Rückwärts in die Dunkelheit
Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?
(- die letzten Worte eines Sterbenden.)
25. Kapitel
Teil 2
Das Siebte Schuljahr
"Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt."
(- Ernest Hemingway)
James hatte seinen Strafaufsatz für Verwandlung im Schlafsaal vergessen und stürmte nach dem Unterricht zum Gryffindorturm hoch. Nachdem er ihn geholt hatte, rannte er durch die Gänge zu McGonagalls Büro. Sie wollte den Aufsatz haben und ihn sprechen – mal wieder - und sicher wegen der Party.
Als er um die Ecke bog, hörte er eine helle Stimme seinen Namen rufen.
„Potter!"
Er blieb schlitternd stehen und drehte sich um. Hastig fuhr er mit der Hand durch seine abstehenden Haare und zerwuschelte sie. Lily stand da und starrte ihn wütend an. James fragte sich unwillkürlich, was er Böses getan hatte und setzte schon aus Reflex eine unschuldige Miene auf.
„Evans", sagte er lässig. Beinahe hätte er sie Lily genannt.
Lily kam näher und baute sich vor ihm auf, die Hände in die Seiten gestützt. „Du hast gelogen und ich habe dir für diesen Fall Rache geschworen!"
James wusste sofort, wovon sie sprach.
Scheiße.
Aber er versuchte, cool zu bleiben. „Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Evans", meinte er herablassend.
Sie schnaubte, ihre Augen verengten sich. „Davon, dass du behauptet hast, es sei Tradition im Quidditch, den Siegern eine Bitte zu gewähren, damit sie wieder gewinnen, du Mistkerl!"
James sah sie an. Er konnte gar nicht anders, als eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen und spöttisch zu antworten: „Ach, Evans… ich war betrunken. Kann gut sein, dass ich da Scheiße erzählt hab. Aber ehrlich..." Er wurde arrogant. „Du warst doch auch betrunken. Also, mach nicht so 'nen Aufstand. Es war doch nur 'ne Party."
Lily stierte ihn an. Dann holte sie tief Luft. „James Potter, du arrogantes Arschloch! Danke, jetzt weiß ich wieder, wieso ich dich hasse!"
Sie schien ihm eine runterhauen zu wollen, aber stattdessen wirbelte sie herum und stapfte wütend davon. Nach nur zwei Schritten hielt James sie auf.
„Also hast du kurzzeitig vergessen, wieso du mich hasst, Evans?" Er griente.
Lily drehte sich wieder um, ihre Lippen waren zusammengepresst. „Ich hatte lediglich angenommen, dass du nicht ganz so scheiße arrogant, so überaus nervig, so dämlich hochtrabend und ein durch und durch beschissener Bastard bist!"
James machte ein anerkennendes Gesicht. Solche Betitelungen kannte er ja schon zu Genüge, das musste ihn nicht schocken. „Wow, nicht schlecht..."
Er fragte sich plötzlich – im Durcheinander seiner Gedanken und Gefühle – ob Lily sehr ausrasten würde, wenn er sie jetzt einfach küssen würde.
Ja, das würde sie, sagte ihm seine innere Stimme im trockenen Ton.
„Oh, halt deinen Mund, Potter!", zischte Lily derweil; sie schoss mit Dolchen aus ihren Augen. „Ich kann deine blöde Stimme nicht mehr hören!" Ihr Blick funkelte vor rasender Wut, sie wirkten heller dadurch, eine Zornesröte lag auf ihren Wangen.
James wollte in der Tat dennoch etwas erwidern. Also war es wirklich nur die Party gewesen. Diese Atmosphäre, der Alkohol, der Lily ihre Abneigung gegen ihn hatte vergessen lassen. Der seine Arroganz gezügelt hatte.
Und jetzt war alles wieder wie früher.
James kam nicht umhin zu merken, dass er unendlich enttäuscht darüber war. Aber er wollte es sich bloß nicht anmerken lassen. Bislang hatte er immer so getan, als ob er zwar mit Lily ausgehen wollte, aber nicht ernsthaft verliebt in sie war. Natürlich war er das, aber er wollte es nicht öffentlich zugeben, da es aus seiner Sicht uncool war, einen Korb zu bekommen, wenn man die Anmache voll und ganz ernst gemeint hatte.
James vergrub seine freie Hand in die Hosentaschen und sah Lily direkt an.
Für den Moment war ihm nicht bewusst, dass Augen ein Spiegel zur Seele sein konnten.
Ihm fiel ein anmaßender Spruch ein, aber dann... dann hatte er plötzlich keine Lust mehr, sich rigoros mit Lily zu streiten. Und so schnalzte er nur missbilligend mit der Zunge, beinahe bedauernd, drehte sich um und setzte seinen Weg fort.
„Ich... ich dachte, du hättest dich ein wenig geändert", hörte er Lilys Stimme über den Gang. Leise, kaum wahrnehmbar. Bedrückt.
James blieb abrupt stehen, ohne sich zu ihr umzudrehen.
Er wusste, was sie meinte. Sie hielt nichts von arroganten Jungs, die jeden mobbten, nur weil sie aufgrund ihrer Beliebtheit in der Lage dazu waren. Die keine Verantwortung übernahmen und glaubten, jedes Mädchen bekommen zu können. Doch dadurch, dass ihr klar geworden war, dass er den Mut hatte, sich gegen eine Armee von rassistischen Schwarzmagiern zu stellen, hatte sie offenbar Hoffnung geschöpft.
Und es war ja nicht so, dass sie ihn von Anfang an nicht gemocht hatte. Sie hatten sich zunächst ja sogar gut verstanden... bis er Snape in aller Öffentlichkeit fertig gemacht hatte. Bis seine Überheblichkeit sie angenervt hatte.
Er stieß einen langen Atem aus. Seine Gedanken drehten sich. Sein Herz klopfte schneller, er konnte es pochen hören.
„Was hätte ich denn sagen sollen, als du meintest, nicht mit mir tanzen zu wollen, Lily?", fragte er trotzig. Nur zögerlich wandte er sich ihr zu.
Mehrere Meter lagen zwischen ihnen.
„Hätte ich sagen sollen Okay, ist gut. Dann geh ich alleine tanzen ? Okay, ich hab dich angelogen. Und nein, zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht richtig betrunken. Ich hatte einfach nur mit dir tanzen wollen und habe nicht gewusst, wie ich dich sonst dazu überreden kann."
Er sprach so schnell, dass er keine Zeit hatte, sich zu wundern oder daran zu hindern, all dies zu sagen. Diese Wahrheit. Dieses Sich Bloßstellen.
„Mir ist klar, dass du mich für arrogant hältst. Für jemanden, der null Verantwortung übernimmt." Er sah sie offen an. Nahezu herausfordernd, nur langsam kam ihm der Gedanke, dass er dabei war, sich lächerlich zu machen. „Aber glaubst du nicht, dass jemand sich auch ändern kann?"
Lily schien etwas sagen zu wollen.
Er grinste schwach und kam ihr zuvor. „Nee, lass, ich will keine Antwort. Nach all den Jahren wird es wohl immer noch dieselbe sein. Dass ich dich ankotze und mich verpissen soll."
Er feixte inzwischen, auch wenn ihm nicht danach war. Seine Augen blieben unberührt davon.
Scheißescheißescheiße!
„Außerdem muss ich jetzt eh zu McGonagall."
Wieder drehte er sich um und ging weiter. Er fühlte sich mies, Bitternis drängte sich ihm auf. Verdammt, wieso mochte sie ihn nicht? So arrogant konnte er nun auch wieder nicht sein! Was machte er nur immer wieder falsch? Mädchen konnten ja so kompliziert sein...
Er begann sich in Selbstvorwürfen und Vorwürfe gegen Lily zu vertiefen, dunklen Schatten gleich, so dass er die Schritte hinter ihm nicht hörte. Erst, als eine kleine, warme Hand sein Handgelenk umfasste und ihn so zum Stoppen brachte, fuhr er aus seinen frustrierten Gedanken hoch und wirbelte herum.
Er sah direkt in smaragdgrüne Augen. Juwelen gleich, mit denen selbst die glitzernden Sterne am Himmel niemals zu konkurrieren vermochten.
Lily beäugte ihn ruhig. Ein zögerliches Lächeln hob ihre Mundwinkel und sie wirkte ein wenig amüsiert, als er sie entrüstenden Blickes fixierte.
„Doch, ich glaube daran, dass sich jemand ändern kann", sagte sie weich. „Und ich denke, dass du dich schon ein wenig verändert hast."
James versteifte sich vor Überraschung. Ihre Finger, die sich um sein Handgelenk geschlossen hatten, brannten angenehm und prickelnd auf seiner Haut.
„Und... ich fand den Abend am Freitag wirklich schön", fuhr sie leise fort. Ihre Stimme war sanft. Ihr Lächeln glitzerte in ihren Pupillen auf, einem Regentropfen gleich, der in der Sonne schillerte.
Wärme kristallisierte sich aus ihrer Aufrichtigkeit heraus und ließ James glauben, dass sie beide sich in still stehende Ewigkeit geflüchtet hatten.
Er glaubte sich verhört zu haben.
Lily ließ ihn langsam los und trat einen Schritt zurück. Sie strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und klemmte sie hinter ihr linkes Ohr.
Plötzlich lag da etwas Aufgewecktes in ihrem Blick, etwas Verschmitztes. Und ehe James überhaupt reagieren konnte, hielt sie ihren Zauberstab in ihrer Hand, direkt auf ihn gerichtet.
Nur eine Sekunde danach hatte sie einen Farbbombenzauber auf ihn gehext, der James von Kopf bis Fuß mit bunter Farbe überschüttete.
James machte ein verdattertes, verblüfftes Gesicht. Und Lily lachte.
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich mich rächen werde", rief sie unbekümmert aus.
James sah fassungslos an sich herab. Rote, gelbe, blaue und grüne Farbe tropfte im Übermaß an ihm herab, hatte ihn komplett eingetaucht und ließ ihn wie ein Farbmonster erscheinen.
Lilys fröhliches Lachen drang an sein Ohr.
Und immer wieder diese Worte. Ich fand den Abend am Freitag wirklich schön. Ich fand den Abend am Freitag wirklich schön. Ich fand den Abend am Freitag wirklich schön. ...
Ein seliges Gefühl breitete sich in ihm aus. Es ließ sein Herz vor Freude flattern, ließ es in seiner Magengrube kribbeln, ließ ihn nahezu schweben und alles andere unwichtig erscheinen.
„Wie du nur aussiehst, James!"
Lilys ihn aufziehende Stimme erinnerte ihn dennoch daran, dass sie ihm einen Streich gespielt hatte.
Er grinste. Die hellen Zähne blitzen im Gesicht, das voller Farbe war, auf. Er nahm seine Brille ab und zauberte sie sauber, ehe er sie wieder aufsetzte. „Das kriegst du zurück", warnte er sie schalkhaft.
Er hielt mit seinem Zauberstab auf sie. Lily lachte auf und suchte schnell das Weite. James nahm augenblicklich die Verfolgung auf und schaffte es, sie mit fliegenden Wasserbomben zu bewerfen, die aus seinem Zauberstab kamen. Sie kreischte auf und antwortete ihrerseits mit harmlosen Flüchen.
James wich aus und rannte ihr weiter nach. Lachend hetzten sie durch die Burg, wichen Schülergruppen aus oder trafen diese aus Versehen mit lustigen Flüchen, liefen durch die Gänge, benutzten die Treppen, bis sie unwissentlich in die Nähe von McGonagalls Büro kamen.
Angelockt vom Gelächter und dem Gekreische betrat diese den Flur.
Lily wich ihr rechtzeitig aus und stoppte. James schlitterte und kam direkt vor McGonagall zum Stehen.
Der Aufsatz! Er hatte ihn noch in der Hand, allerdings war er über und über mit Farbe bekleckert und völlig unlesbar geworden.
McGonagall betrachtete James, der immer noch von Farben bedeckt war und eine bunte Spur in der Schule hinterlassen hatte, eingehend. Sie wirkte weder verwundert, ihn so zu sehen, noch schien sie erstaunt über seine Verspätung.
„So, so, Potter", fing sie mit gefährlicher Ruhe an.
„Eh, Professor... ich war auf dem Weg zu Ihnen, ehrlich!", beteuerte James hastig und reichte ihr den Aufsatz.
McGonagall hob erst gar nicht ihre Hand, um ihn anzunehmen. „Den schreiben Sie jetzt sofort neu und bringen ihn mir in zwei Stunden", befahl sie und ihre Stimme bekam allmählich einen zornigen Unterton.
„Pro-Professor?", mischte sich Lily vorsichtig ein und kam wieder näher. Sie war von Wasser durchnässt. Ihr Haar klebte auf ihrem Kopf, Wassertropfen hingen an den Spitzen und an ihren langen Wimpern. „Es... es war meine Schuld, Professor. Ich hab ihn mit dem Farbzauber verhext."
McGonagall wandte sich zu dem Mädchen um und hob ihre Augenbrauen. „So? Normalerweise würde mich das ja erstaunen, Evans, aber im Grunde verlieren Sie ja in aller Regelmäßigkeit die Kontrolle, wenn es um Potter geht. Das kennen wir ja schon."
James prustete los und erntete sowohl von McGonagall als auch von Lily böse Blicke.
„Ich wüsste nicht, was daran so witzig ist, Potter", meinte die Hauslehrerin scharf.
„Wir... wir haben uns nicht gestritten", sagte Lily schnell. „Und die Pergamentrolle kann man doch bestimmt wieder in Ordnung zaubern, oder?"
James nickte heftig. Lily dachte irgendwie immer praktisch. „Genau, Professor! Das erspart mir Arbeit!"
Schwarze Knopfaugen bohrten sich in seine. „Ich will aber nicht, dass Sie sich Arbeit ersparen, damit Ihnen das alles eine Lehre sein wird", meinte McGonagall grimmig. „Und Evans, Sie können Potter beim Neuverfassen des Aufsatzes helfen, wenn es denn schon Ihre Schuld ist, dass er sie nicht im tadellosen Zustand abgeben kann." Sie trat wieder in ihr Büro ein. „Na los... die Zeit läuft. Zwei Stunden. Ach... und zehn Punkte Abzug für das Einsauen der Schule mit Farbe und Wasser und was weiß ich nicht noch alles."
Damit schlug sie ihnen die Tür vor der Nase zu.
„Ach, verdammt", meinte James verdrießlich. „Jetzt muss ich den ganzen Scheiß noch mal schreiben!"
Lily nickte bedächtig. „Na ja. Ich hoffe, du weißt noch alles, dann geht es schneller." Sie zauberte sich wieder trocken und tat dasselbe mit James, nur dass sie ihn von der ganzen Farbe befreite. „Kommst du?"
Sie drehte sich bereits um und ging in die Richtung, die zur Bibliothek führte.
James sah ihr kurz nach, ehe er ihr folgte und sie einholte. Nun, immerhin würden sie jetzt die nächsten zwei Stunden zusammen verbringen. Auch wenn es nur die Bibliothek war, so war das immerhin ein großer Fortschritt, dachte er und verkniff sich ein breites Grinsen.
Von Verpiss dich, du ätzende Nervensäge! aus der letzten Woche trotz der ab und an geführten Gespräche der versöhnlicheren Art zu Kommst du? war wirklich ausgezeichnet, meinte James. Und nicht zu vergessen das: Ich fand den Abend am Freitag wirklich schön.
Seine Welt war noch nie so gut gewesen wie in diesem Moment.
xx
Remus schlenderte durch die Hogswartskorridore und war auf der Suche nach Peter. Er bog in einen Gang im dritten Stockwerk nahe der Buckligen Hexe ein und sah Snape, der einem Fünftklässler aus Hufflepuff zwei Phiolen in die Hand drückte. Sie waren durchsichtig, in einer schimmerte eine silbrige Flüssigkeit, in einer anderen eine blaue.
„Das macht dann sieben Galleonen", sagte Snape schnarrend.
Der Hufflepuff zog eine Grimasse. „Vier, Snape."
Snapes Lippen wurden schmal. „Fünf. Nicht weniger. Das Zeug ist nämlich wirklich gut."
„Na, das hoffe ich doch", murmelte der Hufflepuff. „Sonst werde ich mein Geld zurückverlangen." Er kramte fünf Galleonen aus seiner Hosentasche hervor und gab sie Snape. Dann verschwand er, Remus nicht beachtend.
Remus hatte der Szene ungläubig zugesehen. Vertickte Snape also etwa diese drogenhaltigen Zaubertränke, die in letzter Zeit so viele Schüler zu haben schienen? Allein das ganze Zeug, was auf der Party vergangenen Freitag angeschleppt worden war...
Snape sah auf, nachdem er das Geld gezählt hatte und erblickte den Gryffindor. Seine Miene wurde schlagartig eisern.
„Üben wir uns als Drogendealer, Severus?", fragte Remus und kam langsam näher. Er war jederzeit bereit, seinen Zauberstab zu ziehen, falls der Slytherin einen Angriff startete.
Snape versteifte sich. „Ich weiß nicht, wovon du redest, Lupin."
Remus lächelte nachsichtig. „Ach... seit Beginn des Schuljahres hat es sich rumgesprochen, dass drogenhaltige Tränke zu bekommen sind. Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass du derjenige bist, der sie zusammenbraut, nicht wahr? Du giltst als der Meister der Zaubertränke."
Snape steckte das Geld ein und maß Remus mit mürrischen Blicken. „Wie auch immer, Lupin. Es geht dich einen Scheißdreck an."
Er wandte sich zum Gehen, Remus dabei anrempelnd.
„Vertickst du die Drogen auch an die Jüngeren?", verlangte der Gryffindor zu wissen. Seine bernsteinfarbenen Augen waren fest auf Snape gerichtet.
Dieser wirbelte herum, hob seine Hände und stieß Remus nach hinten. Dieser prallte hart gegen die Steinwand des Ganges und verzog leicht das Gesicht. Snapes Hand lag noch auf seiner Brust, der dunkelhaarige Junge blitzte ihn aus schwarzen Augen zornig an.
„Ich verkaufe es an die, die es haben wollen. Ich dränge mich niemandem auf, klar? Und ich wiederhole mich nur äußerst ungern... es geht dich einen Dreck an, was ich tue und was nicht. Werwolf."
Der Ausdruck in Snapes Augen war teuflisch geworden. Remus erstarrte.
„Ich finde es alles andere als amüsant, mir Vorhaltungen anzuhören von einem, der sich zu der größten Regelbrechertruppe zählt, die diese Schule jemals gesehen hat", fuhr Snape feindlich gesinnt fort. Seine Stimme war eiskalt. „Noch dazu von einem, der als Werwolf eine Gefahr für die ganze Schülerschaft ist", fügte er verächtlich hinzu.
Remus spürte, wie er selbst ärgerlich wurde. Er und Snape hatten nie über jenen Zwischenfall in der Heulenden Hütte geredet. Aber jetzt schien der Moment gekommen zu sein.
„Offensichtlich stelle ich nur für jene eine Gefahr dar, die leichtsinnig genug sind, die Heulende Hütte zu betreten", gab Remus also gereizt zurück.
Snape prallte augenblicklich zurück. In seinem dunklen Blick flackerte es auf. Er presste seinen Mund zu einer feinen Linie purer Grimmigkeit zusammen. Aber dann wurde er wieder hämisch. „Mag sein. Aber sag, Werwolf, wie ist es, Freunde zu haben, die bereit sind, dich morden zu lassen?"
Remus starrte Snape an. Eine alte Wunde brach in ihm auf, eine Wunde, die niemals richtig verheilt war, sich aber unter den Schichten der Zeit besser verbergen ließ. Der Slytherin schaffte mit wenigen Worten, sie wieder aufplatzen zu lassen.
„Das, Severus, müsstest du doch besser wissen", gab Remus gepresst zurück. Schmerz flammte in seinen Augen auf. „Als Sohn eines blutrünstigen Vampirs stehst du solchen Dingen viel näher als ich."
Snape wurde um mehrere Grade blasser; Remus hätte es kaum für möglich gehalten.
Der Ausdruck einer in die Enge getriebenen Raubkatze schlich sich auf Snapes Gesicht, gleichsam wuchsen die Schatten, die düsteren Vorboten einer unendlichen Finsternis. „Wie ich sehe, Lupin, haben wir beide Geheimnisse, von denen wir nicht wollen, das andere sie erfahren", sagte er mit einem beinahe schon geisterhaften Grinsen, das seine Augen kein einziges Mal berührte.
Remus nickte bedächtig. Dann schob er sich an Snape vorbei. Mochte dieser doch bewusstseinsverändernde Zaubertränke unter den Schülern verticken, wie er wollte... er selbst sollte sich darin besser nicht einmischen. Snape wusste zu viel und nur die Tatsache, dass Remus sein Vampirgeheimnis genauestens kannte, ließ eine erzwungene Vertrauensbasis zwischen ihnen entstehen, die keinesfalls gewollt war.
„Dann viel Spaß noch, Drogendealer", meinte Remus finster, während er seinen Weg fortsetzte und den Gryffindorturm anstrebte.
Dort fand er Peter und Sirius.
Er setzte sich zu ihnen hin. „Snape ist es, der diese drogenhaltigen Tränke verkauft", erzählte er und schüttelte den Kopf.
Peter machte große Augen, während Sirius nicht verwundert war. Er schien es bereits herausgefunden zu haben.
Und er hat mir nichts davon erzählt, dachte Remus unwillkürlich.
„Tja, Snape ist auf dem besten Wege Todesser zu werden. Schätze, Verkauf von selbst zusammengebrauten Drogentränken an Minderjährige im Lebenslauf stehen zu haben verschafft ihm besseren Eindruck bei ihnen", meinte Sirius spöttisch.
„Snape ist mir unheimlich", gab Peter bekannt.
Sirius streifte ihn mit höhnischen Blicken. „Wieso'n das, Wormtail. Snivellus ist ein Freak mit grauen, verwaschenen Boxershorts. Also ehrlich, wenn du vor dem Angst hast, wie willst du dann gegen die anderen Schwarzmagier bestehen?"
Peter sah Sirius an, sein Blick in den kleinen Augen war ein wenig unleserlich. „Weiß nicht...", gab er zu. „Aber ich finde, du solltest Snape nicht unterschätzen."
Sirius winkte verächtlich ab.
Remus gab Peter Recht. „Snape ist ein begnadeter Zauberer, der die Schwarzen Künste vortrefflich beherrschen soll, wie es immer heißt."
Sirius schnaubte nur. „Na und? Ich beherrsche sie auch, wenn du so willst."
Remus nickte schwach. Als Spross einer schwarzmagischen Familie war dies kein Wunder. Aber Snape hatte sicher Übung darin. Sirius nicht. Und außerdem... „In Snape fließt das Blut eines Vampirs. Und somit auch ein Teil dieser Fähigkeiten, Padfoot. Glaub mir, du machst 'nen Fehler, Snape zu unterschätzen."
Vampire waren immerhin mächtig, was ihre Zauberkraft besaß.
Sirius rollte mit den Augen. „Ja, ja, Moony. Können wir jetzt das Thema wechseln? Oder wollt ihr euch noch vorher Autogramme von Snivellus holen..."
Damit las er weiter in der Anzeigenzeitung.
Remus wusste, dass Sirius auf der Suche nach einer eigenen Wohnung war und Anzeigen durchging, um eine zu finden. Er wollte eigentlich nach Mugglewohnungen suchen, aber in der Mugglewelt musste man 18, in manchen Ländern sogar 21 sein, um die Volljährigkeit zu erlangen. Sirius war Jahrgang 1960 und somit noch 17. Außer, Dumbledore ließ die Mugglewohnung auf seinen Namen laufen. Damit würde Sirius' Vater es auch nicht so schnell herausfinden, wenn sie nicht auf den Namen Black lief.
Eine Mugglewohnung wäre vor den Augen seines Vaters sicherer. Aber dennoch schaute er sich auch nach magischen Wohnungen um. Sirius hatte sich noch entschieden. Dumbledore hatte ihm einige Verkäufer genannt.
Zwischen den Anzeigen lag ein Prospekt aus der Mugglewelt, der Motorräder abbildete. Hübsche Frauen saßen darauf. Sirius hatte vergleichsweise schnell das Interesse an der Wohnung verloren und sah sich die Motorräder an.
Remus sah es in Sirius' dunklen Augen lausbubenhaft aufleuchten. Ein Grinsen umspielte seine Lippen, das immer stärker und zusehends frecher wurde.
„Padfoot?", fragte Remus stirnrunzelnd.
Sirius sah auf. „Schau dir diese Maschinen mal an", sagte er und klang begeistert. „Stell dir vor, du besäßest eine und müsstest sie nur noch magisch aufmotzen. Zum Beispiel, so, dass sie fliegen kann. Wäre das nicht lustig?"
Peter nickte langsam.
Remus fand die Idee nicht schlecht, auch wenn sie sich recht verboten anhörte. Aber ein... fliegendes Motorrad hatte es schon in sich.
„Aber woher willst du dir denn so was kaufen?"
„Na, da", sagte Sirius und deutete auf das Prospekt.
„Nun, du kannst es dir da kaufen, aber wenn sie dir erzählen, dass du dich irgendwo noch anmelden musst, allein wegen der Nummernschilder, dann tue so, als wüsstest du Bescheid, aber setze es nicht in die Tat um", sagte Peter, der etwas Ahnung von Mugglekunde hatte. „Denn du bist in der Mugglewelt nicht registriert."
Sirius hatte Peter interessiert gelauscht, dann nickte er. „Klar, Kumpel. Ich gehe da einfach hin und kauf mir 'ne Maschine. Solange ich das Geld auf den Tisch lege, werden sie mich eh nicht am Kauf hindern."
„Dann denk dran, die Galleonen in Pfund umzutauschen", meinte Peter. „Und versuch zu verhandeln, binde denen nicht gleich auf die Nase, dass du genügend Geld besitzt, denn oft gehen sie mit den Preisen ein wenig runter."
Sirius klopfte Peter freundschaftlich auf die Schulter. „Komm doch mit, Wormtail. Du kannst mir helfen, es zu kaufen."
Peters Gesicht erhellte sich und er lächelte froh. „Geht in Ordnung. Aber wann willst du da hin? Wir haben wegen der Party alle Hausarrest und du kannst doch McGonagall schlecht sagen, dass du in die Mugglewelt losziehen willst, um ein Motorrad zu kaufen, um es anschließend auch noch zu verhexen? Es ist zudem verboten, Mugglegegenstände zu verzaubern."
Sirius lachte selig. Grübchen bildeten sich nahe den Mundwinkeln. „Das ist mir doch egal! Und wir ziehen heimlich los."
„Hmm." Peter dachte nach. „Dann würde ich nur einen von uns mitnehmen, Padfoot. Zwei bleiben hier, damit es nicht auffällt. Und es würde nur an einem unterrichtsfreien Nachmittag gehen."
Sirius fackelte nicht lange mit seinen Überlegungen. „Dann bleiben Prongs und Moony hier."
Peter war überrascht; Remus konnte sehen, wie er stolz wurde, dass Sirius sich eine Maschine nur mit Peter kaufen wollte, ohne James und ihn.
„Na gut", seufzte er. „Wir decken euch dann. Aber Prongs wird mitkommen wollen."
„Und wo willst du das Motorrad dann verstecken?", fragte Peter.
Sirius hob die Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht bei Hagrid? Er mag uns. Und für solche Sachen ist er doch immer zu haben."
„Na ja, wenn das Motorrad irgendein Monster wäre, schon", grinste Remus.
Sirius schnitt eine Grimasse. Er war zuversichtlich. „Ach, das klappt schon alles."
xx
Zwei Stunden später hatten James und Lily in Rekordtempo den Aufsatz über Verwandlung neu geschrieben und bei McGonagall abgegeben. Auch wenn Lily ein Schuljahr unter James war, hatte sie sich nützlich machen können.
Jetzt standen sie beide vor McGonagalls Büro; Lily hatte davor auf James gewartet, der sich ohnehin von seiner Hauslehrerin noch etwas in Sachen Pflichten und Verantwortung hatte anhören müssen.
Er grinste entnervt, als er rauskam. „Alte Schreckschraube", murmelte er zu Lily.
Zusammen schlenderten sie zum Gryffindorturm. Als sie das Portrait der Fetten Dame erreicht hatten, hielt James inne.
Er rieb sich unauffällig seine Handinnenflächen an der Hose ab, da er schwitzte. „Sag mal, Lily... wenn wir wieder nach Hogsmeade dürfen, magst du dann mal mit mir ausgehen?"
Wie oft hatte er sie das schon gefragt...
Lily sah ihn an, in ihren grünen Augen glitzerte es fröhlich. Statt einer Antwort nannte sie das Passwort, das Bild schwang zur Seite und sie kletterte in den Gemeinschaftsraum hinein.
James folgte ihr.
Drinnen drehte sie sich noch einmal zu ihm um, dann lächelte sie. „Nun... warum nicht? Nachdem ich die letzten zwei Stunden mit dir ausgehalten habe, wird wohl auch ein Nachmittag in Hogsmeade nicht so schlimm sein."
James starrte sie an. Sie hatte zugesagt. Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar und zerwuschelte es. Dann grinste er schnell und frech.
Lilys Lächeln verblasste derweil. „Du musst mir nur versprechen, Snape nicht mehr fertig zu machen."
James' Blick flackerte. „Was?"
„Ich finde es nicht Ordnung, und solange du in dieser Hinsicht nicht vernünftig bist... wir dürfen erst in einem Monat wieder dahin, James. Wenn ich bis dahin erkenne, dass du ihn in Ruhe lässt, gehe ich mit dir aus."
Sie zwinkerte ihn zu, dann wandte sie sich ab und ging hoch in ihren Schlafsaal.
James starrte ihr hinterher. Ein Date mit Lily und dafür musste er Snape in Ruhe lassen... Wieso? Was hatte Lily immer nur mit Snape, von dem doch wohl mittlerweile eindeutig klar war, dass er mal Todesser werden würde?
„Prongs!", rief Sirius von einem der Tische und James ging langsam zu seinen Freunden herüber.
Er erzählte den anderen, was vorgefallen war.
Sirius und Remus grinsten die ganze Zeit über, endlich hatte ihr Kumpel es offenbar geschafft, Lily daten zu können. Niemand bemerkte Peters entsetzten Gesichtsausdruck.
„A-aber... wirst du Snape denn wirklich in Ruhe lassen?", fragte er stotternd.
Es war Sirius, der für James antwortete. „Natürlich wird er das." Sein Grinsen wurde verschwörerisch. „Zumindest immer in Lilys Gegenwart."
Und er und James lachten.
xx
Zwei Wochen später standen Peter und Sirius auf einem Parkplatz am Rande Londons. Der Boden war festgetretener Schlamm, hin und wieder von Pfützen unterbrochen. Autos, Motorräder und Roller mit schiefen Preisschildern standen überall. Weiter hinten befand sich ein kleines Gebäude mit flachem Dach, das recht heruntergekommen aussah. Es musste mal weiß gewesen sein, jetzt war es nur noch ein hässliches Grau. Stufen führten zu einer überdachten Terrasse, die Tür führte ins Büro. Die Fenster waren dreckig, die Läden schief. Hinter dem Gebäude befand sich ein weiterer Platz, wo die Maschinen repariert und auf Vordermann gebracht wurden.
„Und du bist dir sicher, dass das Millers Motormeile ist?", fragte Peter zweifelnd.
Sirius hob die Schultern. „Weiß ich nicht, es ist ja nirgendwo ein Schild zu finden. Aber hier gibt es Motorräder. Mehr will ich ja nicht."
„Aber ich bezweifle, dass du hier was in guter Qualität bekommst."
„Ach, Wormtail, wozu, wenn ich später eh alles magisch verbessere und aufpoliere?" Sirius fehlte es wie immer an Geduld und er machte sich auf, den Parkplatz zu betreten, um sich die Motorräder anzuschauen. „Und außerdem... kein normales Mugglegeschäft würde mir ein Motorrad verkaufen. Diese Bruchbude hier sieht aber so aus, als würde sie es tun."
Schon bald kam ein Mann aus dem Gebäude. Er war groß und massiv gebaut mit einem angegrauten, halbwegs gestutzten Vollbart; er trug Lederhosen und eine Lederjacke, darunter ein Hemd.
„Na, Jungs", fing er an, „ich bezweifle sehr, dass ihr schon alt genug seid, um Motorräder zu kaufen, hm."
„Wieso", entgegnete Sirius selbstbewusst, „ich bin schon achtzehn."
„So?" Der Mann hob seine buschigen Augenbrauen. „Dann zeig mir mal deinen Führerschein."
„Meinen was?"
Die Miene des Mannes wurde verblüfft. „Hör mal, willst du mich verarschen, du Knilch?"
„Eh, nein, das will er nicht", intervenierte Peter schnell. „Mein Freund ist nur noch nicht so ganz von seinem LSD-Trip runter."
Peter hatte gehört, dass alle Muggle-Motorradfahrer LSD und Koks nahmen, ahnte jedoch nicht, dass es sich hierbei durchaus um Vorurteile handeln konnte.
Der Mann stutzte, dann fing er an zu lachen. Offenbar schien er das für einen Scherz zu halten. Oder aber er fand es gut, wenn jemand auf einen LSD-Trip war.
Sirius vermochte es nicht zu sagen, er wusste ja noch nicht einmal, was mit LSD gemeint war. Aber das interessierte ihn im Moment auch nicht.
„Würden Sie mir ein Motorrad verkaufen, Sir?", fragte er also, um Höflichkeit bemüht.
„Ohne Führerschein, Bürschchen? Hm, dir ist schon klar, dass der Preis damit höher wird?"
„Das ist uns bewusst", sagte Peter schnell.
Der Mann kratzte sich am Hals, kramte dann eine Zigarettenschachtel aus seiner Brusttasche und zündete sich eine Zigarette an.
Sirius sah fasziniert zu. Er hatte von den Zigaretten gehört.
Der Mann zeigte Sirius verschiedene Maschinen, die allesamt prächtig aussahen.
Letztendlich entschied er sich für eine und Peter versuchte ein wenig zu verhandeln. Er stellte sich geschickt dabei an und Sirius bezahlte den abgemachten Preis. Er hatte draufzahlen müssen, dafür, dass es hier illegal zur Sache ging.
Sirius schob die Maschine vom Platz. Kaum waren sie außer Sichtweite, blieb er stehen. „Los, Wormtail, setz dich, wir drehen ein paar Runden!"
Peter sah ihn entsetzt an. „Jetzt? Hier? Aber du hast keinen Führerschein! Und du bist noch nie auf so 'nem Ding gefahren!"
Sirius winkte ab. „Laber nich', so schwer kann's nicht sein! Ich freu mich schon drauf, dran rumzuzaubern! Ich werd's vergrößern, so dass wir dann alle vier drauf sitzen können!"
Er schwang sich auf den Ledersitz und Peter, der nicht als Feigling da stehen wollte, nahm zögerlich hinter ihm Platz. Irgendwie brachte Sirius ihn immer dazu, Dinge zu tun, die er nicht tun wollte.
„Oh, Merlin steh uns bei", betete Peter.
Sirius lachte nur und startete die Maschine, so, wie er es in einem Buch darüber gelesen hatte. Daraus hatte er auch in der Theorie gelernt, wie man ein Motorrad fuhr. Mit einem lauten Knall und einem anschließenden Knattern ging der Motor an und Sirius gab Gas.
Viel zu sehr, so dass sie in hoher Geschwindigkeit davon rasten und beinahe gestürzt wären.
Peter schrie.
Sirius bremste hastig ab, so dass sie langsamer wurden und kämpfte um das Gleichgewicht. „Ist doch nicht so einfach!", rief er lachend gegen den Motorenlärm.
Er war ausgelassen und es kümmerte ihn herzlich wenig, dass er das Risiko einging, einen Unfall zu bauen.
Peter stöhnte auf. „Dann haaaalt aaaaan!"
Aber Sirius dachte nicht daran. Schon bald kamen ihnen Autos entgegen und Sirius, der die Verkehrsregeln nicht kannte, stiftete Chaos an. Er fuhr über Rot, missachtete Vorfahrtregeln, überholte von der falschen Seite und fuhr Schlangenlinien.
Autos hupten, Menschen keiften.
„HEEH, DU ARSCHLOCH! WO HAST DU DEINEN FÜHRERSCHEIN GEMACHT?"
„VERDAMMT, PASS DOCH AUF!"
„HUUUUUUUUUUUPPP!"
In den Kurven lehnte Sirius sich leicht mit hinein, so, wie es in dem Buch gestanden hatte. Er fuhr sehr holprig, der Motor machte unnatürliche Laute, weil er nicht gut genug fuhr, und mehr als nur einmal hätten sie einen Unfall gebaut, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig ausgewichen wären. Einmal fuhr Sirius gegen ein Schild.
Dann waren irgendwann Sirenen zu hören, die näher zu kommen schienen.
„Waaah, Padfoot! Das sind diese Bullen, oder wie sie sich nennen! Schnell, wir müssen weg von hier!", rief Peter angsterfüllt. Oh, Mist, ob er Hogwarts jemals wieder lebend zu Gesicht bekommen würde?
„Bullen? Was meinst du damit?", wollte Sirius verwirrt wissen.
„Mann, Padfoot, das sind so was wie die von der Magischen Patrouille! Oder noch schlimmer! Wie die Eingreifzauberer und Auroren! Sie werden uns festnehmen!"
Das genügte. Sirius lenkte in Richtung Westen, überquerte einen Bürgersteig, wobei die Fußgänger kreischend auseinander stoben und fing an, querfeldein über eine Wiese zu fahren, direkt in einen kleinen Wald hinein.
Knatternd hielt er die Maschine an, sie holperten noch ein kleines Stück.
„Unauffälliger ging's echt nicht! So viele Zeugen! Sie werden uns in den Wald folgen!", jammerte Peter, der sofort abgestiegen war, als sich ihm die nächstbeste Chance geboten hatte. Er warf seinem Kumpel aufgebrachte Blicke zu. „Du spinnst total! Wir hätten draufgehen können!"
Sirius stellte den Motor ab; seine Augen leuchteten. Er ignorierte Peters Wutausbruch. „Wenn die Kiste hier erst einmal fliegt, wird das so genial!"
Die Sirenen waren immer noch zu hören, sie wurden lauter und lauter.
Sirius runzelte die Stirn. „Sehr dumm von dieser Muggle-Patrouille, so viel Lärm vor ihrer Ankunft zu machen! Das gibt doch allen Verbrechern genügend Zeit, zu verschwinden."
Peter warf ihm einen gereizten Blick zu. „Ja, Verbrecher, wie du einer bist, Sirius!", motzte er. Er hatte den Schrecken dieser halsbrecherischen Fahrt noch in den Knochen sitzen.
Sirius griente. „Mach ma' halblang, Wormtail." Er zauberte das Motorrad klein, so dass er es tragen konnte.
Peter staunte. Seine Wut verflog ein wenig. Er hätte so einen Zauber nicht geschafft.
„Los, wir apparieren nach Hogsmeade zurück."
Und mit einem lauten PLOPP verschwanden sie, noch ehe die Polizei eintreffen konnte.
xx
Einige Monate später.
„Mit wem hast du dich denn geprügelt?", fragte Hagrid, als Sirius in seine Hütte gestolpert kam.
Er hatte den Halbriesen vor ein paar Monaten dazu überreden können, dass dieser sein Fliegendes Motorrad versteckte. Sie hatten einen geheimen Raum angebaut, wo das Motorrad sich befand. Hagrid hatte zugesagt, denn er mochte die Rumtreiber und verstand sich gut mit ihnen.
Sirius grinste schwach. Er hatte ein blaues, zugeschwollenes Auge und eine aufgeplatzte Unterlippe. Er hatte sich mit Barty geprügelt, dem fünfzehnjährigen, unglaublich frechen und schwarzmagischen Burschen und McGonagall hatte ihnen verboten, zur Pomfrey zu gehen, damit ihre Verletzungen auf Muggleart heilten – als Strafe und Lehre.
Sirius bezweifelte, dass es ihm eine Lehre war, aber das hatte er seiner Hauslehrerin lieber nicht gesagt.
„Mit Crouch, dem scheiß zukünftigen Todesser", antwortete er. Sein Grinsen verblasste ein wenig, als er an den Slytherin dachte. „Diese miese Sau."
Wenigstens hatte der Slytherin viel mehr Blessuren davon tragen müssen.
Hagrid hob seine Augenbrauen. „Na, na, na", machte er gutmütig. Dann wechselte er das Thema. „Wieder mal hier, um dein Motorrad aufzumotzen?"
Sirius nickte, seine Augen begannen zu strahlen. Er liebte sein Motorrad. Er hatte es vergrößert, so dass er seine Freunde mitnehmen konnte und so war es zu einer unglaublich riesigen Maschine geworden. Außerdem konnte es mittlerweile fliegen. Mit nur einem Fußkick brachte man es zum Starten, dann gab man Gas und es hob ab in die Lüfte.
Er hatte mit James, Remus und Peter schon einige lustige Trips hinter sich, mehr als einmal wurden sie von einigen Zauberern der Magischen Polizeibrigade aufgespürt und hatten sich mit ihnen eine wilde Verfolgungsjagd geliefert. Sie waren jedes Mal unerkannt entkommen.
Eine Lederjacke hatte er sich auch geholt und er war auf den Geschmack von Hardrock gekommen.
Inoffiziell wusste nahezu jeder Schüler in Hogwarts von Sirius' Fliegendem Motorrad und er war dadurch noch um einige Grade beliebter geworden. Jeder wollte mal mitgenommen werden, aber der Junge nahm nur Auserwählte mit.
Dazu gehörte allmählich auch Lily Evans, die nun mehrere Male mit James ausgegangen war. James hatte aufgehört, Snape in ihrer Gegenwart – oder in der ihrer Freunde – zu triezen, tat es aber weiterhin hinter ihrem Rücken. Er zügelte sich in seiner Arroganz und war bis über beide Ohren in das Mädchen verliebt.
Lily hatte irgendwann aufgehört, sich gegen James' Charme wehren, so dass sie fast jedes Wochenende zusammen ausgingen.
Peter hatte sich aus irgendeinem unerfindlichen Grund in Lerneifer gestürzt; niemand war aufgefallen, dass es begonnen hatte, als Lily und James angefangen hatten, zu daten.
Sirius hatte fast jedes Wochenende ein anderes Mädchen, mit dem er ausging. Er sah das alles locker und verliebte sich nie. Er hatte Mina gewaltsam aus seinen Gedanken verbannt, weil er wusste, dass alles andere ihn fertig machen könnte. Sie schlich sich manchmal wieder in seinen Kopf, er hatte auf einmal ihr Bild vor Augen, jene Nacht, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Vor zwei Jahren. Nie wieder hatte er seitdem für ein Mädchen das verspürt, was er für sie empfunden hatte. Aber das gab er niemals zu, er versuchte sich selbst sogar anzulügen. Er machte sich weis, dass es nur kurzfristige Emotionen gewesen waren. Er verdrängte sie dann immer mit aller Macht aus seinem Kopf, versuchend, sie gleichfalls aus seinem Herzen zu jagen.
Und so kostete er die letzte Zeit in Hogwarts aus, um unbeschwert leben zu können. Da er im Unterricht noch nie Schwierigkeiten gehabt hatte – genauso wenig wie James – brauchte er auch nicht in Prüfungsstress zu geraten. Die NEWTs würde er schon erreichen, damit hatte er keine Probleme.
Es war Mai. Das Wetter war schön, die Schüler tummelten sich draußen auf den Wiesen. Selbst die Siebtklässler nahmen ihre Schulsachen mit nach draußen, um in der Sonne weiter zu büffeln.
Der Frühling mit den duftenden Blumen und den Schmetterlingen und zwitschernden Vögeln grenzte die dunklen Schatten aus, die über England zogen.
Es war so gekommen, wie sie es sich alle gedacht hatten. Voldemort hatte viele Reinblüter unter sein Banner geschart, welche sich Todesser nannten. Sie zogen durch die Straßen, griffen in aller Regelmäßigkeit Mugglehäuser und Blutsverräter und Mugglestämmige an. Der hämisch grinsende Totenkopf leuchtete hin und wieder irgendwo bedrohlich über ein brennendes Haus gen Himmel auf, jedes Mal wurden Tote verzeichnet, Gefangene wurden gemacht, welche man qualvoll folterte und letztendlich tötete, nicht ohne ein letztes Foto in entstellter Form überall in der Öffentlichkeit zu verteilen. Sie wollten Angst und Schrecken verbreiten und das erzielten die Todesser mit Erfolg. Sie bedienten sich des Terrors und spalteten die Gesellschaft immer mehr in zwei Lager auf. Noch waren die Angriffe selten. Aber regelmäßig. Meist zwei Mal im Monat.
Die Auroren waren ständig im Einsatz, ebenso die Eingreifzauberer der Polizeibrigade.
Eltern von mugglestämmigen Schülern wurden manchmal angegriffen und sogar umgebracht. Erst letztens war eine magische Bombe in einem Mugglekaufhaus explodiert. Zwei Monate später explodierte etwas in der Muggleabteilung im Zaubereiministerium; 11 Beamte verloren dabei ihr Leben.
Es war eine dunkle Zeit, die anbrach. Sowohl Voldemort, als auch die Aurorenabteilung hatten allmählich angefangen, Spione einzusetzen, sie lauerten sich gegenseitig auf und hatten sich bereits zweimal wilde Straßenschlachten geliefert. Erinnerungen von Mugglen mussten gelöscht werden, weil sie Dinge gesehen hatten, die sie nicht hätten sehen dürfen.
Das Zaubereiministerium war zur Hälfte korrupt. Man versuchte vergeblich, an Voldemort heran zu kommen. Er war immer unauffindbar. Und doch war er überall, denn er lenkte die Fäden des Terrors geschickt und gnadenlos.
Da James' Eltern Auroren waren, bekamen die Rumtreiber immer viel mehr mit, als in der Presse berichtet wurde. Denn der Tagesprophet, zunächst in heller Empörung über die Todesser, traute sich immer weniger, sie zu kritisieren. Journalisten wurden erpresst und mussten zu Recht um ihr Leben fürchteten, so dass die Kritik allmählich totgeschwiegen wurde. Über die Anschläge wurde weiterhin berichtet, aber in einem neutralen Ton.
So allmählich konnte man niemandem mehr trauen. Es zeichnete sich ab, dass in Zukunft immer häufiger jemand zur Dunklen Seite überlaufen würde, Zauberer und Hexen, von denen man es nicht gedacht hätte.
Dumbledore selbst arbeitete unermüdlich gegen Voldemort und seine Todesser, aber Sirius und den anderen war schleierhaft, was genau er tat.
Sicher war nur eines: Hogwarts war der einzige Ort, der zu hundert Prozent sicher war vor den Anschlägen der Schwarzmagier.
James wollte Auror werden und Sirius überlegte, ob er sich auch zu einem solchen ausbilden lassen sollte. Seine Mutter würde die Krise kriegen, wenn sie das mal erfahren sollte und er hoffte, es ihr dann mal selbst eines Tages sagen können, nur, um ihr schockiertes Gesicht sehen zu können. Remus sprach selten über seine Zukunft nach der Schule, was Sirius immer ein wenig misstrauisch machte, ohne dass er wusste, warum. Remus argumentierte immer damit, dass er als Werwolf eh keinen Job kriegen würde, aber Sirius hatte ihm gesagt, dass er das ja nicht jedem auf die Nase binden müsste. Er konnte Remus und dessen Resignation diesbezüglich nicht so ganz verstehen.
Gerüchte kamen immer wieder auf, dass Voldemort Kreaturen jeglicher Art auf seine Seite ziehen wollte. Kobolde, Riesen, irgendwelche Gestalten mit Mischblut, Vampire, sogar Werwölfe...
Peter wollte im Zaubereiministerium eine Stelle bekommen. Am liebsten in der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit, wo Diplomatie eine Schlüsselrolle spielte. Da gehörte er auch hin, wie Sirius fand.
Lily hatte mal gesagt, dass sie nur deswegen überlegte, Auror zu werden, weil die Zeiten so finster waren und sie es irgendwie als eine Pflicht sah. Ihr Traumberuf war ein anderer und ging in Richtung Zauberkunst. Aber sie hatte ohnehin noch ein Jahr in Hogwarts vor sich.
Was immer auch die Zukunft mit sich bringen würde, sie würde düster sein.
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Die Zeit raste förmlich dahin. Manchmal fragte sich Remus, wo sie geblieben war. All die Zeit in der Schule, sieben Jahre lang, unbeschwert, lustig und unbezahlbar trotz einiger Probleme und Hindernisse.
Jetzt, nach den ganzen stressigen Prüfungen, für die er sehr hart gearbeitet hatte, nach der fröhlichen Hauspokalsiegerfeier der Gryffindors, wünschte er sich, er könnte die Zeit anhalten. Sie stoppen, damit die Uhr nicht mehr weitertickte, damit alles in der Ewigkeit einfror und nicht zur Erinnerung wurde.
Aber dies war ein Ding der Unmöglichkeit und das war Remus klar. Er musste sich damit abfinden, dass er morgen die Schule verließ und somit einen Lebensabschnitt beendete. Um einen neuen zu beginnen, einen, vor dem er sich insgeheim fürchtete. Er war schließlich ein Werwolf... außerhalb der schützenden Mauern Hogwarts konnte es mitunter viel leichter rauskommen. Was dann? Wie sollte er überhaupt einen Job langfristig behalten, wenn er jeden Monat ein paar Tage nach dem Vollmond völlig fertig war?
Er würde es nicht schaffen, sich sozial sonderlich gut zu integrieren, einen angesehenen Berufsstatus zu erlangen und ein unbekümmertes Leben zu führen. Aber, sagte er sich dann, solange er Freunde hatte, die zu ihm standen, würde er alles überstehen.
Remus hoffte sehr, dass die Freundschaft zu den anderen Rumtreibern auch nach der Schulzeit bestehen würde, dass sie ihr Leben einfach fortsetzten, nur mit dem Unterschied, dass es außerhalb Hogwarts war.
Das es nicht so einfach sein würde, war ihm bewusst. Aber sie konnten es wenigstens versuchen. Nur eines gab es, was ihn bedrückte. Wenn er tatsächlich finanzielle Probleme bekam, würde er es sich seinen Freunden gegenüber nicht anmerken lassen. Er würde nicht darüber reden und sich weiter zurückziehen, das wusste Remus einfach. Er wollte kein Bettler sein und das Geld von anderen schon gar nicht annehmen.
Aber erst einmal sollte er zuversichtlicher sein, denn vielleicht bekam er ja doch alles auf die Reihe. Und zunächst einmal stand der Abschlussball bevor.
Er diente als krönender Abschluss; bereits am Vormittag waren die NEWTs vergeben worden. Jeder Siebtklässler hatte in der Großen Halle gesessen und McGonagall hatte jeden einzelnen nach vorne gerufen. Dumbledore hatte die Anzahl der NEWTs verkündet, die Zeugnisse und Urkunden überreicht, sowie eine Medaille mit dem jeweiligen Hauswappen als Erinnerung, und dem Schüler gratuliert.
Es war eine lange, aber sehr feierliche Prozedur gewesen.
Jetzt stand der Ball bevor und dann die allerletzte Nacht in dieser Burg, die für Remus ein zweites Zuhause geworden war.
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Die Große Halle war festlich und in allen Hausfarben geschmückt. Die Tische waren an die Wände gestellt worden, so dass in der Mitte genug Platz geschaffen war für das Tanzen.
Eine Band spielte flotte Musik.
Der Ball war nur für die Siebtklässler gedacht, jüngere Schüler durften nur teilnehmen, wenn jemand aus dem Siebten Jahr sie zum Ball eingeladen hatte.
James hatte Lily eingeladen, also durfte sie daran teilnehmen. Peter hatte dies mit einer stillen, bitteren Enttäuschung wahrgenommen und saß nun an einem der Tische und beobachtete das fröhliche Paar beim Tanzen. Seine Begleitung, ein Hufflepuff-Mädchen aus der Vierten, war Getränke holen und an der Bar von einem Mädchen aus ihrem Jahrgang, das einen Ravenclaw begleitete, aufgehalten worden.
Peters Gedanken waren ohnehin nicht bei ihr. Sondern bei Lily. Und James.
Wieso James? Wieso bekam James Lily, wo er doch immer so arrogant war und weiterhin so egoistisch geblieben war und Snape weiter verhext hatte, solange es Lily halt nicht mitbekam?
Peter schob seine Unterlippe zwischen die Zähne und zog die Augenbrauen zusammen. Er nahm einen großen Schluck der Feuerzangenbowle und hoffte, er konnte sich gut betrinken, damit er seinen inneren Schmerz vergaß, den er verspürte, wenn er an James und Lily dachte. Wenn ihm in den Sinn kam, dass er niemals eine Chance bei ihr haben würde, ganz gleich wie nett sie zu ihm war. Wahrscheinlich war sie es nur deswegen, weil sie Mitleid mit ihm hatte. Immerhin galt er immer als Anhängsel. Er hatte gerade die nötige Anzahl an NEWTs geschafft, um nicht durchzufallen. Er war im Duellieren eine Niete und zu schüchtern, um bei Mädchen anzukommen. Das gute Aussehen fehlte ihm auch... oh, er würde heute in Selbstmitleid zerfließen.
Dabei war er ein taktisch kluger Kopf. Er konnte gerissene Pläne spinnen und war in Sachen Diplomatie unschlagbar. Außerdem würde er Lily für den Rest seines Lebens treu sein. Er würde niemanden hinter ihrem Rücken fertig machen wollen, er würde ihr jeden nur erdenklichen Wunsch von den Lippen ablesen... er würde die Welt für sie ändern wollen, es zumindest versuchen.
Bei Merlin, er liebte sie.
Eigentlich wusste Peter nicht so Recht, was Liebe eigentlich war, aber er verspürte wildes Herzklopfen, wenn er an Lily dachte. Und andere Sachen. Er wusste, dass er sie liebte.
Wieder nahm er einen Schluck.
Wieso konnte er dieses flammende Gefühl im Herzen nicht ersticken? James war sein Freund und war schon hinter Lily her gewesen, als sie ihm selbst noch gar nicht aufgefallen war. Es war Verrat, sich nach der Freundin des Freundes zu sehnen. Auch wenn Lily noch nicht die feste Freundin von James war... alles deutete darauf hin, das sie es werden würde.
Ausgerechnet Lily. Die James jahrelang angegiftet hatte. Siriuswar felsenfest davon überzeugt gewesen, dass sie ihn dennoch gut gefunden hatte. Aber Peter hatte es nie glauben wollen. Und nun...
Peter holte tief Luft. Verdammt... er sollte Lily aus seinem Kopf bannen. Aus seinem Herzen. Nur wie?
Vielleicht schaffte es ja der Alkohol. Wieder trank er, diesmal leerte er das Glas mit einem Zug und füllte es sich kurz darauf neu.
Verdammt...
Hinzu kam noch, dass die Schulzeit morgen zu Ende sein würde. Sie würden ein neues Leben anfangen, außerhalb der beschützenden Reichweite von Dumbledore und der sicheren Mauern Hogwarts'. Peter machte sich große Sorgen darüber. Da er als Ratte des Öfteren die Slytherins ausspioniert hatte, wusste er sehr wohl, dass sie von Voldemorts Macht überzeugt waren.
Sie nannten ihn kaum Voldemort. Sondern stattdessen den Dunklen Lord.
Mächtig war er. Überhaus mächtig. Viel zu mächtig. Slytherins Erbe.
Wie sollte man es schaffen, standhaft gegen ihn zu kämpfen? Würde man nicht dabei sterben? Aber lebte man nicht nur einmal? Wäre es nicht leichtsinnig, dieses kostbare Leben, dieses Geschenk, einfach so wegzuwerfen, indem man Risiken einging, die tödlich enden würden?
Die Slytherins sagten, dass jeder sterben würde, der sich gegen Voldemort wandte.
Und Peter war klug genug, um zu begreifen, dass das Zaubereiministerium keine standfeste Verteidigungsbasis gegen die Schwarzmagier aufbauen konnte. Dazu war es zu tief in Korruption, Verrat und anderen Machenschaften verstrickt. Es gab noch die Polizeibrigade. Und die Aurorenzentrale. Aber wie viele würden den Todessern die Stirn bieten können?
Die Zahl der Anhänger Voldemorts wuchs langsam, aber beständig. Peter hatte Berichte gelesen und darüber nachgedacht. In ein bis zwei Jahren würden sie eine Mehrheit bilden, wenn sie so weiter machten. Wenn sie Gehirnwäsche betrieben, Terror verbreiteten und versuchten, die sozialen und politischen Strukturen der magischen Ordnung gewaltsam zu ändern.
Peter seufzte schwer, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und streckte seine Beine aus. Die Zukunft würde nicht leicht werden. Wieso musste er auch gerade in einer Zeit leben, die von Dunkelheit gezeichnet war?
Wieder fiel sein Blick auf James und Lily, die sich andauernd verliebt anlächelten.
Peters Laune sank noch weiter, wandelte sich in finstere Verzweiflung, geboren aus Liebeskummer und Frustration, begleitet von der beständigen Furcht von dem Leben außerhalb Hogwarts, von der gefährlichen politischen Lage, die sie alle erfassen würde.
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James war einfach nur glücklich. Er verstand sich immer besser mit Lily und es knisterte immer stärker zwischen ihnen, das konnte er förmlich spüren.
Sie tanzten schwungvoll und ausgelassen, er drehte sie, zog sie zu sich und elegant flogen sie nahezu über die Tanzfläche. Ihr Kleid bauschte sich dabei auf.
Sie waren im siebten Schuljahr des Öfteren miteinander ausgegangen. In letzter Zeit fast jedes Wochenende. James hatte trotz allem noch lernen können, und da er ein heller Kopf war, hatte er die Prüfungen ausgezeichnet abgeschlossen.
Sie hatten angefangen, hin und wieder Händchen zu halten und sich in Besenkammern zu küssen.
James wusste dennoch nicht so wirklich, ob sie nun seine Freundin war oder nicht, aber solange sie nicht auch noch mit anderen Jungs ausging – was sie nicht tat – und sie sich weiterhin trafen, würde sich ihre anfängliche Beziehung schon verfestigen.
Denn Lily war das einzige Mädchen, das er wollte. Aber das hatte er schon lange davor gewusst. Zugegeben, gerade ihre Unerreichbarkeit war all die Jahre hindurch der Reiz gewesen, zu versuchen sie zu erobern. Aber nun, wo dieser Faktor wegfiel und er sie besser kennen lernte, wollte er sie immer noch. Sie hatte eine verschmitzte und zugleich liebliche Art. Und wenn sie ihn ansah, glaubte James jedes Mal, sich in ihren Augen verlieren zu können.
Er hoffte bloß, dass der Kontakt anhalten würde, wenn Lily nach den Sommerferien wieder nach Hogwarts ging und er – sofern er angenommen wurde, wovon er ausging – seine Aurorenausbildung begann. Sie würden sich dann nicht gerade häufig sehen. Aber James sah dem recht arglos entgegen, denn im Moment war er zu verliebt, um schwermütig zu werden.
Er sah Sirius, der mit Emily tanzte. Er zwinkerte ihm fröhlich zu.
Hogwarts war schon eine geniale Zeit gewesen, fand James. Nicht zuletzt hatten sie sogar den Quidditchpokal errungen. Und... er hatte Freunde gefunden, für die er sein Leben hergeben würde.
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Remus hatte sich am Laufe des Abends zu Peter gesetzt, der schon schwer angetrunken wirkte. Das Mädchen, mit dem Remus zum Ball erschienen war und mit dem er auch gentlemanlike getanzt hatte – Kathy Johnsen, die ebenfalls in ihrem Jahrgang in Ravenclaw war – hielt sich bei ihrem Freundeskreis auf.
Vergeblich hatte Remus versucht, ein Gespräch aufrecht zu halten, aber Peter war offensichtlich nicht in der Stimmung. Er trank lieber.
Remus kannte den Grund für den Kummer seines Freundes nicht, aber nahm an, dass es mit dem Schulabschluss zusammenhing.
Es war wirklich nicht leicht, sich von Hogwarts zu verabschieden. Nicht, wenn es in England immer dramatischer wurde. Gefährlicher.
„Ach, Peter, mach dir mal keine Sorgen", sagte Remus, obgleich er sich selbst sorgte. Aber er klang immerhin zuversichtlich. Sie hatten bisher sämtliche Abenteuer durchgestanden, sie würden auch weitere bestehen. „Die Zukunft wird ebenso gut werden, wie unsere Schulzeit."
Peter sah Remus zweifelnd an, während er sich wieder etwas in sein Glas eingoss. „Dassss bezweifle ich", meinte er und lallte ein wenig.
Remus seufzte. „Komm schon, Wormtail. Es nützt nicht, wenn du all deine Sorgen über die politische Lage im Land im Alkohol ertränkst."
Peter zuckte nur mit den Achseln.
„Schau, wir vier werden auch weiterhin befreundet sein. Wir werden uns regelmäßig besuchen, gegenseitig auf uns aufpassen und bestimmt sogar dabei mitwirken, wie Voldemort und seine Anhänger an Macht wieder einbüßen, und erst gar nicht so weit kommen, England ernsthaft zu gefährden."
Wieder ein zweifelnder Blick.
Remus runzelte die Stirn. Peter schien sich nicht wirklich überzeugen zu lassen. Und reden wollte er offenbar auch nicht.
Was war nur los mit ihm? Sorgte Wormtail sich so sehr wegen Voldemort? Aber Remus konnte ja nicht ahnen, dass es auch andere Gründe gab...
„Na gut, vielleicht hört sich das alles sehr einfach an, so, wie ich es gesagt hab", gab er dann zu. „Aber wer weiß... möglich ist alles, Wormtail. Und schau..." Remus hielt kurz inne, ehe er warm fortfuhr. „Wenngleich auch alles ungewiss sein mag... eines ist sicher. Wir werden für immer Freunde sein."
Endlich sah Peter Remus direkt aus seinen wässrigen, leicht vernebelten Augen an. Er hob die Augenbrauen und neigte den Kopf leicht zur Seite.
Offenbar hatte Remus etwas gesagt, was ihn dazu gebracht hatte, seinem Freund die nötige Aufmerksamkeit entgegen zu bringen.
„Glaubst du das wirklich?", fragte Peter; er klang einfach nur neugierig, der schattenhafte, sehr schwache zweifelnde Unterton war kaum wahrzunehmen.
Jedenfalls bemerkte Remus ihn nicht. Er nickte bloß und sah Peter überrascht an.
Doch dieser hatte bereits wieder das Interesse am Gespräch verloren, so schien es. Die Musik wurde in dem Augenblick lauter.
Aber Peter fuhr dann doch noch etwas grüblerisch fort. Nur sprach er leise, kaum verständlich, bedingt durch den Alkohol und durch etwas anderes. Es war nicht etwas, an das Peter glaubte, es war nur die Wiedergabe von Worten, die er mal im Slytherinkerker aufgeschnappt hatte, als er dort als Ratte herumstrolchte.
Remus hörte ihn nicht.
„Wo Freundschaft herrscht, lauert Verrat nicht weit."
Es waren Worte, die sich letzten Endes bewahrheiten würden, auch wenn selbst Peter trotz seiner Sorge um die düstere Zukunft es in diesem Augenblick nicht für möglich gehalten hätte.
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Der Ball war noch in vollem Gange, die Lehrerschaft war ebenfalls noch anwesend, als es plötzlich einen lauten Knall gab und alles rot und golden aufleuchtete. Auf einmal schimmerte die komplette Deko in Gryffindorfarben. Gefärbtes, rotgoldenes Schneepulver fiel von der Decke und blieb auf dem Haar und der Kleidung aller Anwesenden haften.
Die Gesichter waren verblüfft, zum Teil wütend, wenn es sich dabei um Slytherins handelte. Man wusste sofort, wer dahinter steckte, da Sirius und James laut zu johlen und zu lachen angefangen hatten und sich selbst verrieten.
A/N:
Tadaaa... die Hogwarts-Ära ist zuende. :heuäälll: ;-)
Erst wollte ich den Abschlussball für die ganze Schule machen, aber in den HP-Büchern war davon ja nie die Rede. Deswegen gilt der Ball im Grunde nur für Siebtklässler.
Jaja, kein dramatischer Abgang, nichts sonderliches ist zum Schulschluss passiert. Das habe ich mir für die folgenden Kapitel aufgehoben.
Dass Peter Lily liebt ist die wunderbare Idee meines Betas :umknuddelz:. Padfoot's Mate hat dazu eine überhaus geniale, geniale, geniale Theorie aufgestellt – wenn das Kapitel geschrieben wird, wo das dann explizit vorkommt, werde ich noch mal darauf hinweisen. Aber wenn ich es jetzt täte, würde ich schon zu viel verraten.
Ach so, den dazugehextne Raum in Hagrids Hütte, wo Sirius' Motorrad steht, gibt es ja in den HP-Büchern nicht. :grins:. Ich sag mal so... Hagrid hat den Raum nach Sirius' „Verrat" aus lauter Wut kurz und klein gehauen. Diese geniale Begründung stammt auch von Padfoot's Mate :) :anstrahl!
NEWTs heißt Nastily Exhausting Wizarding Tests. (Danke, Padfoot's Mate.) Die deutsche Bezeichnung lautet UTZ (Unheimlich Toller Zauberer) und hört sich echt beschissen an :D
In den HP-Büchern steht ja, dass es verboten ist, Mugglegegenstände zu verhexen.
Deswegen müssen die Weasleys das Auto ja auch geheim halten. Wieso Hagrid dann in Band 1 Baby Harry damals mit dem Fliegenden Motorrad zu den Dursleys bringt, ist mir also schleierhaft – diese Sache wird oft als „Gurke", also als Fehler in den HP-Büchern betrachtet. Aber vielleicht war es auch eine Ausnahme, da immerhin Voldemort besiegt war und alle nur am feiern waren. Allerdings ist das Zaubereiministerium bisher immer als sehr penibel beschrieben worden ;)
Und ja, ich weiß, die zweite Hälfte des Kapitels ist passiv. :achselzuck: Musste halt sein.
Jetzt fängt die Post-Hogwarts-Zeit an. Und nein, wie wird nicht noch mal 25 Kapitel haben ;) Ich schätze, bei Kapitel 39 oder 40 wird die Geschichte ihr Ende finden.
Und daaaaaaaaaaanke mal wieder an alle, die mir reviewt haben:durchwuschel:
