Für Padfoot's Mate. –hab dich lieb-

Und für Castleknight, der mein 1000. Reviewer war! –strahl-


Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

- die letzten Worte eines Sterbenden.


16. Kapitel

Erzwungene Einsichten


"Der Weg zur Hölle
ist mit guten Vorsätzen gepflastert.
Vielleicht mag es daran liegen,
dass es einen Mangel an schlechten gibt."

- unbekannt

Sirius stand in Stoikovs Büro und sah sich mit mäßigem Interesse um.

Das ovale Zimmer war in dunkel gehalten, die Farben beider Häuser hielten sich im Gleichgewicht. Die Wand rechts vom großen Schreibtisch bestand nur aus Fenstern, die den Blick auf die eisigen Landschaften Sibiriens freigaben.

Die Sonne war bereits untergegangen; der gefrorene Schnee war in das silbrige Licht des Mondes gehüllt.

Gegenüber der Fensterwand war ein Kamin, in dem ein Feuer brannte. Links und rechts standen breite Regale mit vielen Büchern und schwarzmagischen Artefakten. Die Möbel waren so geformt, dass sie sich der ovalen Formung des Raumes anpassten.

Hinter dem Schreibtisch hingen Portraits der beiden Gründer. Der Schreibtisch war bis auf die Seite, wo Stoikov saß, mit spitzen Drachenzähnen umsäumt. Künstliche Schlangen wanden sich um die Tischbeine. In der Ecke dahinter war eine Stange befestigt, an der eine kleine, schwarze Fledermaus kopfüber hing und schlief.

Eine silberne Kugellampe war an einer Eisenkette an der Decke befestigt und spendete goldenes Licht.

Stoikov hatte in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch Platz genommen und bedeutete den beiden Jungen, näher zu kommen. Es standen zwar noch zwei weitere Sessel für Besucher vor dem Tisch, aber der Schulleiter bot ihnen nicht an, sich zu setzen.

Sirius machte dennoch Anstalten, sich niederzulassen, als Alan ihn am Robenärmel gepackt eisern zurückhielt und ihm etwas zuzischte, was sich sehr nach „Spinnst du? Bleib stehen!" anhörte.

Sirius kam dem verärgert nach und starrte Stoikov missmutig an.

Der Schulleiter musterte beide Jungen ein wenig ungehalten; seine Augen waren halb geschlossen. Die Wimpern warfen sanfte Schatten auf das markante Gesicht mit den hohen Wangenknochen.

„Nun, ich heiße Sie herzlich Willkommen auf Durmstrang, Black", begann er mit kühler, hochtrabender Stimme.

Da Sirius nichts sagte, fuhr Stoikov mit leicht gerunzelter Stirn fort. „Mir ist klar, dass neue Schüler sich hier noch einleben müssen." Sein Ton wurde abfällig. „Besonders, wenn sie die ersten zwei Jahre eine Schule wie Hogwarts besucht haben."

Sirius horchte auf. „Was haben Sie gegen Hogwarts? Hogwarts ist tausendmal besser, als Durmstrang, allein schon, weil es dort nicht so schwarzmagisch und rassistisch zugeht!"

„Woah", machte Alan matt und ein wenig geschockt.

Sirius ignorierte ihn.

Stiokovs Miene hatte sich verhärtet, doch er blieb ruhig. „Ich darf wohl annehmen, dass es bei Ihrer kleinen Auseinandersetzung mit Kisic darum ging?"

„In etwa." Sirius wusste, dass er dünnes Eis betrat. Aber er würde nur mit Respektlosigkeit in Ungnade des Direktors fallen und somit seinem Schulrauswurf einen gewaltigen Schritt näher kommen.

Stoikov nickte bedächtig. „Dann muss ich Sie wohl darüber aufklären, dass ich an meiner Schule keine Streitereien unter meinen Schülern dulde." Sein Blick war fest und bedrohlich auf Sirius gerichtet. „Disziplin und Gehorsam stehen an der Tagesordnung. Das Brechen von Regeln bedeutet nicht nur Punktabzug für das Haus und die einzelne Person, sondern auch individuelle Strafen und Verbote, die sich sicher von denen in Hogwarts unterscheiden."

Stoikov lächelte kalt und lauernd.

Sirius starrte ihn an und fragte sich, ob damit Folterflüche gemeint waren.

„Ihr Vater hat mir die Umstände, die ihn dazu veranlasst haben, Sie von Hogwarts zu nehmen, erklärt", erzählte der Schulleiter nun geflissentlich. In seinen blauen Augen funkelte es auf. „Ich bin davon überzeugt, Durmstrang wird Sie wieder auf den richtigen Weg lenken."

Sirius' Herz sackte ihm ein paar Etagen tiefer, so kam es ihm zumindest vor. Das würde bedeuten, dass Stoikov Wert darauf legte, ihn umzulenken. Ihn zu ändern. Daraus konnte er schließen, dass er wirklich nicht so einfach von der Schule fliegen würde.

„De Maurice wird Ihnen alles Weitere erklären", bestimmte der Zauberer. „Sie teilen sich mit ihm einen Schlafsaal und er wird Ihnen auch im Unterricht zur Seite stehen, sollten Sie anfänglich Schwierigkeiten haben."

Sirius schnaubte und winkte ab. „Bestimmt nicht", behauptete er verächtlich. „Ich wette, Durmstrang ist eine scheiß Schule, die ein scheiß Lernniveau hat."

Stoikov lächelte flüchtig, holte aus und verpasste Sirius eine gewaltige Ohrfeige, so dass der Junge nach hinten taumelte. Seine Wange brannte und er widerstand nur schwer dem Drang, seine Hand darauf zu pressen. Wütend blitzte er Stoikov an.

„Achten Sie auf Ihre Ausdrücke, Black", warnte er Sirius. „Zudem werden Sie sich selbst davon überzeugen können, dass Durmstrang eine sehr anspruchsvolle Schule ist. Zurück zu Ihrer Eingewöhnung. Sie müssen wissen, dass Sie Nachhilfe von älteren Schülern in einem Fach erhalten, in dem Sie nur fünfundvierzig von hundert Punkten erreicht haben. Aber wenden Sie sich an de Maurice oder an die Vertrauensschüler oder dem Schulsprecher, wenn sie Probleme haben."

Stoikovs Blick glitt zu Alan. „Und Sie geben sich gefälligst Mühe, klar?"

Alan riss zuerst unschuldig die Augen auf, dann senkte er leicht den Kopf. „Ja, Sir", murmelte er, ein wenig trotzig.

„Und ich habe mit Ihren Eltern geredet, de Maurice", fuhr Stoikov fort. Er klang plötzlich sehr autoritär und ungehalten. „Sie haben mir und den Lehrern völlige Uneingeschränktheit im Rahmen unserer pädagogischen Pflichten Ihnen gegenüber gegeben."

Alan, der kurz aufgeschaut hatte, starrte wieder zu Boden.

„Nur weil Sie der Jüngste von drei Söhnen in der Familie de Maurice sind, und Sie offenbar die Meinung vertreten, deswegen keinerlei Pflichten nachkommen zu müssen, weil Sie glauben, niemals Erbe zu werden, erwarte ich dennoch ein Verhalten von Ihnen, dass einem de Maurice würdig ist." Stoikov sah mit ermahnenden Blicken auf das gesenkte Haupt des strohblonden Jungen. „Und wagen Sie übrigens nie wieder, Stinkbomben in irgendeinem der Räume hochgehen zu lassen", fügte er beiläufig, aber warnend hinzu.

Sirius hob die Augenbrauen und grinste breit. Stinkbomben? Das hörte sich verdammt gut an.

Alan hingegen hatte seinen Kopf erhoben und starrte Stoikov aus großen, ahnungslosen Augen an.

„Stinkbomben, Sir?", fragte er in einem Ton völliger Entgeisterung. „Sir, ich war das nicht", beteuerte er und klang überzeugend. „Ich würde nie – niemals – auf die Idee kommen, am letzten Abend im Schuljahr im Festsaal Stinkbomben hochgehen zu lassen! Sir!"

Sirius lachte auf.

Stoikov warf Alan einen langen Blick zu. „Selbstverständlich nicht, de Maurice. Sie sind die Unschuld in Person, nicht wahr?", meinte er ironisch. Den Jungen weiter fixierend, setzte er hinzu: „Hören Sie auf, so unverschämt zu grinsen, Black, ehe ich es Ihnen fortzaubere."

Sirius schürzte entrüstet seine Lippen und wollte etwas erwidern, als Stoikov weiterredete.

„De Maurice, das macht noch einmal zehn Punkte Abzug für Sie und weitere fünf für Ihr Haus für wiederholtes Lügen." Er sah den Blondschopf vernichtend an. „Das macht für Sie zwanzig im Minus – und das bereits am ersten Abend. Melden Sie sich bei Iwanhoff und teilen Sie ihm Ihre Ungezogenheit mit, damit er Ihnen eine Strafe dafür gibt, auf das Sie daraus lernen."

Alan presste die Lippen zusammen und hielt nicht länger den strengen Blicken des dunkelhaarigen Mannes stand. „Sir, ja, Sir", murmelte er niedergeschlagen.

Dann befahl der Schulleiter ihnen zu gehen.

Alan kam dem abrupt nach, während Sirius ihm nachdenklich folgte.

Es würde ratsam sein, herauszufinden, inwieweit Alan stolz darauf war, ein Reinblut zu sein, schien er doch des Öfteren zu rebellieren und die von ihm aufgezwungenen Pflichten nur ungern zu erfüllen.

Vielleicht würde er in Alan einen Verbündeten inmitten dieser stolzen Reinbluterben finden.

-

Sirius lief neben Alan her, als sie durch die düsteren Gänge Durmstrangs gingen. Ihre Schritte hallten ein wenig an den Steinwänden wider.

Alan schwieg, schien seinen Gedanken nachzuhängen und hatte eine recht ausdruckslose Miene aufgesetzt. Sirius warf ihm hin und wieder forsche Seitenblicke zu, bis er die Stille brach.

„Was für Strafen werden hier einem denn aufgebrummt?"

Alan schaute ihn nicht an, starrte stur gerade aus, und er ging beständig weiter. „Strafen, halt", erwiderte er achselzuckend.

Sirius grinste flüchtig, obwohl ihm nicht danach zumute war. Er hatte Stoikovs lauerndes Lächeln nicht vergessen, als dieser von ihnen sprach.

„Sag's schon, Mann."

Alan seufzte, blieb stehen und wandte sich zu Sirius um. Er rieb sich mit seiner linken Hand die Stirn und senkte dann seinen Blick. „Ein paar Folterflüche, zum Beispiel. Oder ein paar Sachen, die man tun muss und die nicht gerade angenehm sind."

Er hob wieder seinen Blick, seine blassblauen Augen wirkten auf einmal schattenhaft. „Hier geht es nicht so harmlos zu, wie in Hogwarts", fuhr er ein wenig höhnisch fort.

Sirius stierte ihn an. Folterflüche. Und derartige Sachen. Also doch...

„Und eure Eltern sind damit einverstanden?" Innerlich lachte Sirius über seine lächerliche Frage. Seine Eltern wandten schließlich auch Folterflüche an, wenn er oder Regulus zu unverschämt gewesen waren.

Alan nickte, war erstaunt über diese Frage. „Na, klar... es ist ja nicht so, dass wir hier leiden. Und es ist ja auch nicht so, dass wir bestraft werden, wann immer den Lehrern danach ist. Es gibt immer gute Gründe dafür", rechtfertigte er das System seiner Schule. Dann grinste er schwach. „Und was uns nicht umhaut, das macht uns stark."

Ohne eine Antwort von Sirius abzuwarten, setzte er seinen Weg fort. Sirius folgte ihm.

Alan beachtete Sirius nicht mehr weiter, und er blieb erst stehen, als sie vor einer riesengroßen, falkenförmigen, schwarzen Tür standen. Dahinter mussten der Gemeinschaftsraum und die Schlafsäle liegen.

„Mina wird deine Herausforderung, euren Streit nun weiter zu führen, nicht vergessen haben", sagte Alan plötzlich.

Seine rechte Hand lag auf dem silbernen Türknauf, aber er hatte inne gehalten. Er sah zur Seite und musterte Sirius aus leicht verengten Lidern.

Dieser nickte leichthin. „Andernfalls hätte ich sie daran erinnert."

Alan schnaubte. „Warum bist du so streitlustig? Willst du uns die Schuld daran geben, dass deine Eltern dich von Hogwarts genommen haben?" Alans Stimme klang forsch, etwas aufrührerisch.

Uns.

Sirius war nicht entgangen, dass Alan sich mit eingeschlossen hatte. Er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und seinen Kopf gesenkt; auf den Boden starrend überlegte er rasch, ob er Alan in sein Vorhaben, sich so schnell wie möglich von Durmstrang werfen zu lassen, einweihen sollte.

Er entschied sich dagegen, der Black'schen Erziehung folgend, niemandem zu vertrauen, und hob seinen Blick.

„Ich gebe niemandem die Schuld", erwiderte er ruhig. „Außer meinen Eltern, vielleicht." Er seufzte. „Ich... ich komm' einfach nicht mit der krassen Denkweise von einigen Reinblütern klar, weißt du. Und Kisic gehört sicher zu den Extremen."

Alan hatte die Stirn gerunzelt. „Hm", machte er nachdenklich, sich offensichtlich nicht sicher, ob dies bereits alles war. Aber dann grinste er.

„Wie ich schon sagte, was?" Seine blassen Augen funkelten. „Ein Rebell."

Dann öffnete er die Tür und sie betraten den Gemeinschaftsraum.

Er war sehr groß und hatte die Form einer Raute. Schwarzer Teppich belegte den Boden, an dunklen Steinwänden hingen verzauberte Bilder von königlichen Falken. Silbriges Fackellicht spendete Licht, warmes Feuer prasselte in zwei sich gegenüber liegenden Kaminen. Tische mit hohen Stühlen standen in der einen, Sofas und Couchs in der anderen Ecke. Die Wand dem Eingang gegenüber bestand aus vier schmalen, bis zur Decke hohen, von Säulen eingerahmten und getrennten Fenstern; in der Mitte befand sich eine Glastür, die zum breiten Balkon führte.

Sirius erkannte die Aussicht nicht, da es draußen dunkel war und der Gemeinschaftsraum sich mitsamt den Zauberern und Hexen im Glas widerspiegelte.

Die Schüler saßen an den Tischen und an den Kaminen, redeten wirr über die Ferien und lachten viel. Eine lockere Atmosphäre lag im Raum, die Sirius sofort erfassen konnte. Sorglosigkeit, Unbekümmertheit und Fröhlichkeit waren deutlich zu spüren; es verwirrte ihn.

Als er und Alan eintraten, wurden einige aus ihrem Jahrgang still; der Rest unterhielt sich arglos weiter.

Sirius sah Kisic sofort. Sie saß mit zwei anderen Mädchen an einem Tisch und unterhielt sich mit ihnen. Sie hatte aufgeblickt und schaute ihn direkt aus kalten, sturmgrauen Augen an. Es war ein kurzer Blickaustausch voller Hohn und Verachtung, ein Duell, den beide nicht verlieren wollten. Doch dann sah Kisic wieder zu einer ihrer Freundinnen und obwohl sie die erste gewesen war, die den Blickkontakt unterbrochen hatte, fühlte Sirius sich keineswegs als Sieger dieser Runde.

„Komm, ich zeig dir die Schlafsäle", sagte Alan und klang ein wenig nervös.

Sirius sah ihn stirnrunzelnd an, dann erkannte er auch den Grund für dessen Unruhe. Zwei Jungen kamen gemächlich, aber zielgesteuert auf sie zu; jene Jungen, die während der Auseinandersetzung mit Kisic aufgesprungen und ihn mit ihren Zauberstäben bedroht hatten.

Sie waren so groß wie er und schlank; der eine hatte dunkelbraunes, der andere aschblondes Haar.

Er schüttelte den Kopf. „Gleich, Alan. Gleich."

Er würde nicht weglaufen. Den anderen konnte er ohnehin nicht ständig entfliehen und früher oder später würde es zu einer Konfrontation kommen, die niemand mehr unter Kontrolle hätte, weil ihre Ansichten zu verschieden, weil sie zu sehr von ihren Denkweisen überzeugt waren, als dass es ein Grau zwischen Schwarz und Weiß hätte geben können. Es hieß nicht, dass kein Grau existierte, es bedeutete nur, dass sie nicht bereit waren, dieses Grau wahrzunehmen. Das glaubte Sirius jedenfalls.

„Black", sagte der Dunkelhaarige, als sie ihn und Alan erreicht hatten, und merkwürdigerweise klang es nicht unfreundlich. Er hatte blaugraue Augen, die so eng beieinander standen, dass es aussah, als würde er blinzeln, und die Nase eines Falken. Er streckte die Hand aus. „Ich bin David Bruce", sagte er.

Sirius sah ihn überrascht an. Der Junge gab ihm die Hand, obwohl während des Abendessens nicht viel gefehlt hatte und sie sich duelliert hätten. Obwohl der Junge wusste, dass er nichts von reinem Blut hielt.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte David mit herausfordernden Blicken. Er war nicht hier, um Freundschaften zu schließen. Er war hier, um rausgeworfen zu werden. „Warum sollte ich einem Reinblut die Hand geben, das Vernunft nicht von Wahnsinn zu unterscheiden vermag?"

David blinzelte kurz und für einen Moment legte sich ein harter Zug um seine Lippen. Doch dann lächelte er gar unbekümmert; das Lächeln entschärfte den Anblick seiner Hakennase und machte sein Gesicht nahezu gutaussehend, und er ließ seine Hand sinken. „Warum hegst du Vorurteile gegenüber Menschen, die du nicht kennst?", antwortete er mit einer schelmischen Gegenfrage.

Sirius ließ sich nicht beirren. „Dein Verhalten in der Halle hat mir genug Einblick verschafft."

David legte den Kopf ein wenig schief und musterte Sirius unter halbgeschlossenen Augenlidern. „Sei stolz auf dein reines Blut, oder sei es nicht, Black", meinte er achselzuckend. „Wenn du bereit bist, meine Hand anzunehmen, dann lass es mich wissen. Ich bin nicht nachtragend." Er warf seinem Begleiter einen kurzen Blick zu. „Das ist übrigens John Noble. Er ist Engländer. Wie du."

John nickte ihm knapp, aber höflich zu. Er hatte kleine, grüne Augen mit einem Goldkranz um die Pupillen.

Sirius' Verwirrung nahm zu. Wieso waren sie so freundlich zu ihm? Wieso störte es sie auf einmal nicht mehr, dass er ihre Meinungen und ihren Stolz nicht teilte?

„Ich komme aus Kent. Und du?", fragte John.

„London."

„David ist übrigens Schotte", warf Alan ein und grinste breit. „Ein Highlander. Jeden Morgen macht er Übungen mit seiner Kriegsaxt."

Sirius schaute Alan flüchtig an. Er hatte nicht so geklungen, als würde er Scherze machen. Dann wandte er sich wieder an David. „Schotte, hm", wiederholte er. Er sann kurz über den Namen nach. In der Tat glaubte er sich zu erinnern, dass der Name ‚Bruce' ein alter Titel aus einem ehemaligen, schottischen Königshaus war.

David breitete leicht seine Arme aus und nickte ergeben. „Ja. Aber leider habt ihr Engländer uns ja immer wieder zu unterjochen versucht." Er zwinkerte. „Also, Sirius... willkommen in Durmstrang."

Sirius war der Wechsel auf seinen Vornamen nicht entgangen. „Danke." Er wusste, wenn David keinen Ärger suchte und ihn nicht wollte, dann würde es nur Zeitverschwendung sein, eben diesen bei ihm zu suchen. Aber vielleicht waren andere als David und John ja streitlustiger.

David und John schlenderten davon.

„Komisch, oder?", fragte Sirius Alan.

Dieser hatte sich angewandt und deutete Sirius an, ihm zu folgen. Er steuerte auf eine Wendeltreppe auf der linken Seitenwind zu und ging sie hinauf.

„Was soll komisch sein?"

„Na, wie die beiden sich verhalten haben. Warum sind sie auf einmal so friedfertig?"

Sirius ging hinter Alan her.

„Na ja, warum sollten sie auf Streit aus sein?"

„Hör mal..." Sirius verstand die Welt nicht mehr. Als sie oben angekommen waren, hielt er Alan am Oberarm fest, so dass dieser sich zu ihm umdrehen musste. „Vorhin hast du noch gesagt, dass ich lebensmüde sei und auf die anderen Mitschüler Acht geben müsse, wenn ich mich so verhalte, wie ich mich verhalte."

„Das habe ich nicht gesagt", erwiderte Alan ernst. „Ich sagte bloß, dass Mina deine Herausforderung nicht vergessen haben wird. Und John und David sind nicht Mina. Aber selbst für Mina wird die Sache erledigt sein, wenn ihr euch duelliert habt."

„Warum?", fragte Sirius verständnislos.

Alan hob die Schultern. „Na, dann ist die Sache eben erledigt. Und worauf du Acht geben solltest, sind die Lehrer. Sie sind gerechte Pädagogen, aber sie gehen anders vor, als in Hogwarts. Hier wird niemand als Weichling erzogen. Wer sich respektlos verhält, braucht nicht zu erwarten, Respekt von anderen zu erhalten. Du wirst eine unangenehme Schulzeit erleben, wenn du ständig für dein Verhalten bestraft wirst."

„Glaubst du nicht, dass mich das nur noch mehr von eurer Seite trennen wird?"

Alans Blick wurde nachdenklich. „Glaubst du nicht, dass sie dir so lange Einsichten aufzwingen können, bis du sie freiwillig glaubst?"

„Nein." Sirius ließ Alan los und atmete hörbar aus. „Redest du von Gehirnwäsche?"

Alan trat einen Schritt zurück; sein Gesicht wirkte ein wenig unleserlich. „Nein. Es gab hier selten Schüler, die eine so rebellische Sichtweise haben, wie du. Aber ich denke, sie werden deinen Vater nicht enttäuschen wollen. Moral und Anstand hin oder her... denn eines zählt sowohl in Hogwarts, als auch in Durmstrang: Galleonen."

Sirius schnaubte. „Sie sind nicht alles im Leben."

Alan lächelte spöttisch. „Weißt du, ich frage mich, ob du auch so rebellisch wärst, wenn du nicht der Sohn steinreicher Eltern wärst. Wenn du bettelarm wärst und nur eine einzige Galleone dein größer Schatz wäre. Dann hättest du andere Sorgen."

Sirius presste die Lippen zusammen. „Die Frage kann ich nur zurückgeben. Was, wenn du arm wärest, wärst du dann noch stolz auf dein reines Blut? Hättest du dann nicht andere Sorgen?"

Alen nickte langsam. „Ich hätte andere Sorgen, ja. Aber schau... das Geld kann man mir nehmen. Das reine Blut nicht."

Damit drehte er sich herum und ging den breiten, dunklen Gang entlang, der nur schwach von Fackeln erhellt war.

Sirius folgte ihm, nicht wissend, was er darauf hätte erwidern können, wenn Alan es nicht gewesen wäre, der das Gespräch beendet hatte.

Alan war schließlich an einer Tür auf der rechten Seite stehen geblieben. Sie war schwarz und hatte einen silbernen Knopf. Ein Messingschild in Form eines Falkenkopfes hang daneben:

Sirius Black.

Alan de Maurice.

„Wow, Zweier-Zimmer!" Dass er sich mit Alan ein Zimmer teilen musste, und nicht mit irgendeinem Fanatiker, freute ihn.

Alan schloss auf und sie traten ein.

Das Schlafzimmer war ebenso rautenförmig wie der Gemeinschaftsraum und mit demselben schwarzen Teppich bedeckt wie das ganze Haus. Es war riesig. Zwei große Himmelbetten mit schwarzem Baldachin und Nachttischchen standen an der Stirnwand in den jeweiligen Ecken, dazwischen eine von zwei Kaminen eingerahmte Tür, die zu einem kleinen Balkon hinausführte. An den Seitenwänden standen jeweils ein Schreibpult mit Stuhl, auf dem eine Kerze stand, eine Kommode und ein Wandschrank. Daneben befand sich eine zweite Tür, erneut jeweils eine auf jeder Seite. Sie führte zu den Badezimmern. Eines für jeden. Fackeln in Haltern hingen an den Wänden. Auf Alans Seite (links) hingen Quidditchposter; Sirius Seite war leer. In der Mitte stand ein kreisrunder, schwarzer Tisch mit zwei Sesseln. Das Gepäck war schon hochgebracht und ausgepackt worden.

„Nobel, nobel", pfiff Sirius leise. „Sag mal, was ist denn mit deinem früheren Zimmerkameraden?"

Alan ging zu seinem Bett und setzte sich. Mit den Händen nach hinten gestützt sah er zu Sirius hoch, der sich in den Wandschrank schaute und die Schubladen der Kommoden öffnete, wo Hauselfen seine Sachen eingeräumt hatten.

„Er ist in die Vereinigten Staaten gegangen."

„Ach so. War er dein Freund?"

„Ja."

Sirius fixierte Alan kurz, dann wechselte er das Thema. Dessen Unbehagen war ihm nicht entgangen.

„Du, ich muss jetzt los, mir meine Strafe abholen." Alan stand wieder auf und zog eine Grimasse. „Das Schuljahr fängt ja echt gut an."

Sirius war an der Balkontür herangetreten und öffnete sie nun. Ein eiskalter Wind empfing ihn, doch er ließ sich nicht abschrecken und versuchte, die Aussicht im Dunklen zu erkennen. Es war ja nicht stockduster draußen; der Schnee erhellte die Umgebung. Er war so darauf konzentriert, dass er die Düsternis in Alans Stimme nicht hörte.

„Okay, bis später, Alan! Viel Glück!"

„Danke", murmelte dieser. „Aber was ich dir noch sagen wollte... auch wenn dein erster Einruck aufgrund Mina dir etwas anderes vermittelt hat... du bist nun ein Falke. Ganz gleich, ob du stolz auf dein reines Blut bist oder nicht, die anderen werden in dir in erster Linie einen Falken sehen. Und dich darum so behandeln, als seiest du einer von ihnen, weil es das ist, was du bist."

Einen Augenblick später war Sirius allein.

Er starrte verwirrt auf die geschlossene Tür. Wie widersprüchlich Alan doch war. Er erinnerte sich noch genau an dessen Worte während des Abendessens:

Sie alle sind Kinder aus alten, reinblütigen Familien. Sie sind stolz darauf und sehen es als ihre Ehre und Pflicht, das reine Blut zu verehren und zu beschützen, jene zu bekämpfen, die unrein sind oder dieses Heiligtum verraten.'

Warum behauptete er plötzlich, den anderen im Haus des Falken wäre es gleich, wenn er nicht stolz auf das reine Blut sei? Dass sie in ihn einen gleichgesinnten Falken und keinen Verräter sehen würden? Denn nichts anderes musste Alan schließlich gemeint haben. Was steckte wirklich hinter Davids und Johns kameradschaftlichem Verhalten, die Sirius' Verweigern des Handschlags beinahe ohne ein Wimpernzucken verständnisvoll akzeptiert hatten?

Diese Schule samt ihren Professoren und Schülern war so verwirrend und mysteriös, dass Sirius sich seufzend in einen der Sessel warf und anfing, in die Leere zu starren.

-

Sirius hatte seine Seite mit Quidditchpostern voll gehängt und einiges an seinem Hab und Gut in die Kommoden umgeräumt, Schulbücher auf seinen Schreibtisch gestellt und seinen schwarzen Uhu gefüttert, dessen offener Käfig neben seinem Bett von der Decke hing. Alan besaß eine Eule, was Sirius irgendwie enttäuscht hatte. Er hatte gehofft, Alan würde eine Fledermaus oder derartiges besitzen, so wie Stoikov. Dann hatte er begonnen, einen Brief an James, Remus und Peter zu schreiben, als die Tür sich öffnete und Alan hereinkam.

Sirius drehte sich halb in seinem Stuhl um. „Und?"

„Was und?" Alan steuerte direkt auf sein Bett zu.

„Was musstest du machen? Pokale säubern?", scherzte Sirius.

Alan starrte ihn an und Sirius konnte sehen, wie bleich er war. Seine Kiefermuskeln waren, wie versteinert.

„Wurdest du... wurdest du gefoltert?"

Alan winkte ab. „Was wäre so schlimm daran?"

Vieles, schoss es Sirius durch den Kopf. Aber ihm war durchaus bewusst, dass, wenn Alan aus einem ähnlichen Haushalt kam wie er, schmerzhafte Flüche tatsächlich zur Erziehung von Kindern gehörte. Es war wie Ohrfeigen. Oder Hiebe. Früher wurden die Kinder schließlich auch immer mit einem Stock verprügelt, um ihnen Gehorsam einzubläuen, hatte er mal seinen Onkel erklären hören, und damals waren sie durchaus sehr viel wohlerzogener, als heute.

Alan verschwand im Badezimmer. Sirius kaute auf seiner Unterlippe und wartete, bis sein Zimmerkamerad wieder herauskam.

Als er es tat, mit feuchten Haaren und einem Schlafanzug, den er nun trug, stand Sirius auf, drehte sich zur Mitte des Zimmers um und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Schreibtisch.

Alan warf ihm mit gerunzelter Stirn einen Blick zu, während er ins Bett stieg. „Weißt du, je eher du akzeptierst, dass du hier gelandet bist und dass du, wie zu Hause sicherlich auch, Folterflüche erleiden musst, wenn du zu frech warst, desto besser für dich. Und so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Dadurch wird man abgehärtet, was nur von Vorteil sein kann."

Sirius hob seine Augenbrauen. „In Hogwarts tun sie so etwas nicht und dennoch verlassen dort Schüler nach der siebten Klasse die Schule und werden mit dem Leben und der Welt fertig."

Alan lächelte müde. „Zauberer unreinen Blutes leben in einer anderen Welt als wir. Gute Nacht, Sirius."

Er drehte sich um und zog die Decke bis fast über den Kopf. Sirius starrte ihn noch eine ganze Weile an, ehe er sich wieder herumdrehte und an den Schreibtisch setzte.

Er zog das Pergament an sich heran und nahm seine Schreibfeder.

Hallo James, Remus und Peter.

hatte er bisher geschrieben. Weit war er also nicht gekommen.

Er fuhr fort.

Mann, Durmstrang ist... derb. Anders weiß ich es noch nicht zu beschreiben. Ich bin ins Haus der Falken gekommen. Das Auswahlritual ist ein wenig anders, als bei uns. Es ist ein Blutsritual. Ja. Ich habe meine Einschulung mit meinem Blut unterschrieben. Ich weiß nicht, irgendwie beunruhigt mich das schon ein wenig. ´Nen ersten Streit mit einer Schülerin hatte ich auch. Kisic. Reinblutfanatikerin. Die anderen sind irgendwie merkwürdig. Irgendwie undurchsichtig, aber es war ja auch erst der erste Abend. Ich werde sie schon noch durchschauen können. Mein Zimmerkamerad ist Alan de Maurice und scheint eigentlich in Ordnung zu sein. Vor allem hat er was für Stinkbomben übrig. Mann, die Zimmer hier sind riesig, sag ich euch, wie bei mir zu Hause. Stoikov ist streng; er wird von den Schülern aber eher respektiert, als gefürchtet, finde ich. Und sonst... na ja, das, was man von einer Schule, wie Durmstrang halt erwartet. Schwarzmagisch, streng, gesittet und klare Vorstellungen von Stolz und Ehre.

Was macht ihr so? Ich kann es kaum erwarten, wieder in Hogwarts zu sein. Hoffe, ihr spielt genügend Streiche und ärgert die Slytherins!

Also, schreibt gefälligst zurück,

Sirius.

Sirius rollte das Papier ein und befestigte es an dem Bein seines Uhus. Dann ließ er ihn durch die Balkontür ins Freie flattern, hinaus in die Dunkelheit, damit er über die Länder und Meere flog, bis nach Hogwarts.

Er beneidete ihn. Er würde jetzt auch gerne nach Hogwarts fliegen. Aber stattdessen machte er sich für die Nacht fertig und legte sich ins Bett. Es dauerte eine Weile, bis er eingeschlafen war, zu aufgewühlt war er ob der vielen, neuen Eindrücke, zu sehr vermisste er seine flüsternden Gespräche mit James, wenn Schlafenszeit war. Aber dann, irgendwann, hatte der Schlaf auch ihn übermannt.

-

Am nächsten Morgen, als er mit Alan mit mehreren anderen Jungen die Treppe herunter kam, fing ihn Kisic ab.

„Black", hallte ihre Stimme durch den Gemeinschaftsraum. Sie stand am Fuße der gegenüberliegenden Wendeltreppe, die zum Trakt der Mädchenschlafräume führte und maß ihn unfreundlichen Blickes.

Sirius sah ihr entgegen, tauschte dann einen kurzen Blick mit Alan, dem er andeutete, ruhig schon mal gehen zu können, und schlenderte dann gemächlich auf sie zu.

Kisic trug ihre dunklen Locken diesmal offen. Sie fielen ihr in üppiger Pracht bis fast zu den Hüften und waren durch einen schmalen Silberreifen aus dem Gesicht gehalten.

Sirius kam nicht umhin, sich zugestehen zu müssen, dass sie hübsch war. Sie hatte irgendwie eine arrogante Ausstrahlung, die ihn faszinierte. Sie war bisher sehr selbstbewusst und keck ihm gegenüber gewesen, etwas, was er noch nie bei einem Mädchen in Hogwarts gesehen hatte, und das beeindruckte ihn. Aber das behielt er natürlich für sich und eigentlich ärgerte er sich darüber, dass er so darüber dachte. Schließlich war er im Krieg mit ihr.

„Ja, Kisic?"

Sie hob ihre fein geschwungenen Augenbrauen. „Wir wollten gestern doch noch was regeln. Ich dachte mir, wir klären es hier und jetzt."

Sirius nickte langsam. Er sah sich um. Niemand war mehr im Gemeinschaftsraum, sie alle waren hinunter zum Frühstück gegangen. Offensichtlich war ihnen die Pünktlichkeit wichtiger, als ein mögliches Duell.

Er grinste höhnisch. „Ohne Zeugen, Kisic?"

„Angst, Black?", fragte sie im selben Tonfall zurück.

Sirius' Grinsen wurde breiter, vielleicht eine Spur anerkennend. „Nein. Von mir aus können wir uns duellieren. Aber fehlen denn nicht Adjutanten?"

Kisic winkte ab. „Wozu, wir brauchen niemand anderen in Schwierigkeiten zu bringen."

Sirius runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?"

„Na, wenn es herauskommt, kriegen wir Ärger. Es ist unehrenhaft, wenn wir andere da mit reinziehen."

Sirius war erstaunt. Er hätte nicht gedacht, dass sie so fair war und ihren Freunden keine Probleme machen wollte. Er selbst wäre nicht darauf gekommen. In Hogwarts war immer James sein Adjutant. Und es scherte beide nicht, ob sie erwischt wurden. Sie standen immer alles zusammen durch.

„Willst du sie nicht in Schwierigkeiten bringen oder wollen sie nicht in Schwierigkeiten gebracht werden?", wollte er wissen. Eigentlich wollte er kein Gespräch mit ihr führen, aber diese Sache musste er noch in Erfahrung bringen.

Kisic wickelte sich eine ihrer Locken um den Zeigefinger und sah Sirius aufmerksam an. Ihre grauen Augen wirkten in der Sonne, die durch die hohen, schmalen Fenster hineinschien, silbern.

Ich will sie nicht in Schwierigkeiten bringen." Sie lächelte wieder. Kurz nur, und zynisch. Ihre spitzen, ein wenig schiefen Eckzähne blitzten auf. „Man weiß hier in Durmstrang sehr wohl, was wahre Freundschaft bedeutet, Black", sagte sie und gab damit preis, dass sie verstanden hatte, worauf Sirius hatte anspielen wollen. „Einer meiner Freunde wäre hier geblieben, hätte ich darum gebeten. Alan wäre für dich hier geblieben."

„Alan ist nicht mein Freund."

Ihr Lächeln intensivierte sich, der Zynismus verlor an Stärke. „Er könnte es aber werden. Und davon abgesehen, er wäre dennoch hier geblieben."

„Ich dachte, wir wollten uns duellieren", gab Sirius schroff zurück. „Und warum sollten wir erwischt werden, hm. Seid ihr immer so vorsichtig?" Er gab seiner Stimme einen verächtlichen Klang, um seine eigene Verwirrung zu überspielen. Hatte er zu viele Vorurteile? Oder lag es an dem rätselhaften, widersprüchlichen Benehmen der anderen Schüler, die ihn verstörten...

Kisic lachte leise, trat zurück und zog ihren Zauberstab. Sirius tat es ihr nach.

„Hier werden 99 Prozent aller Regelverstöße geortet, Black", teilte sie ihm nüchtern mit.

Er staunte. Tatsächlich? Ob es Ortungsgeräte gab, um beispielsweise jeden Duellierzauber ausfindig zu machen?

Er maß Kisic mit einem abschätzenden Blick. Welchen Zauber sollte er verwenden? Sie würde einen schwarzmagischen auswählen, dessen war er sich sicher. Also würde er es auch tun.

„Ich zähle bis drei", sagte sie.

Sie hielt sich nicht dran. Er hätte es wissen müssen. Bereits bei ‚eins' schleuderte sie ihm einen Relashio-Zauber entgegen und er hätte beinahe seinen Zauberstab fallen lassen, als brennend heiße Funken ihn trafen, sich durch seine Kleidung fraßen und die Haut ansengten. Aber er war ein erprobter Duell-Gegner; zahlreiche Gefechte mit den Slytherins in Hogwarts zahlten sich jetzt aus.

Binnen eines Bruchteils einer Sekunde rief er „Stupor!", Kisic wich aus, „Impedimenta" versuchte er es wieder und sie wehrte sich mit dem „Expelliarmus"-Zauber. Sirius duckte sich und Kisic wurde unbarmherziger. Mehrere Flüche wurden hin und her geschleudert, trafen die Treppe, die Wände hinter den jeweiligen Duellanten, den Boden.

Mit dem Glacialis-Zauber hexte Sirius spiegelglatte Eisfläche unter Kisics Füßen, so dass sie ausrutschte und schwer auf den Hintern fiel. Sie reagierte sofort.

Collum Constricto!" – Ein gelbroter Blitz traf Sirius und er spürte, wie ihm durch Zauberhand die Luft abgeschnürt wurde. Er konnte nicht atmen, es war, als wenn Kisic ihre Hände um seinen Hals geklammert hätte und ihm brutal gegen die Luftröhre drückte. Er röchelte. Nur mühsam hob er seinen Arm und richtete den Zauberstab auf sie. Ein pochender Schmerz breitete sich in seinem Kopf aus.

Relashio!", presste er hervor und schaffte es, einen Schwall kochendheißes Wasser gegen Ksiic zu schleudern. Sie kreischte auf und ließ sich einfach nach vorne fallen, um dem Fluch zu entgehen. Somit hielt sie ihren Zauberstab nicht mehr auf Sirius gerichtet und er war vom Bann befreit. Denn der CC-Zauber war ein schwarzmagischer und musste, wie der Cruciatus, nicht durch einen zusätzlichen Zauber beendet werden.

Kisic schien etwas Wasser abgekommen zu haben.

Sirius atmete unkontrolliert, hielt seinen Zauberstab auf sie und wollte bereits den nächsten Zauber anwenden, als Kisic dasselbe tat.

Er hatte den Ganzkörperklammerfluch benutzen wollen, sie irgendeinen, den er nicht kannte, und die Blitze trafen sich, wurden durch ihre Energie umgewandelt und abgeleitet und zischten zu einem der Fenster hin.

Es gab ein lautes Klirren und die Glasscheibe zerbarst unter der Macht der Zauberei. Der kalte Wind brauste hinein und bauschte die schweren, schwarzen, aufgezogenen Vorhänge auf. Lose Pergamentblätter, die jemand auf einem Tisch liegen gelassen hatte, wirbelten durch den Raum.

Sirius starrte keuchend dorthin, Kisic zog sich mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht in die Höhe und sah in dieselbe Richtung.

„Verdammt", murmelte sie entsetzt.

Sirius runzelte die Stirn. Er zielte mit seinem Zauberstab auf das kaputte Fenster und wendete den Repario-Zauber an.

Nichts tat sich.

„Nur ein Lehrer kann es reparieren", hörte er Kisic resigniert sagen. „Das ist hier so üblich, damit ihnen nicht entgeht, wenn jemand mutwillig etwas zerstört hat."

Na toll, dachte Sirius sarkastisch. Scheiß Schule.

Er sah zu dem Mädchen herüber. Ihre Wangen waren erhitzt, eine Schramme zierte ihre rechte Wange und an ihrem Hals und an ihren Händen war die Haut von dem heißen Wasser stark gereizt. Er sah sicher nicht besser aus. Er spürte das Brennen und Stechen im Gesicht und auf der Brust, dort, wo die heißen Flammenfunken ihn verletzt hatten.

Kisic grinste schwach, als sie ihn musterte. „Unentschieden, was, Black?"

Er schaute zurück, zunächst verärgert, aber dann gab er nach. Eine Wiederholung würde wohl ebenfalls keinen Gewinner hervorbringen.

„Unentschieden."

-

Nachdem das Duell unentschieden geendet hatte, ging Sirius hinunter und konnte nicht verhindern, dass er eben Kisic herlief, da sie den Weg kannte und sie ohnehin dieselbe Strecke zurücklegen mussten.

„Wir sind nun quitt", eröffnete sie ihn mit ihrer klaren, herabblassenden Stimme und klang nun nicht mehr so kalt und verachtend.

„Ihr seid schon merkwürdig", kommentierte Sirius beinahe schon resignierend.

Er merkte, wie Kisic ihm einen flüchtigen Seitenblick zuwarf und amüsiert lächelte. „Wieso? Weil wir dich nicht pausenlos anfeinden, dich versuchen, fertig zu machen, dich verabscheuen und hassen, weil du gestern bekannt gegeben hast, dass du Reinblüter verachtest und unser Stolz nicht teilst?"

„Ja, so könnte man es erklären", erwiderte er bissig. „Und ich kann nicht fassen, dass ich mit einem Fanatiker, wie dir, friedlich und einträchtig zur Halle laufe, so, als wäre nichts gewesen."

Kisic seufzte. „In den Hallen Durmstrangs gibt es selten Freund und Feind. Meistens nur Freund."

„Ich werde niemals ein Freund von dir und deinesgleichen sein."

„Du bist ein Falke. Du gehörst zu uns."

Sirius blieb stehen und funkelte sie aufgebracht an. Langsam hatte er dieses Rätselraten satt. „Verdammt, sei nicht so undurchsichtig. Sag schon, warum seid ihr so heuchlerisch freundlich zu mir, wenn ich doch gestern deinen und den Hass deiner Freunde nahezu erfassen konnte?"

Kisic war ebenfalls stehen geblieben und starrte ihn an. Sie war ein wenig blasser geworden und um ihre Lippen waren leicht zusammengepresst. „Weil wir uns an den Kodex halten. Ja, ich würde dich am liebsten hassen und verachten und dir dein verräterisches Herz herausreißen und dich damit füttern!"

Sirius zeigte sich beeindruckt und grinste wider Willen. „Ich fühle mich geschmeichelt."

Ein wütender Blick aus eisgrauen Augen traf ihn. „Mach dich nicht darüber lustig. Ich finde es nicht amüsant, dass ein Blutsverräter für das Haus der Falken auserwählt worden ist."

Sirius stieß einen langen Atem aus. Seine schwarzen Augen verengten sich; die Schatten im Lichte der Fackeln tanzten über sein helles Gesicht. „Und warum verhältst du dich dann so, als wäre es plötzlich nicht mehr wichtig, dass ich für den Stolz eines Reinbluts nichts übrig habe?"

Sie hatte ihn mit seltsamen Blicken fixiert. In ihre großen Augen funkelte es spiegelgleich auf, wie ein Flimmern auf reinem Silber. „Weil es der Ehren-Kodex es verlangt. Ehre jeden Reinblut, so, wie du geehrt werden willst", fing sie offenbar an zu zitieren. „Und Ein Falke steht immer über allem anderen. Wir mögen nicht dieselben Sichtweisen haben. Wir mögen uns verachten wollen, aber der Kodex verbietet es uns. Wir sind beide Falken und auch wenn wir uns noch öfter streiten oder duellieren werden, nichts darf ernsthafte Zwietracht zwischen uns bringen. Es ist manchmal schwierig, sich daran zu halten. Es erfordert viel Selbstkontrolle und manchmal schafft man es nicht. Aber dann kann man es wieder in Ordnung bringen."

Sirius konnte kaum glauben, was er da hörte.

„Mein gestriges Verhalten war angemessen", fuhr sie fort. „Unangemessen wäre, wenn ich jetzt, nach dem Duell, immer noch versuchen würde, dich fertig zu machen."

„Wow", machte Sirius ungläubig. „Du bist echt verrückt. Du stellst einen Ehren-Kodex über dich selbst, ist dir das bewusst?"

Sie nickte, so, als wäre es Selbstverständlichste der Welt. „Was ist so falsch daran? An die Gesetze in der Zaubererwelt hältst du dich doch auch, oder? Sie wurden geschaffen, damit Ordnung und nicht Anarchie herrscht. Genauso verhält es sich mit dem Kodex. Die Gründer waren stets darum bemüht, Eintracht zwischen Reinblütern zu schaffen, selbst zwischen jenen, die unüberbrückbare Differenzen hatten."

„Aber... aber im Krieg muss jeder sich für eine Seite entscheiden."

Kisic lächelte schwach. „Aber es herrscht doch gar kein Krieg."

„Du weißt ganz genau, dass dunkle Zeiten angebrochen sind", fuhr Sirius sie an. „Schwach nur, aber sie werden immer stärker."

Kisic hob gleichmütig ihre Schultern. „Du redest von der innenpolitischen Lage Englands. Ich bin weder Engländerin noch befinden wir uns dort. Ich habe mit euren Problemen nichts zu schaffen, also warum sollte Krieg zwischen uns beiden herrschen?"

Sirius wusste nicht so recht, was er entgegnen sollte. Weil sie trotz allem auf verschiedenen Seiten standen. Weil sie verschiedene Meinungen vertraten, die sich niemals durch eine Brücke verbinden lassen würden. Weil sie selbst gesagt hatte, dass sie ihn am liebsten hassen würde. Weil sie in einer Schwarz-Weiß-Welt lebten. Er sagte ihr das alles.

Sie musterte ihn unter ihren dichten Wimpern. „Der Kodex gebietet alles, was dazwischen ist", erklärte sie. „Mir ist es gleich, Black, ob du es verstehst oder nicht verstehen willst. Ich werde deine Sichtweise und deine Argumente so wenig akzeptieren, wie du meine. Ich werde immer stolz auf mein reines Blut sein und jene verachten wollen, die sich dagegen wenden. Aber ich beuge mich dem Kodex. Ich finde daran nichts seltsam, denn nichts anderes kenne ich. Ich bin nie auf eine Schule gegangen, wo es Rivalitäten zwischen Reinblütern und Halbblütern gab, weil es letztere hier nicht gibt. Ich verkehre mit diesen auch nicht und kann dir nicht sagen, wie es ist in solchen Fehden älter zu werden." Sie holte tief Luft. „Und ich werde vor dir nicht zu Kreuze kriechen, weil ich Streit mit dir vermeiden will. Denn das wird unmöglich sein und das ist es nicht, worauf es mir ankommt. Aber ich werde nicht zulassen, dass sich unsere Differenzen negativ auf das Haus auswirken und gegen den Kodex verstoßen." Sie lächelte wieder, diesmal gehässig. „Ich darf wohl zu Recht annehmen, dass in Hogwarts kein Wert auf Ehre gelegt wird. Oder auf Zusammenhalt. Dann gewöhn dich lieber dran, denn hier wird es das."

Sie ging weiter. „Wir sind schon längst zu spät", sagte sie.

„Ihr versucht, gute Vorsätze zu haben", meinte Sirius und klang bissig. „Um eure falsche Moral zu rechtfertigen, hm."

„Wir haben keine falsche Moral, Black", erwiderte Kisic kühl.

„Sicher. Ihr seid Heilige."

„Sag, Black, würdest du, wenn ein Muggle oder ein Halbblut sterben soll, dein Leben dafür hergeben?"

Sirius zog die Augenbrauen zusammen. „Ich würde, wenn ein Freund sterben soll, mein Leben dafür hergeben", stieß er ärgerlich hervor. Es mochte leichtsinnig klingen. „Und ich würde nicht darauf achten, welches Blut in seinen Adern fließt. Denn letztendlich wird es rot sein."

Kisic feixte. „Manches Blut ist roter, als anderes."

Sirius schnaubte, während sie eine lange Treppe hinunter gingen, dessen Ende sie schon fast erreicht hatten. Sie begegneten sonst keiner Menschenseele, sie alle waren bereits beim Frühstück.

„Was tust du, wenn du einen Menschen kennen lernst, von dem du nicht weißt, ob er ein Reinblut ist und du feststellst, dass er dir sympathisch ist", fing Sirius an und es war zum ersten Mal in seinem Leben, dass er so argumentativ über das heikle Thema redete. Sonst versuchte er es immer zu vermeiden. Er handelte lieber, als dass er sprach. Das bedeutete aber nicht, dass er keine Argumente für seine Sichtweise hatte. Sein Vater war immer darauf bedacht, dass seine Söhne schnell erwachsen wurden. Es mochte gewirkt haben, so, wie es bewirkt hatte, dass Sirius sich in Hogwarts austobte, wie ein Lausebengel, um die Jugend zu genießen. „Ihr werdet Freunde. Er rettet dein Leben. Und dann findest du heraus, dass er kein Reinblut ist. Was dann, Kisic? Glaubst du etwa, dass Ehre und Stolz, Freundschaft und edle Kodexe nur in der Welt der Reinblüter bestehen? Dadurch, dass du mit mir Waffenstillstand suchst, weil es dieser Kodex gebietet, obgleich du es gar nicht willst, schaffst du nur erzwungene Einsichten."

Und diesmal war es Kisic, die nicht zu wissen schien, was sie antworten sollte und ihn verwirrt anblinzelte.

Sie hatten die Flügeltüren der Halle erreicht.

Er warf ihr einen triumphierenden Blick zu. „Denk mal darüber nach, Kisic. Und wenn du Stoikov erzählst, dass du so ehrenhaft versuchst, mich von meiner Uneinsicht zu überzeugen, lässt er ja vielleicht für deine Unpünktlichkeit Gnade vor Recht walten."

Kisic funkelt ihn erzürnt an. „Spotte nur, Black. Spotte nur. Du wirst weder Blut noch Namen verleugnen können. Selbst über deinen Tod hinaus nicht."

Sirius grinste nur, öffnete die Tür und verbeugte sich in einer spöttischen Geste, um ihr den Vortritt zu lassen.

Sie sah ihn vernichtend an und trat hinein. „Und Stoikov wird niemals Gnade vor Recht walten lassen", raunte sie ihm noch zu, ehe sie hoch erhobenen Hauptes und mit einem blasierten Lächeln durch die Halle ging, die Blicke, die sie und Sirius verfolgten, ignorierte und am Tisch der Falken Platz nahm.

Sirius setzte sich neben ihr hin, da nirgendwo sonst noch etwas frei war, hob den Kopf und sah zu Stoikov hinüber, der kurz, aber finster zurückschaute.

Sirius füllte sich seinen Becher mit Orangensaft. „Und warum hält Stoikov nichts von Gnade?", sprach er leise und beiläufig zu Kisic. Er höhnte. „Sieht er es an Schwäche an oder gar als... Stärke?"

Sie sah zur Seite; ihre Augen waren zu halbmondförmigen Sicheln zusammengezogen.

Aber noch ehe sie antworten konnte, fuhr Sirius fort, seinen Kopf leicht zu ihr beugend. Schwach fühlte er sich an Schnee erinnert. Nur sie konnte ihn verstehen, darauf achtete er, ohne, dass es ihm bewusst war.

„Und noch was. Mein Name mag auf meinem Grabstein stehen, aber er ist es nicht, der für mein Leben sprechen kann. Denn das sind immer nur Taten."


A/N:

Ich hoffe, es liest überhaupt noch jemand mit, weil ich so unregelmäßig Update. Ich kann nur sagen, dass es mir leid tut und hoffentlich verzeiht ihr mir ;)

Danke für die Glückwünsche und Neujahrsgrüße – letztere gehen natürlich zurück.

Wow, ihr habt die 1000-Marke gesprengt – und meine Geschichte ist im Dezember ein Jahr alt geworden! Dank an Padfoot's Mate, der mich daran erinnert hat! Und Danke auch für den Glacialis-Zauber und die Latein-Hilfe :) Wir versprechen aber nicht, dass das alles richtig ist; Lateinkenner mögen uns verzeihen, wenn nicht.

Reviews?

VIEEEEEELEEEENN DANK an die Reviewer, ihr seid die Besten!