Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

(- die letzten Worte eines Sterbenden.)


26. Kapitel

Die Aurorenzentrale


„Wenn Schwarz und Weiß
das Land regieren,
bleibt das Grau meist unauffindbar."

(- unbekannt)

Dezember 1978.

Sirius und James erreichten gerade das zweite Stockwerk des Zaubereiministeriums. Dort befand sich die Abteilung der Magischen Strafverfolgung.

Sie gingen durch den weitläufigen, unübersichtlichen Raum, der in Bürozellen unterteilt war. Stimmengewirr und Gelächter, Summen von magischen Geräten erfüllten die Luft. Eulen flogen hin und her.

Sie betraten die große Bürozelle, an deren Tür ein Schild mit der Aufschrift Aurorenzentrale hing.

In der Aurorenzentrale befanden sich weitere Zellen, welche die Büros von den einzelnen Mitarbeitern bildeten. Weiter hinten, am Ende des breiten Flures, kam man zu den Ausbildungs- und Unterrichtsräumen für die Rekruten.

Alle Wände in der Zentrale waren vollgekleistert mit Fahndungsfotos, Zeitungsartikeln, Bildern von Familie und Quidditchpostern.

Die meisten Türen der Bürozellen waren offen. Auroren gingen zwischen den Büros ein und aus, liefen in Akten vertieft über den Flur und riefen sich ständig etwas zu. Auch hier flogen Eulen hin und her und brachten interne und externe Post.

Sirius und James schlenderten über den Flur zum Unterrichtsraum drei, wo sie gleich praktischen Unterricht in Angriff bei Alastor Moody hatten, als sie hinter ihnen die helle Stimme von Marlene McKinnon im Lärmpegel ausmachen konnten. Sie drehten sich um. Sie war die Ansprechpartnerin aller Rekruten.

„Dies ist die Aurorenzentrale", sagte Marlene gerade. Sie hatte ein ovales, freundliches Gesicht mit strahlenden wasserblauen Augen und kastanienbraunen, hüftlangen Locken. Sie sprach mit jemandem; es schien sich um einen neuen Rekruten zu handeln. Er stand mit dem Rücken zu ihnen und hatte die Kapuze seines Umhangs noch hochgeschoben.

Marlene zwinkerte den beiden Jungen kurz zu, ehe sie sich wieder an ihren Begleiter wandte.

Sirius warf James einen stirnrunzelnden Blick zu. Normalerweise wurden Zauberer und Hexen, die sich zu Auroren ausbilden lassen wollten, immer zu Oktoberbeginn angenommen. Aber offenbar wurde mit diesem Rekruten hier eine Ausnahme gemacht.

Sirius und James selbst waren im zweiten Ausbildungsjahr.

Marlene deutete auf die dritte Bürozelle links vom Eingang. „Dort ist Clark Potters Büro. Er ist der Leiter der Aurorenzentrale. Der Boss von allen hier. Seine Stellvertreterin ist Amelia Bones." Sie deutete auf das Büro direkt gegenüber von James' Vater auf der rechten Seite.

Der junge Mann folgte mit seinen Blicken ihren Handgesten und nickte knapp. Er schien Sirius und James noch nicht entdeckt zu haben.

„Amelia ist zudem für Spionage, Verdeckte und Offene Ermittlung zuständig", fuhr Marlene fort. „Zusammen mit Icenius Dearborn, aber alle nennen ihn Icy."

Dann deutete sie auf die Bürotür direkt neben Clarks. „Da sitzt Alastor Moody." Sie grinste. „Er ist der Leiter für Verteidigung und Angriff und einer der Ausbilder von euch Rekruten. Anne Podmore ist seine Stellvertreterin. Sie werden dir alles Praktische beibringen, was du im Kampf wissen musst."

Die hohe Tür der Zentrale flog plötzlich auf und zwei Auroren fegten hinein – Richard Johnsen und Pria Zienta. Hastig stürmten sie in Clark Potters Büro ohne anzuklopfen. Die Tür fiel mit einem lauten Knall zu.

Marlene sah kurz dorthin, dann fuhr sie mit ihrer Einweisung fort. „Und hier, neben Moodys und Annes Bürozelle befindet sich die Unterabteilung für Verheimlichen und Aufspüren. Mein Bruder Rodney führt sie an. Gegenüber auf der rechten Seite befinden sich noch die Büros für Gifte und Gegengifte mit Stephen Doge und Blanche Connor als Leiter, und Tarnung und Maskierung mit Frank Longbottom als Aufsichtsperson. Und hier", sie zeigte auf die erste Tür rechts neben dem Eingang, „ ist die Verwaltung. Leiter ist Caradoc Dearborn, Stellvertreter Francis McKinnon, mein zweiter Bruder. Dort angegliedert ist das Archiv mit all den Akten. Du brauchst sie nur bei ihnen anzufordern, wenn du mal eine bestimmte brauchst."

Sie lächelte und winkte ihrem Bruder in der offenen Zelle zu. „Meine Bürozelle ist direkt gegenüber von Caradoc. Daneben befindet sich der Konferenzraum. Und in den anderen Zellen sitzen die anderen restlichen 42 Auroren. Insgesamt sind wir 56. Hinzu kommen die 18 Rekruten. Mit dir 19." Nun deutete sie auf das Ende des Flures, hinter James und Sirius. „Da hinten findest du die Unterrichtsräume eins bis sieben. Dort finden Theorie und Praxis statt. Neben Tür sieben ist der Apparierraum. Man kann von dort nur heraus apparieren, aber niemals von außen hinein. Merk dir das! Er wird nur für Notfälle verwendet, wenn ein plötzlicher Angriff von Todessern irgendwo stattfindet und wir schnell dorthin müssen." Sie seufzte. „Das passiert ja immer häufiger."

Marlene zog eine Grimasse, dann fuhr sie mit der Einweisung fort. „Neben Unterrichtsraum eins ist der Gemeinschaftsraum. Wenn also mal nichts zu tun ist oder du eine Mittagspause einlegst, dann ist er der beste Ort dafür. An Unterrichtsraum zwei ist die umfassende Bibliothek angegliedert. Hinter Unterrichtsraum vier sind die Laborräume für Zaubertränke, Gifte und Gegengifte."

Sirius grinste mittlerweile. Der neue Rekrut versuchte derweil mit größter Mühe, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Er besah ihn sich genauer, denn nun hatte dieser seine Kapuze runtergeschoben, so dass sein Gesicht nicht länger im Schatten lag. Er hatte nach wie vor weder Sirius noch James bemerkt. Er war in ihrem Alter. Achtzehn, neunzehn.

Der Junge war schlank und machte einen sportlichen Eindruck, er war ein wenig kleiner als Sirius und James. Er hatte dunkles, zerwuscheltes Haar, eine leicht sonnengebräunte Haut und auffallend blasse, graublaue Augen mit dichten Wimpern und einem immerzu nachdenklichen, etwas abwesend wirkenden Ausdruck. Das Gesicht war gutaussehend, aber etwas trübsinnig, als laste ein psychischer Druck auf der Seele.

Sirius hatte nach Luft geschnappt, als er den Jungen erkannt hatte, den er über ein Jahr nicht mehr gesehen hatte. Er war etwas verändert.

Es handelte sich dabei um Felice Zabini, jenen Slytherin aus einer reinblütigen Familie, mit dem er schon als kleiner Junge zusammen gespielt hatte.

„Sag mal...", fing James neben ihn irritiert an. „Von irgendwoher kenne ich den Typen. Das ist dieser Slytherin..."

Sirius nickte lahm, den Blick nach wie vor auf Felice gerichtet. „Yep. Das ist Felice Zabini, Alter."

James sog den Atem ein. „Was macht der denn hier? Ich denk, der ist auf der Seite der Todesser!"

Sirius schnalzte mit der Zunge. Ja, das war wirklich extrem. „Nun... offenbar nicht." Er sah James an. „Oder meinste etwa, sie haben ihn als Spion geschickt? Aber das kann auch nicht sein. Die Tests sind hier doch alle erstklassig... es wäre aufgeflogen."

James hatte die Augenbrauen zusammengezogen. „Na ja, Dad wird schon wissen, was er sich dabei gedacht hat, sein OK zu Zabini zu geben." Er schüttelte den Kopf als Zeichen des Unglaubens. „Mann, und normalerweise laufen uns immer die Leute davon und wechseln zur Dunklen Seite!"

Sirius grinste. „Vielleicht wollte Zabini 'ne Ausnahme machen."

James schnaubte und Sirius klopfte ihm auf die Schulter.

„Komm, wir sagen ihm hallo."

Sirius ignorierte James' Aufstöhnen und schlenderte auf Marlene und Felice zu, den anderen Auroren, die über den Flur liefen, aus dem Weg gehend. Marlene sagte soeben zu dem Neuankömmling, dass er jetzt in den Gemeinschaftsraum gehen könne, um auf die anderen Rekruten zu treffen.

Sirius blieb stehen und schob seine Hände in die Hosentaschen. Seine Begrüßung war lässig.

„Hey, Felice."

Felice sah auf; Sirius entging nicht, wie sich dessen blassen Augen ein wenig weiteten und er ihn anstarrte. Aber nur ein, zwei Sekunden später hatte Felice sich wieder unter Kontrolle.

„Sirius!", rief er dann aus; Überraschung klang noch in der Stimme. Ein schwaches Lächeln flog über die schmalen Lippen, je eine kleine Falte bildete sich nahe den Mundwinkeln. Nur kurz funkelte es in den Augen auf und vermochte den schattenhaften Kummer zu verdrängen. Aber dann war diese Schwermut wieder da. Das Lächeln war verschwunden, doch ein höflicher Ausdruck war auf den Gesichtszügen zurückgeblieben. „Du hier."

Sirius hob eine Augenbraue. „Lustig, dasselbe wollte ich auch sagen."

„Was hat dich denn hierher geführt, Zabini?", ertönte nun James' Stimme. Er stellte sich neben Sirius. Er hatte neutral geklungen, jegliches Misstrauen bannend.

James hatte sich, seit sie die Ausbildung als Auroren angefangen hatten, besser unter Kontrolle. In Hogwarts hätte er Felice wahrscheinlich geschubst und ihn schroff angefahren, jetzt nickte er ihm kurz zu und sah ihn erwartungsvoll an, seine Vorurteile ignorierend.

Hier änderte sich jeder. Das war Voraussetzung. Selbstkontrolle war wichtig und wer sich nicht beherrschen konnte, wurde einfach ausgesiebt. Im Kampf kam es auf schnelle, kühl bedachte Reaktionen an, nicht auf Emotionen. Gefühle ließen einen unüberlegt handeln. Ungestüm. Und das war ein Fehler, das konnte zum Tod führen. Gerade in einem Kampf gegen die Todesser, welche ohnehin schon einen Vorteil auf ihrer Seite hatten: sie töteten aus Spaß.

„Felice ist neuer Rekrut", antwortete Marlene an seiner Statt. Sie hatte mit leichter Anspannung die Szene zwischen den ehemaligen Klassenkameraden verfolgt, war nun aber offenbar davon überzeugt, dass sie keinen Streit vom Zaun brechen würden. „Es ist zwar unkonventionell, ihn im Winter anfangen zu lassen, aber er ist mit seinen Leistungen und Qualifikationen auf eurem Niveau. Er hat...", und Marlene zögerte leicht, „woanders gelernt und wird deswegen im zweiten Ausbildungsjahr einsteigen. Ihr könnt ihn ja noch in der Abteilung herumführen und ihn gleich mit zu eurem Unterricht nehmen. Er hat ja ohnehin denselben Stundenplan, wie ihr."

Marlene grinste die drei Jungen an, dann wandte sie sich ab und lief in ihr Büro, wo vorhin eine wichtig aussehende Eule hineingeflattert war.

James brachte ein entschuldigendes Lächeln zustande. „Hier sind alle immer ein wenig im Stress, weißt du."

Felice nickte bedächtig.

„Na ja, kennst du die restliche Abteilung schon?", fuhr James fort.

Felice schüttelte den Kopf und Sirius grinste ein wenig amüsiert. Still war er geworden, der ehemalige Slytherin.

Sie gingen wieder durch die eichene Flügeltür aus der Aurorenzentrale hinaus, um Felice in den zehn Minuten, die sie noch bis zur praktischen Unterrichtsstunde hatten, im zweiten Stockwerk kurz herum zu führen.

Sie betraten erneut den weitläufigen Raum. Links von der Aurorenzentrale befand sich die Abteilung der Magischen Strafverfolgungspatrouille. Sie war damit beauftragt, Anti-Muggle-Scherzbolde und andere Kriminelle festzunehmen, Zauberstäbe zu zerstören und in den Straßen Englands für Recht und Ordnung zu sorgen.

Gegenüber der Aurorenzentrale befand sich die Abteilung der Polizeibrigade. Hier arbeiteten die Eingreifzauberer, jene, welche die ganz besonders gefährlichen Magier stellten und eng mit den Auroren zusammenarbeiteten.

Daneben lag der Zaubergamot-Verwaltungsdienst. Er beschäftigte sich damit, Klagen der Abteilung zu bearbeiten und sie an den Zaubergamot weiterzuleiten. Dieser entschied dann, welche Fälle zur Anhörung führten und welche wegen minderer Wichtigkeit fallen gelassen wurden.

Ganz am Ende auf der rechten Seite des Ganges befand sich das Büro Missbrauch von Muggleartefakten. Arthur Weasley und Zebulon Perkins arbeiteten hier, sicherten verzauberte Mugglegegenstände und verwandelten sie wieder zurück. In schwerwiegenden Fällen mussten sie auch Gehirnwäsche und Gedächtnisveränderungen bei Muggles vornehmen. Anti-Muggle-Scherzbolde machten ihnen das Leben immer schwer.

Dann gab es noch das Büro gegen Missbrauch der Magie und das Büro zur Regulation von Duellen.

Wieder in der Aurorenzentrale bemerkte Sirius, wie laute, aufgeregte Stimmen aus dem Büro von Clark Potter drangen. Irgendetwas war wohl vorgefallen.

Sie betaten den Unterrichtsraum drei, wo sich bereits acht andere Rekruten auf Moody warteten. Unter anderem war Emily Prewett dabei. Es handelte sich um einen großen, schall- und fluchdichten Raum mit Tauen und Hindernisparcours. Hier würden sie den Angriff lernen. Der Unterricht war hart und es verstrich keine Stunde, ohne dass die Auszubildenden mit Blessuren den Raum verließen.

Die anderen acht Rekruten waren aus dem ersten Jahr und hatten zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Raum Unterricht. Lily Evans befand sich unter ihnen.

Peter hatte eine Ausbildung in der Abteilung für Internationale Magische Zusammenarbeit im Büro der Internationalen Zauberervereinigung der britischen Sektion angefangen und war zufrieden damit. Es hatte viel mit Diplomatie zu tun.

Remus hatte Schwierigkeiten gehabt, etwas zu finden. Schließlich hatte Dumbledore ihm eine Stelle als Freier Journalistischer Mitarbeiter bei der Zeitschrift Magische Geschöpfe vermittelt. Da er nicht fest angestellt war, konnte Remus viel von seiner kleinen Wohnung aus arbeiten und es fiel somit nicht auf, dass er nach Vollmond immer ausgezehrt war. Er schien nicht besonders glücklich mit dem Beruf, aber er beklagte sich niemals.

Alle zusammen waren sie dem Phönixorden beigetreten, einer geheimen Widerstandsorganisation, von der selbst das Zaubereiministerium nichts wusste. Sie war unter anderem von Albus Dumbledore, seinem Bruder Aberforth, Minerva McGonagall, Alastor Moody und anderen gegründet worden. Sie diente zur Bekämpfung der Todesser und Voldemort. Und sie brauchte vertrauenswürdige Mitglieder. Deswegen waren die Rumtreiber trotz ihres jungen Alters und ihrer Unerfahrenheit bereits jetzt schon aufgenommen worden.

Sirius, James und Felice gesellten sich zu den anderen Rekruten und stellten den Neuen vor. Neugierige und verblüffte Blicke, aber freundliche Begrüßungen waren die Antwort. Hier herrschte bedingungsloses Vertrauen. Das musste sein, anders konnte die Zusammenarbeit nicht funktionieren. In einem bewaffneten Kampf schon gar nicht.

Sirius hatte sich längst gefragt, was mit woanders gemeint war, als Marlene gesagt hatte, Felice hätte sich andernorts ausbilden lassen. In einem dieser Todessercamps wahrscheinlich. Hogwarts-Absolventen wurden früh von Todessern angelockt, um sie für ihre Sache zu gewinnen. Wer sich ihnen anschloss, wurde ebenfalls ausgebildet. Zum Kämpfer der Schwarzen Magie. Die Unterrichtsfelder waren fast die gleichen, hatte die Spionageabteilung der Aurorenzentrale herausgefunden:

Tarnung und Maskierung, Spionage, Angriff und Verteidigung, Gifte und Gegengifte. Hinzu kamen noch Folterflüche jeglicher Art. Und merkwürdige, blutige Rituale, die durch Fanatismus charakterisiert waren.

Wie auch immer, aus allen Überlegungen heraus stellte sich eine entscheidende Frage: war Felice übergelaufen? War er zum Verräter für die Dunkle Seite geworden und hatte sich der Weißen Magie angeschlossen? Als einer der ersten von den Todessern, der diesen Schritt überhaupt wagte? Seine Familie war nicht sonderlich fanatisch, aber schwarzmagisch genug, dass die Blacks Freundschaft zu ihnen hielten. Und wenn die Blacks es taten, taten es auch andere Familien. Lestranges. Malfoys.

Sirius warf Felice einen Blick zu. Er hatte sich neben ihnen an die Wand gelehnt, die Handinnenflächen dagegen gepresst und schaute, nachdem er die anderen begrüßt und versucht hatte, sich ihre Namen zu merken, in die Leere.

Sirius hatte Felice eigentlich immer ganz in Ordnung gefunden, als sie, bevor sie eingeschult wurden, sich öfter gesehen hatten. Der Junge hatte selten über das reine Blut gesprochen und er war immer leicht dazu zu überreden gewesen, Unsinn anzustiften. Er hatte viel und gerne gelacht und Sirius im Kindesalter oft von der Last abgelenkt, die von der Familie stets ausgegangen war. In Hogwarts hatten sich ihre Wege allerdings recht schnell getrennt. Felice war in Slytherin gewesen, aber trotz des Hasses zwischen ihren beiden Häusern hatten sie sich nie duelliert. Sie waren sich irgendwie selten über den Weg gelaufen, wenn man mal vom Unterricht absah. Und Felices Freunde in der Schule hatten sich alle den Todessern angeschlossen...

Jetzt war nicht mehr viel von dem unbekümmerten Wesen übrig, wie es den Anschein hatte.

Sirius legte die Stirn in Falten, als er darüber nachdachte. Wer wusste schon, was Felice erlebt hatte...

„Wo hast du dich denn bisher ausbilden lassen, Felice?", startete er also den Versuch, es herauszubekommen.

Moody war noch nicht da. Er war spät dran.

James horchte auf, er stand direkt neben ihnen an der Wand gelehnt. Die anderen waren in ihren eigenen Gesprächen vertieft.

Felice sah abwechselnd zu Sirius und James. Kurz huschte der Ausdruck einer in die Enge getriebenen Raubkatze in seinen hellen Augen auf. Dann machte er jedoch eine resignierte Geste. Diese schemenhafte Schwermut wurde stärker, nahezu greifbar. „Bei den Todessern", antwortete er leise.

Sirius starrte den Jungen an. James sog scharf die Luft ein und machte einen halb schockierten, halb fassungslosen Eindruck.

Felice runzelte die Stirn, dann grinste er etwas hämisch. „Kommt schon, tut nicht so entsetzt. Genau das habt ihr doch ohnehin vermutet, oder etwa nicht?"

James atmete zischend wieder aus. „Weißt du... schon, aber..."

„Aber nicht, dass du es gleich so offen zugibst", beendete Sirius den Satz seines Kumpels.

„Und dann auch noch so, als sei es eine stinknormale Sache, sich bei Todessern ausbilden zu lassen!", fügte James grimmig hinzu.

Felice feixte. „Wenn ihr nach der Statistik gehen würdet, ist es eine stinknormale Sache. Es gibt dreimal so viele Leute, die sich zu Todesser ausbilden lassen, als zu Auroren."

James ballte seine rechte Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Wütend blitzte er Felice an. „Und wieso hat man dich hier angenommen?", verlangte er schroff zu wissen.

Felice richtete seinen Blick schnell wieder nach vorne, direkt in die Leere hinein. „Warum wohl, Potter." Er klang tonlos. „Ich habe mich für diese Seite entschieden."

Sirius kaute auf seiner Unterlippe. Ihm entging keinesfalls, dass Felice nichtssagende Antworten gab. Es war klar, dass er sich für diese Seite entschieden hatte, sonst wäre er wohl nicht hier. Immer vorrausgesetzt, er war wirklich kein Spion. Aber was waren seine Beweggründe? Darüber verlor Felice wohlgemerkt kein Wort.

„Wissen sie es?", fragte Sirius nun.

Es war selten bekannt, wer Auror war. Meist so lange nicht, bis man sich bei Angriffen und Verteidigungen zeigte.

Felice verlor sich weiterhin im Nichts. „Noch nicht."

„Woah", machte James. Er schien seine leichte Entrüstung zu bekämpfen und nur bedingt misstrauisch, denn immerhin war es sein eigener Vater, der Felice traute und ihn angenommen hatte. Also schwang da auch so etwas, wie Anerkennung in James' Stimme mit, als er fortfuhr. „Das... das ist derbe. Sie werden sich rächen wollen."

„Hast du schon das Mal empfangen?", fragte Sirius direkt danach und musterte den Jungen neugierig.

Jeder Todesser bekam ein Dunkles Mal auf den Unterarm gebrannt. Geflucht. Jener grinsender Totenkopf, aus dessen Mund sich eine Schlange wand.

„Es herrscht ohnehin Krieg, Potter", ging Felice zunächst auf James' Aussagen ein. Er wandte seinen Kopf und maß ihn aus den blassen Pupillen. „Und sterben müssen wir alle einmal." Dann schaute er Sirius an; sein Gesichtsausdruck wurde etwas nebulös. „Nein."

Sie konnten das Gespräch nicht weiter fortsetzen, denn Moody kam herein. Er hatte eine unglaublich finstere Miene aufgesetzt und schlug die Tür mit einem ohrenbetäubenden Knall hinter sich zu. Mit seinen kleinen, dunklen Augen schaute er herausfordernd in die Runde. Sein Mund war zu einem schiefen, dünnen Strich zusammengepresst, die Haut seines Gesichts war völlig vernarbt.

„Los, los, los, Aufstellung! Bildet zu zweit Paare für die Aufwärmübungen!", blaffte er sie ärgerlich alle an. „Der eine versucht den anderen anzugreifen, der andere verteidigt sich. Dann Wechsel. Anschließend Partnertausch!"

Die Rekruten beeilten sich, Aufstellung zu nehmen, die Zauberstäbe in den Händen.

Felice blieb als einziger ohne Partner. Sie waren nun eine ungerade Zahl an Rekruten im zweiten Jahr.

Moody winkte ihn ungeduldig zu sich heran. „Ah, Zabini. Komm her, aber zügig, du übst mit mir."

Sirius lachte, während er selbst gegenüber von James Aufstellung nahm. „Mein Beileid, Felice!", rief er über die Köpfe der anderen hinweg, als der ehemalige Slytherin sich mit verdrießlichem Gesicht auf dem Weg zu Moody machte.

„Klappe, Black, oder es setzt was!", fuhr Moody ihn an. „Und Zabini, bei der Fresse, die du ziehst, brauchst du dich erst gar nicht hier ausbilden zu lassen!"

„Ist ja schon gut, Sir", war Felices seufzende Stimme zu hören und Moody blinzelte, weil er mit Sir angeredet worden war. Das kam hier sonst nie vor.

xx

James stob nach dem Unterricht zur Bürozelle seines Dads.

Clark Potter schaute stirnrunzelnd auf, als sein Sohn einfach hineinplatzte.

„James, nur weil ich dein Vater bin, heißt das nicht, dass du dir hier mehr erlauben kannst als die anderen Rekruten", tadelte er ihn greizt.

„Ich wollt doch bloß was wegen Zabini wissen", meinte James trotzig. Er wusste, er hatte Felice zu vertrauen, aber immerhin war dieser der erste Zauberer aus Slytherin, der sich den Auroren anschloss. Der überhaupt zur Weißen Magie wechselte. Da sollte ein wenig Misstrauen schon angebracht sein, fand er.

Clark seufzte.

Er sah genauso aus wie James, nur älter natürlich. Er hatte dieselben rabenschwarzen, abstehenden Haare, die ihm etwas Verwegenes gaben und nicht gerade für die notwendige Autorität beim ersten Auftritt sorgten. Aber wer sich einmal mit Clark Potter angelegt hatte, tat es selten ein zweites Mal. Er war ein hervorragender Zauberer mit überqualifizierten Fähigkeiten zur Leitung der Aurorenzentrale. Er war ein Genie in Sachen Taktik und Kampfweise, verstand es, seine Truppe zusammenzuhalten und sorgte für das Vertrauen und die freundschaftliche Atmosphäre. Die haselnussbraunen Augen hinter den runden Brillengläsern wirkten aufgeweckt, nur die Ränder darunter verrieten den beruflichen Stress.

„Da gibt es nichts zu wissen. Außer, dass er sich für unsere Seite entschieden hat und du ihm vertrauen kannst", meinte Clark nun etwas ungeduldig.

Eine Eule kam hineingeflogen und lieferte einen Brief im grünen Umschlag ab. Kurz danach klopfte es und Dorcas Meadowes eilte atemlos hinein.

James hatte schon längst gemerkt, dass etwas passiert sein musste.

Meadowes war eine inoffizielle Aurorin. Niemand, außerhalb der Aurorenzentrale, den Eingreifzauberern und dem Zaubereiminister wusste davon. Sie arbeitete offiziell im sechsten Stock, in der Abteilung für Magisches Transportwesen, im Büro der Floonetzwerkaufsicht. Aber in Wirklichkeit war sie eine der Top-Spione der Aurorenzentrale, die sich unter Voldemorts Anhängern geschlichen hatte, um diese zu bespitzeln. Sie bekam selten wirklich gute Informationen heraus, aber zumindest einige nützliche.

Sie hatte dunkelblondes, mittellanges Haar und Augen von einem stürmischen Grün. Sie war hochgewachsen und schlank und wirkte im Moment sehr erschöpft und bestürzt. Ihr Gesicht war sehr bleich.

„Clark, Todesser haben Kevin Connor in der Nokturngasse angegriffen", sprudelte es aus ihr hervor. „Vor knapp einer Stunde. Ich war bei Walden McNair und Nott kam und hatte es erzählt. Ich konnte mich nicht sofort loseisen, es wäre aufgefallen." Sie rang nach Atem. „Kevin... er ist tot."

James stierte sie an. Kevin Connor war ein Auror.

„Wahrscheinlich hat Nick Jugson ihn getötet. Es muss in einer abgelegenen Ecke gewesen sein." Meadowes stützte sich mit den Händen an Clarks Schreibtischkante und schloss bekümmert die Augen. „Seine Leiche ist völlig entstellt. Nott hatte Fotos, die er an die Connors schicken wollte, um ihnen gnädigerweise vom Tod Kevins zu unterrichten." Sie öffnete wieder ihre Augen; Kälte und verzweifelte Wut flackerten auf. „Dieses Schwein."

Auch James' Vater war bleich geworden. Seine Lippen hatten sich zu einem schmalen Strich zusammengepresst. Für einige Augenblicke starrte er seine Spionin einfach nur an.

Dann wandte er sich an James. „James, geh jetzt bitte."

Er klang ruhig und gefasst, aber James wusste, dass in ihm der Sturm tobte.

Ohne ein Widerwort verließ er das Büro, um Sirius zu suchen.

xx

Am Nachmittag wurde eine Krisensitzung in der Aurorenzentrale einberufen, zu der auch die Rekruten geladen waren.

Clark Potter verkündete den Tod von Ian Parker, der in der Nacht zuvor getötet und an einem Pfahl aufgespießt worden war, sowie vom Mord an Kevin Connor.

Ian war einer der Spione, der enttarnt worden war. Kevin war einem geheimen Tipp bezüglich des Vampirs Vyperus gefolgt und wollte in der Nokturngasse etwas herausfinden, wobei er in einen Hinterhalt geriet. Der Tipp war von einem Zauberer namens John Offerby in die Aurorenzentrale eingereicht worden, der als zuverlässiger Mann galt. Clark hatte zwei Auroren damit beauftragt, Offerby einen Besuch abzustatten, um herauszufinden, woher er diese Information mit der Nokturngasse und Vyperus hatte.

Es hatte sich herausgestellt, dass Offerby ermordet worden war. Seine Leiche war in seiner Wohnung gefunden worden und er war bereits tot gewesen, bevor diese Nachricht in die Zentrale eingetroffen war. Daraus resultierte die Frage, wer die Information in Offerbys Namen geschrieben hatte. Todesser höchstwahrscheinlich. Das ersichtliche Ziel war gewesen, den Auroren eine Falle zu stellen. Kevin war in sie hinein getappt und die erste Autopsie hatte ergeben, dass er zuvor gefoltert worden war. Ob er Informationen preisgegeben hatte, war nicht bekannt. Sie alle hofften nicht. Auroren wurden dazu ausgebildet, nie – niemals – Informationen an den Feind zu geben, ganz gleich, wie schrecklich die Folter war. Dazu mussten sie in der Ausbildung selbst Folterflüche über sich ergehen lassen, um ihre Durchhaltekraft zu stärken.

James und Sirius hatten Blicke ausgetauscht, als der Name Vyperus gefallen war. Als sie die Aurorenausbildung begonnen hatten, hatten sie Clark und Amelia alles über ihre Vampirabenteuer erzählt. Alles, was sie wussten. Das war eine Pflicht gewesen, eine Loyalität, die jeder Rekrut und jeder bereits ausgebildete Auror der Zentrale zollte.

Es hatte den Anschein, als stünde Vyperus mittlerweile in Voldemorts Diensten. Voldemort hatte unlängst versucht, die Vampire auf seine Seite zu ziehen. Er lockte mit der Aussicht, dass sie, wenn er die Macht an sich riss, sie nicht mehr Außenseiter und Verstoßene der Gesellschaft sein würden. Am Anfang hatten sich alle Vampire ihm verweigert, weil sie ihre eigene Ordnung hatten. Einen Staat im Staat, sozusagen. Aber nun schien der Dunkle Lord etwas im Besitz zu haben, das einige Vampire dazu bewegte, sich auf seine Seite zu stellen.

Noch war unklar, was der Auslöser war. Aber die Spionageabteilung arbeitete hart daran, es herauszufinden.

xx

Remus war auf dem Weg in die Redaktion, um mit seiner Chefin neue Themen für Artikel zu besprechen. Er bog in eine Straße ein, in der nicht viel Betrieb war.

Es war kalt. Festgefrorener Schnee lag auf den Straßen, der vom Schmutz ergraut war. Die Muggle hatten gestreut, damit niemand ausrutschte. Weißgraue Wolken verdeckten den Himmel, das Sonnenlicht brach kaum durch die Decke.

Die Redaktion der Zeitschrift befand neben einem Steuerberaterbüro und einigen Reihenhäusern von Mugglen. Es war versteckt, bis man das Passwort nannte.

Doch plötzlich stellten sich ihm zwei vermummte Gestalten in den Weg. Schwarze, bodenlange Kutten mit weiten Kapuzen; die Gesichter darunter waren von silbernen Masken bedeckt.

Todesser.

Remus schnappte nach Luft, sein Herz krampfte sich zusammen, dann zückte er hastig seinen Zauberstab, aber noch ehe er reagieren konnte, traf ihn von hinten ein Fluch und es wurde dunkel um ihn.

Als Remus aufwachte, befand er sich in einem kleinen Kerker mit nackten, feuchten Steinwänden. Er lag auf einer Pritsche. Ein eckiger, schwarzer Tisch und zwei Stühle standen in der Mitte. Zwei Fackeln an den Wänden brannten.

Sobald ihm die letzten Geschehnisse schlagartig eingefallen waren, setzte er sich abrupt auf blickte entsetzt drein. Er war entführt worden. Von Todessern.

Sein Herz klopfte wie wild und der kalte Schweiß brach ihm aus.

Nein. Neinneinnein.

Was wollten sie überhaupt von ihm? Wie hatten sie ihn aufgespürt? Wieso hatte er, verdammt noch mal, nicht gemerkt, wie er verfolgt worden war?

So viele Fragen und keine Antworten.

Er hatte nicht viel Zeit, sich weitere düstere Gedanken zu machen, denn die Tür öffnete sich und der Reihe nach traten zwei maskierte Todesser, ein hochgewachsener, schlanker Zauberer mit überzogener Kapuze und wieder zwei Todesser ein.

Remus sah ihnen mit großen Augen entgegen. Seine rechte Hand ballte sich zu einer krampfhaften Faust, ohne dass er es bemerkte.

Angst und Wut erfüllten ihn gleichermaßen, als er die Boten des Terrors mit zusammengepressten Lippen beobachtete.

Die Todesser eskortierten den Mann, welcher hinter einem der beiden Stühle stehen blieb. Einer ging zu Remus, packte ihn grob, zerrte ihn zum zweiten Stuhl gegenüber und zwang ihn, sich hinzusetzen.

Dann setzte sich der Mann und schob dabei seine Kapuze herunter.

Remus starrte in zwei rotglühende Augen und hielt fassungslos den Atem an.

Voldemort.

Sein Kopf war wie leer gefegt, dann stürmten die Gedanken wieder in voller Geschwindigkeit zurück und in all dem Chaos entlud sich unter rasendem Puls und rauschendem Blut eine Frage:

Was wollte Voldemort von ihm?

Er hatte ein unnatürlich bleiches Gesicht, die Haut spannte sich über den Knochen. Um die dünnen Lippen spielte ein harter Zug. Selbstherrlichkeit lag auf den früher einmal hübsch gewesenen Gesichtszügen. Und etwas unsagbar Finsteres. Dunkelheit umgab ihn wie ein Teil seines Selbst. Eine unglaublich mächtige, autoritäre Aura strahlte von ihm aus, die unmissverständlich erklärte, warum ihn so viele fürchteten und ihn zugleich anbeteten.

„Du bist also Remus Lupin", eröffnete Voldemort das Gespräch. Er hatte eine eiskalte, zischelnde Stimme, die sich wie eine eiskalte Klaue einen Weg zum Gegenüber suchte und nach der Seele zu greifen schien.

Remus schauderte unwillkürlich, als er sie hörte.

Dann hob er sein Kinn an. Ganz gleich, aus welchen Gründen er hier war. Er wollte keine Furcht zeigen. Denn damit würde er nur gegen sich selbst arbeiten. Seine eigene Furcht würde Voldemort gegen ihn verwenden. Und Remus war ohnehin niemand, den man einen Feigling nennen konnte.

„Ja, der bin ich", antwortete er also und war froh darüber, dass seine Stimme recht fest und neutral klang.

Sirius oder James hätten vielleicht eine Antwort des frechen Kalibers gegeben. Etwa, wie Wenn nicht, stündest du jetzt ziemlich scheiße da.

Aber Remus war ja nicht lebensmüde.

„Der Werwolf", fügte Voldemort genüsslich lauernd hinzu.

Und Remus erstarrte. Das Blut gefror ihn förmlich in den Adern. Sie wussten davon. Sie wussten um sein dunkles Geheimnis. Sie wussten es.

Diese Feststellung war alles, was seinen Verstand füllte. Sie drehte sich in seinem Kopf.

Sie wussten es.

Immer und immer wieder.

Er versuchte zu schlucken, aber seine Kehle war staubtrocken. Entsetzen umschlang wie ein Ring seine Brust und schnürte ihn die Luft ab.

Sie wussten es.

Woher? Nur Dumbledore, James, Sirius und Peter wussten noch davon. Und Pomfrey. Niemand von ihnen würde ihn verraten.

Remus stierte Voldemort an, unfähig zu reagieren. Er sah in diese unglaublich kalten Augen; erkannte, wie Häme darin aufglitzerte.

Snape, fiel es Remus siedendheiß ein. Natürlich. Snape hatte davon gewusst. Und er war zum Todesser geworden, hieß es. Jetzt, nach Hogwarts, war er nicht mehr daran das gebunden, das Geheimnis für sich zu behalten.

Remus fühlte einen bitteren Geschmack im Mund.

Sie wussten es. Es war kaum auszudenken. Wo doch bekannt war, dass Voldemort jegliche Kreaturen für sich zu gewinnen versuchte...

„Nun, Lupin", fuhr der Dunkle Lord mit seiner zischelnden Stimme fort, „du bist hier, damit ich dir ein Angebot machen kann."

Remus schaffte es, sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Er biss sich so hart auf die Zunge, bis es blutete. Er nickte. Ja... das hatte er sich nun gerade gedacht.

Voldemort lächelte leicht, kalt. „Schließ dich mir an. Und ich verspreche dir, du wirst nie wieder aus der Gesellschaft, die ich neu schaffen werde, ausgestoßen werden. Ich strebe eine bessere Gesellschaft an, als diese hier. Eine neue Ordnung, die schwarzmagisch sein wird. Ihr Werwölfe bekommt gute Positionen. Niemand wird mehr wagen, das Wort oder die Hand gegen euch zu erheben. Freiheit wird dich erwarten."

Die Worte hallten in Remus' Ohren unnatürlich wider. Bildete er es sich ein oder schienen die Fackeln düsterer geworden zu sein?

Er maß den finsteren Zauberer mit vorsichtigen Blicken. Das Angebot klang verlockend, keine Frage. Als jemand, der immer fürchten musste, verbannt oder gar getötet zu werden, wenn das Geheimnis jemals rauskam, musste es verlockend klingen.

Aber Remus' Herz war zu aufrichtig, seines Verstandes Prinzipien zu klar definiert. Er würde sich niemals Voldemort anschließen, nur um angesehen zu sein. Der Zweck würde diese Mittel niemals heiligen. Er würde sich damit schuldig machen, denn Voldemort und seinesgleichen waren Mörder. Und viel Schlimmeres.

Aber war es klug, es so dem Schwarzmagier zu sagen? Würde er damit nicht sein Todesurteil unterschreiben? Im selben Atemzug?

Remus fühlte sich in die Enge getrieben. In einen dunklen Tunnel ohne Licht und ohne einen zweiten Ausgang. Wo Schatten an den Wänden lauerten, um nach ihm zu greifen.

Aber sein Schweigen war Antwort genug. Voldemort runzelte unwillig die Stirn. In seinen Augen loderte es etwas auf. Einer Flamme gleich, zu kalt, um sich daran zu verbrennen. Doch stattdessen mochte man daran erfrieren.

„Wieso unterstützt du diese Gesellschaft, Lupin?", fing er an. Obwohl es eine Frage war, schien er keine Antwort zu erwarten. „Sie würde dich hassen, wenn sie wüsste, dass du ein Werwolf bist. Sie würde dich verabscheuen, dich foltern, quälen und schließlich töten." Voldemort spuckte die Worte nahezu aus. Verachtung glomm auf. „Und dennoch hältst du zu ihr? Verweigerst dich meinen Versprechungen? Meinen Zielen, eine Ordnung zu schaffen, die Werwölfe anerkennen wird?"

Remus versuchte tief Luft zu holen. Natürlich war es paradox, dass er sich gegenüber einer Gesellschaft loyal verhielt, die ihn verraten würde, wenn sie wüsste, dass er ein Werwolf war. Aber...

„Ihre Mittel, eine neue Gesellschaft zu schaffen, sind nicht legitim, Sir", antwortete er also und bemühte sich um Respekt, den er nicht hatte. „Sie mögen es anstreben, Werwölfe vor Gesetz legitimieren zu lassen, aber diese Welt, die Sie damit schaffen, wird von Gewalt geprägt sein. Dazu stehe ich nicht. Ich lehne Rassismus und Fanatismus ab. Alles krankes Gedankengut."

Die Todesser regten sich im Hintergrund unruhig, aber da Voldemort keinen Wink gegeben hatte, taten sie nichts, um Remus für seine Worte zu bestrafen.

„Feine Worte, Lupin", meinte Voldemort nun tückisch. „Aber lass dir eines gesagt sein: ich lasse dich gehen. Lebend und unversehrt. Meine Todesser werden dir in Zukunft nichts antun. Du wirst vor ihnen in Sicherheit sein, niemand von meiner Seite wird nach deinem Leben trachten. Aber... wenn du mein Angebot, dich mir anzuschließen, in zwei Wochen immer noch ablehnst, wird einer meiner Leute in der Öffentlichkeit durchsickern lassen, wer du bist. Was du bist." Voldemort grinste und sein Gesicht ähnelte auf einmal jenem grinsenden Totenkopf. „Die Gesellschaft wird dich hassen und jagen. Und dann, Lupin... dann wird dir keine andere Wahl mehr bleiben, als zu mir zu kommen. Wenn du überleben willst. Hast du mir einmal die Treue geschworen, werden meine Leute dich schützen. Sie werden dich sogar mit ihrem Leben schützen, wenn ich es ihnen befehle."

Wenn Remus gedacht hatte, schlimmer konnte all das nicht werden, so hatte er sich gehörig geirrt. Obgleich ihn hier offenbar keine Folter drohte, kein Tod, schien ihm diese Erpressung schlimmer, als alles andere.

Verzweiflung stob langsam, und immer schneller werdend, in ihm hoch, einem Wirbelsturm gleich, der alles aus dem Weg stieß, was ihm in die Quere kam.

Er wusste, wenn er sich dem Dunklen Lord nicht anschloss, würde er seine Drohung wahr machen. Und es war ein gut kalkulierter Plan. Es war nur logisch, dass er sich ihnen anschloss, weil er sonst zur Beute der Gesellschaft wurde.

Es war merkwürdig... viele Verfechter der Weißen Magie bekämpften den Rassismus und waren selbst fanatisch, wenn es um bestimmte Kreaturen ging. Wie um Werwölfe. Oder Vampire.

„Ich habe gehört, dass Sie Bündnisse mit den Vampiren suchen", versuchte Remus Zeit zu gewinnen. Er musste sich eine gut überlegte Antwort einfallen lassen. „Wie können Sie da annehmen, ich würde mit Vampiren auf derselben Seite stehen wollen?"

Belustigung huschte über Voldemorts Iris' hinweg. „Sieh an, sieh an. Du spielst auf die Zwietracht an, die zwischen euch herrscht. Nun, du würdest auf meiner Seite stehen. Ich werde darauf achten, dass ihr Werwölfe nichts mit den Vampiren zu tun haben werdet."

Mittlerweile fragte sich Remus allen Ernstes, wieso er wichtig genug für Voldemort war, dass dieser ihm persönlich das Angebot unterbreitete. Wie viele Werwölfe hatte der Dunkle Lord schon für sich gewinnen können? War er noch am Anfang und war das der Grund, wieso er direkt mit ihm redete und keinem seiner Handlanger die ganze Sache überließ?

„Ich bin durch Vyperus auf dich aufmerksam geworden", antwortete Voldemort, als hätte er Remus' Gedanken gelesen.

Dieser erschrak. Er hatte von Legilimentik gehört. Er musste seine Gedanken schützen!

Von Vyperus also... das würde eine Menge erklären. Remus selbst war Vyperus zweimal begegnet. Was hatte der Vampir erzählt, dass Voldemort entschieden hatte, der junge Mann sei wichtig genug für ihn?

Sirius, kam es Remus in den Sinn. Und diese Kette. Voldemort wollte die Kette. Vyperus hatte sie besessen, Mr Black hatte sie wieder erlangen können, aber der Vampir hatte sie sich erneut gestohlen. Sirius' Vater war den Gerüchten zufolge wieder kurz davor, sie sich zurück zu erobern. Und wiederholt mit Hilfe Stoyâns.

Vielleicht erhoffte sich Voldemort durch Remus Informationen darüber, die Sirius wusste.

Zudem war er, Remus, sicher der einzige Werwolf in England, der so eng vertraut mit Magiern war, die auf der anderen Seite standen: James Potter, der aus einer Aurorenfamilie stammte. Und Albus Dumbledore erst, der Remus vertraute.

Oh ja, Voldemort würde mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn er Remus' Treue und Gunst erwarb.

Aber das würde er nicht, so verlockend das Angebot in Bezug auf Freiheit und gesicherte Position im Job und generell sich auch anhörte. Remus war ein Feind der Schwarzen Magie. Und er würde seine Freunde niemals verraten. Freunde, die zu ihm hielten, obwohl er ein Werwolf war und mit ihm nachts ausgelassen durch den Verbotenen Wald streiften, auch heute noch. Jede Vollmondnacht.

Die Todesser würden ihn niemals anerkennen, das wusste Remus. Er war ja nicht auf den Kopf gefallen. Sie würden bloß Voldemorts Befehle ausführen und insgeheim in ihm eine widerliche Kreatur sehen. Anders ging es nicht, denn die Todesser verehrten das reine Blut.

Voldemort hatte Remus beobachtet. Nun stand er auf und sah arglistig auf ihn herab. „Zwei Wochen, Lupin. Dann will ich eine Entscheidung."

Damit gab er einem seiner Todesser, der hinter Remus stand, einen gelassenen Wink. Remus konnte nicht sehen, was dieser tat, aber als er kurz danach ein Brennen am Hinterkopf spürte, wusste er, dass der Betäubungsfluch ihn getroffen hatte.

Schwindel kam auf. Und mit ihr die immer stärker werdende Dunkelheit. Im Bruchteil einer Sekunde sackte er in sich zusammen und bekam nicht mit, wie er aus der Zelle geschafft und in einer verlassenen Ecke Londons nahe der Zeitschriftenredaktion liegen gelassen wurde.

Remus wachte von alleine auf und hatte Mühe, die letzten Ereignisse als Realität zu definieren, zu schnell, zu unerwartet waren sie gekommen und wieder vergangen.

In zwei Wochen. Bei Merlin...


A/N:

Hiermit hat die Post-Hogwarts-Phase begonnen ;-)

James und Sirius sind noch 18, bald 19, da Geburtsjahr 1960, Remus und Peter habe ich 1959 geboren werden lassen und sind demnach 19.

Okay, ich hatte nicht gewusst, dass man elf sein MUSS, um nach Hogwarts kommen zu können. Da die Rumtreiber bei mir 1970 eingeschult worden sind, statt 1971, waren James und Sirius zB erst zehn. Aber das macht nichts, denn die Logik ist hiermit erhalten geblieben.

DANKE an meinen lieben Beta für die Recherche in Bezug zu Moody (er hatte z.B. zu dieser Zeit nämlich noch kein magisches Auge und somit auch noch nicht seinen Spitznamen Mad-Eye), danke für den wirklich witzigen Vorschlag in Bezug zum Vornamen von Perkins (Zebulon), danke, dass du mir die Sache mit dem Fahrstuhl erklärt hast und daanke für den schönen Vorschlag, dass Remus als freier Mitarbeiter bei einer Zeitung/Zeitschrift arbeiten könnte, damit es nicht auffällt, dass er einmal im Monat für mehrere Tage völlig fertig ist. Es sei angemerkt, dass Remus ja nicht richtig zufrieden mit dem Job ist, aber als Werwolf hat er kaum Möglichkeiten, nach seinen Interessen zu gehen und muss nehmen, was er kriegt.

Und DAAAAAAAANKE an meine lieben Reviewer:durchknuddel und euch alle wieder in die Schatzkammer pack: