Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

- die letzten Worte eines Sterbenden.


18. Kapitel

Ein Ausflug nach Cambridge


"Manchmal erfordern gewisse Situationen,
dass man den Stolz vergisst
und mit dem vermeintlichen Feind zusammenarbeitet."

(- unbekannt)

Bis zum Vollmond waren es nur noch wenige Tage. Es war nicht richtig dunkel, dazu schien der Mond bereits zu intensiv; der von einigen grauen Wolkenfetzen bedeckte Himmel spannte sich in indigoblauen Farben über den Köpfen der vier Jungen. Sterne schimmerten wie blauweiße Diamanten auf die Erde hinab, Bilder formend und Geschichten aus vergangener Zeit erzählend.

Es war kühl und windig, schließlich war es Ende November. Die Blätter der Bäume hatten längst begonnen, sich braun, gelb und rot zu verfärben. Bald schon stünden schwere Herbststürme bevor. Aber nicht in dieser Nacht.

James, Remus, Peter und Regulus flogen auf ihren Besen nach Cambridge und hatten mit dem Wetter eindeutig Glück gehabt. Sie flogen hoch, damit Muggle sie nicht sahen, und hatten sich vorsorglich in ihre Winterroben und Schals eingepackt, damit sie nicht völlig verfroren an ihrem Ziel ankamen.

Fast schon drei Monate war das dritte Schuljahr nun schon alt und es gab keinen Hinweis darauf, dass Sirius rausgeworfen wurde. Aber James hoffte und war davon überzeugt, dass sein Kumpel es schaffte. Die Probezeit ging bis Dezember.

Vyperus hatte sich immer noch nicht bei Sirius blicken lassen, was James nicht davon abgehalten hatte, den heimlichen Ausflug nach Cambridge zu planen. Mit Regulus zusammen, denn ihm war nichts anderes übrig geblieben. Letztendlich hatten sich die Planungen in die Länge gezogen, weil Gryffindor und Slytherin einander misstrauten und ständig versucht hatten, sich gegenseitig übers Ohr zu hauen, bis sie schließlich zur Einsicht kamen, dass sie nur zusammen etwas erreichen konnten.

Regulus war überhaupt nicht begeistert von James' Idee gewesen, Remus und Peter in alle Pläne mit einzubeziehen und es hatte viele Streitereien, Duelle und Prügeleien deswegen gegeben, aber letzten Endes hatte der junge Black nachgegeben.

James hatte natürlich zuerst eine Falle gewittert, aber nun blieb ihm nichts anderes übrig, als dem Jungen zu trauen. Wenigstens ein wenig. Er hatte Regulus ja nicht sagen können, dass Remus ein Werwolf war und sie somit schützen könnte, wenn Vyperus urplötzlich im Hause von Mrs Snape auftauchen würde. So hatte er andere Argumente finden müssen, die nicht alle sehr überzeugend gewesen waren, sodass er nicht wusste, warum Regulus kapituliert hatte.

Aber vielleicht steckte ja auch gar nichts dahinter und Regulus hatte sich nur deswegen einverstanden erklärt, die anderen beiden einzuweihen, weil er wusste, dass Sirius es auch getan hätte.

Denn manchmal glaubte James zu erkennen, dass Regulus seinen Bruder irgendwo bewunderte. Sicher, er verachtete Sirius auch, aber da war noch immer etwas anderes. Eine aufrichtige Zuneigung, etwas, was standhaft blieb und wohl nur dadurch zu erklären war, dass brüderliche Bande schwer zu kappen waren. So genau wusste James es nicht, denn er war Einzelkind. Er konnte nur erahnen, dass zwischen Geschwistern ein Band der Gemeinschaft entstehen konnte, die einzigartig war. Eine Art Freundschaft, die sehr schwer zu zerstören war. In dunklen Zeiten mochten solche Bande leicht zu zerreißen sein, aber noch herrschten keine dunklen Zeiten. Noch herrschte Licht.

Der Herbstwind pfiff ihnen entgegen und James schob seinen Gryffindorschal über Mund und Nase. Sie folgten Peter, denn er hatte eine erstaunliche Orientierung und war ein brillanter Kartenleser. Er hatte die britische Karte studiert und den sichersten, aber auch mitunter den schnellsten Weg von Schottland nach Cambridge herausgearbeitet. Er hatte ihn sich geprägt, hatte nach Merkmalen gesucht, an die er sich von der Luft aus orientieren konnte und führte somit die kleine Gruppe sicher an. James flog ihm blindlings nach. Er wusste, dass er sich da keine Sorgen machen musste. Peter kannte, nachdem er sich einmal damit vertraut gemacht hatte, jedes Detail.

Es war ein abenteuerlicher Plan, der so heikel, wie gewagt war. Sie konnten sich nichts von dem Ausflug versprechen. Mrs Snape würde kaum mitten in der Nacht die Tür öffnen. Und wenn doch, welchen Grund hatte sie, vier Jungs in ihr Haus hereinzulassen?

Dabei baute James auf Regulus. Immerhin würde Mrs Snape den Namen Black kennen und vielleicht durch ihren Sohn schon von Regulus gehört haben. Peter sah zu harmlos und Remus zu freundlich aus, um eine Gefahr darzustellen. Und auch James sah alles andere, als gemeingefährlich aus. Aber dann blieb noch das Problem, wie sie ihr Informationen entlocken sollten. Ihr einfach zu sagen, dass sie Stress mit Vyperus hatten und ob sie ihnen doch bitte seine Schwachstellen enthüllen könnte, damit sie etwas gegen ihn in der Hand hatten, ging schlecht. Sie hatten viele Strategien ausgedacht, die sie alle wieder verworfen hatten. Schließlich hatte Remus gemeint, dass sie doch einfach herausfinden konnten, ob Vyperus tatsächlich Mrs Snapes Geliebter war und sich dann weiter vorzuwagen, wenn sie erst einmal herausgefunden hatten, was sie für eine Person war.

Regulus wusste nur, dass sie eine stille Frau war, die sich aus der Gesellschaft der Reinblüter zurückgezogen hatte. Aber sie war ihrem Sohn auf eine mütterliche Art sehr zugeneigt, was für sie sprach. James fand das zwar nicht, weil er sich nicht vorstellen konnte, wie man Snape auf nur irgendeine Art und Weise zugeneigt sein konnte, aber er hatte schon verstanden, was Regulus meinte.

Aber ein Versuch war es nun mal wert. Sirius hatte die Idee brillant gefunden – doch er hätte jede Idee, bei der man nachts verbotenerweise unterwegs war, mit Begeisterung begrüßt – und war enttäuscht, dass er nicht mit konnte. Aber aus Durmstrang konnte man nicht einfach weg. Er hätte ja vom nächsten Dorf aus mit Floopulver reisen können, aber offenbar war es nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, die Ländereien Durmstrangs zu verlassen. Irgendwelche schwarzmagischen Schutzwälle verhinderten unerlaubtes Eindringen und Entfernen. Er hatte die schmerzhafte Erfahrung schon längst gemacht.

Sie flogen lange. Sie hatten sich in eines der Häuser von Hogsmeade geschlichen und mittels Floopulver bis nach London zu der Familie von Peter gereist. Dessen Eltern waren nicht da, wie Peter wusste, und von dort aus waren sie losgeflogen.

Sie schwiegen. James war zu sehr damit beschäftigt, neue Strategien in Bezug auf Mrs Snape zu entwickeln, Peter achtete zu sehr auf den Weg, Regulus war ohnehin der stille Typ und Regulus ließ sich nicht dazu herab, ein unnötiges Wort an die Gryffindors zu richten.

Sie waren früh gestartet, eine Stunde nach dem Abendessen. Es war Freitagabend und niemandem würde ihre frühe Abwesenheit großartig auffallen. James hatte bereits das Zeitgefühl verloren und vermochte auch nicht am Stand des Mondes auszurechnen, wie viel Uhr es in etwa sein mochte. Der Wind war unangenehm und es je länger sie in Richtung Cambridge flogen, umso mehr verdichteten sich die Wolken am Himmel. Es hatte angefangen zu regnen. Es war ein Nieselregen, der leicht, aber unbequem war und langsam durch die Kleidung sickerte.

Endlich steuerte Peter seinen Besen leicht nach unten. Sie verloren immer mehr an Höhe und landeten alsbald auf einer Wiese. Hohe Linden umrankten sie und wirkten wie wachsame Soldaten kurz vor einem Kampf. Der Mond brach nur selten durch die Wolken, von den Sternen war nichts mehr zu sehen.

Hinter der Wiese befand sich eine Landstraße. Kein Gefährt fuhr dort entlang, alles war still und recht dunkel. Aber etwa zweihundert Meter weiter stand ein leicht schiefes Haus. Nur ein Licht brannte im oberen Stockwerk.

„Da wohnt Mrs Snape", flüsterte Peter.

„Wieso gibt es keinen Schutz?", fragte James mit leiser Stimme erstaunt.

„Weil hier keine Muggle in unmittelbarer Umgebung leben", antwortete Peter. „Wovor sollte sie also ihr Haus verstecken?"

„Nun, weil sie mit einem Vampir liiert ist", gab er ungeduldig zurück.

Peter sah ihn an. James konnte ihn schwach erkennen.

„Aber niemand, außer uns, weiß davon, oder?"

„Ja, genau", mischte Regulus sich gereizt ein. „Und wenn wir hier länger herumstehen, wird sie zu Bett gehen. Also los." Er ging voran.

James murmelte eine Beleidigung in seine Richtung, die der Slytherin mit einer Grimasse quittierte und sie machten sich auf den Weg.

Ein schmaler, mit Unkraut, Moos und Büschen zugewachsener Vorhof erstreckte sich vor das kleine Haus, der durch einen unebenmäßigen Holzzaun abgegrenzt war und in ein angelehntes Tor mündete. James öffnete es und sie schritten hindurch. Sie gingen den moosbewachsenen Weg entlang; ihre Schritte wurden dadurch gedämpft. Dann ragte sich das Haus vor ihnen auf. Es war von Efeu umrankt, sosehr, dass man die Steinwände nicht mehr sehen konnte. Nur die kleinen Fenster mit den schiefen Holzläden und die Tür lagen frei. Trotz der Jahreszeit blühten zwischen dem Efeu immer wieder vereinzelte Rosen in hellroter und weißer Farbe, sodass sie sich von der Dunkelheit abhoben. Die sechs Steinstufen führten zu der Tür.

Eine Klingel befand sich an der Seite der Mauer und der Name ‚Snape' war im Stein eingemeißelt. Darunter befand sich ein Schlangenkopf aus Stein, der von den Kletterpflanzen beinahe verdeckt war. Die Augen waren schmutziggrün und aufgesetzt.

James drückte den Knopf. Dann warteten sie. Die Augen der Schlange bewegten sich und schienen sie zu mustern. Offensichtlich schaute Mrs Snape, wer denn da so spät in der Nacht an der Tür schellte.

„Wer stört denn noch so spät am Abend?", fragte eine Stimme von drinnen. Sie klang gedämpft.

Die vier Jungen sahen sich kurz an.

„Schulfreunde von Severus", sagte Regulus dann.

James verzog das Gesicht. Schulfreunde. Er hätte kotzen können.

„Wir wollen Mrs Snape sprechen. Ist sie da? Ich bin Regulus Black."

Die Schlangenaugen musterten Regulus genau. Auch die anderen nahmen sie unter die Lupe. „Wartet hier", blaffte die Stimme aus dem Haus dann an.

„Sehr freundlich", murmelte James sarkastisch.

Niemand entgegnete etwas. Stumm warteten sie, bis sich die Haustür öffnete und das faltige Gesicht eines kauzigen Hauselfen sie unfreundlich anstierte. „Zauberstäbe her."

James machte große Augen, dass er vergaß, wie merkwürdig ein Hauself in diese sehr einfache, schlichte Umgebung passte. „Was?"

„Zauberstäbe her oder ihr könnt wieder gehen!"

„Scheiße." James sah die anderen ratlos an. „Wir können ihm doch nicht einfach so unsere Zauberstäbe geben."

„Uns bleibt keine Wahl", meinte Remus sachlich. „Außer, wir fliegen wieder zurück."

„Was soll sie uns schon tun? Sie soll eine Dame aus gutem Hause sein", sagte Peter arglos.

James stieß einen langen Atem aus. „Ihr seid ja auch leichtgläubige Deppen. Einer Vampirbraut würde ich nicht so einfach trauen."

„Wir geben sie dem Hauselfen jetzt ab", bestimmte Regulus. „Sie kennt meine Familie. Sie wird uns nichts tun."

James zweifelte noch immer. Mrs Snape mochte einen Ruf als stille, zurückhaltende Dame sein, aber allein die Tatsache, dass sie ein Verhältnis mit einem blutrünstigen, diebischen Vampir zu haben schien, bewies nur eines: stille Wasser waren tief.

„Dann lass es bleiben, Potter und warte hier auf mich", fuhr Regulus genervt fort. „Ich gebe meinen Zauberstab ab und werde reingehen." Er war sich seiner sehr sicher.

James konnte das natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Stolz machte blind. Und James wollte vor den Jungen nicht sein Gesicht verlieren. Er hatte ja keine Angst. Er war nur misstrauisch. Aber so war er schnell überredet. Es war der Leichtsinneines Jungen, der über Konsequenzen nicht nachdenken wollte.

„Okay, lass uns ihm die Zauberstäbe geben", resignierte er.

Regulus lächelte siegesgewiss. Sie gaben dem Hauselfen ihre Zauberstäbe und er ließ sie hinein. Sie betraten einen mit einem hellen Teppich überzogenen Flur. Die Wände waren hell gestrichen und teilweise mit Bildern, Portraits und selbst geknüpften Wandteppichen behangen. Einfache Fackelhalter hingen von der gewölbten Decke herab und spendeten genügend Licht. An jeder Ecke standen große Steinvasen mit üppigen Rosensträußen. Ihr Duft überlagerte alles andere. An der gegenüberliegenden Wand führte eine schmale Wendeltreppe ins nächste Stockwerk. An der linken Seitenwand war eine Tür aus hellem Holz, die offen stand. Der Hauself geleitete sie dort hindurch und führte sie somit in den Wohnsaal. Eine Couchgarnitur mit zerschlissenem mattgrünem Bezug und hellbraunen Kissen stand an der seitlichen Wand zur Rechten, zusammen mit einem niedrigen Glastisch direkt vor einem großen Kamin. An der Stirnwand war eine Terrassentür, die in den großen, verwilderten Garten führte. Sie war geschlossen und von verzierten Gardinen behangen. Weinrote Teppiche lagen auf dem Boden. An der rechten Seitenwand befand sich ein großes Regal mit vielen Büchern. Ein Sessel stand davor, auf dem eine Katze sich wohlig räkelte.

An den Wänden hingen Rosen. Rote und Weiße. Ihr süßlicher Duft hang angenehm in der Luft.

Die Einrichtung war schlicht, aber ordentlich.

„Setzt euch", sagte der Hauself und die Jungs nahmen in der Sitzecke Platz, ihre Roben auf einen der freien Plätze der Couch legend. Schon bald erschien der Hauself und brachte ihnen Tassen, mit heißer Schokolade gefüllt, und einen Teller mit Keksen.

James war insgesamt überrascht. Sowohl von der Einrichtung der Villa, wo nichts auf Schwarze Magie hindeutete, als auch von dieser Gastfreundlichkeit.

Peter hatte schon nach einem Keks gegriffen und tunkte ihn in seine heiße Schokolade. Auch Remus nahm seine Tasse in die Hände und pustete ein wenig über das Getränk. Regulus sah sich interessiert um.

Und da kam sie auch schon. Die Dame des Hauses.

James starrte sie an. Er hatte keinerlei Vorstellungen von ihr gehabt, dennoch glaubte er, dass, wenn er welche gehabt hätte, sie anders gewesen wären, als das, was er nun sah.

Sie war von schlanker, fast schon hagerer Gestalt und trug ein moosgrünes, schlichtes Kleid mit langen, zum Ende weit geschnittenen Ärmeln und einem hochgeschlossenen, runden Kragen. Sie hatte kastanienbraune Haare, die sie ordentlich hochgesteckt hatte und hellbraune Augen. Ihr Gesicht war schmal geschnitten. Ihr Sohn sah ihr so gar nicht ähnlich, wenn man vom Mund und Kinn mal absah. Sie war nicht sonderlich hübsch, aber sie machte einen netten Eindruck. Und sie hatte eine charmante Ausstrahlung, die sie adrett machte.

Als sie die Jungen sah, lächelte sie leicht und kam auf sie zu. „Und ihr seid also Severus' Schulfreunde", sagte sie mit einer freundlichen Stimme. Sie nickte ihnen höflich in die Runde, aber in ihrem Blick lag Erstaunen. Sie setzte sich in den Sessel, der am Kopf des Glastisches stand und schaute erst nach rechts auf die Couch, wo James und Remus, dann nach links, wo Regulus und Peter saßen. „Ihr seht mich gänzlich überrascht", fuhr sie fort.

„Ja, verzeihen Sie uns die späte Störung", sagte James entschuldigend. Er stellte sie alle vor. Wenn sie etwas mit ihren Nachnamen hatte anfangen können, dann zeigte sie es nicht.

„Darf ich den Grund eures Besuches erfahren? Ich nehme an, niemand weiß, dass ihr hier seid, hm."

James wollte etwas erwidern, aber Regulus kam ihm zuvor.

„Nein", lächelte er galant. Jegliche Kälte war aus seiner Stimme verschwunden, jeder Hohn und jede Herablassung. Die immerwährende Arroganz war zwar herauszuhören, da sie ein Teil von ihm war, aber er sprach so zuvorkommend und so formvollendet, dass James kaum glauben konnte, dass es sich dabei um Regulus handelte.

„In der Tat weiß niemand, dass wir Sie besuchen, Mrs Snape... selbst Severus weiß es nicht."

Sie hob ihre Augenbrauen. Ein Hauself brachte auch ihr eine Tasse mit heißer Schokolade.

„So", machte sie gedehnt und lehnte sich zurück, die Beine übereinander schlagend. Dann wartete sie ab. Sie schmiss sie weder raus, noch rief sie mittels Floopulver Professor Dumbledore.

„Es ist schwer zu erklären", meinte Regulus und nun sah er James doch hilfesuchend an.

„Ja, Sie mögen es merkwürdig finden und ich hoffe, Sie werden nicht ärgerlich, oder so", sprang dieser sofort ein. Er suchte nach den passenden Worten. Jegliche ausgedachten Strategien, die er hätte anwenden können, empfand er nicht überzeugend genug.

Mrs Snape runzelte die Stirn. „Ist Severus der Grund?"

„Hm, also, nein, nicht direkt", antwortete James und wechselte einen nervösen Blick mit Regulus.

Er merkte nicht, wie Peter sich vorlehnte. „Wissen Sie, wir versuchen einen guten Freund zu helfen", fing er etwas unsicher an. Er sah Mrs Snape aus seinen kleinen, wässrigen Augen treuherzig an. „Er steckt in Schwierigkeiten und wir vermuten, dass Sie uns vielleicht helfen können." Je länger er redete, umso sicherer wurde.

James hörte ihm erstaunt zu, Remus lächelte und Regulus schien seinen Ohren nicht zu trauen. Offensichtlich musste er erkennen, dass er den kleinen Jungen unterschätzt hatte.

„Es mag gewagt und sogar unverschämt sein, ausgerechnet zu Ihnen zu kommen", fuhr Peter fort und rieb sich verlegen sein Kinn mit der Hand. „Aber schauen Sie, wir... wir wissen uns wirklich nicht anders zu helfen. Wir haben jede andere Alternative überdacht, aber letztendlich blieb uns nur der Weg zu Ihnen, Ma'am."

Mrs Snape lauschte Peter mit einem leicht neugierigen Gesichtsausdruck und nickte ihm zu, damit er weiterredete.

Peter fuhr sich zerstreut mit seiner Hand nun durch das kurze Haar. Er rutschte ein wenig unruhig auf seinem Platz hin und her, aber das milde, aufmunternde Lächeln der Frau ließ ihn neuen Mut finden. „Er hat nichts weiter getan, außer am falschen Zeitpunkt am falschen Ort zu sein", sagte er. „Es war nicht seine Absicht, sich mit irgend jemandem anzulegen und nur, weil sein Vater das vielleicht getan hat, muss er dafür büßen. Er kann wirklich nichts dafür."

„Hm", machte sie, ein wenig verwirrt. Sie nahm einen Schluck von der heißen Schokolade. „Ich verstehe nicht so recht, Peter."

Er nickte und suchte wohl nach neuen Wörtern.

James half ihm nicht aus; Peter hatte das Ganze so gut im Griff, er wollte es nicht verderben. Die anderen schienen genauso zu denken. James wusste, dass Peter aus einer Diplomatenfamilie kam.

„Es handelt sich dabei um Sirius Black." Peter deutete kurz auf Regulus. „Seinen Bruder. Und..." Peter holte tief Luft. „Er hat Schwierigkeiten mit Vyperus."

Dann schwieg er. James sah Mrs Snape an, die völlig erstarrt war und Peter mit entgeisterten Blicken fixierte.

Ihre rechte Hand, mit der sie die Tasse hielt, fing an zu zittern und Regulus sprang rechtzeitig auf und nahm sie ihr rasch aus der Hand, denn sie hätte sie fallen gelassen. Er stellte sie auf den Glastisch ab, während Mrs Snape leichenblass wurde.

„Mrs... Mrs Snape?", fragte James vorsichtig.

Das schien sie wieder zurückzuholen. Sie fuhr leicht zusammen, dann räusperte sie sich hastig. „Vyperus?", wiederholte sie, um Gleichmut bemüht, aber die Fassungslosigkeit war deutlich herauszuhören.

„Ja", nickte Peter und klang bedauerlich. „Vyperus ist bei den Blacks eingebrochen und hat eine Kette gestohlen. Sirius war dort und Vyperus hat einige Informationen über die Kette erfragt, die Sirius aber wirklich nicht weiß. Und Vyperus hat ihm gesagt, er würde bald wiederkommen und dann die Informationen haben wollen. Da er Sirius schon mal beißen wollte, glauben wir, würde er es tun, besonders, wenn Sirius ihm nicht sagen kann, was er wissen will. Und Sirius kann es ihm nicht sagen, weil er doch selbst gar nichts weiß!"

Peter klang richtig verzweifelt.

Mrs Snape schien noch immer vollkommen bestürzt. „Und wieso...", fing sie mit brüchiger Stimme an; sie räusperte sich wieder, „wieso kommt ihr zu mir?"

Sie ist vorsichtig, dachte James. Kein Wunder. Wahrscheinlich wird ihr nicht oft eine Verbindung zu Vyperus unterstellt.

„Wir... wir glauben, Sie kennen Vyperus. Und wir... also, wir glauben auch, dass Sie mit ihm einen Sohn haben. Sna- ich meine, Severus", eröffnete Peter ihr vorsichtig.

Mrs Snape starrte ihn noch immer an, diesmal wieder entsetzt. Dann, nach einer schier endlosen Weile sank sie in den Sessel und stützte ihren Kopf in ihre rechte Hand. „Bei Salazar", murmelte sie erschüttert. Sie machte keine Anstalten, alles abzustreiten. Offenbar wusste sie, dass, wenn jemand auf diese scheinbar obskure Idee kam, dieser es auch zu Recht vermutete.

„Hören Sie, wir wollen Ihnen damit keine Schwierigkeiten machen", versicherte Peter rasch und die anderen stimmten schnell zu. „Niemand sonst weiß von unserer Vermutung und wir haben nicht vor, es irgendeinem zu erzählen."

Mrs Snape sah wieder auf. Eine leichte Röte hatte sich auf ihre hochwangigen Knochen gelegt und ihre Augen waren riesig. Sie wirkte verletzlich. „Ich...", fing sie mit zittriger Stimme an, dann startete sie einen neuen Versuch. „Aber ihr werdet es weiter erzählen, wenn ich euch nicht helfe, hm", stellte sie bitter fest.

James war schon erstaunt, dass sie es so gar nicht abstritt. Aber vielleicht waren sie sogar die ersten, die ihr auf die Schliche gekommen waren.

„Nein", sagte Peter und klang ehrlich erstaunt. „Wir sind nicht hier, um Sie zu erpressen. Wir sind lediglich hier, um Sie um Hilfe zu bitten."

Mrs Snape blieb misstrauisch. „Was, wenn ich ablehne?"

Peter sah sie etwas niedergeschlagen an. „Dann... dann wissen wir auch nicht mehr weiter."

„Dann können wir nur hoffen, dass Vyperus seine Drohung nicht wahrmacht", fügte James düster hinzu. Sie würde ihnen nicht helfen. Das war ihm plötzlich bewusst. Warum sollte sie auch? Sie würde auf Seite Vyperus' stehen, immerhin war er ihr Geliebter.

Mrs Snape schien nachzudenken, denn eine ganze Weile sagte niemand etwas. Nur betroffenes Schweigen herrschte. Das Feuer knisterte im Kamin.

„Er wird es merken und herausbekommen, dass ihr hinter das Geheimnis gekommen seid", sagte sie schließlich mit rauer Stimme. Sie sah alle rasch an. „Was mich überdies sehr überrascht, ist, dass ihr es herausgefunden habt."

James lächelte schwach. „Zufälle und Glück, Ma'am."

Sie nickte nachdenklich, so, als habe sie es sich gedacht. „Trotzdem wird er es herausbekommen."

„Und dann sind wir wohl alle in Gefahr?" Regulus sah sie aus seinen nachtschwarzen Augen an. „Gibt es denn wirklich keinen Ausweg?"

Mrs Snape schwieg wieder und schaute in die Leere. Ihre hellbraunen Augen glitzerten im Fackellicht. „Wieso glaubt ihr, dass ich euch helfe, Jungs?", wollte sie schließlich wissen.

Sie erntete ratloses Schweigen als Antwort.

Sie lächelte mild; es war ein ehrliches Lächeln und es machte sie charmant. „Das dachte ich mir", murmelte sie. „Immerhin hättet ihr damit rechnen müssen, dass ich eine eiskalte Frau bin, die euch bei der nächsten Gelegenheit gewissenlos vergiftet, weil ihr die Wahrheit herausgefunden habt."

Das war James' Befürchtung gewesen. Doch diese hatte sich bereits in Luft aufgelöst, als er sie den Wohnsaal hatte betreten sehen. Manche Menschen hatte eine freundliche Ausstrahlung, sie hatten etwas Liebliches und Sanftes an sich, sodass man gleich wusste, dass sie keiner Fliege etwas zuleide tun würden. Und er fand, Mrs Snape gehörte zu dieser Sorte von Menschen.

Ihm war klar, dass ihre Erscheinung so gar nicht zu der Tatsache passte, dass sie eine Affäre mit einem gefährlichen Vampir hatte. Aber entweder ließ sie sich auf Vyperus ein, weil sie ihn fürchtete, oder sie hatte gar keine Liebschaft mehr mit ihm und damals nicht gewusst, dass er ein Vampir war oder... oder sie liebte ihn einfach.

„Das ist uns durchaus bewusst", sagte Regulus nun etwas schleppend. „Wenn Sie von vornherein diesen Eindruck auf uns gemacht hätten, hätten wir etwas erfunden, warum wir hier sind und wären dann wieder gegangen."

Mrs Snape lächelte wieder. „Aber ich habe einen freundlichen Eindruck auf euch gemacht."

Sie alle nickten eifrig.

Sie schien sich allmählich wieder zu fassen. Vielleicht war es auch nur gute Selbstbeherrschung und in ihrem Inneren tobte ein Sturm der Angst und Bestürzung. „Noch nie daran gedacht, dass der erste Eindruck täuschen kann?"

Diesmal war es Remus, der sprach. „Doch, Ma'am. Vielleicht ist es einfach nur die Hoffnung, die uns so mutig macht."

„Ja. Oder euer Leichtsinn." Sie seufzte. „Wie dem auch sei... ich sehe, dass ihr in ehrlicher Sorge um euren Freund seid. Und es tut mir leid, dass Vyperus ihm Schwierigkeiten macht. Schaut, ich will sehen, was sich machen lässt." Sie schaute flüchtig zur Wanduhr. „Es ist fast ein Uhr. Er kommt gleich. Wollt ihr nicht selbst mit ihm sprechen?"

Fassungsloses Schweigen, dann brach Tumult aus. Regulus und Peter sprangen auf, James starrte Mrs Snape einfach nur wie betäubt an.

„Er kommt gleich?", rief Regulus entsetzt. „Verdammt! Los, wir müssen verschwinden!"

Er griff nach seinem Besen. Peter tat es ihm nach und nun sprangen auf Remus und James auf.

„Wie kommen Sie nur auf diese närrische Idee, dass wir mit ihm sprechen sollen?", stieß James entgeistert hervor. „Er wird uns unser Blut aussaugen, ehe wir auch nur die Gelegenheit bekommen, Hallo zu sagen!"

Mrs Snape hob beschwichtigend die Hände. Auch sie war aufgestanden und schaute nun amüsiert in die Runde. „Aber, aber, Jungs. So beruhigt euch doch. Vyperus ist kein Monster."

James lachte auf. Er klang schon hysterisch. „Das sagen Sie!"

„Ja, Sie sind sicher blind vor Liebe", fügte Regulus hektisch hinzu. Er lief bereits fort; kurz darauf hörte man eine empörte, piepsige Stimme, es gab offenbar Gerangel, dann lief der Slytherin zur Eingangshalle. Peter und Remus rannten ihm nach, James warf Mrs Snape noch einen entgeisterten Blick zu, ehe er den andere geschwind folgte.

Regulus warf ihnen ihre Zauberstäbe zu, die er sich wiedergeholt hatte.

Sie lief hinter ihnen her. „So hört mich doch an", sagte sie eindringlich.

Aber sie taten es nicht. Sie rannten durch den Flur, Remus stieß mit dem Hauself zusammen, welcher umfiel, und Regulus riss bereits die Haustür auf. Er blieb so abrupt stehen, dass Peter ihm in den Rücken lief. Remus schlitterte und James ebenfalls.

„Scheiße", murmelte Regulus entsetzt.

Und James wusste. Vyperus war da.

Regulus wollte wohl zuerst den Vampir zur Seite stoßen, als dieser bereits hereintrat, so dass er und Peter hastig zurück wichen.

Die Tür fiel ins Schloss und Vyperus sah erstaunt in die Runde. Er trug einen bodenlangen Umhang, den er nun abnahm; ein Hauself nahm ihn entgegen. Er trug eine schwarze Hose, schwarze Stiefel und ein altertümliches Hemd in derselben Farbe.

„Vyperus", begrüßte Mrs Snape ihn warm, ging auf ihn zu und küsste ihn flüchtig auf die Wange. Dieser lächelte warm.

Die vier Jungen standen geschockt inmitten des Flures, die Besen in den Händen.

„Die Terrassentür!", rief Peter plötzlich.

Dann kam wieder Bewegung in sie. Sie wirbelten herum, rannten wieder ins Wohnzimmer zur Terrassentür. Peter erreichte sie als erster und drückte die Klinke herunter. Nichts tat sich. Regulus und Remus schleuderten fast gleichzeitig Öffnungszauber auf die Tür, aber sie blieb geschlossen. James versuchte es mit Zerstörungszauber. Hoffnungslos.

„Nun, freundliche Gäste seid ihr ja nicht gerade", bemerkte die wohlbekannte, etwas lauernd klingende Stimme, in der sich nun Belustigung verwoben hatte.

Die Jungs fuhren herum. Vyperus belächelte sie höhnisch, dann schlenderte er zu der Sitzecke und nahm Platz, die langen Beine gemächlich ausstreckend.

Mrs Snape machte eine höfliche Geste. „Nun setzt euch doch erst einmal wieder", sagte sie.

„Was? Niemals!", rief James außer sich. „Vyperus ist ein Blutsauger! Und lassen Sie uns gefälligst gehen!"

„Haustür!", rief Remus nur und schon rannten sie wieder zurück in den Flur. Aber auch diese Tür war verschlossen und ließ sich durch nichts öffnen. Niedergeschlagen und geschockt blieben sie davor stehen.

„Und jetzt?", fragte Regulus atemlos.

„Kommt herein", sagte Mrs Snape, die im Türrahmen stand. Sie winkte sie herbei.

James wusste, dass sie hier nicht raus kamen. Sie waren gefangen. Sie war eine falsche Schlange. Also doch. Verdammt! Er spürte, wie seine Verzweiflung wuchs.

„Sie dürfen uns nicht gefangen halten!", rief er erzürnt aus.

„Hört mich erst einmal an", wiederholte sie geduldig und winkte sie wieder herbei.

„Na, kommt endlich, ehe ich euch hierhin hexe!", rief Vyperus herrisch und ungeduldig.

Sie tauschten erschrockene Blicke aus. Mit griffbereiten Zauberstäben kamen sie der Forderung zögernd nach, bis sie im Wohnzimmer standen.

„Setzt euch", bat Mrs Snape.

Langsam quetschten sie sich alle vier auf die Couch gegenüber von Vyperus; nur der Glastisch stand zwischen ihnen. Mit bangen Blicken sahen sie abwechselnd zwischen ihm und Mrs Snape her.

„Seltsamen Besuch hast du, Rose", bemerkte Vyperus zu ihr. Auf sein blasses Gesicht lag leichtes Amüsement, aber das Misstrauische aus seiner kühlen Stimme war nicht zu überhören.

Mrs Snape lächelte. „Sie haben unser kleines Geheimnis herausgefunden."

James hielt den Atem an. Diese verräterische... Ihm fiel kein passendes Schimpfwort für sie ein. Wie hatten sie sich nur in ihr getäuscht!

Vyperus nickte langsam. „Mmh. Nicht sehr erfreulich."

„Erst mal zu euch, Jungs", wandte sich Mrs Snape an sie, während ihr Hauself neue Tassen mit heißer Schokolade und Kekse brachten. „Ihr braucht euch nicht zu fürchten, denn Vyperus wird euch nichts tun."

James brauste sofort auf. „Er hat uns bisher immer etwas tun wollen!"

„Ja, sogar im Haus meiner Eltern!", rief nun auch Regulus, zwischen Zorn und Furcht hin und her gerissen.

Mrs Snape warf Vyperus einen stirnrunzelnden Blick zu, ehe sie sich wieder an die Jungen wandte. „Aber hier befindet ihr euch in meinem Haus. Auf meinem Terrain. Und Vyperus wird niemanden etwas antun, den ich als Gast aufgenommen habe." Sie lächelte aufmunternd. „Und ich habe euch als Gäste aufgenommen."

James wog ihre Aussage hastig ab. Das mochte vielleicht sogar stimmen. Es machte jedenfalls Sinn. Aber würde sich ein niederträchtiger Vampir daran halten? Er sprach es laut aus.

„Vyperus wird sich daran halten", versprach Mrs Snape. Sie legte ihre rechte Hand aufs Herz. „Versprochen."

James wusste, dass ein Versprechen unter Zauberern und Hexen als verbindlich galt. Es war stets ein magisches Versprechen und wer es brach, dem drohte Unheil. Niemand in der Zaubererwelt setzte leichtfertig ein Versprechen aufs Spiel.

„Ja, aber sobald wir Ihre Villa verlassen, wird er uns jagen und uns töten! Uns beißen! Uns vierteilen, uns köpfen, uns-"

„Junge, du hast wohl zu viele Vampirgeschichten gelesen", unterbrach Vyperus Regulus mit gehobenen Augenbrauen. „Wir Vampire vierteilen und köpfen niemanden."

Regulus brachte das Kunststück fertig, höhnisch zu grinsen. „Wie beruhigend, Vampir! Du hattest keine Probleme damit, in das Haus meines Vaters einzubrechen, die Kette zu stehlen und uns zu bedrohen und zu verletzen! Du wirst uns aussaugen, kaum dass wir diese Villa verlassen haben!"

„Auch das wird er nicht", intervenierte Mrs Snape. „Ihr werdet als Gäste mein Haus verlassen und somit wird er euch auf eurem Rückweg nichts tun."

James konnte es nicht glauben. „Er ist gerissen, hinterhältig und gemein! Er wird sich nicht daran halten!"

Sie warf ihm einen leicht erstaunten Blick zu. „Aber bisher hat er sich immer daran gehalten."

„Vielleicht hat er Sie angelogen", bemerkte Remus leise.

„Also, Jungs, entweder glaubt ihr mir oder lasst es bleiben. Aber wenn ihr nachher wieder sicher in Hogwarts seid, werdet ihr noch zugeben müssen, dass ich Recht hatte." Mrs Snape klang so selbstsicher, so überzeugt, dass James nicht so Recht wusste, was er nun tun sollte.

Fliehen konnten sie ohnehin nicht. Scheinbar blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich hier mit ihr und dem Vampir zu unterhalten, um dann einfach zur Schule zurück zu fliegen, darauf hoffend, dass Mrs Snape Recht hatte. Er wünschte sich, dass sie die Wahrheit sprach. So sehr, dass es wehtat.

Mrs Snape begann derweil Vyperus zu erzählen, weswegen sie hierher gekommen waren. Sie schloss damit ab, dass sie es nicht für richtig hielt, Jungs in solchem Alter so zu erschrecken und zu bedrohen.

Vyperus' Gesicht, das stets von leichter Düsternis umhaucht war, blieb regungslos. „Wie seid ihr eigentlich hinter unser Geheimnis bekommen?", fragte er schließlich, ohne auf das soeben Gehörte einzugehen.

James wechselte hastige, nervöse Blicke mit den anderen. Regulus, Peter und Remus waren sehr blass und er nahm an, dass er nicht besser aussah. Dann schaute er wieder zu dem Vampir.

Ein leises Lächeln hatte sich um dessen Lippen gelegt und seine spitzen Eckzähne schoben sich leicht hervor. James schauderte. Dann entschied er, ihm eine Kurzfassung zu geben, ehe Vyperus ärgerlich wurde.

Er erzählte, wie Sirius und er zufällig auf Textpassagen über Stoyân und einem Vampir namens Serpentys gelesen hatten und dann darauf gekommen waren, dass es sich beim letzteren um Vyperus handeln könnte. Dass sie sich dachten, er wäre Die Schlange, erwähnte er nicht, sondern sagte stattdessen, dass in Hogwarts häufiger rumerzählt werde, Severus Snape hätte vampirische Verwandte; er nannte den Jungen im Verbotenen Wald und behauptete, dass sie an dessen Stimme zu erkennen geglaubt hätten, dass es sich dabei um ihren Mitschüler gehandelt hätte. So hatten sie allmählich eins und eins zusammen gezählt.

Vyperus nickte bedächtig. „Eine Reihe von Zufällen, also, hm."

„Was ist jetzt mit Sirius?", fragte Regulus nun. Er starrte den Vampir wie gebannt an.

Dieser sah ihn aus den dunklen, leeren Augen an; sanfte Schatten schienen sein aristokratisches Gesicht mit den hohen Wangenknochen zu überfliegen. „Er wird mir also keine Informationen geben können?"

Regulus schüttelte den Kopf. „Nein, kann er nicht. Ich ebenso wenig! Vater weiht uns doch nicht in solche Dinge ein!"

Vyperus wiegte leicht den Kopf hin und her. „Nun", fing er mit seiner klangvollen, aber stets etwas bedrohlichen Stimme fort, „ihr könntet euch ja Mühe geben."

James runzelte die Stirn. Sie könnten ihm vom Torbogen erzählen. Und dass Stoyân die Kette Mr Black geschenkt hatte, aber er vermutete, dass Vyperus dies schon alles wusste.

„Mal ehrlich", fing Remus an und sobald er sprach, schien es in des Vampirs ausdruckslosen Augen hektisch aufzuflackern. „Was sollten wir – oder Sirius und Regulus – herausfinden, was Sie nicht herausfinden könnten? Wir sind nur Schuljungen. Sie sind ein Vampir aus der Unterwelt mit vielen Kontakten, wie wir annehmen dürfen."

„Nun, mein Junge, das mag durchaus sein", sprach Vyperus und mied Remus' Blick, „aber der einzig wichtige Kontakt diesbezüglich fehlt mir. Und das ist Mr Black."

Regulus schnaubte. „So weit ich weiß, weiß Vater selber nicht so viel über die Kette!"

Vyperus sah ihn überrascht an. „Nicht?" Er klang argwöhnisch.

„Er hat es zumindest gesagt!"

Vyperus begann, nachdenklich vor sich herzustarren. In seinen schwarzen Augen war der Atem der Ewigkeit wie ein sanfter Nebel zu erkennen. „Das ist... das ist interessant. Dann hat Stoyân deinem Vater etwas geschenkt, von dem er gar nicht weiß, was es ist?"

„Genau. Vater kann nur vermuten, dass die Kette wertvoll ist, weil Stoyân gesagt hat, sie könne einem Black ja mal nützlich werden. Aber mehr weiß er wohl auch nicht!" Regulus klang mittlerweile trotzig.

James konnte ihn verstehen. Je länger sie hier saßen und sich recht friedlich unterhielten, umso größer wurde wieder ihr Mut. Aber wie lange mochte er anhalten? Vyperus brauchte nur eine Drohgebärde zu machen, nur einen Satz, ein Biss und sie waren verloren...

Er fand es merkwürdig, dass Vyperus in Bezug zu Mr Black so schlecht informiert war. Vielleicht lag es am Bandenkrieg, der allmählich wieder aufzuglimmen schien, da der Vampir wohl nicht viel von seinem Treueid an Stoyân hielt. Zumindest dachten James und die anderen das, sie mochten sich ja auch irren. Vielleicht verfügte Vyperus nicht über so viele Informanten.

„Ich habe den Anschein, dass weder dieser Sirius noch diese Jungs dir wichtige Informationen geben können", mischte sich Mrs Snape wieder ein.

Vyperus lehnte sich zurück und seufzte leise. „Ich hatte angenommen, Mr Black wüsste durchaus Bescheid. So habe ich darauf gesetzt, dass sein unverschämter Erstgeborener ihn ein wenig aushorchen kann."

Mrs Snape schürzte ihre Lippen. „Und wie du siehst, weiß Mr Black nicht wirklich etwas. Was ist das eigentlich für eine Kette?"

Vyperus winkte ab und lächelte geheimnisvoll. „Die Zeit ist noch nicht reif, um darüber zu reden."

Mrs Snape sagte nichts dazu. Offenbar hielt sie sich aus Vyperus' dubiosen Machenschaften gänzlich raus, was James nicht sehr verwunderte. Sie machte nicht den Eindruck, als sei sie seine Komplizin in solchen Sachen.

„Und jetzt?", fragte Peter leise. Er wirkte angespannt.

Vyperus grinste. Seine blutroten Lippen entblößten seine hellen Zähne. „Nun... ihr werdet Sirius wohl ausrichten können, dass er vor mir sicher sein wird", sagte er dann und klang ein wenig belustigt. „Jedenfalls in dieser Hinsicht."

James verstand. Wahrscheinlich war niemand vor Vyperus sicher. Wenn er vorhatte, jemanden zu töten, weil er ihm im Weg war, oder weil er einfach nur Durst hatte, dann würde er zubeißen. Es war die Überlegenheit eines Vampirs, die ihm erlaubte, so hochmütig zu sein.

James wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte. Er war es zwar, aber er hoffte, Vyperus log nicht. Er erhob sich. „Dann nehmen wir Sie bei Wort", sagte er etwas unsicher.

Vyperus machte nur eine einladende Geste; sie wirkte spöttisch. „Nur zu, mein Junge. Nur zu."

„Dürfen wir dann gehen?", erkundigte sich Regulus, ebenfalls aufstehend. Remus und Peter kamen dem nach.

Mrs Snape nickte. „Natürlich. Ihr solltet ohnehin zusehen, dass ihr vor Morgengrauen wieder in euren Betten seid." Sie zwinkerte verschwörerisch. „Ehe es den Lehrern auffällt." Sie deutete auf ihren Kamin. „Benutzt doch den Kamin. Damit könnt ihr so nah wie möglich an Hogwarts herangehen."

James war dankbar für das Angebot. Er hatte nicht große Lust, die ganze, lange Strecke zurückzufliegen, zumal sie ständig auf der Hut sein müssten, ob Vyperus ihnen nicht sich irgendwo in der Dunkelheit auflauerte.

„Ihr werdet alles für euch behalten, nicht wahr, Jungs?", fragte Vyperus, während Mrs Snape zum Kamin schritt und eine Dose von der Ablage nahm. „Sonst sehe ich mich gezwungen, gewisse... Maßnahmen... zu ergreifen."

Sie versprachen hastig, nichts zu erzählen. James fragte sich, wieso Vyperus ihnen trauen sollte. Er hatte keinen Grund dazu. Was, wenn er zur Vorsicht doch diese erwähnten Maßnahmen ergriff? Es wäre nachvollziehbar. Es gab immerhin keine Basis des Vertrauens zwischen ihnen.

Und da gab es noch etwas, das ihn verwunderte. Mr Black schien bereits sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt zu haben – oder war dabei, es zu tun – um Vyperus die Kette wieder abzunehmen. Doch der Vampir hatte es kein einziges Mal angesprochen. Dabei hätte er Regulus als Geisel nehmen können, um dessen Vater dazu aufzufordern, ihn in Ruhe zu lassen. Oder generell die Jungs erpressen können, etwas in dieser Hinsicht für ihn zu tun. Mochte es an diesem seltsamen Waffenstillstand liegen, der zwischen ihnen herrschte, allein, weil sie Mrs Snapes Gäste waren?

Aber niemand verlor ein Wort darüber.

Stattdessen hatte Mrs Snape alles für die Heimkehr vorbereitet und ein Hauself brachte ihnen ihre Roben.

„Kommt gut heim", wünschte sie ihnen und lächelte.

James musste wieder feststellen, dass er kaum fassen konnte, dass sie Snapes Mutter war. Und er stellte überrascht fest, dass er keine Abneigungen für sie empfand, obwohl sie aus einer schwarzmagischen Familie kam, obwohl sie mit einem Vampir liiert war. Obwohl Snape, dieser verhasste Slytherin, ihr Sohn war.

Gern hätte er gehört, wie sie Vyperus kennen gelernt hatte. Aber jetzt, wo der Vampir anwesend war, wagte er nicht zu fragen. Er wollte nur so schnell, wie möglich fort von hier.

Es war Regulus, der noch einmal stehen blieb und sich zu Vyperus umdrehte. „Eine Frage habe ich noch."

Der Vampir blickte lauernd zurück. „Wenn du der Meinung bist, meine Geduld überstrapazieren zu müssen, nur zu."

Der Slytherin zog seine Augenbrauen zusammen, hielt inne und schien es sich für einen Moment anders überlegt zu haben. Aber dann stellte er die Frage doch.

„Wissen Sie, warum Stoyân meinem Vater diese Kette geschenkt hat?"

James' Interesse war geweckt und er beobachtete den Vampir aufmerksam.

Dieser übte sich in bekannter Emotionslosigkeit, wenn man von der leichten Finsternis absah, die ihn umgab, wie eine Aura.

„Ich habe... Gerüchte gehört", entgegnete dieser dann schließlich. „Dein Vater hat ihm mal das Leben gerettet. So manch ein Vampir ist edel genug und versucht, diese Schuld wieder auszugleichen. Stoyân war, wie es scheint, edel genug."

„Aber inwiefern ist diese Kette ein Ausgleich?", wollte Regulus verwirrt wissen.

Ein strafender Blick traf ihn. „Du hast gesagt, dass du nur eine Frage hast." Doch aus welchem Grund auch immer, er antwortete. Der lauernde Unterton in seiner dunklen Stimme wuchs. „Nun... Stoyân gehört zu jenen, die über die Fähigkeit verfügen, manche Symbole und Zeichen für die Zukunft auszuwerten."

„Er kann in die Zukunft blicken?", brach es perplex aus James heraus.

„Benimm dich, Junge", zischte Vyperus ihn gefährlich an, ehe er an Regulus mit nur falscher Geduld fortfuhr. „Er kann nicht in die Zukunft sehen", stellte er verächtlich richtig. „Er kann sie nur deuten. Es muss nicht heißen, dass es auch zutreffen muss. Es wäre nur eine Möglichkeit." Der Vampir lächelte ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Zu lang war der Weg, zu schwer zu überwinden. „Stoyân ist offenbar der Meinung, dass die Kette Mr Black irgendwann einmal das Leben retten wird." Er machte eine kleine Pause, ehe er versonnen fortfuhr. „Ihm. Oder einem seiner Nachkommen."

„Die Kette führt zu einem Torbogen, wie Vater glaubt", wagte Regulus nun doch zu sagen.

„Sieh an, sieh an", murmelte Vyperus verschlagen. „So unwissend ist dein Vater also nicht, wie du mir weismachen wolltest?"

„Ich nahm an, Sie wissen über den Torbogen längst Bescheid", entgegnete Regulus kühl. Er hatte sich perfekt unter Kontrolle und sprach, ohne den Vampir mit überzogener Arroganz zu reizen.

James fiel auf, dass Regulus den Vampir mal duzte, mal siezte. Vielleicht wusste er selbst nicht, wie er den Untoten anreden sollte.

„Was befindet sich dahinter?", fuhr der Slytherin fort.

Vyperus musterte Regulus aus halbgeschlossenen Augen. Träge beinahe. „Wenn ich das wüsste, wieso sollte ich es dir sagen? Mein Wissen hat irgendwann auch seinen Preis."

„Und welchen?", fragte der Slytherin ein wenig atemlos.

Vyperus' Blick wurde lauernd. „Einen, den du mir nicht bezahlen kannst, Junge."

James hatte genug. „Kommt jetzt", flüsterte er eindringlich und packte Regulus am Arm.

Dieser riss sich los und starrte Vyperus an. „Wieso glaubst du das?"

Vyperus lachte leise. „Du bist, wie alt? Zwölf? Dreizehn? Glaube mir, du kannst mir nichts bieten, was für mich von Interesse wäre."

„Aber vielleicht kann ich das in ein paar Jahren", behauptete Regulus starrköpfig.

„Mann, Alter, was soll das?", herrschte James ihn unterdrückt an. „Lass uns endlich gehen!"

„Halt's Maul, Potter!", zischte Regulus, ohne den Vampir aus den Augen zu lassen.

„Dann werde ich zu gegebener Zeit auf dich zurück kommen", meinte Vyperus genüsslich. „Zeit spielt für mich nur eine unwesentliche Rolle."

„Nicht, wenn Sie gegen Stoyân um die Macht in der Unterwelt kämpfen", hielt Regulus dagegen. Er blieb störrisch.

James sah ihn verständnislos an. War er verrückt geworden? Nun hatten sie die Gelegenheit, endlich zu gehen und dieser verdammte Slytherin fing mit irgendwelchen Machtintrigen an.

„Ich habe Stoyân einen Treueid geleistet", behauptete Vyperus gelassen. Das Fackellicht spiegelte sich in seinen dunklen Augen wider und machte sie leicht golden.

„Den Sie brechen könnten, wenn Sie neue Bündnisse eingehen."

Vyperus lächelte wieder. „Du bist sehr gewitzt, Junge. Bündnisse welcher Art?"

Regulus hob die Schultern, aber in seinem Blick lag etwas, das bewies, dass er von seinem Vater bereits viel gelernt hatte. „Bündnisse mit dem Dunklen Lord."

James sog die Luft ein. Er fixierte beide mit alarmierten Blicken.

„Mit dem Dunklen Lord", wiederholte Vyperus melancholisch. Er legte einen schlanken Zeigefinger an seinen Mundwinkel. „In der Tat würden solche Bündnisse das Mächtegleichgewicht nicht unbedingt zu Stoyâns Gunsten verändern", gab er leichthin zu. „Der Dunkle Lord sucht Kontakte überall in der Unterwelt. Er macht Versprechungen. Er prophezeit Macht. Reichtum. Ehre. Sein Potential zur Schwarzen Magie ist beeindruckend." Er streifte Regulus mit unleserlichen Blicken. „Aber weißt du, Junge, feindliche Versprechungen werden gemacht, um gebrochen zu werden."

Er ließ offen, ob er sich selbst damit meinte, dass er sich an ein Versprechen an den Zauberer, der sich Voldemort nannte, nicht halten würde, oder aber, ob es Voldemort war, der Versprechen gab, die er von Anfang an zu brechen gedachte.


A/N:

So. Bin schon gespannt, was ihr davon haltet...

Der Name Rose ist natürlich aus dem Englischen und wird demnach auch so ausgesprochen ;)

Danke, Danke, Danke für eure vielen, lieben Reviews! Außerordentlich gefreut hat es mich auch, dass einige mir ein totaaaaal nettes Feedback hinterlassen hatten, die sonst immer ´still´ mitlesen:)