Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

(- die letzten Worte eines Sterbenden.)


23. Kapitel

Ein verhängnisvoller Streich


"Hass kann eine Seele beherrschen.
Und dann geschehen Dinge,
die Freundschaften zu zerbrechen drohen."

(- unbekannt)

Ein Herbststurm fegte über das Land, brauste um die Ecken der Burg, rauschte durch die Bäume, ließ sie sich biegen und ihre Blätter wild durch die Luft wirbeln. Es war nachmittags, aber draußen war es stockdüster. Dicke, dunkle Wolken hingen schwer und tief am Himmel, Regen peitschte beinahe schon hagelförmig herab und aus der Ferne ertönten die ersten Donnergrollen, schon bald gefolgt von Blitzen, die für Bruchteile von Sekunden die finster gewordene Umgebung in helles, gleißendes Licht tauchten.

Sirius konnte selbst in Hogwarts, innerhalb der standhaften Mauern, den Wind pfeifen hören; anklagend heulte der Sturm, als wollte er alles aus der Welt schaffen, was töricht genug war, sich ihm in den Weg zu stellen.

Der Gryffindor verließ gerade unter den strengen Ermahnungen der jungen Madam Pomfrey, sich nicht so schnell wieder hier blicken zu lassen, den Krankenflügel und humpelte hinaus auf den verlassenen Gang.

Die meisten Schüler waren in ihren Gemeinschaftsräumen, wo warmes Kaminfeuer brannte und machten Hausaufgaben. Zumindest sicherlich die Fünft- und Siebtklässler. Den Zauberern und Hexen aus dem sechsten Schuljahr, zu denen sich nun die vier Rumtreiber zählten, war eine beschauliche Zeit vergönnt, eine Pause zwischen den anstrengenden Prüfungen der Klassen fünf und sieben, eine Ruhe vor dem Sturm.

Doch es war kein Gedanke, der Sirius momentan erfreute, dafür verspürte er zu großen Groll. Wie er Severus Snape doch hasste. Diesem aalglatten Bastard hatte er es zu verdanken, dass er eine Woche lang das Krankenbett hatte hüten müssen. Es war nach dem ersten Quidditchspiel gewesen, das Gryffindor haushoch gegen Slytherin verloren hatte, auch wenn Prongs den Schnatz gefangen hatte. Sirius und James waren in besonders aggressiver Laune gewesen und als Snape auch noch kam und sie verhöhnte und von einer Überraschung sprach, hatte es nicht mehr lange gedauert, bis die Feindseligkeiten den Gipfel erreicht hatten.

Als die Gryffindors nämlich niedergeschlagen ihren Gemeinschaftsraum betraten, leuchtete alles in silbernen und grünen Slytherinfarben. Beleidigende Sprüche prangten überall an den Wänden, Schlammblüter raus aus Hogwarts, Blutsverräter kriegen, was sie verdienen und darunter war ein Galgen gemalt, an dem eine Person hing, die auffallende Ähnlichkeit mit Sirius hatte, Befreit England vom schmutzigen Blut und fangt in Gryffindor an und ähnliches.

Nie hatte man nachweisen können, wer dahinter steckte; die Slytherins behaupteten, sie wären es nicht und die Übeltäter hätten nur ihre Farben benutzt, um die Spur zu ihnen zu führen, aber allen war klar, wer es gewesen war: Evan Rosier, Thomas Mulciber und der Rest der Clique, zu denen auch Severus Snape zählte. Alles Jungs, die mit ehemaligen Hogwartsabsolventen Kontakt hatten, welche nun im Dienste des Dunklen Lords standen. Welche Todesser waren.

Das war Zuviel des Guten gewesen, wie Sirius fand und er hatte sich an den Slytherins rächen wollen. Snape schien allerdings nur darauf gewartet zu haben, und das Duell war innerhalb weniger Sekunden außer Kontrolle geraten. Es war in Hogsmeade gewesen, wo Sirius den Slytherin in der Nähe der Heulenden Hütte gesehen hatte. Er schien dort herumgeschnüffelt zu haben, so, wie er es oft tat.

Das Duell war insofern spektakulär gewesen, da beide Jungs Schwarze Magie angewendet hatten. Es mochte töricht gewesen sein, denn so waren ihre Strafen umso härter ausgefallen, aber offenbar schienen ihnen die anderen Flüche nicht brutal genug, um sich gegenseitig fertig machen zu können.

Snape, der mehr Übung in Schwarzer Magie hatte als Sirius, hatte das Duell gewonnen. Dumbledore hatte sie in sein Büro gerufen und ernsthafte Gespräche mit ihnen geführt. Er hatte gemeint, dass ihm klar sei, dass sie schwarze Flüche beherrschten, da sie aus entsprechenden Familien kamen, aber dies kein Grund sei, sie auch anzuwenden. Er hatte nicht vor, sie rauszuschmeißen, da er der Ansicht war, dass sechzehnjährige Jugendliche wie sie es nicht besser wussten und nun mal unüberlegte Dinge taten. Aber er hatte sie gewarnt und er hatte auch ihre Duelle und Feindseligkeiten so langsam satt. Wenn sie es irgendwann zu weit trieben, müssten sie mit den Konsequenzen leben.

Während Sirius durch die Schule zum Gryffindorturm ging, machte er sich nicht bewusst, dass er Snape nicht unterschätzen sollte. Snape war gerissen und er schien zu ahnen, dass die vier Rumtreiber mehr als nur ein ungeheuer interessantes Geheimnis bargen. Er ließ sich natürlich dazu hinreißen, den Gryffindors hin und wieder ihre unverschämten Streiche zurückzuzahlen, aber meist schienen es Mutproben zu sein, in denen er Todessern, wie Bellatrix, beweisen wollte, dass er würdig genug war, ihnen beizutreten. Im Allgemeinen blieb Snape aber auf der Lauer, wartete ab, ließ sich allzu gerne herausfordern, aber lernte aus seinen Beobachtungen und zog wichtige Schlüsse.

So war Snape längst klar geworden, dass die Rumtreiber seinen Vater besser kannten, als ihm lieb sein konnte. Er argwöhnte, dass Remus irgendein Geheimnis barg, welches er nur mit seinen Freunden teilte.

Aber davon ahnte Sirius nichts. Für ihn war Snape ein schmieriger Slytherin, den es zu verhexen und zu verachten galt. Snape und die Rumtreiber hassten sich, aber es mochte durchaus sein, dass der Slytherin mehr Grund hatte, sie zu hassen. Denn James und Sirius verhexten ihn und verspotteten ihn in der Öffentlichkeit, wann immer sich Gelegenheit dazu bot und meist taten sie es mit Erfolg. Snape war bei den anderen ebenfalls nicht beliebt; selbst in Slytherin nicht, mit Ausnahme bei einigen aus seinem Jahrgang. Nur würden die Slytherins nie auf den Gedanken kommen, einen der Ihren fertig zu machten.

Sirius stieg die Treppen zum Gryffindorturm hinauf und ging über den Korridor. In der Nähe hörte er leise Stimmen. Eine weibliche und eine männliche.

„Halt mich nicht für blöd, Snape", hörte er, als er nah genug war und er blieb überrascht stehen, als er diese Stimme als Lilys ausmachte.

Hastig drückte Sirius sich in die nächstbeste Nische. Er konnte Lily und Snape nicht sehen, dafür hören. Die frühere, heimliche Freundschaft zwischen den beiden hatte sich bereits im letzten Schuljahr merklich abgekühlt, als nur allzu deutlich wurde, dass sie auf verschiedenen Seiten standen. James hatte es mit Freuden beobachtet, aber fassungslos feststellen müssen, dass Lily immer noch nicht mit ihm ausgehen wollte und jedes Mal ausrastete, wenn sie mitbekam, wie er Snape fertig machte.

Lily klang wütend. „Denkst du, ich wüsste nicht, dass du dahinter steckst?"

„Und wenn schon", erschallte Snapes ölige, kalte Stimme. „Es geht dich nicht an, Evans. Es geht dich nichts an! Glaub mir, es ist zu deiner eigenen Sicherheit!"

Lily schnaubte. „Schön! Wenn du meinst, Snape! Dann verpiss dich und wehe dir, du schleichst dich noch einmal in der Nähe des Gryffindorsturm herum!"

Sirius merkte, wie Lily davon stapfte und er trat aus der Nische. Er sah Snape, wie er um eine Ecke bog und wie erstarrt stehen blieb, als er den Gryffindor erkannte.

Sirius lächelte kalt, während er weiter auf Snape zuging. „Sieh an, sieh an, Snivellus. Was werden denn deine Todesserfreunde dazu sagen, dass du um die Sicherheit eines Schlammbluts besorgt bist, hm?"

Er merkte, wie Snapes schwarze Augen sich leicht weiteten. Sirius' Lächeln intensivierte sich, ohne aufrichtig zu werden. Es war zu kühl und gemein dafür. Langsam ging er an Snape vorbei, um in die Richtung des Gemeinschaftsraums zu gehen.

„Schätze, sie werden es... interessant finden", fügte Sirius lässig hinzu.

Snape hinderte ihn am Weitergehen, indem er ihn am Oberarm packte. Sirius wurde halb zum Slytherin herumgedreht; die Gelassenheit wurde von plötzlich aufwallendem Zorn verdrängt. Snape schaffte das bei ihm immer in Rekordzeit.

„Lass mich los, Snivellus!", zischte er aufgebracht.

Snape funkelte ihn erbost an. „Erzähl es ruhig, dir wird niemand glauben", behauptete er abfällig.

Sirius starrte wütend zurück. Er wog die Glaubhaftigkeit von Snapes Worten ab und kam zu dem Entschluss, dass ihm wohl wirklich niemand glauben würde. Dazu hatte er zu wenig gehört.

Er presste die Lippen zusammen und sah, wie sich ein hämischer Zug auf Snapes Gesicht bildete. „Und schau, ich könnte das Gerücht in die Welt setzen, dass Lupin auf Pomfrey steht. Immerhin habe ich sie schon in zwei Nächten zusammen aus der Schule schleichen sehen."

Es war ein hässliches Grinsen, das Snapes Mund verzog.

Sirius selbst war wie erstarrt. Snape hatte Remus mit Pomfrey gesehen? Verdammt... jahrelang war es gut gegangen, wie der Junge von der Krankenschwester zur Peitschenden Weide gebracht wurde, aber letztendlich wohl nicht gut genug.

„Ich weiß nicht, wovon du redest", erwiderte Sirius brüsk und riss sich mit einem Ruck los. Seine Hand flog zum Zauberstab.

Snape griente immer noch gehässig. „Ach? Soll das etwa heißen, dass Lupin dir nichts von seiner Affäre mit unserer dicken, kleinen Krankenschwester erzählt hat?" Er ging ein paar Schritte zurück. „Jetzt ist mir auch klar, wieso Lupin immer so häufig auf der Krankenstation liegt."

In Sirius tobte der Zorn. In einer schnellen Bewegung hatte er seinen Zauberstab gezückt und Snape einen Fluch aufgehalst, der ihn in die Luft riss und kopfüber von der Decke baumeln ließ; Seile hatten sich um dessen Fußgelenke geschlungen.

„BLACK!", brüllte Snape außer sich und wollte seinen Zauberstab greifen, aber Sirius bellte rechtzeitig „Expelliarmus!"

Snapes Zauberstab flog auf ihn zu und er fing ihn geschickt auf. Dann trat er ans Treppengeländer und ließ die Waffe einfach in die Tiefe fallen.

„Da du zur Zeit eh nur rumhängst, Snivellus, hör gut zu", fing Sirius an, noch immer ärgerlich, aber nun auch sehr belustigt. „Es gibt Geheimnisse, von denen du nicht den geringsten Schimmer hast und wenn du über Remus schlecht redest, werde ich allen erzählen, dass du ein Halbvampir bist."

So, jetzt war es raus. Nach all den Jahren hatte er Snape endlich gesagt, dass er dessen finsteres Geheimnis längst herausgefunden hatte.

Snape war dementsprechend geschockt. Seine Befreiungsversuche waren eingefroren, reglos hing er an den Seilen und stierte Sirius fassungslos an.

Sirius lachte boshaft. „Ja, da staunst du, was, Snivellus?" Er hob noch einmal seinen Zauberstab und hexte Snape den altbewährten Fluch auf, der ihn Seifenblasen aus dem Mund sprudeln ließ.

Snape fing an zu spucken, Sirius lachte nur noch mehr und schlenderte davon. Im Hintergrund hörte er den Poltergeist Peeves fies kichern, der offenbar angeschwebt kam, um Snape weiter zu ärgern.

Aber in seinem Inneren war Sirius beunruhigt. Er wusste genau, wie hart es für Remus sein würde, wenn man ihm eine Affäre mit Pomfrey anhängen würde. Er galt ohnehin als still und viel zu ruhig und demnach auch geheimnisvoll. Remus würde darunter leiden, denn er versuchte immer, unauffällig zu bleiben und wenn ihm dann besondere, schadenfrohe Aufmerksamkeit geschenkt würde, weil alle dachten, er triebe es mit der Medihexe... das würde ihm gar nicht gefallen.

Sicher, die Rumtreiber hatten die Information, dass Snapes Vater ein Vampir war, und konnten Snape damit erpressen, aber Sirius mochte es nicht, unter Druck gesetzt zu werden. Sie sollten dem unverschämten Slytherin ein für allemal den Garaus machen und ihm zeigen, wo der Hammer hing. Ihm klarmachen, dass niemand ungestraft die Rumtreiber herausforderte.

Erst vor drei Wochen hatte Snape, der ein Meister in Zaubertränke zu sein schien, James und Sirius einen Trank untergeschoben, der ihre Haut entzündet und ätzend grün gefärbt hatte, gepaart mit einem so entsetzlichen Gestank, dass selbst Pomfrey nur mit einer Maske die Krankenstation betreten hatte, um sie zu versorgen.

Daraufhin hatten die Rumtreiber Snape einen Zauber aufgehalst, der bewirkte, dass er Schleimspuren hinterließ, so dass alle Schüler naserümpfend, angewidert und ihn auslachend beiseite wichen, wenn er irgendwo auftauchte. Snapes Gegenzug war mit seinen Freunden die Verwandlung des gryffindorischen Gemeinschaftsraumes. Schließlich das Duell zwischen dem Slytherin und Sirius. Nun, auch diese Begegnung im Gryffindorturm würde Rache nach sich ziehen. So ging es immer weiter, Hass folgte auf Hass, Rache auf Rache.

xx

Sirius hatte James von dem Zwischenfall mit Snape erzählt, und der hatte es sehr grimmig aufgenommen.

„Wir sollten dem echt mal eine Lektion erteilen, die er nicht so schnell vergisst", meinte James, wütend in die Leere starrend.

Sirius nickte begeistert. „Genau! Die er am besten nie vergisst! Dieser neugierige Mistkerl! So'n Scheiß, dass er Remus nachts mit Pomfrey gesehen hat!"

Sie hockten im Gemeinschaftsraum in einer Ecke am Feuer; Remus war mit Peter in der Bibliothek. Die anderen Gryffindors saßen an den Tischen und auf den Sofas, machten Hausaufgaben, spielten Schach oder Kartenspiele und unterhielten sich. Es herrschte eine gemütliche Stimmung, besonders, da es draußen so stürmte.

„Dieses dämliche, schnüffelnde Rabenaas", schimpfte James vor sich hin. „Aber meinste, er setzt das Gerücht mit Moony und Pomfrey echt in die Welt? Das wäre der Untergang für Moony. Du kennst den ollen Schwerenöter doch..."

Sirius stieß schwer seinen Atem aus und stützte sein Kinn in die rechte Hand, ins Feuer blickend.

Die goldenen Flammen tanzten beruhigend im Kamin.

„Ach, wenn Moony als Werwolf Snivellus doch einfach auffressen könnte", meinte Sirius gedankenverloren. „Happs und weg – mit Haut und Haaren, auch wenn der Schleimscheißer sicherlich abartig schmecken wird. Aber stell dir das mal vor..." Er fing an zu kichern, „Moony frisst Snape und alle suchen ihn und niemand kommt drauf, dass er von 'nem Werwolf verspeist wurde."

James fiel in das Kichern mit ein. Er stieß Sirius in die Seite. „Hahaha, das wäre lustig! Wir wären Snivellus für immer los, Moony ist für die Nacht satt geworden und schon können wir für immer ein glückliches Leben führen."

Sie lachten, während sie weiter darüber rumalberten. Denn nichts anderes war es: Herumgealbere. Sie wären nie ernsthaft darauf gekommen, es wirklich in die Tat umzusetzen.

Eigentlich nicht.

Sirius steigerte sich nämlich ein wenig mehr in diese Sache hinein. „Ja, wir geben Snivellus einfach 'nen Wink. Wir sagen ihm, dass er, soviel er auch herumschnüffeln mag, das größte Geheimnis, das Hogwarts je hatte, ja doch nicht herausfinden würde." Er lachte wieder, in seinen schwarzen Augen strahlte es lausbubenhaft. „Dann verraten wir ihm, dass er nur mal unter der Peitschenden Weide durch muss, nachdem er den Knotenpunkt berührt hat, und schon geht er in den Gang hinein, Moony entgegen."

James' Lachen wurde lauter. „Ja und dann trifft er den Werwolf und bekommt den größten Schreck seines Lebens! Hahahahahahaha! Sein Gesicht würde ich dann nur zu gerne sehen!"

Sirius feixte. „Ja, und dann springt Moony vor, Snivellus ist noch völlig verdattert, macht HAPS und weg ist diese nervige Kakerlake! Hahahaha, wahrscheinlich windet er sich noch, seine Beine baumeln noch raus, aber er hat keine Chance!"

James prustete los, so witzig fand er diese Vorstellung. „Das wäre genial, Padfoot."

Sie lachten noch eine Weile weiter, bis sie genug davon hatten. Flüchtig dachte Sirius, dass es an und für sich wirklich keine schlechte Idee war, Snape in die Heulende Hütte zu schicken. Kurz kam ihm der Gedanke, dass es der beste Streich ihres Lebens wäre und sie Snape ein und alle mal zeigen würden, wer von ihnen hier das Sagen hatte. Aber dann verwarf er den Gedanken wieder – natürlich tat er das, denn wenn Remus jemanden ernsthaft verletzte oder biss oder tötete, wäre sein Leben ruiniert. Werwölfe waren auch so schon verachtet; sie würden ihn verhaften, ihn quälen und ihn schließlich töten.

Aber der Grundgedanke war trotzdem brillant. Es würde ausreichen, wenn Snape mit einem gehörigen Schrecken davon käme. Es wäre so witzig. Nur, dann würde er allen Remus' Geheimnis erzählen und dann würde für den Jungen die Hölle auf Erden ausbrechen.

Also hatte der Streich keine Chance, in die Tat umgesetzt zu werden.

James nahm ihn ohnehin nicht ernst, das hatte Sirius sofort bemerkt. Und er hatte ja auch eigentlich nur rumgealbert. So verwarf er seine törichten Ideen wieder und überlegte sich mit seinem Kumpel stattdessen, wie sie Snape anderweitig fertig machen konnten.

xx

Es war dunkel draußen, aber das war es schon gewesen, noch ehe die Sonne untergegangen war. Die Wolkendecke war den ganzen Tag über zu dick gewesen, um einfallendes Licht hindurch zu lassen. Schwer und grau vom Regen waren sie, der mit beständiger Geschwindigkeit auf Schottland herabfiel.

Sirius trieb sich mit Peter in der Burg herum. Nur wenige Tage waren vergangen, seit er mit James wegen Snape herumgealbert hatte.

James war auf der Krankenstation – diesmal hatte es ihn erwischt, auch wenn dieser heimtückische Zaubertrank von Snape ihnen beiden gegolten hatte.

Es wurde wirklich immer schlimmer mit ihren Hassfehden gegen die Slytherins.

Sirius war mit Peter und Remus bereits bei James gewesen und sie hatten einen Racheplan ausgetüftelt. Sie wollten Snape bewusstlos zaubern und ihn eine Nacht lang an einem der Quidditchtore aufhängen. Sie wollten es von Freitag auf Samstag machen, damit Snape am Samstag nicht so schnell vermisst wurde. Da am selben Vormittag ein Quidditchspiel Hufflepuff gegen Ravenclaw stattfinden würde, könnten es Scharen von Schülern mitbekommen, wie er dort – im Gryffindortrikot – hing, wenn sie zum Feld strömten. Sie müssten ihn abends nur allein abpassen.

In drei Tagen würden sie ihren Plan in die Tat umsetzen.

Aber zunächst einmal war heute Vollmond. Diesmal würden sie Remus nicht besuchen können, da James das Bett hüten musste und Sirius in der Nacht heimlich mit ihm abhängen würde, anstatt bei Remus zu sein.

Madam Pomfrey hatte Remus bereits schon zur Heulenden Hütte gebracht.

„Wo sind denn alle hin?", fragte Sirius zu Peter gewandt, während sie durch das vierte Stockwerk strolchten. „Haben sich wohl alle in den Gemeinschaftsräumen verbarrikadiert, was?"

Peter hob die Schultern und sah sich aufmerksam um. „Muss wohl. Aber ich glaube, wir werden verfolgt, Padfoot."

Sirius wurde wachsamer und lauschte. Seinen Blick ließ er schweifen. Aber weder hörte noch sah er etwas. „Ach was, Wormtail, du bist paranoid", winkte er arglos ab.

Und dann, wie aus dem Nichts sprang jemand auf Sirius zu, einem schwarzen Schatten gleich. Sirius keuchte auf, während er von dem Gewicht des anderen nach hinten gedrückt wurde. Er prallte gegen die Wand und der andere presste ihn so sehr dagegen, dass ihm der Sauerstoff aus den Lungen gepumpt wurde.

Sirius versuchte sich freizukämpfen, seinen Zauberstab zu ziehen, als er selbst bedroht wurde. Er spürte die Waffe an seiner Schläfe.

„Eine Bewegung, Black, und ich verhexe dich. Und sollte dieser dicke Tölpel im Hintergrund versuchen, sich einzumischen, verhexe ich euch beide."

Es war Snapes ölige, kalte Stimme, die an Sirius' Ohr drang; er blinzelte und starrte in das finstere Gesicht des Slytherins.

Snape lockerte ein wenig seinen Griff, damit Sirius etwas Luft bekam. In seinen schwarzen Augen lag unnachgiebige Härte, die dem Rumtreiber unmissverständlich klar machte, dass die Situation sehr ernst war.

Snapes Zauberstab wurde ihm nach wie vor brutal gegen die Stirn gedrückt.

„Snape, lass ihn los", quiekte Peter ein wenig angsterfüllt. Niemand beachtete ihn.

„Was willst du, Schleimscheißer", presste Sirius hasserfüllt hervor.

„Ich konnte es kaum fassen, Black", erwiderte Snape mit ebensolcher Feindseligkeit in der Stimme. „Du hast es rumerzählt! Du hast es tatsächlich gewagt! Obwohl ich gar nichts über Lupin erzählt habe!"

Sirius wusste sofort, wovon Snape redete. „Ich habe niemandem erzählt, dass du ein Halbvampir bist, Mann", zischte er mit schleppendem Atem. „Das ist ein Gerücht, dass irgendjemand in die Welt gesetzt hat!"

Er überlegte flüchtig, ob es Regulus gewesen war, denn ihm war bekannt, dass sein Bruder Snape nicht ausstehen konnte. Aber warum sollte ein Slytherin einem anderen Slytherin Schaden zufügen wollen?

Snape schnaubte und übte auf seinen Zauberstab mehr Druck aus. „Lügner!"

Sirius verzog sein Gesicht. „Ich habe es niemandem erzählt. Aber dass solche Vermutungen irgendwann aufkommen, ist doch klar! Du schaust aus wie eine Fledermaus, Alter."

„Oh, wie lustig, Black!" Die dunklen Augen waren zu Schlitzen verengt, Feuer loderte in ihnen; die Flammen waren jedoch eisig vor Kälte. „Du hast es nicht anders gewollt. Glaub nicht, dass ich dem tatenlos zusehe. Morgen schon wird jeder wissen, dass Lupin eine heimliche Affäre mit Pomfrey hat. Alle werden denken, dass dein Kumpel auf ältere, dickere Frauen steht." Snape lachte hässlich. „Und weißt du was? Ich habe sogar Fotos gemacht – heute, als sie beide heimlich aus der Burg herausgehuscht sind. Ihr Liebesnest ist wohl irgendwo außerhalb."

Sirius starrte Snape an. Seine Gegenwehr erlahmte völlig; ermattet lehnte er sich schon freiwillig gegen die Steinwand. Fassungslosigkeit beherrschte ihn bereits. Er sah es Snape an, dass dieser nicht bluffte. Dazu war dieser zu triumphierend und gehässig.

Nicht auszudenken, wie morgen jeder über Remus lachen würde. Wie jeder über ihn herziehen, ihn verspotten würde, vor allem, wenn die Fotos herumgingen. Remus würde entgeistert, würde verschreckt sein und sich erst recht von allen anderen Schülern zurückziehen.

Verdammt, und nun konnte er Snape noch nicht einmal einen Deal in Bezug auf das Geheimnis um seinen vampirischen Vater anbieten, da das Gerücht über den Slytherin ja schon längst im Umlauf war. Snape würde das mit Moony so oder so rum erzählen, weil er Rache wollte. Bittere Rache.

Sirius verspürte Wut. Wie heiße Lava brannte sie durch seine Venen, walzte alles andere nieder, ließ den berechnenden Verstand zu Asche werden. Es war blinde Wut, die sich mit Hass verbündete und ihn Dinge sagen ließ, die er sonst nicht gesagt hätte. Aus Sorge um seinen Freund brachte er eben diesen in Gefahr, so paradox es auch war. Aber in diesem Augenblick zählte nur sein Zorn, der bitterer und mächtiger nicht hätte sein können. Irgendwo in seinem Herzen wurde es sogar dunkel.

„Aber das ist nicht das Geheimnis, was Remus birgt, Snape", brachte Sirius feindselig hervor. Er lächelte verzerrt. „Remus hat ein ganz anderes Geheimnis und willst du wissen, was?"

In seinen Ohren rauschte das Blut, aufgebrodelt durch die starke Rage.

Snape legte seinen Kopf leicht zur Seite. Seinen Zauberstab hielt er noch immer an Sirius' Schläfe. „Wieso solltest du mir die Wahrheit sagen?"

Mit diesen Worten machte er klar, dass er selbst nicht an diese ominöse Affäre glaubte, sondern etwas anderes dahinter vermutete. Aber Sirius war alles gleich. Ihm kam wieder jener Streich in den Kopf, den er mit James ausgeheckt hatte und von dem klar war, dass sie ihn niemals in die Tat umsetzen würden. Sie würden Remus nur in Schwierigkeiten bringen, aber andernfalls würde Snape es tun, wenn er morgen allen diese hässliche Lüge erzählen würde.

Sirius atmete durch zusammengepresste Zähne zischend ein und aus. Sein Hass war zu groß. Wie er diesen Slytherin verabscheute. Dieser Hass glomm so sehr in seinen Augen auf, dass Sirius nicht bewusst war, dass Snape es wahrnahm. Dass Snape nun ahnte, dass Sirius ihm die Wahrheit sagen würde, weil er von Hass und nicht von Vernunft beherrscht wurde.

„Nun, finde es doch einfach heraus", fing er ein wenig abgehackt an. „Remus hält sich in diesem Augenblick in der Heulenden Hütte auf. Du kommst dorthin, indem du den geheimen Gang benutzt, der unter der Peitschenden Weide dorthin führt."

Snape musterte ihn abschätzend. „Peitschende Weide, he, Black? Du willst mich wohl umbringen. Für wie dumm hältst du mich eigentlich? Nur, weil du mit Idioten wie Potter abhängst, musst du nicht von mir glauben, ich sei ebenfalls einer."

Sirius konnte kaum noch klar denken, so wütend war er. Die Augen waren verengt, dass die schwarzen Wimpern fast aufeinander lagen. Die Pupillen waren nur zu erkennen, weil der Hass in ihnen hell aufblitzte. „Es gibt einen Knotenpunkt! Du siehst ihn, wenn du aufmerksam danach Ausschau hältst, Arschloch! Berühre ihn mit einem dünnen, langen Ast und der Baum wird ruhiggestellt. Dann kannst du ungehindert in den Gang hinein klettern und zur Heulenden Hütte gehen! Remus wird dort sein und dann wirst du sein Geheimnis schon sehen!"

Snape ließ Sirius plötzlich los. Ein höhnisches Grinsen flog über seine schmalen Lippen. Verachtung lag in seinem Blick, in dem Aufregung hinzukam. „Du bist so berechenbar, Black."

Sirius hatte seinen Zauberstab endlich zücken können. „Ich hoffe, du wirst verrecken, Snivellus."

Snape ging bereits rückwärts zurück, nicht gewillt, Sirius den Rücken zu kehren. Sirius ließ ihn ziehen. Hoffentlich ging er zur Heulenden Hütte und bekam den Schreck seines Lebens.

Dann nahm er Peter wahr. Dieser stierte Sirius aus weit aufgerissenen, wässrigen Augen an. „Du hast- du hast-"

„Was hast du da so tatenlos herumgestanden, Wormtail?", herrschte Sirius ihn zornig an. Er ließ seine ganze Anspannung an Peter aus. Groll glitzerte nach wie vor in seinen schwarzen Augen auf. „Spinnst du? DU HATTEST DEINEN ZAUBERSTAB! WIESO HAST DU SNAPE NICHT VON HINTEN VERFLUCHT, ALS ER MICH ANGEGRIFFEN HAT?"

Peter wurde kalkweiß. „Ja, was... was hätte ich denn tun sollen? Snape ist viel besser in Zauberei, als ich! Er ist stärker, als ich! Er hätte mich verhext, wenn ich einen Fluch angesetzt hätte! Und du hättest mir nicht zur Hilfe kommen können, weil er dich in Schach gehalten hatte!"

Sirius sah ihn fast schon sprachlos an. „Boah, Wormtail, du bist ja eine so was von feige Ratte! Lässt du deine Freunde immer im Stich, um deine Haut zu retten, Idiot!"

Peter senkte den Kopf. „Ich-"

„Ach, halt die Klappe!" Sirius wirbelte herum und stürmte davon; Peter folgte ihm, aber im Abstand.

Sirius begann, sich durcheinander zu fühlen. Er hatte Snape nun zu Remus geschickt. Zum Werwolf. Der Slytherin hatte nichts anderes verdient. Oder?

Ohne es sich bewusst zu machen, strebte er den Weg zur Krankenstation an, wo James lag.

xx

James saß aufrecht im Bett – ihm war ständig übel gewesen, aber nun ging es ihm schon wieder besser.

Die Tür flog auf und Sirius trat ein. James lachte Sirius fröhlich entgegen. Er hatte sich schon gelangweilt und sich gefragt, wann sein Kumpel wiederkäme.

Aber dann wurde er alarmiert, als er das sturmumwölkte Gesicht von Sirius sah.

Kurz darauf kam ein eingeschüchtert wirkender Peter herein.

„Was ist denn los?", fragte James sofort.

Sirius sah ihn an. Da lag etwas Dunkles in seinem Blick, was nahezu unheimlich war.

„Wir haben Snape getroffen. Er war sauer wegen dem Gerücht über ihn und glaubte, ich hätte es in die Welt gesetzt und meinte, er würde nun rum erzählen, dass Moony 'ne Affäre mit Pomfrey habe. Er hat sogar Fotos von den beiden, wie sie aus dem Schloss gehen!" Sirius war außer sich; die Hände waren zu Fäuste geballt.

James ahnte, dass das Schlimmste noch kommen würde. Nur was?

„Ich habe Snape kurzerhand von der Peitschenden Weide und dem Knotenpunkt erzählt und ihm gesagt, er sollte zur Heulenden Hütte, wo Moony ist. Da würde er schon die Wahrheit erfahren." Sirius blickte noch immer sehr wütend drein. „Hoffentlich bekommt dieser Bastard das, was er verdient!"

James gefror das Blut in den Adern, zumindest hatte er das Gefühl. Sprachlos starrte er seinen Kumpel an. Natürlich erinnerte er sich sofort an den Streich, an das Herumgealbere vor ein paar Tagen. Aber sie beide hatten es doch niemals ernst gemeint!

In der nächsten Sekunde war er schon aufgesprungen und hatte Sirius an den Schultern gepackt. „Padfoot! Moony könnte Snape umbringen, verdammt! Dann wird Moony verhaftet und sie bringen ihn ebenfalls um!"

James war völlig außer sich vor Sorge um Moony. Und auch vor Sorge um Sirius und sich selbst. Immerhin hatten sie die Idee ja tatsächlich gehabt.

Sirius war eine Spur blasser geworden, aber der Hass war noch zu groß. Denn diese Kälte wich nicht aus seinen aggressiven Blicken. „Es passiert schon nichts! Snape wird nur den größten Schock seines Lebens bekommen und uns für immer in Ruhe lassen!"

„Du weißt selbst, wie Moony uns damals fast aufgefressen hätte, als wir dort waren!", rief James. Er spürte, wie er verzweifelt wurde. Nahezu panisch.

Er zauberte sich schnell das Krankenhemd aus und seine normale Kleidung an. „Ich hol Snape zurück, ehe es zu spät ist!"

Sprachs, lief er schon an Sirius und Peter vorbei und rannte hinaus. Er spurtete durch das Schloss, hörte Sirius noch etwas rufen und nahm an, dass dieser ihm folgte, aber er hatte nicht die Zeit, auf ihn zu warten. Es mochte jetzt schon durchaus zu spät sein.

Bei Merlin, das wäre nicht auszudenken.

Er hetzte aus Hogwarts heraus in den Nieselregen, verwandelte sich augenblicklich in den Hirsch und lief schnell wie der Wind zur Peitschenden Weide. Dort verwandte er sich wieder zurück, griff nach dem langen Ast und berührte den Knotenpunkt. Der Baum war ruhig gestellt.

Völlig außer Puste kletterte James in den Gang hinein und rannte weiter.

„SNAPE! SNAPE!", brüllte er. Weit in der Ferne, am anderen Ende des Ganges sah er die Gestalt von Snape. „BLEIB STEHEN!"

Aber Snape betrat schon die erste Stufe, blieb jedoch stehen und drehte sich überrascht um.

James nahm alle seine Kraft und seine Ausdauer und legte an Tempo zu. „NICHT! GEH NICHT WEITER!"

Er war nun noch etwa zehn Meter von Snape entfernt.

„Potter, was willst du!", schnarrte Snape, beinahe krank vor Hass und Gehässigkeit. „Nichts kann mich jetzt noch daran hindern, Lupins Geheimnis herauszubekommen."

James hatte ihn eingeholt und griff grob nach Snapes Oberarm. Er zog ihn wieder die Stufe herab und Snape schlug einfach zu. James rechtes Brillenglas zerbarst und die Faust schlug gegen sein Auge. Er kniff es zu, Schmerz durchwallte ihn, etwas blitzte quälend auf.

James keuchte, aber er ließ Snape nicht los. „Er wird uns töten, verdammt! DICH wird er töten, Snape! WIR MÜSSEN WEG VON HIER!"

Er selbst könnte sich zur Not immer noch in den Hirsch verwandeln.

Er zerrte den sich wehrenden Snape ein paar Meter mit sich.

„RRROOOAAAAHHHRRRRRRRRRRRRRRR", machte es dann plötzlich.

James und Snape fuhren herum. Oben an der Treppe stand Remus. Als Werwolf. Er fletschte die Zähne, in den beinahe schon gelben Augen blitzte die pure Gier.

Snape sog perplex die Luft ein. „W-was", fing er vollkommen entsetzt an.

„LAAAAUF, SNAPE! KOMM JETZT ENDLICH!", brüllte James ihm ins Ohr.

Er zog Snape immer noch mit sich, dieser lief ihm stolpernd nach, sich immer wieder geschockt umsehend. „D-das ist Lupins Geheimnis? Er ist ein..."

„RRRRRROAAAAAAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHRRRRRRRRRRRR!" Der Werwolf machte einen eleganten Sprung und landete im Gang. Mit wilden Blicken nahm er die Verfolgung auf.

„AAAAAAAAAAAAAHHHHHHHHHHHHH!", machte Snape, als sich der Werwolf mit einem Satz auf ihn warf. Sie beide fielen zu Boden, James ließ Snape automatisch los und sah entsetzt zu, wie das Monster den Slytherin zu zerfleischen drohte.

Stupor!", rief er aus einem Reflex heraus und mit einer solchen Inbrunst, dass der Fluch den Werwolf mit voller Wucht traf.

Das Tier flog erstarrt zur Seite und James packte den blutenden Snape und hievte ihn in die Höhe.

„WIR MÜSSEN WEG! EHE DER ZAUBER NACHLÄSST!"

Und sie spurteten los.

Der Werwolf, der einen Finite-Zauber nicht benötigte, erholte sich inzwischen von der Betäubung. Schnell gewann er das Bewusstsein wieder und sprang auf alle Viere – nun rasend vor Zorn und Gier, hatte er doch Blut geschmeckt.

Frischfleisch.

Er hetzte ihnen wie besessen hinterher; James und Snape hatten einen Vorsprung erringen können, der nun aber immer kleiner wurde. Es war ein Rennen gegen die Zeit.

James zerrte Snape mit sich, damit dieser so schnell lief wie er. Denn sonst wäre Snape langsamer geworden und der Werwolf hätte ihn eingeholt.

Sie erreichten den Ausgang, den Sirius gerade betreten hatte.

„KEHR UUUUM!", schrie James ihm zu.

Sirius tat es. Alles ging so schnell. James schubste Snape raus, der regelrecht auf der Erde aufschlug und sprang selbst hinterher. Gerade rechtzeitig, als der Werwolf gegen die unsichtbare Mauer prallte, die zum Schutz aller diente.

James landete neben Snape und Sirius und hatte ebenfalls das Gleichgewicht verloren. Keuchend hockte er auf dem vor Regen nassen Boden. Sein rechtes Auge schwoll zu. Seine Lunge schmerzte und drohte zu reißen, glaubte er, so sehr hatte er sich verausgabt.

Der Baum war noch betäubt.

Snape hockte ebenfalls auf dem Boden. Seine Robe war halb zerfetzt und der Werwolf hatte ihm mit seiner Pranke quer über die Brust gepeitscht, doch die Wunden – Kratzern gleich – waren nicht tief.

Da der Mond meist von Wolken verdeckt war, war es recht finster in der kühlen Nacht.

„Mann, Snape, was hast du dir dabei gedacht, einfach so in die Heulende Hütte zu gehen?", fuhr James ihn schließlich an, als er einigermaßen wieder zu Atem gekommen war. „Er hätte dich töten können!" Er stand auf und gab Snape einen unsanften Tritt in die Rippen.

„Woher sollte ich wissen, dass Lupin ein... WERWOLF ist?", entgegnete Snape heftig. Angst lähmte ihn immer noch. Es war fürwahr sein größter Schock gewesen. Er war total blass und hatte sich selbst gegen James' Tritt nicht gewehrt.

„Na und?" James wurde zornig. Sie hätten hier alle draufgehen können. „Seit wann tust du etwas, was Sirius dir sagt? Du hättest wissen müssen, dass es gefährlich werden kann!"

Snape presste seine Lippen zusammen. „Ach ja? Ich hätte wissen müssen, dass Black mich umzubringen versucht?"

James fehlten augenblicklich die Worte. So unschön es auch klang, es war die Wahrheit. Eine Wahrheit, die er selbst nie aussprechen würde, allein, um Sirius nicht in Schwierigkeiten zu bringen.

Sirius selbst blieb unbeteiligt. Auch er war aufgestanden, musterte Snape unleserlich aus halbgeschlossenen, schwarzen Augen und wartete, bis sie wieder ins Schloss gehen konnten.

Da lag immer noch etwas in seinem Blick, das dunkel war.

xx

Albus Dumbledore saß hinter seinem Schreibtisch und maß die vier Jungen aus seinen blauen Augen. Er wirkte wie fast wie immer. Gütig und freundlich war er, zeigte Anteilnahme. Aber da lag eine ungewöhnliche Ernsthaftigkeit in seinem Blick, die James nicht entgangen war.

Kein Wunder, immerhin war hier versucht worden, jemanden umzubringen.

Minerva McGonagall stand neben seinem Schreibtisch und hatte eine unglaublich unheilschwangere Miene aufgesetzt, die von Entsetzen und Unglauben umschattet war. Aber sie schwieg die ganze Zeit über, und ließ Dumbledore handeln.

James selbst war vollkommen fertig. Die wilde Flucht vor dem Werwolf war anstrengend gewesen, sowie die Rangelei mit Snape. Seine Brille hatte einen Sprung, sein rechtes Auge begann zuzuschwellen und sich blau zu verfärben. Ein tiefer Kratzer durchfuhr seine linke Wange. Snape sah ja nicht besser aus, nur war er von dem Werwolf selbst verletzt worden.

Sirius selbst war natürlich unversehrt.

Sie waren schließlich zur Schule gegangen, wo Peter in der Eingangshalle auf sie gewartet hatte.

„Verdammt, beinahe wäre es zu spät gewesen, Wormtail!", hatte James ihm aufgewühlt zugerufen. „Der Werwolf hätte ihn fast gefressen!"

Peter hatte nur die Hand vor dem Mund geschlagen und sehr entsetzt dreingeschaut.

Sirius selbst hatte es doch tatsächlich fertig gebracht, eine enttäuschte Miene zu machen. „Tja." Mehr hatte er nicht gesagt. Seine Stimme hatte verraten, dass er nichts dagegen gehabt hätte, wenn Snape gefressen worden wäre. Und dann hatte er angefangen zu lachen.

Er hatte einfach gelacht – kein befreites, argloses, ansteckendes Lachen, wie so oft, sondern jenes resignierte, fast schon hysterische Lachen, das Sirius immer beherrschte, wenn er sich in einer auswegslosen Situation befand.

James hatte ihm eine runtergehauen, damit er damit aufhörte. Ihrer aller Nerven waren ungeheuer angespannt, auch jetzt noch.

„Ich finde es auch unheimlich witzig, Black", hatte Snape ausgestoßen. Seine Stimme war noch zittrig vom Schock, aber neuer Hass hatte sich bereits aufgewallt.

Sirius, der aufgehört hatte zu lachen, hatte ihn mit feindlichen Blicken aufgespießt. „Fahr zur Hölle, Snivellus."

„Ja, und dort gehen wir jetzt alle zusammen hin", hatte James bestimmt gesagt. „Zu Dumbledore."

„Was?" Sirius war entgeistert gewesen, aber James hatte nicht mit sich handeln lassen.

„Verdammt, Sirius, er weiß Bescheid. Nur Dumbledore kann das Schlimmste noch verhindern. Sonst erzählt Snape allen, was passiert ist!"

Und nun standen sie hier, im Büro des Schulleiters, der sich schweigend James' Erzählung angehört hatte. Nun musterte er drei von den vier Jungen mit unleserlichen Blicken.

Er seufzte, griff in seinen langen, weißen Bart und zwirbelte nachdenklich daran. „Solange ich Direktor dieser Schule bin, wird hier niemand rausgeworfen."

James konnte hören, wie sowohl Sirius, als auch Snape erleichtert ausatmeten. Auch wenn der Slytherin das Opfer war, so hätte er wissen müssen, dass die Peitschende Weide für die Schüler verbotenes Terrain war.

„Das liegt daran, dass ich keinen meiner Schüler so schnell aufzugeben gedenke", fuhr Dumbledore ein wenig kühl fort. „Schon gar nicht in so düster werdenden Zeiten wie diesen, in denen Zusammenhalt wichtiger ist als alles andere."

Draußen war es bereits dunkel; James konnte sich, seine Freunde, Snape und Dumbledores Rücken im runden Fenster spiegeln sehen.

Der Schulleiter machte eine kurze Pause. Sein Blick ruhte auf Sirius, ernst und aufmerksam. „Mr Black, sind Sie sich eigentlich im Klaren, dass Mr Snape hätte getötet werden können? Sind Sie sich bewusst, dass es Mord gewesen wäre? Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?"

James sah, wie Sirius aufschaute und Dumbledores Blick mit kalter Ausdruckslosigkeit begegnete. Er tat es zu seinem eigenen Schutz, das wusste James.

„Ich habe mir nichts dabei gedacht, Sir", antwortete Sirius schließlich hölzern. „Ich wollte diesem schmierigen Mistkerl nur eine Lektion erteilen, damit er uns endlich in Ruhe lässt."

Dumbledore hob die Augenbrauen und machte eine beschwichtigende Geste, als Snape auffahren wollte. Er nahm die Glasschale mit den Zitronenbonbons vom Schreibtisch und hielt sie den Jungen hin. „Hier, nehmt doch."

Niemand reagierte und Dumbledore wiederholte seine Aufforderung.

James und Sirius hatten schon immer den Verdacht gehegt, dass diese Zitronenbonbons dazu dienten, auf magische Weise die Gemüter der Schüler zu beruhigen; wie auch immer, es blieb ihnen keine andere Wahl, als zuzugreifen, die Bonbons aus dem Papier zu wickeln und sich in den Mund zu stecken.

Auch Peter nahm ein Bonbon und verschwand dann wieder im Hintergrund.

„Nun, ich hoffe, Sie sind sich dessen bewusst, dass Ihr Streich zu weit gegangen ist", meinte Dumbledore nun. Seine Blicke wurden zusehends härter. „Wenn Mr Snape getötet worden wäre, wären Sie verhaftet, des Mordes angeklagt und zu mindestens mehrjähriger Haft in Askaban verurteilt worden, Mr Black. Ich kann nicht begreifen, wieso Sie ihr eigenes Leben derart aufs Spiel setzen, um sich an jemanden zu rächen. Und haben Sie auch mal an Remus gedacht? Wenn er Mr Snape gebissen hätte, wäre auch er verhaftet und nach Askaban gebracht worden. Er selbst wäre an seiner Tat sicherlich zugrunde gegangen."

James wurde selbst blass, als er diese Worte hörte, die so ruhig, aber voller Enttäuschung ausgesprochen wurden, und sah unbehaglich zu seinem besten Freund. Aus Sirius' Gesicht war jegliche Farbe gewichen; die Augen waren geweitet und er hatte Dumbledore mit einer eigenartigen Mischung aus Ausdruckslosigkeit und aufkeimender Bestürzung fixiert.

Jetzt, wo der Hass auf Snape ein wenig abzukühlen schien, wirkte das Geschehene mit Sicherheit anders.

„Sie hätten nicht nur Mr Snapes und ihr eigenes Leben zerstört, sondern ein drittes. Remus' Leben, Mr Black. Das Leben eines Freundes", setzte Dumbledore unbarmherzig fort. Es waren anklagende Worte, die den Jungen deswegen so hart trafen, weil sie im Vorwurf ausgesprochen wurden. Nicht in Wut.

Sirius hielt den Blick zum Schulleiter nicht länger aufrecht, denn er schaute zu Boden, den Kopf leicht gesenkt.

James wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte mit Sirius über diesen Streich nur rumgealbert. Klar, die Idee hatte ihren Reiz gehabt, aber... aber obwohl sie an Remus gedacht und gewusst hatten, dass man Remus verhaften würde, hatten sie vergessen, dass ihr Freund selbst an dem Wissen, jemanden getötet zu haben, zugrunde gehen würde. Sie hatten nur Snape im Sinn gehabt, wie er sich den größten Schrecken seines Lebens holen würde, wenn er den Werwolf sah. An weitere Folgen und Konsequenzen hatten sie in ihrem jugendlichen Leichtsinn nicht gedacht. Allerdings nur, weil für James von Anfang an klar war, dass sie nur rumgealbert hatten. Nur gescherzt, nur... geträumt. Wie hätte er wissen können, dass Sirius so sehr die Kontrolle verlieren würde, dass er es tatsächlich durchzog?

Er ist dein bester Freund, zischte ihm eine Stimme in seinem Inneren zu. Du hättest wissen müssen, dass Padfoot in seinem Hass gegenüber Snape die Beherrschung verlieren würde... Du trägst Mitschuld.

„Nun, Mr Black, ich hoffe sehr, Sie lernen daraus und bereuen Ihre Tat", fuhr Dumbledore bestimmt fort. „Ich werde Gryffindor Punkte abziehen und zwar alle, die Ihrem Haus zur Verfügung stehen."

James stockte der Atem. Er riss die Augen weit auf. Hatte er soeben richtig gehört? Der Professor zog ihnen sämtliche zur Verfügung stehenden Punkte ab? Alle? Damit hatten sie jegliche Hoffnungen auf den Hauspokal verloren, das war klar. Noch führten sie knapp vor Slytherin, aber das würde sich nun gewaltig ändern.

Er wollte auffahren, protestieren ob dieser Ungerechtigkeit, aber er konnte sich gerade noch zügeln und sich zurückhalten. Dumbledore würde einen Protest sehr missbilligen, das wusste er. Denn hier wäre beinahe jemand getötet worden. Hier ging es um ein Menschenleben, was waren da schon Punkte.

Aber trotzdem... die anderen Gryffindors würden sie umbringen. Allen voran Sirius. Galt ihr Leben denn nicht?

Auch Sirius hatte wieder aufgesehen; schockiert blinzelte er Dumbledore an. „Alle, Sir?", wagte er zu fragen.

Dumbledore nickte streng. Sein Blick wurde kalt, seine Stimme sehr hart. „Ja, alle, Mr Black. Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben. Und jetzt möchte ich, dass Sie sich bei Mr Snape entschuldigen."

Wie schnell die verlorenen Hauspunkte doch vergessen waren. Wie schnell alles vergessen war, was vorgefallen war.

Was?", machte Sirius entsetzt. Schatten huschten über seine Iris, so dunkel, wie sie selbst.

„Sie haben mich verstanden, Mr Black", meinte Dumbledore ruhig, aber streng.

James warf Snape einen hastigen Blick zu. Dieser war die ganze Zeit der Meister in Ausdruckslosigkeit gewesen, hatte weder Schadenfreude noch Hohn gezeigt, als der Schulleiter Sirius zur Schnecke gemacht hatte; hatte stattdessen nur stur vor sich hergestarrt. Doch diesmal hatte er sich geregt. Perplex starrte er selbst Dumbledore an.

„Das ist nicht nötig, Professor", presste Snape steif hervor.

Dumbledores Blick glitt zu dem Slytherin. „Ich entscheide, was nötig ist und was nicht." Er blieb immer noch bemerkenswert geduldig, machte aber klar, dass er keine Widerrede mehr duldete.

Sirius hatte die Zähne so sehr zusammengebissen, dass die Kiefermuskeln hervortraten. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und er atmete zischend ein und aus.

James fühlte mit ihm. Sich bei Snape entschuldigen zu müssen war wahrlich das Schlimmste, was es geben konnte.

Es mochten wohl Dumbledores vorherige Worte sein, die Sirius so hart getroffen hatten, die dazu führten, dass der sonst so widerspenstige Junge sich fügte. Es mochten jene Worte sein, die Sirius beschuldigten, an Remus nicht gedacht und dessen Leben beinahe zerstört zu haben.

Er wandte sich zu Snape um, fixierte einen Punkt oberhalb dessen Augen, um ihn nicht direkt anzusehen. Dann sprach er so schnell, dass ihn kaum jemand verstand.

„TutMirLeid."

Dumbledore stieß einen langen Atem aus. „Reichen Sie ihm die Hand."

Mehrere Augenblicke vergingen, ehe Sirius es fertig brachte, Snape in hölzernen Bewegungen seine rechte Hand hinzuhalten. Es waren Akte der reinsten Selbstbeherrschung.

Er tat es blinzelnden Blickes und mit leicht verzogenem Gesicht, so, als gäbe es tatsächlich nichts Schlimmeres, als mit Snape einzuschlagen.

Dumbldore sah Snape auffordernd an. „Mr Snape?"

Dieser stand für einige Sekunden reglos da, ehe er zögerlich seine eigene Hand ausstreckte und einschlug.

Es geschah so schnell, dass es ein Trugbild hätte sein können, wie James fand.

Kaum hatten sich die Fingerspitzen der beiden Jungen berührt, hatten sie sich wieder zurückgezogen; es war noch nicht einmal der Bruchteil einer Sekunde. Als würde sie bei der Berührung ihrer Hände ein besonders gemeiner Fluch treffen, dem sie nur entgehen konnten, indem sie so schnell wie möglich voreinander zurückwichen.

Dumbledore runzelte die Stirn, aber schien er zu ahnen, dass er bereits jetzt schon zuviel von den Jungen erwartet hatte.

„Und nun zu Ihnen, Mr Potter." Dumbledore lächelte zum ersten Mal warm und in seinen Augen glomm es auf. „Es ist sehr rühmlich und heldenhaft, dass Sie Ihr eigenes Leben riskierten, um Mr Snape zu retten. Ich bin sehr stolz auf Sie, dass Sie so selbstlos waren, um einem Anderen zu helfen. Aber ich kann nicht vergessen, dass Sie an dem Streich mitgetüftelt, offenbar bereit waren, sowohl Mr Snape, als auch Remus in Gefahr zu bringen. Natürlich erfreut es mich umso mehr, dass sie rechtzeitig Reue gezeigt haben und so bin ich mir sicher, dass Mr Snape sich bei Ihnen für die Rettung seines Lebens bedanken wird."

James verlor schon wieder seine Fassung.

„Oh, nein", kam es entsetzt und abwehrend von Snape. „Das werde ich nicht tun."

Dumbledore blickte ihn an. „Also wirklich, Mr Snape, er hat Ihnen das Leben gerettet."

„Nachdem er es erst vernichten wollte?" Snape lachte kalt auf. „Potter hat doch nur kalte Füße bekommen, weil er um seinen Ruf besorgt war. Er wäre nach Askaban gekommen, wäre mir etwas passiert. Oder zumindest Black und Black ist sein Freund. Es war nicht selbstlos, Professor, es war eigennützig. Ich bedanke mich garantiert nicht bei ihm."

„Snape!", bellte McGonagall wütend los, das erste Mal, dass sie etwas sagte. „Bedanken Sie sich sofort bei Potter!"

Snape brachte es fertig, eine Augenbraue höhnisch nach oben zu ziehen. „Sie können mich nicht dazu zwingen, denn ich habe mich kaum schuldig gemacht."

James war irgendwo froh, dass Snape sich weigerte, sich bei ihm zu bedanken. Zumal Snape Recht hatte. Er hatte es an erster Stelle für Sirius, sich selbst und Remus getan. Er war nicht um Snapes Willen in die Hütte gerannt. So selbstlos war er nun auch wieder nicht. Ihm war nur klar gewesen, dass der Streich zu gefährlich war und leicht daneben gehen konnte und dann Sirius' und Remus' Leben für immer zerstört gewesen wären – nicht nur, dass sie mit einem Mord leben mussten, sondern dies dann noch dazu in Askaban, dem schlimmsten Gefängnis auf Erden.

Dumbledore seufzte resigniert und schien zu begreifen, dass es unmöglich war, Snape zum Dank zu bewegen. „Dann können Sie drei jetzt gehen. Professor McGonagall wird mit Ihnen, Mr Black, sicher noch reden wollen", sagte der alte Zauberer dann. „Es versteht sich von selbst, dass über diesen Vorfall nicht mit anderen geredet wird." Und entließ Sirius, James und Peter mit einem knappen Nicken, ohne ein Lächeln.

Sirius machte auf der Stelle kehrt, lief zur Bürotür und floh regelrecht hinaus. James machte sich daran, ihn einzuholen und auch Peter lief hinter ihnen her. McGonagall folgte ihnen; sie würde Sirius in ihrem Büro treffen.

Dumbledore wollte also mit Snape alleine reden – und James hätte gerne gewusst, was der Schulleiter dem Slytherin, dem zukünftigen Todesser so alles gesagt hatte. Denn Snape verriet Remus' dunkles Geheimnis während der Schulzeit niemals an andere, kein Wort verlor er darüber an die anderen Slytherins oder an seine außerschulischen Freunde, die Anhänger Voldemorts, wie die Lestranges oder Bellatrix. Er hatte Dumbledore offenbar das Versprechen gegeben, es nicht zu tun und er hielt sich daran.

So kam nie heraus, was genau sich zwischen Sirius, James und Snape abgespielt hatte. Allen war nur klar, dass etwas vorgefallen war.

McGonagall selbst hatte in ihrem Büro fürchterlich getobt, wie Sirius James später berichtete. Sie machte aus ihrem Herzen offenbar keine Mördergrube. So wütend hatte Sirius sie noch nie erlebt und er hatte mehrere Male geglaubt, sie würde ihn doch glatt verprügeln.

Sie hatte ihm Hausarrest auf unbestimmte Zeit aufgebrummt, sowie eine Unmenge Strafarbeiten, die ihn schon auf Trab halten würden, damit er nicht auf weitere unsinnige Ideen käme, wie sie gemeint hatte.

Remus wütete noch immer als Werwolf – es war die erste Nacht nach langer Zeit, in der er nicht von seinen Freunden als Animagi begleitet wurde und er war noch aufgeregt über den Zwischenfall. Hatte er doch beinahe eine Beute gehabt, die ihm aber wieder entrissen wurde!

So kam es, dass er sich am nächsten Morgen nur schwach an alles erinnerte, während er sich auf der Krankenstation ausruhte, nichts ahnend, dass einer seiner Freunde sein Leben beinahe zerstört hätte.

xx

Die Gryffindors waren am nächsten Morgen sehr aufgeregt. Als sie sahen, dass keine Steine mehr in ihrem Behälter waren und sie null – null – Punkte hatten, waren sie völlig verwirrt und außer sich.

Bis zum Frühstück hatte es sich nur wenig herumgesprochen, dass Sirius und Snape sich irgendetwas geliefert hatten – und da Slytherin keine Punkte verloren hatte, wurde allmählich klar, dass Sirius der Sündenbock war. Aber bis zum Frühstück war es noch kaum bekannt.

Es war ausgerechnet Sirius' Mutter, die es mit einem Satz schaffte, dass die ganze Schule Bescheid wusste, wer hinter dem so dramatischen Punkteabzug bei den Gryffindors steckte und die auch verriet, was ansatzweise vorgefallen war.

Dumbledore hatte nämlich noch in der Nacht einen Brief an Sirius' Eltern geschrieben, da es seine Pflicht als Schulleiter war, und sie davon in Kenntnis gesetzt, dass ihr ältester Sohn einem seiner Mitschüler einen üblen Streich gespielt hatte, der denjenigen beinahe umgebracht hätte und dass er sich nun keine weiteren Fehltritte erlauben durfte.

So kam es, dass Sirius, als er mit James und Peter übernächtigt und mit dunklen Schatten unter den Augen am Frühstückstisch saß, von einem mächtigen, schwarzen Falken einen leuchtendroten Heuler bekam.

Er sah ihn erst, als es schon zu spät war. Müde stocherte er nämlich in seinem Frühstück herum und bemerkte den Falken in seiner Gleichgültigkeit und stumpfen Griesgrämigkeit nicht, der bereits am Kopf des Tisches gelandet war und über die Platte schlitterte, weil er seinen Flug abbremsen wollte.

Der rote Heuler riss von dem Band an dessen Bein ab und kullerte den letzten Meter zu Sirius. Der Falke packte ein großes Stück Speck und erhob sich wieder königlich in die Höhe, die anderen Eulen grob und arrogant beiseite schubsend.

Sirius sah den roten Heuler wie in Zeitlupe; er lenkte seinen Blick zufällig darauf, kurz bevor James ihn aufgeregt in die Rippen stoßen wollte, starrte einfach völlig apathisch darauf – und konnte so auch nicht verhindern, dass der Heuler losging, ehe er hätte aufspringen und damit aus der Großen Halle fliehen können.

Das hatte Sirius aber bisher nie gemacht – und seine Mutter schickte ihm in aller Regelmäßigkeit Heuler – die immer, zum Vergnügen aller anderen Schüler, in der Großen Halle losgingen und Sirius beschimpften, ermahnten und zwingen wollten, wieder vernünftig zu werden.

Diesmal wäre er mit dem Heuler geflohen. Aber es war zu spät.

Es gab eine Explosion und dann schallte auch schon Mrs Blacks ohrenbetäubende, unglaublich kreischende, hohe Stimme zeternd und erbost durch die Luft.

„SIRIIIIUUUUUUUUS! SIRIUS! WAS MUSS ICH DA VERDAMMT NOCH MAL HÖREN? BEI SALAZAR, HABEN WIR DIR DENN GAR NICHTS BEIGEBRACHT, DU TÖLPEL! ACH, BEI ALLEN DUNKLEN MÄCHTEN, WARUM BIN ICH NUR MIT SO EINEM DUSSLIGEN SOHN BESTRAFT WORDEN?"

Sirius verzog sein Gesicht; endgültig aus seiner Apathie erwacht, und hatte gerade die ersten, herausgebrüllten Worte vernommen, da ging es auch schon weiter.

„SIRIUS, WENN DU SCHON GEDENKST, JEMANDEN UMZUBRINGEN, DANN BITTE, TUE ES RUHIG! ABER, BEI DER REINHEIT DES BLACK'SCHEN BLUTES, STELL DICH VERFLUCHT NOCH MAL NICHT SO STÜMPERHAFT DABEI AN!"

Sirius erstarrte. Ihm war nun völlig bewusst, dass die ganze Schule zuhörte. Die geräuschvolle, tobende Stimme seiner Mutter fuhr indes fort.

„DICH DABEI ERWISCHEN LASSEN! SIRIUS, DU BIST UND BLEIBST EINE BITTERE ENTTÄUSCHUNG! DEIN VATER HÄTTE SICH NIEMALS SO UNGESCHICKT VERHALTEN UND ES STATTDESSEN DURCHGEZOGEN, OHNE DIE SPUR AUF SICH ZU LENKEN, DU IDIOT! WAS WERDEN NUR DIE ANDEREN VON UNS DENKEN! ACH, DAS IST DER SCHLECHTE EINFLUSS DER GRYFFINDORS! DER SCHLAMMBLÜTER! DER HALBBLÜTER! ALL DIESES UNREINE PACK! VERRECKEN SOLLEN SIE! KEIN WUNDER, DASS DU ES NOCH NICHT EINMAL FERTIG BRINGST, JEMANDEN ANSTÄNDIG UMZUBRINGEN! WARTE NUR, BIS DU MIR NACH HAUSE KOMMST, BURSCHE, DANN KANNST DU WAS ERLEBEN!"

Stille kam nach ihren letzten Worten auf, so sehr, dass sie ohrenbetäubend wirkte und es in Sirius' Ohren leise anfing zu pfeifen.

Groteske Stille.

Alle Schüler starrten Sirius an. Die Gryffindors regelrecht entsetzt, dann langsam aggressiv. Die Hufflepuffs und Ravenclaws geschockt und die Slytherins... erst vom Donner gerührt, dann amüsiert und gehässig.

Selbst die Lehrer hatten Sirius entgeisterten Blickes fixiert.

Dieser starrte auf den verrauchenden Heuler, hob kein einziges Mal seinen Blick, da er die Blicke der Anderen wie feine Nadelstiche auf sich spürte, und wusste nicht, was er denken sollte.

Schön, jetzt wussten sie alle halbwegs Bescheid. Wussten, dass Gryffindor einzig und allein wegen ihm im Nullstand lag. Wussten, dass er Snape offenbar hatte umbringen wollen. Es mochte sehr viele geben, die dachten, dass Sirius eben doch ein Black sei, so sehr er es zu leugnen versuchte und es demnach nicht verwunderlich wäre, was er da beinahe getan hätte.

Dass seine Mutter nicht entsetzt darüber gewesen war, dass er jemanden umzubringen versucht hatte, sondern zornig, dass dieser Mordversuch fehlgeschlagen war, wunderte ihn nicht. Wäre er ein perfekter, schwarzmagischer Sohn, wäre Snape jetzt tot und niemand würde glauben, dass Sirius dahinter steckte. Aber er war nicht der perfekte, schwarzmagische Sohn und deswegen lebte Snape und jeder wusste, dass Sirius der Übeltäter gewesen war.

Er ahnte auch, dass die anderen Gryffindors mehr als nur zornig auf ihn sein würden. Nicht nur wegen der verlorenen Punkte, sondern auch, weil er ihnen noch nicht einmal sagen konnte, warum genau ihr rotgoldenes Haus das Schlusslicht bildete. Aber wenn er es ihnen gesagt hätte, hätte es auch nichts besser gemacht.

Die schlimmste aller Folgen dieses unbedachten Streiches sollte für Sirius aber noch kommen.


A/N:

Zunächst wollte ich es so machen, dass Sirius und James den Streich gemeinsam richtig planen, ihn Snape spielen, James danach kalte Füße bekommt und den Slytherin zurückholt. Das hätte bedeutet, dass sie bewusst Remus in Gefahr brachten, obwohl sie jahrelang alles getan hatten, um ihm das Werwolfdasein zu erleichtern (Animagi werden). Das wäre ja dann recht paradox gewesen, weil ich denke, dass Werwölfe getötet werden, die andere Menschen beißen oder gar töten und sich dabei erwischen lassen. JKR hat oft genug betont, wie verachtet und gehasst die Werwölfe in der Gesellschaft werden.

Also hat mich mein Betaleser Padfoot's Mate auf die Idee gebracht, dass Sirius und James diesen Streich gar nicht planen, sondern nur darüber albern, Witze reißen, es aber nicht in die Tat umsetzen wollen. Dann aber provoziert Snape Sirius so sehr, dass dieser ausrastet und – das Herumgealbere noch im Kopf habend – ihm von Remus und der Peitschenden Weide erzählt, ohne darüber nachzudenken, da Wut ihn beherrscht. Diese Idee fand ich am Besten und habe sie deswegen auch in meine Geschichte aufgenommen.

-meinen Beta dafür wuschel-

Und nun – WOW! Eure Reivews waren ja echt der hammer und haben mich glatt umgehaun ;) Freut mich, dass das letzte Kapitel so gut ankam..

:euch alle knuddelz und alle in meine Schatzkammer verbarrikadier:

WIE, IHR WOLLT DA NICHT REIN?