Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

- die letzten Worte eines Sterbenden.




14. Kapitel

Toujours pur - Stets rein

Teil 6


"Komm', bitterer Regen,
und wasche aus meinem Herzen
das traurigste aller Worte:
Zuhause."

- unbekannt

Die Jungen flohen im selben Augenblick. Sie hetzten den Gang entlang bis zur Treppe, die sie buchstäblich heruntersegelten.

Regulus flog beinahe über die letzten Stufen und riss James mit sich. Beide Jungen stürzten hart zu Boden. James hatte sich geistesgegenwärtig zu einem kleinen Ball zusammen gerollt. Dann hörte er ein Klicken aus der Richtung der Haustür. Sirius landete währenddessen neben ihm.

Alles geschah so schnell.

Regulus sprang auf, die Haustür öffnete sich. Auch James rappelte sich auf.

"MOM! DAD!", brüllte Regulus heftig gestikulierend. "DA IST EIN­"

Er brach so abrupt ab, dass James ihn verwirrt ansah. Hastig folgte er Regulus' Blick zur dunklen Treppe, die im matten Fackellicht lag. Dort musste Vyperus sein.

Aber da war niemand.

James' Herz schlug schneller.

"-­ Vampir", schloss Regulus mit entsetzt klingender, leiser Stimme.

"Wo ist er?", raunte Sirius. Er atmete flach.

Die Treppe war verlassen. Nichts deutete darauf hin, dass ein paar Sekunden zuvor ein blutrünstiger Vampir ihnen auf der Treppe nachgejagt war.

Die Haustür fiel ins Schloss und Mrs Blacks Aufschrei lenkte James' Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

"Bei Salazar!", kreischte sie und rannte auf sie zu. Mit erschrockener Miene packte sie ihre beiden Söhne an den Armen und zog sie zu sich. "Wie seht ihr denn aus? Was, bei allen dunklen Mächten, ist passiert?" Ihre Augen verengten sich. "Habt ihr euch geprügelt?"

"Mom..." Sirius klang genervt und versuchte sich loszureißen.

Mrs Black ließ es nicht zu.

Mr Black trat näher und musterte die drei Jungen mit forschenden Blicken. "Nun?", fragte er ruhig. "Kreacher hat uns benachrichtigt. Wir sollten sofort zurückkommen." Sein Blick lag nun auf Sirius, seinem Ältesten.

Doch es war Regulus, der antwortete.

"Ein Vampir war hier, Vater", sagte er tonlos.

Mrs Black fing wieder an zu kreischen. "Ein Vampir? EIN VAMPIR?" Sie fing wie wild an, erst Regulus', dann Sirius' Hals nach Bisswunden abzusuchen. "BEI ALLEN DÄMONEN DIESER WELT! ER HAT VERSUCHT, DICH ZU BEISSEN!", schrie sie entgeistert, als sie Sirius' Wunde entdeckte.

Er versuchte sich zurückzuziehen. "Nur versucht, Mom. Nur versucht."

"WAS FÄLLT DIESER BANDE VON BLUTSAUGERN ÜBERHAUPT EIN?", polterte Mrs Black ungehindert los. "WENN MIR DIESE STRAUCHDIEBE VON FLEDERMÄUSEN NOCH EINMAL HIER HER KOMMEN, DANN­"

"Was hat er gewollt?", fragte Mr Black plötzlich mit angespannter Stimme. Er zog Sirius aus dem Griff seiner Frau und untersuchte dessen Hals mit groben, aber prüfenden Handgriffen. Dasselbe tat er dann mit Regulus, ehe er wieder einen Schritt zurück trat. Sein Blick streifte auch über James' Hals.

James bemerkte, wie Sirius und Regulus einen unruhigen Blick austauschten.

"Also?", hakte Mr Black brüsk nach. Die Anspannung auf seinem ebenmäßigen Gesicht wuchs. Dann hatte er auch schon Sirius an den Armen gepackt und sich gezogen. Er begann ihn zu schütteln. "Rede endlich!", zischte er ungeduldig.

"Dad!", presste Sirius gequält hervor. Ihm schien schwindelig und seines Vaters Griff ließ ihn sein Gewicht verlagern.

"Er hat nach einer Kette gesucht", antwortete Regulus erneut für seinen Bruder.

Mehr brauchte er nicht zu erläutern, denn Mr Black starrte ihn entgeistert an. Er ließ Sirius los, der beinahe zu Boden gesackt wäre, wenn James ihn nicht hastig gestützt hätte.

Mr Black schien noch blasser geworden zu sein, wie James glaubte. Dann wandte er sich um und stürmte die Treppe hinauf. Wohl zum Raum des Ostens.

James sah Sirius verwirrt an.

Mrs Black kam derweil wieder in Bewegung. "Los, los, los, ab in eure Betten. Ich schicke nach unserem Heiler" Sie scheuchte alle drei Jungen nach oben. "Dann erzählt ihr mir alles."

Sie fragte James nicht, ob er seine Eltern benachrichtigen wolle, noch tat sie selbst es. Aber sie ließ ihn von dem privaten Medi-Zauberer der Familie auf Verletzungen untersuchen.

James wunderte es nicht. Sicher wollte Mrs Black nicht, dass herauskam, wie Vampire ins Haus der Blacks einbrachen, um schwarzmagische Artefakte zu stehlen. Er befürchtete, von ihr und Mr Black als unliebsamer Zeuge angesehen zu werden, aber Sirius beruhigte ihn.

"Dad hat Einfluss. Alles, was du der Öffentlichkeit sagst, wird er als Lüge darstellen. Und sie werden ihm glauben. Nicht dir."

"Ich verrate schon nichts", hatte James geantwortet.

Sirius hatte ihm, sobald der Arzt und Mrs Black das Zimmer verlassen hatten von der Drohung Vyperus' erzählt, wiederzukommen. Und warum sollte er jemanden hiervon verraten, wenn er sich damit ein Abenteuer vermasseln würde? Oder Sirius in noch größere Schwierigkeiten bringen könnte? Er würde natürlich bei ihm sein, wenn der Vampir wieder kam. Wenn er denn überhaupt wiederkehrte.

--

James war zufrieden mit sich selbst.

Zwei Tage waren seit dem Vampirangriff vergangen, in denen Vyperus und die geheimnisvolle Kette Gesprächsthema Nummer eins gewesen waren. Mr Black war sehr erzürnt über den Verlust der Kette gewesen, aber er hatte die Angelegenheit schnell aufs Eis gelegt. Sicherlich plante er Rückeroberungen, von denen die Jungs nichts mitbekommen sollten. Er hatte sie längst ausführlich darüber ausgefragt und sie hatten ihm alles berichtet. Nur die Tatsache, dass sie Vyperus bereits kannten, hatten sie verschwiegen. Und zur James' völliger Verwunderung hatte Regulus mitgespielt und sie nicht verraten.

Überdies hatte James seinen Plan, Sirius zu Dumbledore zu locken, nicht vergessen. Er war immer noch davon überzeugt, dass der Schulleiter ihnen helfen konnte, zu verhindern, dass sein bester Freund nach Durmstrang geschickt wurde.

James hatte, als Sirius schlief, Dumbledore geschrieben und ihn gefragt, ob er in den nächsten Tagen kurz Zeit für sie hätte, da sie ihm etwas sehr Wichtiges zu sagen hätten. James war sich sicher, der Direktor würde sich wundern, warum ausgerechnet sie beide mit ihm sprechen wollten - noch dazu in den Ferien - und vielleicht hatte er ja gerade daran die Wichtigkeit erkannt. Denn Dumbledore hatte sofort geantwortet und Zeit und Ort vorgeschlagen.

Das Treffen würde an diesem Tag sein.

Dumbledore hatte James geschrieben, dass sie ja mittels Floopulver reisen könnten. Sie müssten einfach nur 'Dachshöhle' sagen und würden am Treffpunkt ankommen.

Ob 'Dachshöhle' wohl eines von Dumbledores Häusern war? James konnte sich jedoch nicht vorstellen, dass der Schulleiter Schüler zu sich nach Hause einlud und vermutete, dass es irgendein Ableger von dessen Grundstücken war. Denn auch wenn so gut wie nichts von Dumbledores Privatleben bekannt war, schätzte der Gryffindor schon, dass der Zauberer viel Geld hatte.

Nun hatte er Sirius gesagt, er hätte eine Überraschung für ihn und dass sie dafür zur 'Dachshöhle' gehen müssten.

Sirius, der mit 'Dachshöhle' nichts anzufangen wusste, war verdutzt, aber neugierig gewesen und hatte sofort zugesagt.

Dies hatte James ein schlechtes Gewissen bereitet, zeigte ihm dies doch, dass Sirius ihm blind vertraute und er selbst das Vertrauen ausnutzte, indem er ihn zum Dumbledore führte, zu demjenigen, dem Sirius niemals seine Probleme anvertrauen würde, weil er der Ansicht war, sie gingen niemandem etwas an.

Aber James dachte sich, er täte hiermit das Richtige und Sirius würde das sicherlich noch einsehen.

Mr und Mrs Black hatten sie erzählt, sie würden in die Winkelgasse gehen. Sirius hatte dies einfach ohne Absprache mit James behauptet, wohl, weil er seine Eltern grundsätzlich anlog.

James konnte es im Augenblick nur Recht sein.

Er war eine Prise Floopulver ins Feuer und rief 'Dachshöhle'!"

Als er aus dem Kamin stolperte, erwartete ihn ein großer, kreisrunder, sonnendurchfluteter Raum mit rotem Teppich und weißgelben Wänden, an denen Portraits hingen.

Ein großer Schreibtisch stand links vom Kamin vor einer großen Fensterfront mit einem Sessel. Pergamentunterlagen, Schreibutensilien und ein dicker, alter Wälzer lagen auf der Tischplatte. Gegenüber vom Kamin stand ein hohes Regal, voll gestopft mit Büchern und an der gegenüberliegenden Wand vom Schreibtisch befand sich eine geschlossene Tür.

Von Dumbledore keine Spur.

Sirius trat nun aus dem Kamin hervor und sah sich interessiert um.

"Ein Büro, James?", erkundigte er sich mit sanftem Spott. "Uhm... Wow."

James knuffte ihn in die Seite. "Warte ab, Sirius." Er sah ihn an. "Gib mir mal das Floopulver."

Sirius, sich immer noch umschauend, gab ihm geistesabwesend die Dose, die James an sich nahm und sicher verstaute.

Bei Merlin, er kam sich so hinterhältig vor. Nun hatte Sirius kein Floopulver mehr und würde zumindest nicht länger durch den Kamin fliehen können, wenn Dumbledore kam.

Er beobachtete, wie Sirius den Schreibtisch umrundete und anschließend Stirn runzelnd aus den breiten, hohen Fenstern schaute.

Sie waren in einer der oberen Etagen des Hauses, denn wenn man hinausschaute, erstreckten sich grüne Weiden unter ihnen mit ein paar Bäumen, deren Kronen zu dem Fenstersims reichten.

Sirius drehte sich wieder langsam zu James um. Ein fragender Blick lag in seinen schwarzen Augen. "Wo sind wir?"

James trat nervös von einem Fuß auf den anderen, die Hände tief in seinen Hosentaschen vergraben. "In der Dachshöhle", entgegnete er murmelnd.

Sirius warf ihm einen langen Blick zu. "Ach, wirklich? Was du nicht sagst", meinte er sarkastisch. Er grinste. "Na, los, sag' schon, wo sind wir und was erwartet uns hier?"

Er umrundete wieder den Schreibtisch, lehnte sich an dessen Kante und verschränkte die Arme vor der Brust. James ließ er nicht aus den Augen. Die Sonne, die durch die Fenster schien, tauchte ihn in goldenes Licht und ließ das dunkle Haar aufschimmern.

James musste seine Augen ein wenig mit der Hand abschirmen, um nicht geblendet zu werden. Er konnte Sirius nur schemenhaft ausmachen. Aber er merkte, wie die unbekümmerte Neugier von seinem Freund wich.

"Du bist nervös", stellte Sirius plötzlich misstrauisch fest, den Kopf leicht zur Seite neigend.

James lächelte schief und versuchte einen entspannten Eindruck zu machen. "So'n Quatsch."

Sirius stieß sich vom Schreibtisch ab und ging gemäßigten Schrittes zur Tür. "Natürlich bist du nervös."

"Und wenn, dann nur, weil ich hoffe, dass die Überraschung klappt", behauptete James großspurig.

Sirius stoppte und drehte sich zu ihm um. "Was soll das denn für eine Überraschung sein? Wir sind hier schließlich in einem Büro und ­"

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und Albus Dumbledore trat ein. Er lächelte die beiden Jungen sogleich freundlich an.

Es tut mir leid, Sirius, dachte James beklommen. Vertrau' mir einfach...

Sirius hatte perplex die Luft eingesogen, als er den Zauberer erkannte, und stolperte zwei Schritte zurück.

"Ah, guten Tag, Mr Black, Mr Potter", begann Dumbledore fröhlich. "Entschuldigen Sie meine Verspätung." Er zwinkerte.

"Bei Salazar", brach es entgeistert aus Sirius hervor, "Verdammte Scheiße." Er war ganz blass geworden.

Dumbledore schloss die Tür hinter sich; in seinen blauen Augen glitzerte es belustigt. "Nun, Mr Black, ich freue mich ebenfalls, Sie zu sehen."

Sirius war jedoch schon zu James herumgewirbelt.

"Eine Überraschung?", rief er zornig und fassungslos zugleich. Seine schwarzen Augen waren verengt. "Eine Überraschung, James?" Er stürmte zu ihm, packte ihn am T-Shirt und schüttelte ihn. "Du schleppst mich in eine Falle, lockst mich hierher, obwohl du weißt, dass ich das nicht will?"

James riss sich los und griff hastig nach Sirius' Handgelenken, versuchend, sie niederzuhalten. "Sirius, ich habe es nicht böse gemeint", rief er eindringlich. "Erzähle es ihm! Er kann bestimmt helfen!"

Nun war es Sirius, der sich mit einem Ruck entriss. Er ballte seine Hände zu Fäusten, atmete schnell und starrte James wütend an. "NEIN, DAS KANN ER NICHT! ER KANN NICHT HELFEN!", brüllte er dann. Verzweiflung wob sich langsam, aber sicher in seine Stimme. "ICH FASSE ES NICHT, DASS DU UNS HIERHER GEBRACHT HAST!" Er brach ab. Seine Stimme war nunmehr ein Zischen. "Gib mir das Floopulver, du hinterlistige Ratte."

James blinzelte. Es tat ihm weh, dass Sirius so außer sich war und er nun als Verräter da stand. Aber er wollte seinem Freund doch nur helfen. "Nein", sagte er also mit fester Stimme.

Sirius schnaubte und zog kurz darauf seinen Zauberstab.

James zückte sofort den seinen.

Sirius setzte zu irgendeinem Fluch an, James begann, einen Gegenfluch zu sprechen, als Dumbledore mit einem ruhigen Expelliarmus-Zauber sie beide entwaffnete.

James keuchte auf, als ihm der Zauberstab entrissen wurde und er starrte Dumbledore an.

"Professor... !"

--

Dumbledore musterte seine Schüler mit prüfenden Blicken.

Die Jungen sahen ihn erhitzt an, der eine überrascht, der andere wütend.

"Geben Sie mir meinen Zauberstab wieder her!", verlangte der unbeherrschtere von beiden in einem recht dreisten Ton. Es war Sirius.

Dumbledore lächelte freundlich. "Nein", antwortete er bestimmt und steckte die Zauberstäbe weg. Er ging nun zu seinem Schreibtisch und setzte sich hin, während er zwei Sessel hinzuzauberte. "Setzen Sie sich doch."

Er war neugierig, was James ihm wohl so Dringendes erzählen wollte. Ursprünglich hatte er gedacht, Sirius würde es auch wollen, aber die Szene von vorhin hatte ihm deutlich gemacht, dass nur James seine Hilfe suchte und den unwissenden Sirius hierher geführt hatte.

"Vergessen Sie's!", stieß Sirius erbost hervor.

Dumbledore entging die leise Verzweiflung aus dessen Stimme nicht.

Der Junge drehte sich zu James und begann ihn zu packen und gleichzeitig in den Taschen nach etwas zu suchen. Vermutlich nach Floopulver. James wehrte sich und es gab ein Gerangel.

"Lass' es, Sirius und rede mit ihm!"

"Ich denke nicht daran, Verräter!"

Dumbledore seufzte. "Accio Floopulver", sagte er ruhig und fing die Dose auf, die ihm entgegenflog.

Das Gerangel der Jungen hörte augenblicklich auf.

James grinste leicht, Sirius aber war vor lauter Fassungslosigkeit wie erstarrt. Es schien, als überlegte er, wie viel Ärger er sich einhandeln würde, wenn er sich auf Dumbledore stürzte.

Dann kam Bewegung in ihn. "Ich erwarte, dass Sie mir meinen Zauberstab innerhalb der nächsten Stunde zusenden", forderte er zornig, wirbelte herum und stürmte zur Tür.

"Sirius!", rief James entsetzt und rannte hinterher. "Bleib' hier!"

Dumbledore lehnte sich in seinem Sessel zurück und beobachtete die beiden Gryffindors leicht amüsiert, leicht Stirn runzelnd.

Sirius hatte die Tür erreicht und drückte die Klinke hinunter. Die Tür ging aber nicht auf, und er begann, wie wild daran zu rütteln.

Er drehte sich wieder um; er war noch immer blasser, als sonst.

Die Verzweiflung war beständig gewachsen. "Lassen Sie mich raus", verlangte er tonlos.

Dumbledore schüttelte sanft den Kopf. "Nicht, ehe ich mir alles angehört habe, was Sie mir erzählen wollten."

Sirius' Augen wurden groß. Unbändige Wut blitzte in ihnen auf. "Ich will Ihnen doch gar nichts erzählen, verdammt!", rief er außer sich.

"Nun, Ihr Freund aber und deswegen haben wir extra ein Treffen ausgemacht", entgegnete Dumbledore gelassen.

"Und wir werden es Ihnen auch erzählen", sagte James zuversichtlich.

"Werden wir nicht!", presste Sirius hervor, sich James zuwendend. "Er hat nicht das Recht dazu, mich hier einzusperren und wissen zu wollen, was los ist!"

Dumbledore war da schlicht und ergreifend anderer Meinung. Zum einen hatte James dieses Treffen gewollt; James war es, der ihm geschrieben hatte. Zum anderen trug er gerade als Schulleiter die Verantwortung für die Schüler, und wenn sie Probleme hatten, so würde er sie sich anhören.

James legte eine Hand auf Sirius' Schulter. Sie standen nun dicht voreinander vor der Tür; die schwarzen Haarschöpfe waren in ihren Farben kaum voneinander zu unterscheiden.

James sagte etwas zu seinem Freund, was Dumbledore nicht verstand. Leise und eindringlich schien er auf Sirius einzureden.

Der andere schüttelte heftig mit dem Kopf, worauf James noch intensiver versuchte, ihn zu überreden.

Sirius antwortete genauso leise und heftig. Ausweglosigkeit lag auf seinen Gesichtszügen, dunklen Schatten ähnelnd, die sich niemals verbannen ließen.

Das Gemurmel der Jungen drang zu Dumbledore hinüber, während er geduldig abwartete.

Er wusste, dass James und Sirius beste Freunde waren und es hatte ihn zunächst ein wenig gewundert, da ihm deren anfängliche Streitereien nicht entgangen waren. Sie beide kamen aus zwei Familien, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Und trotz der Tatsache, dass sie durch die unterschiedliche Erziehung im Grunde nicht viel gemeinsam hatten, war eine Freundschaft zwischen ihnen entstanden, die, wie Dumbledore glaubte, bereits überraschend tiefgründig war.

"Ich sag' ihm gar nichts, James!", hörte er Sirius, der plötzlich ein wenig lauter geworden war. Zorn, aber auch große Unruhe waren herauszuhören.

"Ich kann es ihm ja auch erzählen", entgegnete James eindringlich.

Sirius schnaubte. "Wirst du nicht!"

"Hör' mal", fing James an und wurde wieder leise.

Sirius schien ihm zuzuhören, aber dann stieß er James plötzlich hart von sich.

Dieser stolperte so harsch zurück, dass er zu Boden fiel.

"Er kann auch nichts dagegen tun, verstehst du das denn nicht?!", rief Sirius, endgültig verzweifelt geworden. Er fixierte James mit stürmischen Blicken. "Glaubst du etwa, mein Vater würde sich von Dumbledore etwas sagen oder sich überreden lassen? Dumbledore ist ein Mugglefreund, James. Mein Vater wird nie auf ihn hören!"

James war wieder aufgestanden. Nun waren auch seine Hände zu Fäusten geballt. "Du versuchst es erst ja gar nicht!", schleuderte er wütend zurück, die Geduld verlierend. Seine braunen Augen schienen Blitze zu schleudern. "Du lehnst es ab, ohne es versucht zu haben, Sirius! Du kannst es aber gar nicht wissen, ob es unmöglich ist, wenn du es nicht ausprobierst!"

"Mir doch egal, ich weiß es eben, dass es nichts bringen wird!" Sirius fing wieder an, an der Tür zu rütteln. "Ich will raus! Ich will endlich weg von hier!"

"Nein, du wirst jetzt nicht raus gelassen", erwiderte James stur. "Wir reden erst mit Dumbledore."

Sirius wirbelte erneut zu James herum. Er funkelte ihn erzürnt an. Und nervös. Und dann veränderte sich irgendetwas in ihm. So schnell, dass es auch Einbildung hätte sein können. Wie, als hätte jemand einen spitzen, vergifteten Dolch in sein Herz gestoßen, so dass das Gift mit sofortiger Wirkung durch alle Blutbahnen raste. Er lehnte sich in plötzlicher Resignation mit dem Rücken an die Tür. Sein Blick war stumpf. Jeglicher Zorn war verschwunden, vom Gift übermannt. Selbst die Verzweiflung war noch kaum auszumachen. Beinahe nur noch Gleichgültigkeit. "Das kannst du nicht von mir verlangen", sagte er nun heiser; ausdruckslos.

"Ich biete dir doch an, dass ich es ihm erzähle", meinte James sanft, wieder ruhig geworden. Seine braunen Augen waren fest auf Sirius gerichtet. "Vertraue mir. Vertraue mir, okay?"

Dumbledore sah, wie es in Sirius' Augen endgültig emotionslos wurde. Der letzte Rest an Verzweiflung wurde niedergemacht. Es ging so schnell; dunklen Wolken gleich, die vom Sturm über den Horizont gejagt wurden.

Sirius rutschte an der Tür entlang zu Boden, winkelte die Beine an und legte seine Arme scheinbar lässig um die Knie. Auf den Teppich starrend, vermied er es, weder James, noch Dumbledore anzusehen.

"Mach' doch, was du willst", murmelte er kapitulierend.

James sah ihn noch einige Augenblicke lang schweigend an, ehe er sich, tief Luft holend, Dumbledore zuwandte. Er kam zum Schreibtisch und setzte sich in einen der beiden freien Sessel.

Seine Entschlossenheit war durch Unsicherheit ins Wanken gebracht worden, aber er schien dennoch an sein Vorhaben festhalten zu wollen. Etwas unschlüssig sah James Dumbledore an.

Dieser lächelte ihm aufmunternd zu. Es musste etwas sehr Ernstes sein, denn sonst wäre James sicher nie auf die Idee gekommen, einen Erwachsenen zu konsultieren.

Und dann berichtete James. Mit klarer, fester Stimme. Vom Cruciatusfluch und Mr Blacks Drohung, Sirius nach Durmstrang zu schicken, da er die Freundschaft seines Sohnes zu James nicht billigte. Und darüber, wie sie hin und her überlegt hatten, wie sie des Schwarzmagiers Pläne vereiteln konnten.

Dumbledore hörte aufmerksam und mit gerunzelter Stirn zu. Ihm gefiel nicht, was ihm erzählt wurde, doch er ließ es sich nicht anmerken. Wenn Mr Black wirklich zum Entschluss gekommen war, Sirius nach Durmstrang zu schicken, gab es nichts, womit er dies verhindern konnte.

James hatte gesagt, dass die Schule in Bulgarien nicht gut für seinen Freund sein würde. Sie sei durch und durch schwarzmagisch und würde Sirius fertig machen, hatte der Junge behauptet.

Dumbledore hegte zwar nicht dieselben Vorurteile gegenüber Durmstrang, wie James, doch er argwöhnte, dass die Einstellung und der Kodex des Internats Sirius leicht vom Weg abführen würde. Vom richtigen Weg, wie er zu urteilen wagte. Dass Sirius in Gryffindor gelandet war und sich ausgerechnet mit James Potter angefreundet hatte, fand Dumbledore schon immer erstaunlich, aber er hatte es mit Wohlwollen registriert. Es bedeutete Hoffnung, Sirius vom schwarzmagischen Umfeld zu lösen. Ihm von seinem vorherbestimmten, finsteren Pfad fort zu lenken. Und diese Hoffnung drohte wie ein Funken im Regen zu erlöschen, wenn er nach Durmstrang käme. Dort, wo Schwarze Künste unterrichtet wurden. Wo junge Söhne alter, reicher und mächtiger Schwarzmagierfamilien zur Schule gingen.

Sirius saß derweil noch immer an der Tür gelehnt auf dem Boden. Mit etwas finsterer Miene starrte er vor sich hin, sein Blick schien sich ins Nichts zu verlieren. Seine schwarzen Augen waren sturmumwölkt und um seine Lippen lag ein harter Zug. Viel zu hart für einen Jungen seines Alters. Er schwieg weiterhin hartnäckig.

Dumbledore hatte sofort erkannt, dass es Sirius ganz und gar nicht behagte, jemandem wie ihm seine Probleme anzuvertrauen. Und auch wenn er kapituliert hatte, war der alte Zauberer sich sicher, dass James sich später noch schwere Vorwürfe würde anhören müssen.

Er hatte schon immer geahnt, dass Zauberer wie Mr Black den Cruciatusfluch an ihre Kinder anwenden würden, um ihnen Disziplin einzubläuen. Sirius aber war ein nahezu unbeschwerter Junge, der so viel Unsinn im Kopf hatte, dass er die Lehrer auf Hogwarts in die Verzweiflung trieb. Die strenge Erziehung schien ihn nur rebellischer zu machen. Doch Mr Black war auch niemand, der Unterwürfigkeit von seinen Söhnen verlangte. Respekt war es, was er forderte - und dass Sirius einen würdigen Erben abgäbe. Letzteres tat er derzeit wohl nicht wirklich.

Aber nun, wo Dumbledore Sirius so sah - düster und bitter - zeigte es ihm nur allzu deutlich, dass des Jungen Welt alles andere als unbeschwert war. Er mochte sich in Hogwarts in ein sorgloses Leben flüchten, aber seine Herkunft und sein damit verbundener Zwiespalt holten ihn immer wieder ein. Sie ließen sich nicht abhängen, nicht ignorieren.

"Mr Black?", fragte er nun, den Blick über die halbmondförmigen Brillengläser hinweg auf Sirius gerichtet.

Dieser schaute unfreundlich zurück, sagte aber nichts.

Dumbledore unterdrückte ein Seufzen. "Ich darf also annehmen, dass Sie partout nicht nach Durmstrang wollen?"

James schnaubte entrüstet und antwortete für Sirius, noch ehe dieser den Mund aufmachen konnte. "Natürlich will er nicht!"

"Und Ihnen wäre alles recht, nur um nicht dorthin geschickt zu werden?", fuhr Dumbledore an Sirius gewandt fort.

Wieder antwortete James für ihn. "Na, klar doch!"

Dumbledore betrachtete James amüsiert. Im Gegensatz zu seinem teilnahmslosen Hauskameraden leuchteten die braunen Augen des Jungen voller Tatendrang und die Wangen waren leicht erhitzt.

Erwartungsvoll sah James ihn an. "Also? Wie können wir es verhindern? So, dass Mr Black nichts mehr gegen unsere Freundschaft tun kann?"

Dumbledore griff in seinen langen, silbernen Bart und dachte nach. Es war schwierig. Im Grunde aussichtslos.

"Zunächst einmal würde ich gerne von Mr Black hören, dass er bereit wäre, ungewöhnliche Maßnahmen in Kauf zu nehmen, die vielleicht verhindern könnten, dass er auf Durmstrang seine Schullaufbahn beenden muss."

James winkte unwirsch ab. "Natürlich ist Sirius zu allem bereit."

Dumbledore legte die Stirn in Falten und sah zwischen Sirius und seinem engagierten Fürsprecher hin und her. "Sirius?", sagte er schließlich auffordernd, bewusst den Vornamen wählend.

Dieser hatte die Lippen zusammengepresst und schaute unverwandt zurück.

James hatte sich im Sessel halb herumgedreht und blickte zu Sirius. "Na, komm' schon, sag's, wenn er es unbedingt will."

Sirius hob eine Augenbraue. "Was für ungewöhnliche Maßnahmen, Professor?", fragte er schließlich mit schleppend und brach damit endlich sein Schweigen.

"Maßnahmen, die erwägen, Sie zunächst einmal nach Durmstrang gehen zu lassen."

Sirius gab seine Apathie plötzlich auf und machte große Augen. James sprang auf. Sein Blick funkelte.

"WAS?"

"Sir, Sie lassen mich nach Durmstrang gehen, obwohl James Sie darum gebeten hat, genau dies zu verhindern?" Sirius verbarg seinen Sarkasmus nicht und grinste höhnisch. Er hatte dieselbe Überheblichkeit, wie sein Vater. Diese Vorstellung, etwas Besseres zu sein, als der Rest der Welt. Mit Ausnahme von James Potter, vielleicht.

Dumbledore entging zudem nicht, dass Sirius nicht 'wir' sagte.

"Professor!", mischte sich James wieder empört ein. "Sirius darf nicht nach Durmstrang! Das ist die Hölle auf Erden!"

Dumbledore hob beschwichtigend die rechte Hand. "Kein Grund, so aufgeregt zu werden, Mr Potter", meinte er gelassen. "Und als 'Hölle auf Erden' würde ich Durmstrang nun auch wieder nicht bezeichnen."

James setzte schon zu einer Antwort an, die zweifelsohne erbost gewesen wäre, aber der Schulleiter sprach schnell weiter.

"Wenn Mr Black seinen Sohn nach Durmstrang schicken will, kann ich es nicht verhindern." Er sah wieder zu Sirius. "Es tut mir Leid", fügte er warm und aufrichtig hinzu.

Sirius blieb ausdruckslos. Langsam stand er auf und ging zum Kamin. "Okay. Dann können wir ja jetzt gehen." Seine Stimme wurde merklich kühler. "Meinen Zauberstab, bitte."

Hatte der Gryffindor also doch gehofft, Hilfe zu bekommen? Es schien so, denn sein brüskes Verhalten wies darauf hin.

"Sirius...", begann James, unsicher geworden. Fassungslosigkeit und Bestürzung zeichneten sich viel zu stark auf seinem Gesicht ab. "Gibt es denn wirklich keine Lösung? Es muss eine Lösung geben! Es muss einfach, hörst du?!"

"Du hast ihn doch gehört", sagte Sirius, noch immer kalt. "Lass uns gehen. Ich kann ja noch mal mit meinem Dad reden."

"Er wird wieder nur den Cruciatus auf dich hetzen!" James schaute wie wild zwischen Sirius und Dumbledore hin und her. "Was übrigens strafbar ist!"

Sirius winkte ab. "Mir doch egal."

Dumbledore intervenierte. "Ich sprach von 'ungewöhnlichen Maßnahmen'. Ich kann Ihren Vater nicht daran hindern, Sie dorthin zu schicken." Das konnte er wirklich nicht. Mr Black war ohnehin nicht gut auf ihn zu sprechen. "Aber wir können Sie wieder von Durmstrang wegholen. Zurück nach Hogwarts. Dafür müssten Sie es aber mindestens drei Monate dort aushalten."

Die Jungen starrten ihn an.

"Wie?", fragte Sirius knapp, aber nicht mehr eisig. Ein Funken glomm in seinen schwarzen Pupillen auf. Sanft und schwach, aber er versuchte, zu überleben.

Dumbledore lächelte. Zugegeben, es war nur eine Idee. Sie müsste sorgfältig zu einem Plan ausgereift werden und er müsste verschiedene Leute, unter anderem den Schulleiter von Durmstrang ködern. Aber es war möglich.

"Sie lassen sich von Durmstrang rauswerfen." In seinen blauen Augen glitzerte der Schalk. "Und zwar so, dass auch Beaubâtons Sie nicht mehr aufnehmen würde. Schließlich würde es in Ihrer Schulakte stehen."

Sirius und James tauschten einen kurzen, aber intensiven Blick aus. Ein stummes Einverständnis, ein kurzes, flüchtiges Lächeln, und die Tatsache, dass in ihren Augen die Sonne aufzugehen schien, machte es Dumbledore deutlich, dass sie seine Idee brillant fanden.

--

"Die Idee ist sehr gewagt, aber eine andere Lösung scheint es eh nicht zu geben", sagte James, als sie wieder zurück in Grimmauld Place waren.

Er saß auf der Kante des Gästebetts, während Sirius mit überkreuzten Beinen und verschränkten Armen an der geschlossenen Tür lehnte.

Die schwarzen Vorhänge waren beiseite geschoben, so dass das Sonnenlicht hineinflutete.

Sirius zuckte mit den Achseln. "Mir gefällt sie."

James' Gesicht hellte sich auf. "Also bist du mir nicht böse?"

Ein zynischer Blick aus dunklen Augen traf ihn. "Dass du mein Vertrauen missbrauchst, mich hinters Licht geführt und zu Dumbledore gelockt hast, obwohl du wusstest, dass ich es nicht wollte?"

James fuhr leicht zusammen, aber er ließ sich nicht klein kriegen. "Da dir die Idee gefällt und es eine bessere ohnehin nicht zu geben scheint, ist es doch nicht so schlimm", wehrte er sich trotzig. "Ich entschuldige mich zwar..." Er blickte Sirius ernst an. "Aber schau, ich würde es wieder tun."

"Ja", bemerkte Sirius bissig. "Das ist das wirklich Schlimme an dir."

James wollte schon auffahren, als er dann jedoch Sirius' verwegenes Grinsen sah. Er lehnte sich nach hinten und stützte sich auf seine Hände. Er grinste erleichtert zurück.

Sirius nahm es ihm also nicht übel. James erkannte zwar, dass er so etwas lieber nicht noch einmal tun sollte, und er wusste auch, dass er Glück gehabt hatte. Wenn Dumbledore keine Idee gehabt hätte, wäre Sirius' Reaktion sicherlich anders ausgefallen. Aber der Schulleiter hatte eine Idee gehabt und sein Kumpel war nicht nachtragend.

Es war wirklich ein guter Plan, den Dumbledore vorgeschlagen hatte. James war froh, Sirius dorthin gebracht zu haben.

Jetzt durfte Mr Black nur keinen Argwohn schöpfen. Sirius musste also so tun, als würden ihn keine zehn Zentauren nach Durmstrang kriegen. Sicher, James missfiel, dass sein Kumpel überhaupt dorthin musste. Und einmal dort, mussten sie immer befürchten, dass der Plan nicht aufging.

Allerdings gab es keinen anderen Weg, der ihnen beides geben konnte: zusammen auf Hogwarts zu sein und eine Freundschaft, die vor niemanden verheimlicht werden musste.


A/N:

DAAAAAAAAAAAAAAAAANKKEEE für eure Reviews, eure Geduld, und dass ihr immer wieder gefragt hab, wann es weitergeht. Das hilft einem faulen, gestressten Autor ganz schön weiter ;) . Fand ich wie immer extrem klasse von euch!

Reviews? -lieb schau