu Andromeda und Rick schaute.
Peter war der Junge schon öfter aufgefallen und er glaubte, ihn in der Quidditchmannschaft zu wissen.
"Wir erpressen niemanden, Ted", antwortete Rick, aber sein feixendes Gesicht sprach Bände.
"Schon klar", meinte der Junge und zwinkerte. "Die Unschuld steht auf euren Gesichtern geschrieben."
"So wie bei dir", fuhr Andromeda schalkhaft lächelnd dazwischen. "Kommst du aus der Eulerei?"
Ted machte große Augen, als sei er bei etwas ertappt worden. "Hm, ja...", wich er etwas aus. Er hatte mittlerweile die kleine Gruppe erreicht und blieb stehen.
Er hatte ein freundliches Gesicht, fand Peter, und eine interessante Aufmachung.
"Uns ist zu Ohren gekommen, dass du eine umfangreiche Stinkbombensammlung bestellt hast", griente Rick und blinzelte verschwörerisch.
"Stinkbomben?", rief James begeistert dazwischen, aber die Älteren achteten nicht auf ihn.
"Lass' es uns doch wissen, wenn du für einige davon keine Verwendung mehr findest", fuhr Rick händereibend fort.
Andromeda nickte strahlend und grinste entwaffnend. "Wir hätten da nämlich genug Ideen..."
Ted lächelte ausgeglichen. "Angenommen, das Gerücht stimmt und es würden tatsächlich welche übrig bleiben, so könnte ich dem nachkommen..., ja." Noch einmal sah er James und Peter an, leicht neugierig, als fragte er sich, was Zweitklässler mit Vierzehn- und Fünfzehnjährigen zu tun hätten. Doch sein Interesse war nicht wirklich da, denn er schaute bereits wieder zu Andromeda. "Nimm' dich vor deinem Cousin in Acht, er hat lauthals behauptet, er würde es seiner gryffindorischen Verwandten schon heimzahlen", warnte er noch galant, nickte Rick kurz zu und ging weiter.
Er war gerade mal zwei Stufen hinab gestiegen, als James und Andromeda gleichzeitig "Sirius?" ausriefen, gleichermaßen perplex.
Ted blieb stehen und drehte sich herum. Belustigung flackerte wieder in seinen dunklen Augen auf, aber sie wirkte nicht gehässig oder hochtrabend, sondern angenehm, ein wenig spitzbübisch. Erneut grinste er, so breit, dass sich links und rechts feine Grübchen bildeten.
"Ich weiß nicht, wie er heißt. Irgendein kleiner Knirps, der meint, die Welt zu besitzen."
"Sirius?", wiederholten sie beide wieder, diesmal verwirrt.
Peter runzelte die Stirn. Was hatte Sirius denn auf einmal gegen Andromeda?
Dann schlug sich diese mit der flachen Hand gegen die Stirn. "Du meinst Regulus!" Sie lachte heiter. "Ja, das wundert mich nicht..."
´Ach ja, Sirius' Bruder...´ Peter setzte eine grüblerische Miene auf. Den hatte er völlig vergessen.
Ted zuckte mit den Achseln. "Kann sein. Es war auf jeden Fall ein Slytherin, wenn ich mich recht erinnere." Er lächelte noch einmal in die Runde. "Bis später dann", fügte er lässig hinzu, drehte sich herum und ging weiter die Treppe hinab, die sich nach ein paar Stufen teilte.
Peter sah ihm kurz nach und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Andromeda und Rick zu.
Das Mädchen schaute Ted noch einige Sekunden lang nachdenklich hinterher, mit einem leicht versonnenen Ausdruck auf ihrem zierlichen Gesicht, ehe sie sich wieder zu ihnen umwandte.
"Was ist mit Regulus?", fragte James sofort.
Andromea warf ihm einen gespielt vernichtenden Blick zu. "Lenk' nicht vom Thema ab!"
James schaute finster drein. "Ich weiß ' überhaupt nicht, warum du so ein Drama daraus machst! Es ist nichts weiter passiert, außer eine kleine Hetzjagd im Wald und wir sind gesund und munter wieder angekommen. Mehr oder weniger, jedenfalls", fügte er noch hastig hinzu, als sie schnaubte.
"Ach, Andromeda", mischte Rick sich ein und legte seine Hand auf ihre Schulter. "Es ist doch jetzt auch egal. Dein Cousin in Ehren, aber ich habe nicht länger Bock, mich mit diesen kleinen Nervensägen abzugeben." Er sagte es nicht beleidigend, grinste aber unverschämt, wobei seine weißen Zähne aufglitzerten. Seine kurzen Rastazöpfe standen zu allen Seiten hin ab und zitterten leicht, als er den Kopf von den beiden Jungen zu Andromeda drehte.
Diese seufzte. "Ich fühle mich nur ein wenig... verantwortlich für Sirius", gab sie zögernd zu, Rick in die Augen schauend.
"Ehm, ja", meinte James hastig, der plötzlich unruhig wirkte, als hätte er eine Chance gewittert und wollte sie unbedingt wahrnehmen. "Wir werden es ihm ausrichten."
Peter spürte, wie er von ihm grob am rechten Arm gepackt wurde; James drehte sich um und polterte schnell die Treppen hoch, ihn mit sich zerrend.
- . -
Remus und Sirius saßen beide im Schneidersitz einander gegenüber auf Remus' Krankenbett.
Sirius, der am Bettende hockte, hatte seinen Blick aus dem Fenster schweifen lassen.
Wenn da nicht diese Leere in seinen Augen gewesen wäre, hätte Remus geglaubt, er würde die Vögel beobachten, die in großen Schwärmen am Horizont entlang flogen, doch er erkannte an dem Stillstehen seiner Pupillen, dass er nur einen blinden Punkt fixiert hatte, ohne es zu merken.
Sie hatten nicht mehr lange über sein Werwolfdasein geredet. Sirius hatte wissen wollen, wie er gebissen worden war, aber Remus hatte ihn gebeten, bis zu einem anderen Tag darauf zu warten. Er sah sich einfach nicht in der Verfassung, eine Nacht nach der schrecklichen Verwandlung, darüber zu sprechen, wie sein Leben von einer Sekunde auf die anderen in tiefste, quälende Dunkelheit gestürzt wurde. Dazu war er noch zu sensibel, seine Nerven mussten sich beruhigen, zu sehr spürte er noch das Grauen des Vollmondes.
Sirius hatte es sofort akzeptiert, wenngleich auch ein leichter, ungeduldiger Ausdruck in seinen Augen aufgefunkelt war. Dann hatte er vorgeschlagen, James und Peter davon zu erzählen.
Remus war zunächst wieder wütend geworden und hatte es strikt abgelehnt, doch Sirius ließ sich davon nicht abbringen.
"Hey, Remus, wovor hast du Angst?", fragte Sirius leise und aufmerksam. "Dass sie dich abweisen würden? Nach allem, was wir bisher zusammen erlebt haben?" Er lächelte leicht. "So ein Quatsch. Das würden sie nicht machen."
"Und was, wenn doch?" Remus sah ihn gequält an. "Woher nimmst du dir die Sicherheit, dass sie es nicht unheimlich finden werden?"
Sirius hatte ihn offen angeschaut und die Schultern gehoben. "Ich kann es dir nicht sagen. Ich weiß es einfach. Zumindest bei James. Er wird sich nicht von dir abwenden."
Remus blinzelte, aufgrund dieser Selbstsicherheit in dessen Stimme, der Einfachheit, der Sorglosigkeit, die Sirius plötzlich ausstrahlte und er fragte sich, was gestern noch passiert war. Irgendetwas hatte sich geändert... zum Positiven.
"Ich weiß nicht..." Er war immer noch skeptisch.
"Remus...", begann Sirius eindringlich und lehnte sich vor. Er hatte seinen Blick gefangen genommen und erlaubte Remus nicht, wegzuschauen. "Wenn du es ihnen nie erzählen wirst, werden sie enttäuscht sein aufgrund der Lüge, die du ihnen unterbreitet hast und sich von dir abwenden. Wenn du aber bei der Wahrheit bleibst und ihnen vertraust, dann werden sie es zu schätzen wissen."
Remus war noch immer unsicher, aber er fühlte tief in seinem Innersten, dass Sirius Recht hatte, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Außerdem hatte er den starken Verdacht, dass Sirius es James sowieso erzählen würde und ihm die Chance gab, es ihm und Peter selbst zu erzählen.
Vielleicht glaubte Sirius, es James gegenüber schuldig zu sein, ihm zu sagen, wer sie da gejagt hatte. Vielleicht, so schien es, hatte sich etwas zwischen den beiden Jungen endgültig entwickelt, das Sirius nicht erlaubte, seinem besten Freund etwas zu verschweigen.
Innerlich begann Remus zu kapitulieren, auch wenn alles noch in seinem Kopf danach schrie, Sirius einen Schwur abzunehmen, es niemandem zu erzählen und so weiterzumachen wie bisher.
Doch James wusste ja nun, dass in der Heulenden Hütte ein Werwolf hauste. Und kein normaler Werwolf hauste sonst in einer Hütte. Er würde sicherlich Nachforschungen anstellen... wie lange würde es wohl dauern, bis auch er die Wahrheit herausgefunden hatte, immer vorausgesetzt, dass er es nicht von Sirius erzählt bekam?
Remus seufzte leise. Dann musterte er verstohlen Sirius. Er blickte immer noch starr, irgendwie verloren, aus dem Fenster und schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Wenn dieser der Ansicht war, dass man sich unter Freunden nichts verschweigen sollte, warum hielt er sich dann nicht daran?
"Was ist eigentlich mit dir?", fragte Remus also plötzlich, Sirius sorgfältig beobachtend.
Dieser fuhr ob der Unterbrechung der Stille leicht zusammen, blinzelte, um den Weg aus seinen Gedanken hinaus in die Realität zu finden und sah Remus fragend an. "Wie, was soll mit mir sein?" Er war arglos.
"Nun...", begann Remus zögernd, aber ruhig. "Du kennst mein Geheimnis... erzähle mir deins. Ich finde es nur fair."
Sirius erstarrte. Die Unbekümmertheit wich mit einem Schlag, wie die Sonne hinter einer dunklen Gewitterwolke verschwinden konnte, und machte der Düsternis bereitwillig Platz. "Was?" Er lachte kurz, doch seine Augen blieben unberührt davon. "Ich...- das geht dich nichts an." Schroff und abweisend.
Die friedliche Atmosphäre, die sie zueinander aufgebaut hatten, als sie schweigend auf dem Bett saßen, war zu Staub zerfallen und verflüchtigte sich in alle Richtungen, langsam, aber unaufhaltsam und so leise, dass der Fall von niemandem gehört wurde.
Doch Remus blieb standhaft. "Du warst ein wenig verändert, als die Schule wieder angefangen hat", bemerkte er geflissentlich. "Was war los?"
Sirius' Augen wurden schmal, wie zwei schwarze Spiegelsplitter. "Das hat dich einen Dreck zu interessieren!", wehrte er kalt ab. Die Augenbrauen waren finster zusammengezogen und er hatte die Lippen zu einem kompromisslosen Strich zusammengezogen.
Remus atmete tief ein und aus und zwang sich zur Ruhe. "Wie hattest du es vorhin noch gemeint, als du sagtest, ich müsste mein Geheimnis James und Peter anvertrauen? Unter Freunde gäbe es kein Verschweigen, man lüge sich nicht an, denn früher oder später würden es die anderen ohnehin herausfinden und die Freundschaft wäre gebrochen mangels dieses Vertrauens?" Sirius fixierte ihn entgeistert . Obwohl das Sonnenlicht seine Augen erhellte, drängten sich Schatten in ihnen auf und machten sie dunkler, als sie es ohnehin schon waren. "Das. Ist. Nicht. Fair", stieß er leise und abgehackt hervor, die Zähne zusammengebissen und die Hände zu hilflosen Fäusten geballt.
"Es gibt vieles, was nicht fair ist, Sirius. Aber das hat hiermit nichts zu tun", entgegnete Remus sacht. "Schau', ich vertraue dir und du vertraust mir. Was ist unfair daran?"
Sirius suchte nach einer Antwort, doch er schien keine passende zu finden, denn er schwieg.
Remus fuhr bedächtig fort. "Manchmal konnte man es dir ansehen. Wenn du geistesabwesend vor dich hin gestarrt hast, weißt du? Es war nur selten, aber es war da. Als wenn... als wenn du dich nicht wohl fühlen würdest." Der Gryffindor holte tief Luft, ehe er es aussprach. "Bei uns."
Sirius erstarrte. Jede Regung in ihm fror ein, das Blut zog sich zurück, denn er wurde blasser, beinahe so weiß, wie die Bettlaken. Die Augen weiteten sich kurz, und Panik, gleichermaßen wie Entsetzen, fuhr in ihnen auf, ehe plötzliche Ausdruckslosigkeit sich den Thron erklomm und Herr über den Jungen wurde. "Die Ferien waren lang, Remus", sagte er tonlos; es war beinahe schon ein Flüstern.
"Wie meinst du das?", hakte Remus lahm nach. Ein bitterer Geschmack breitete sich in ihm aus.
Irgendwie gefiel ihm dieses Gespräch nicht mehr, auch wenn er selbst es angefangen hatte. Vielleicht fürchtete er sich vor dem, was dadurch kommen mochte. Doch da war trotz allem noch seine Neugier, die ihn nicht davon abhielt, das zu fragen, dessen Antwort er lieber nicht wissen wollte. "Bereust du nun, dass du in Gryffindor gelandet bist?" Er sprach eilig, überhastet und sah Sirius gebannt an.
"Ach, Quatsch, nein", kam die überraschend schnelle Entgegnung, ehrlich und wie selbstverständlich.
Remus fühlte sich froh, atmete aus und ließ sich in seinem Kissen zurücklehnen. Sein Gesicht wurde zur Hälfte von der herein scheinenden Sonne erwärmt, hin und wieder, sobald sie ihren Weg durch die Wolken gefunden hatte.
"Ich..." Sirius löste seinen Blick von Remus und schaute wieder aus dem Fenster, als sehnte er sich nach draußen, weit, weit weg von hier und dieser Situation. "Ich bin nicht wie sie."
"Wie wer?" Remus zog die Augenbrauen in die Höhe. Nun war er doch verwirrt, dass es Sirius gelang, weiterhin bei der Sache zu bleiben, statt unfreundlich zu werden, um vom Thema abzulenken. "Wie die Slytherins?"
"Nein." Sirius lächelte flüchtig, immer noch hinausblickend, während er leise sprach. "Wie meine Familie."
Remus sah ihn stirnrunzelnd an. "Du magst sie nicht?"
"Ich... ich glaube nicht." Da war ein kurzes Stocken gewesen, woraus Remus schloss, dass Sirius selbst nicht wusste, was er von seiner eigenen Familie halten sollte. Dieser Gedanke war ihm neu. Seine Eltern zum Beispiel hatten immer zu ihm gehalten, trotz seines Werwolfdaseins, trotz der Eheprobleme, die sich dadurch auftaten, der Sorge, der Gereiztheit, des Unverständnisses, wieso gerade ihr Kind vom Schicksal getroffen worden war - aber niemals wären sie auf die Idee gekommen, es an ihm, Remus, auszulassen, ihren ganzen Stress, und so wäre er auch niemals auf die Idee gekommen, seine Eltern nicht zu mögen.
Aber bei Sirius war es etwas anders. Dort ging es jedem Mitglied gut. Dort herrschten andere Klüfte. Andere Schluchten, die sich auftaten, wenn sich einer von ihnen abwandte und anders denken wollte, als es von jenem erwartet wurde. "Weil sie schwarzmagisch sind?", fragte Remus also, mit der Gewissheit, auf der richtigen Fährte zu sein.
"Nein...", lautete die beinahe schon gelangweilte Antwort. Diesmal begann Sirius, wieder Blickkontakt zu suchen. Die Augenlider halbgeschlossen, den Kopf leicht zur Seite geneigt.
Nein? Hatte Sirius da soeben behauptet, nichts gegen Schwarze Magie zu haben? Remus stierte ihn einen Augenblick lang ungläubig an.
Das merkte auch Sirius. "Hey, Lupin, glotz' nicht so", sagte er gereizt, mit einem auflodernden Funkeln in seinen Augen, das verriet, dass seine Geduld an ihren engen Grenzen längst angelangt war und Remus es nicht zu weit treiben sollte.
Wie schnell er doch wieder Distanz aufbauen kann, dachte er bitter. "Ich war nur ein wenig überrascht", rechtfertigte Remus sich jedoch friedlich. Er sah Sirius erwartungsvoll an, auf eine Erklärung hoffend.
Dieser suchte bereits wieder eine geistige Fluchtmöglichkeit, indem er den Blick abwandte, hinaus, als fühlte er sich sicherer, wenn er redete und dabei Remus nicht anschauen musste. Als fürchtete er, seine Augen könnten ihn verraten. "Schwarze Magie bin ich gewohnt. Schau, ich bin damit aufgewachsen, sie ist mir nicht fremd. Deswegen ist sie mir gleich", begann er mit leicht brüchiger Stimme. "Es liegt eher daran, dass ich einen Weg gehen soll, den ich nicht gewillt bin, einzuschlagen."
Remus erkannte, dass der Junge noch niemals zuvor darüber geredet hatte und fragte sich unwillkürlich, ob Sirius so etwas wie den Halt, die Fürsorge und die Geborgenheit, die eine Familie einem geben konnte und auf die ein Kind ein gutes Recht hatte, sie zu bekommen, überhaupt kannte. Er zweifelte daran, denn viel zu vieles würde seine Reaktionen, sein Wesen erklären, wenn der Schwarzhaarige nichts von ihnen wüsste.
Sirius fuhr indes fort, zögernd, dann immer schneller werdend, als versuchte er damit eine womögliche innere Unsicherheit zu vertuschen, zu verbergen unter dem schweren Mantel der Ausdruckslosigkeit. "Immer bin ich der Erbe des Hauses Blacks, habe besser zu sein, da man mit Reichtum und Reinblütigkeit, wie meine Eltern meinen, mehr Privilegien besitzt, als der komplette Rest der Welt." Langsam sah er Remus wieder an, doch er starrte nicht direkt in dessen Augen, sondern fixierte einen Punkt kurz oberhalb. "Sie erwarten von mir Dinge, die ich nicht zu tun gedenke, weil ich nicht so bin. Sie akzeptieren mich nur, wenn ich mich so verhalte, wie sie es fordern, und verachten jene Züge, die mich wirklich ausmachen. Mein echtes Ich. Und mich kotzt es an, in eine Form gepresst zu werden, in die ich nicht hineinpasse. Sie waren sehr... enttäuscht..., dass ich nicht nach Slytherin gekommen bin. Sie glauben, Gryffindor würde mich endgültig verderben. In den Ferien... da haben sie mir nur allzu deutlich gemacht, dass ich nicht der bin, den sie haben wollten." Langsam senkt er den Blick, um Remus nun doch angucken zu können.
Remus konnte vieles darin sehen, allem voran erheblichen Trotz und sture Gefühllosigkeit, als hätte Sirius sich bereits damit abgefunden, dass er den Erwartungen seiner Eltern nicht gerecht wurde und es auch nicht länger wollte, dass er verachtet wurde, wenn er nicht so war, wie sie. Doch unter diesem dunklen Schleier, gewoben aus düsteren Schatten unerkannter Weiten, verbarg sich feiner Schmerz, den Sirius selbst vielleicht nicht wahrnehmen wollte, aber der sich nicht verdrängen ließ und sich einen Platz in Herz und Seele genommen hatte, den er sich nie wieder fortnehmen lassen würde. Der Schmerz, nur sacht, kaum wahrnehmbar, verriet, dass es Sirius nicht gefiel, wie es zwischen seinen Eltern und ihm ablief, dass er sich wünschte, es wäre anders, dass sie ihn verstehen und anerkennen würden, so wie er war und ohne dass er versuchte, falsche Illusionen aufrecht zu erhalten. Der Trotz mochte eine Hoffnung sein, dass es sich vielleicht irgendwann einmal ändern würde. Aber diese stumpfe Gefühllosigkeit bewies bereits, dass nie, zu keinem Zeitpunkt, Änderungen zum Guten eintreten würden, und dass Sirius all' seine Enttäuschungen, seine Wut im Aufkeimen der Gleichgültigkeit zu töten versuchte, um Distanz von seiner Familie zu gewinnen, von der er, als Zwölfjähriger, nichts anderes erwartet hatte, womöglich, weil er die gegenteilige Seite nicht kannte. Gerade deswegen fiel es ihm wahrscheinlich auch leicht, sich langsam von ihr abzuwenden und zu lösen. Denn Familie bedeutete eigentlich loyaler Zusammenhalt, Nähe und Liebe. Aber was man nicht kannte, das vermisste man auch nicht und Unbekanntem konnte man leicht entsagen. Zu leicht...
Auf einmal wirkte die Sonne, die sich immer wieder durch die Wolken schob, weit entfernt, vollkommen unwirklich. Illusionär, denn wie konnte sie scheinen, wenn die Schemen so intensiv waren, dass sie alles überbrückten, was sich ihnen in den Weg stellte?
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A/N: Soho, das war Kapitel elf. Mochtet ihr es? -hoff.
Ja, auch wenn Remus sonst immer der lockerruhige Typ ist, dachte ich mir, ich könnte ihn auch mal ausrasten lassen.
Hehe, ja, der Ted war Ted Tonks. Wieso diese Aufmachung? Weil N. Tonks auch so einen "Tick" zu haben scheint und ich mir dachte, das muss am Vater gelegen haben. Ich stelle mir Ted als lässigen, coolen, aber freundlichen Jungen vor, der auch ein paar Streiche spielt und so, aber mehr im Stillen, ohne es laut herumzuposaunen und trotzdem jeder weiß, wer es gewesen war ;).
Zu Sirius... ich weiß, er hat seine Familie gehasst, aber ich denke schon, dass er besonders in diesem Alter etwas Schmerz darüber empfunden hat, dass es so scheiße mit ihm und seinen Eltern läuft, auch wenn der Trotz siegt und es mit Ausdruckslosigkeit dem gegenüber rebellisch abstumpfen kann und er den Schmerz nicht wahrhaben will, so ist er da. Es ist immerhin seine Familie.
Bellatrix ist ein heller ein Stern ("Schulterstern) im Orion, bedeutet "Kriegerin" (lt.). Sie ist ein blauer Überriese, 240 Lichtjahre von uns entfernt und erreicht eine Helligkeit von etwa 1m,64.
War James eigentlich Sucher oder Jäger?
