Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

(- die letzten Worte eines Sterbenden.)


30. Kapitel

Der Kampf um die Kette


"Sie kennen ja mein Motto, Sir.
Erst schießen, dann fragen.
Ich mag nun mal keine ungeladenen Gäste."

(- Das fünfte Element)

25. Dezember 1978. Der Erste Weihnachtstag.

Schnee fiel vom Himmel. Leise und sanft suchten sich die Flocken einen Weg zur Erde, bedeckten den Boden, die Dächer und die Äste der Bäume mit einer weißen, glitzernden Schicht. Es hatte zur Folge, dass die Nacht nicht richtig dunkel wurde. Zu hell war der Schnee, zu silbern die Wolken am Horizont, überschattet von einem geheimnisvollen Violett.

So lautlos der Schnee herabfiel, so still war das Leben in London geworden. Nur die Glocken der Kirchen vermochten hin und wieder die Ruhe zu brechen, aber selbst ihre Schläge hallten sanft in der kalten Winterluft wider.

Die Menschen saßen in ihren warmen, weihnachtlich geschmückten Häusern, Lichter drangen nach draußen, als ob sie den Flocken den Weg erhellen wollten.

Sirius hockte in seinem Apartment, nahe dem hohen Wohnzimmerfenster, und starrte auf die beiden Pergamentrollen, die ihm im Laufe des Abends gebracht worden waren. Einmal von einem Falken, der seinem Vater gehörte und einmal von einer Fledermaus.

Die Briefe waren auch der Grund gewesen, warum er daheim geblieben war und alle Einladungen, sei es von James (welcher mit Lily bei seinen Eltern Weihnachten feierte), oder von Remus und seiner Familie, von Peter oder gar von Andromeda und Ted, abgelehnt hatte.

Der Brief von seinem Vater berichtete in knappen Worten, was er und Stôyan in Bezug zu Vyperus vorhatten.

Sirius,

es ist sicherlich interessant für dich zu wissen, dass Stôyan und ich noch in der heutigen Nacht um 1 Uhr Vyperus bei Rose Snape einen Besuch abstatten werden. Wir werden uns die Kette wiederholen und den Vampir endgültig aus dem Weg schaffen.

Du seiest gegrüßt,

dein Vater.

Der andere Brief, jener, der Sirius schockierte, stammte von Vyperus.

Denkst du, ich wüsste nicht von deines Vaters Plänen, die er mit Stôyan geschmiedet hat? Von Kisics Warnung? Ihr macht den Fehler, mich zu unterschätzen. Aber wieso kommst du nicht her zu mir und lässt dich eines Besseren belehren? Das Mädchen, das du begehrst, leistet mir bereits Gesellschaft. Und lass dir versichert sein, dass sie nicht dieselbe Gastfreundschaft genießt, wie einst deine Freunde und dein Bruder, als sie Rose ihre Aufwartung gemacht hatten. In Erwartung, dich im Laufe dieser Nacht bei uns anzutreffen,

Vyperus.

P.S. Und ja, ich habe sie entführt, um dich zu mir zu locken. Ich bezweifle, dass das Abstreiten einen Sinn macht. Tauchst du nicht auf, werde ich sie töten.

Sirius glaubte Vyperus. Glaubte, dass dieser Mina töten würde, wenn er nicht bei Mrs Snape auftauchte. So, wie er annahm, dass der Vampir auch bereit war, sie alle zu töten, wenn sie einmal bei ihm versammelt waren.

Der Brief war mit Blut geschrieben. Es war Minas Blut; ein einfacher schwarzmagischer Zauber, den Sirius früher einmal von seinem Vater gelernt hatte, bewies es ihm. Es überzeugte Sirius von der Wahrheit von Vyperus geschriebenen Worten.

Offensichtlich fühlte sich Vyperus so sehr in die Enge getrieben, dass er selbst das Haus von Mrs Snape für eventuelle Kampfansagen auszuwählen wagte. Für das Durchführen tückischer Pläne. Selbst die Gastfreundschaft ließ er außer Acht, die einst Regulus, James, Peter und Remus vor dem Vampir bewahrt hatte. Als Mrs Snapes Gästen hatte Vyperus ihnen nichts getan. Aber Mina war offenbar nicht ihr Gast, sondern von Vyperus einfach dorthin geschleppt worden.

Sirius fühlte, wie seine Handinnenflächen vor Nervosität schwitzten.

Verdammt.

Er hatte von Anfang an gewusst, dass er noch in dieser Nacht zu Vyperus gehen würde, um über Minas Leben zu verhandeln. Er hatte einfach gewusst, dass er auf eigene Faust hingehen würde, um größeren Schaden zu verhindern.

Und er hoffte, er konnte einen Nutzen daraus ziehen, dass sein Vater und Stôyan ebenfalls anwesend waren. Auch wenn Vyperus glaubte, daraus etwas gewinnen zu können, hatte Sirius vor, den Spieß umzudrehen.

Wieder hinterging er dabei die Aurorenzentrale und den Phönixorden, wieder aus Gründen, die persönlich waren. Er wollte nicht, dass sie von Mina erfuhren. Und er glaubte, sie würden ein Risiko darstellen, das Ganze vermasseln, wenn sie sich einmischten. Er stellte ihre Fähigkeiten als Krieger des Lichts nicht in Frage. Sie waren alle gut. Sehr gut sogar. Aber das war auch der springende Punkt: sie glaubten zu intensiv an die Weiße Magie. Und bei dieser brenzligen Angelegenheit war Fingerspitzengefühl gefragt. List und Tücke, nicht nur das Kennen, sondern auch das Verstehen, das Nachempfinden von Schwarzer Magie.

Als Kind einer schwarzmagischen Familie kannte Sirius sich damit aus. So sehr er immer dagegen rebelliert hatte, er hatte dennoch etwas gelernt.

All das waren Argumente, diese Aktion alleine durchzuführen. Sicher, er hätte James mitgenommen. Aber dieser befand sich mit Lily bei seinen Eltern, und Clark und Joanna Potter würden Argwohn schöpfen. Außerdem wollte Sirius James und Lily den Weihnachtsabend nicht vermiesen, nur weil er nicht in der Lage war, seine Gefühle für einen potentiellen Feind zu unterbinden. Immerhin plante James etwas.

So harrte Sirius aus, ließ die Zeit verstreichen, wartete, bis die Turmuhr in der Nähe ein Uhr schlug. Dann ließ er noch eine weitere halbe Stunde verstreichen, um sicherzugehen, dass sein Vater und Stôyan bereits dort waren, wenn er ankam.

Schließlich stand er auf, fuhr sich abwesend durch die Haare, die er noch immer kurz trug und die ihm nach wie vor in lässiger Eleganz in die Augen fielen, ihm einen verwegenen Ausdruck gaben.

Er überprüfte, ob er seinen Zauberstab und einen verzauberten Dolch dabei hatte, dann verließ er seine Wohnung. Draußen vor dem Haus, wo Schneeflocken auf ihn herabfielen, apparierte er nach Cambridge.

Direkt vor dem Tor kam er an. Ein Vorhof, mit frischem Schnee bedeckt, lag vor dem Haus, ein schiefer Holzzaun umzäumte ihn. Das Tor ließ sich mit einem leisen Quietschen öffnen und Sirius trat hindurch. Er ging den Weg entlang, bis er vor dem Haus stehen blieb. Es war von Efeu umrankt, die Blätter hingen von der Last des Schnees schwer herab. Die Steinwände waren nicht zu erkennen, die Fenster mit den schiefen Holzläden und die Tür waren freigeschnitten. Rosen in weißer und hellroter Farbe blühten an einigen Stellen unauffällig zwischen dem Efeu hervor, dem Winter trotzend. Sie mussten verzaubert sein.

Sirius atmete tief ein, dann stieg er die sechs Stufen empor. Er betätigte die Klingel; die Steinaugen der Schlange unter dem Namensschild, fast verdeckt von den Kletterpflanzen, bewegten sich und musterten den jungen Rekruten.

Nach kurzer Zeit bereits wurde die Tür geöffnet und ein Hauself mit kauzigem Gesicht erschien.

So arm, wie das Haus von außen den Anschein hatte, war Mrs Snape also nicht.

„Sie müssen Sirius Black sein. Zauberstab und andere Waffen her. Sie werden erwartet." Er sprach unfreundlich und mürrisch.

Sirius starrte ihn an. Dann schnaubte er, gab dem Hauselfen mit dem Fuß einen derben Tritt, so dass dieser aufkeuchend nach hinten zu Boden fiel, stieg achtlos über ihn hinweg, während er seinen Zauberstab zückte und den Flur betrat. Die Wände waren hell und teilweise mit Bildern und Wandteppichen geschmückt. Einfache Fackelhalter hingen von der gewölbten Decke herab und tauchten das Haus in goldenes Licht. Steinvasen mit üppigen Rosensträußen standen an jeder Ecke. An der gegenüberliegenden Wand führte eine Wendeltreppe nach oben; links befand sich eine helle Holztür, die geschlossen war.

Doch nun öffnete sie sich abrupt und Vyperus stand im Türrahmen. Mit einem ärgerlichen Blick erfasste er die Lage und versuchte sofort – ohne Zauberstab – Sirius zu entwaffnen.

Doch dieser hatte genau damit gerechnet und wich aus; hastig zielte er mit dem Zauberstab auf den Vampir.

Dieser hatte sich nicht verändert. Sein mondhelles Gesicht war spitz und sehr bleich. Seine Züge waren fein und edel, sie wirkten aristokratisch. Er hatte hohe Wangenknochen, einen schön geschwungenen, dünnen, rötlichen Mund und eine Hakennase, die ihn wie ein Adler wirken ließ. Sie ließ erkennen, dass Severus Snape sein Sohn war. Ausdruckslosigkeit lag auf seinem Gesicht, umhaucht von einer Spur von Herablasung. Das schwarze, glänzende Haar hatte er hinten zusammengebunden.

Aus seinen großen, schwarzen Augen fixierte er Sirius. Sie waren von einer eigentümlichen Leere und zeigten keinerlei Gefühle. Er trug eine schwarze Hose, schwarze Stiefel und ein altertümliches Hemd in derselben Farbe.

Vyperus grinste Sirius an; die spitzen, langen Eckzähne funkelten auf. „Glaubst du etwa, ich lasse dich mit Zauberstab hereinspazieren?"

Sirius zog seine Augenbrauen zusammen und kämpfte seine Nervosität nieder. „Glaubst du etwa, ich lasse mich entwaffnen?", fragte er im selben, höhnischen Ton zurück. Er verengte seine Augen. „Wo ist sie?"

Und wo waren sein Vater und Stôyan? Hatte er sich verkalkuliert und kamen sie etwa noch später? Verdammt, das durfte einfach nicht wahr sein. Sirius wurde unruhig. Ohne sie war er Vyperus ausgeliefert. Er war dem Vampir niemals ebenbürtig, dieser würde ihn ohne sonderliche Anstrengung fertig machen.

Und ehe Sirius auch nur reagieren konnte, traf ihn ein Fluch, der ihn hart nach hinten schleuderte. Er prallte gegen die Wand und sank aufstöhnend zu Boden. Nur einen Bruchteil der Sekunde später hatte Vyperus ihn entwaffnet.

Sirius richtete sich hastig auf, ignorierte die Schwindelgefühle und sah den Vampir rasch auf sich zukommen. Schon wurde er am Oberarm gepackt und mitgezerrt. Lange, spitze Fingernägel gruben sich in seine Haut, rissen sie auf.

Sie erreichten in den Wohnsaal. Eine Couchgarnitur mit zerschlissenem mattgrünem Bezug und hellbraunen Kissen stand auf der rechten Seite, zusammen mit einem niedrigen Glastisch, direkt vor einem großen Kamin. An der Stirnwand war eine Terrassentür, die in den großen, verwilderten Garten führte. Sie war geschlossen und von verzierten Gardinen behangen. Weinrote Teppiche lagen auf dem Boden. An der rechten Seitenwand befand sich ein großes Regal mit vielen Büchern. Ein Sessel stand davor. Überall hingen Vasen, gefüllt mit Rosen, an den Wänden, die einen süßlichen Duft verströmten.

Mina saß mit den Händen auf den Rücken gefesselt und bleich auf der Couch; eine Platzwunde klaffte auf ihrer Stirn und getrocknetes Blut klebte an ihrem Mund. Dunkle Ränder lagen unter ihren Augen. Ihre dunklen Locken waren zerzaust, in ihren grauen Augen herrschte Angst, Anspannung und Stumpfheit gleichermaßen.

Ein weiterer Eisenring war um ihren Oberarm geschlungen, dessen Kette zu einem Ring an der Wand hinter der Couch führte. So verhinderte Vyperus eine Flucht der jungen Frau.

Vyperus zog Sirius ebenfalls zur Couch und stieß ihn nieder.

Unheilvoll blickte er auf Sirius herab. Dann grinste er fanatisch. „Dein Vater wird sicher bald kommen. Und dann werde ich mich mit eurem Blut beglücken", sagte er mit seiner melodiösen, scheinbar sanften Stimme; der lauernde Unterton verriet die Unaufrichtigkeit.

Er wandte sich ab, ohne sie aus den Augen zu lassen, um weitere Fesseln herbeizuzaubern. Von Mrs Snape war keine Spur.

„Wieso bist du hier?", fragte Mina matt. Sie sprach sehr schleppend, als brächte ihr jedes Wort unendliche Anstrengung.

Sirius sah sie besorgt an. Dann zog er eine Grimasse. „Ich wollte dich hier rausholen."

Ihre Augen weiteten sich; sie hob ungläubig die Brauen. Etwas glitzerte in ihren Pupillen auf. Etwas Warmes. Aber dann kam leichter, gutgemeinter Spott hinzu. „Oh. Na, wie ich sehe, läuft deine Rettungsaktion ja sehr erfolgreich."

Ihr Ton war mild und unglaublich müde, offenbar hatte sie schon resigniert und rechnete mit ihrem Tod.

Sirius, der nun alle seine Hoffnung auf seinen Vater setzte, so paradox es auch war, griente. Woher er diese Kraft angesichts ihrer Lage nahm, wusste er auch nicht so genau. „Ich will es spannend machen", zwinkerte er. So, als ob er noch alles im Griff hätte.

Vyperus bedachte beide mit höhnischen Blicken. „Schluss mit dem Gerede", befahl er dann kurz angebunden. Er hatte Eisenketten in den Händen, packte Sirius' Handgelenke, um sie aneinander zu ketten.

Sirius spürte dessen kalte Hände und fröstelte unwillkürlich. Aber gleichzeitig reagierte er. Er lehnte sich hastig zurück, hob sein rechtes Bein und trat den Vampir mit voller Wucht. Dieser keuchte auf, agierte aber viel zu schnell, machte eine Handbewegung, Sirius duckte sich und der Fluch prallte gegen die Wand. Putz bröckelte herunter. Und dann zerbrach auf einmal mit einem Knall die Terrassentür.

Sirius blinzelte erschrocken, Vyperus fuhr herum, ein grüner Fluch flog geradewegs auf den Vampir zu, welcher augenblicklich in Deckung ging und wütend aufschrie.

Da standen auf einmal Sirius' Vater und Stôyan im Wohnsaal, soeben durch die zerstörte Glastür hereingetreten.

„Vyperus, Vyperus", schnarrte Stôyan und maß den anderen Vampir mit bedrohlichen Blicken.

Dieser war hinter dem Sofa in Deckung gegangen und feuerte seinerseits Flüche ab. Stôyan wich mühelos aus.

„Wie soll ich das verstehen, Vyperus?", fragte er mit seiner kalten, dunklen Stimme, die irritierenderweise immer einen spitzbübischen Klang hatte.

Seine hochgewachsene Gestalt war in einen bodenlangen, schwarzen Winterumhang gehüllt. Die dunklen Haare waren zurückgekämmt, die verschiedenfarbenen Augen (das recht blau, das linke grün) glitzerten finster. Auf dem gutaussehenden, edlen Gesicht lag kalte Wut. Die spitzen, langen Eckzähne ragten aus der Oberlippe hervor.

„Du greifst mich trotz deines Treueids an?"

Vyperus schnaubte. „Und wie soll ich es verstehen, Stôyan? Ihr dringt gewaltsam in mein Reich ein?"

Dein Reich?", wiederholte Stôyan mit dunklem Amüsement. „Und ich habe angenommen, eine gewisse Rose Snape lebt hier."

„Na, umso schlimmer", knurrte Vyperus. In seinen schwarzen Augen glomm es gefährlich auf.

„Du hast den Sohn eines Freundes als Geisel", sagte Stôyan kalt. „Grund genug, um hier einzudringen."

Sirius, der sich bereits gewundert hatte, wieso sein Vater nicht erstaunt war, ihn hier anzutreffen, fiel es wie Schuppen vor den Augen. Sein Vater hatte es gewusst. Er musste von Minas Entführung erfahren haben und er und Stôyan hatten ihn mit voller Absicht hier zuerst auftauchen lassen, damit sie einen Grund hatten, in Mrs Snapes Haus einzudringen und Vyperus anzugreifen.

Sirius erinnerte sich an die Vampirstaaten, die in den Ländern im Untergrund aufgebaut worden waren. Wahrscheinlich hatte Stôyan dies beabsichtigt, damit niemand seine Vorgehensweise in Frage stellte, sondern seine ihm unterstellten Vampire ihm Recht geben würden darin, dass er Vyperus angegriffen hatte, weil dieser den Sohn eines Freundes gefangen genommen hatte.

Wie überaus geschickt.

Accio Zauberstäbe!", rief Mr Black indessen, machte mit seinem Zauberstab einen eleganten Schlenker und Sirius' und Minas' Waffen flogen auf ihn zu. Er fing sie auf und warf sie seinem Sohn zu.

Direkt danach griff Stôyan Vyperus an.

Während sich die Vampire ein spektakuläres Duell lieferten und dabei der Wohnsaal stark unter Mitleidenschaft gezogen wurde, zauberte Sirius Mina frei.

„Los, lass uns abhauen", presste er hektisch hervor. Mochten sein Vater und die Vampire noch weiterkämpfen, sie beide sollten zusehen, dass sie von hier wegkamen.

Er nahm Minas Hand und zog sie mühelos hoch. Sie stolperte gegen ihn und hielt sich an ihn fest. Beinahe wäre sie gestürzt.

Sie war total erschöpft und konnte sich kaum auf ihren Beinen halten, merkte Sirius. Ob Vyperus sie gefoltert hatte? Alles sprach dafür.

Sirius steckte ihr ihren Zauberstab zu; gleichzeitig kam eine Frau in den Wohnsaal hineingelaufen, die kreischend ihre Hände vor das Gesicht schlug.

„Oh, bei allen magischen Mächten dieser Welt!", rief sie entsetzt aus. „Was ist denn hier los? Aufhören, sage ich! Aufhören! Ihr zerstört mein Haus! Ihr bringt euch ja noch gegenseitig um! Aufhören!"

Sirius war herumgewirbelt und wusste sofort, dass es Mrs Snape war, als er sie sah. Auch wenn ihr Sohn ihr nicht sonderlich ähnlich war, so hatten es ja schon ihre Worte verraten.

Sie war schlank, fast hager und trug ein weinrotes, schlichtes Kleid mit rundem Ausschnitt und Ärmeln, deren Spitzen bis zum Boden reichten. Die kastanienbraunen Haare waren sorgfältig hochgesteckt, ihr Gesicht mit den hellbraunen Augen war schmal geschnitten. Sie wirkte sehr adrett.

Niemand, außer Vyperus beachtete sie.

„Rose!", rief er ihr zwischen den Flüchen hinzu, und er klang besorgt. „Lauf wieder nach oben! Sofort!"

Er klang nicht befehlend, aber da lag eine beschützende Eindringlichkeit in seiner Stimme. Mrs Snape jedoch blieb, wo sie war, und zückte ihren Zauberstab. Damit zielte sie auf Mr Black.

„Wer sind Sie? Und wieso haben Sie ihn angegriffen? Ich verlange, dass Sie sofort wieder verschwinden!", schrie sie zornig. Sie war mutig.

Vielleicht auch suizidgefährdet, dachte Sirius.

Rauchschwaden benebelten derzeit ein wenig den Wohnsaal; der Kamin war bereits von fehlgeschlagenen Zaubern zerstört, einige Vasen waren zu Bruch gegangen und die Rosen heruntergefallen. Immer wieder mussten auch Sirius und Mina in Deckung gehen.

Mr Black blieb gelassen. „Bei allem Respekt, Mrs Snape. Der Vampir hat meinen Sohn entführt. Glauben Sie etwa, ich sehe dem tatenlos zu?"

Mrs Snape schnappte nach Luft. Sie stellte Mr Blacks Worte nicht in Frage, schien aber verzweifelter zu werden. „Wenn er derartiges getan hat, dann nur, weil Sie ihn in die Enge getrieben haben!", beschuldigte sie den Zauberer.

Ein blauer Blitz, der Vyperus hatte treffen sollen, flog zischend und sehr knapp über Sirius' Kopf; kurz danach zerbarst der Holztisch zwischen der Sofagarnitur und Splitter flogen durch die Luft.

Sirius und Mina bekamen welche ab; blutige Schrammen überzogen ihre Gesichter.

„Lass uns fliehen!", hörte er Minas erstickte Stimme. Sie hielt sich immer noch an seinen Armen fest, dicht an ihn gedrängt, so dass die Empfindung von Schnee sehr stark war. Offenbar traute sie ihren Beinen immer noch nicht.

Sirius löste sich schnell von ihrem Griff, drehte sie herum und schob sie, an den Oberarmen gepackt, vor sich her; immer wieder mussten sie in Deckung gehen, um keine Flüche abzubekommen.

Mrs Snape war von ihrer Schimpftirade dazu übergegangen, Mr Black entwaffnen zu wollen, aber dieser wich ihr aus.

„Gib endlich auf, Vyperus!", hörte Sirius Stôyans kalte Stimme.

„Niemals!", grollte Vyperus und hetzte nun, um abzulenken, den Todesfluch auf Mr Black.

Sirius hielt unwillkürlich die Luft an; Stôyan reagierte sofort, in dem er einen anderen Fluch dem grünen Blitz entgegenschleuderte, so dass der Avada Kedavra abgelenkt wurde und gegen die Decke prallte.

Und so ging es weiter.

Wenn Vampire kämpften, sollten Sterbliche das Weite suchen.

Sirius lief mit Mina hastig in den Flur, direkt auf die Haustür zu. Sie ließ sich nicht öffnen, auch nicht mit Magie.

„Scheiße", murmelte Sirius. Hektisch sah er sich um.

Die Terrassentür war zerstört, aber um zu ihr zu gelangen, mussten sie direkt an seinen Vater vorbei. Irgendwie bezweifelte Sirius, dass dieser ihn und Mina so einfach gehen lassen würde. Er konnte ihn aber auch nicht angreifen, da es besser war, wenn Stôyan und Mr Black Vyperus zusammen angriffen. Es war vorteilhafter, denn immerhin galt Vyperus im Augenblick als der gemeinsame Feind.

Ein Fenster klirrte im Wohnsaal und schien in sich zusammenzufallen. Fast gleichzeitig hörte Sirius von oben ein gewaltiges Stoßgeräusch. Die Grundmauern des Hauses erzitterten, als ob ein magischer Schutzwall gewaltsam gebrochen worden war.

„Was war das?", fragte Mina leicht panisch und versteifte sich.

Kurz danach polterten mehrere Gestalten die Wendeltreppe herunter. Sie waren in dunkle Kutten gehüllt, die Kapuzen tief in die Gesichter gezogen, welche ihrerseits von silbernen Masken verdeckt waren.

Todesser. Und gleich sieben an der Zahl.

Sirius starrte ihnen fassungslos entgegen; seine Gedanken waren ein einziges Chaos.

Nein. Neinneinneinnein!

Er fluchte leise vor sich hin, hielt seinen Zauberstab sofort auf die Todesser gerichtet. Aber diese nahmen zunächst gar keine Notiz von ihnen und stürmten mit gezückten Waffen sogleich in den Wohnsaal.

Sirius konnte vom Flur aus mehrere bunte Blitze sehen – der Grüne war besonders oft dabei – und Mrs Snapes aufgebrachtes und zugleich angstvolles Kreischen ertönte immer wieder. Sie selbst schien sich wahllos des Todesfluchs zu bedienen. Niemand zeigte hier noch Vernunft.

„Die Kette? Los, wer von euch hat die Kette? Her damit, oder ich töte euch!", rief einer von den Todessern feindselig.

Sirius trat mit Mina vor, um direkt in den Wohnsaal hineinzublicken und erkannte, dass einer von den Männern Voldemorts Mrs Snape als Geisel genommen hatte. Er hielt sie von hinten im Würgegriff.

Vyperus brüllte wütend auf; eine schnelle Bewegung und ein anderer Todesser in seiner Nähe wurde vom Avada Kedavra getroffen. Dann sprang der Vampir wie ein Raubtier auf den Schwarzmagier zu, der seine Geliebte in den Fängen hielt und biss einfach zu. In seinen Augen glitzerte der Wahnsinn.

Der Todesser gab erstickte Laute von sich, ließ Mrs Snape los, die in Sicherheit huschte; die anderen hetzten mehrere Flüche auf Vyperus, doch dieser wirbelte gleichzeitig mit dem Schwarzmagier herum, so dass sie ihren eigenen Mann trafen.

Er brach bewusstlos zusammen, Vyperus ließ von ihm ab; Blut tropfte aus seinem Mund. Plötzlich hatte er einen Dolch in der Hand, den er einfach mit voller Wucht hinunter warf, direkt auf die Stirn des auf dem Boden liegenden Todessers. Blut spritzte. Und etwas anderes.

Sofort danach entbrannte der Kampf aufs Neue. Todesser gegen Vyperus, Vyperus gegen Stôyan, Mrs Snape gegen Mr Black und die Todesser.

Die Todesser warfen sich hektische Befehle hinzu.

Sirius wusste, als Auror, oder zumindest als Rekrut, sollte er auf der Stelle der Aurorenzentrale Bescheid geben. Aber er hatte andere Probleme. Er sollte erst einmal Mina und sich selbst hier wegschaffen.

So schob er Mina weiter, in Richtung Wendeltreppe. Sie murmelte immerzu etwas und er überlegte, ob sie unter Schock stand.

Dann hörte er wieder Geräusche von oben. Er hielt inne, hob den Zauberstab. Es gab Gepolter und kurz darauf rannten drei weitere Zauberer in Todesserkutten die Stufen herab.

Stupor!", rief Sirius und schockte den ersten.

Crucio!", hallte die Stimme des zweiten hinunter; die Stimme durch die Maske verzerrt.

Sirius duckte sich und riss Mina mit sich.

„Mina, wenn du kannst, dann hilf mir und zaubere auch, okay?", wisperte er ihr fahrig zu, keine Rücksicht darauf nehmend, ob sie überhaupt in der Verfassung dazu war.

Er zückte ihren Zauberstab und drückte ihr ihn fast schon gewaltsam in die Hand, während er sie beide vor dem nächsten schwarzmagischen Fluch in Sicherheit brachte.

„Black, du Hurensohn", rief der zweite Todesser aus, während der dritte den ersten vom Stupor-Fluch befreite.

Da durch die Masken die Stimme nicht erkannt werden konnte, war Sirius nicht in der Lage, sie zuzuordnen. Aber irgendwie glaubte er, dass es jemand aus seinem Schuljahr in Hogwarts gewesen sein musste. Oder ein, zwei Jahrgänge darunter. Der jugendliche Tonfall und die Art der Beleidigung sagten es ihm.

„Immer wieder eine Freude, euch Idioten wiederzusehen", gab Sirius zurück und entwaffnete den ersten Todesser, der benommen aufgestanden war, und schockte ihn ein weiteres Mal. Diesmal mit solch einer Kraft, dass diesem der Boden unter den Füßen gerissen wurde und er einige Meter nach hinten flog.

„Kümmert euch nicht um Black!", rief der dritte Todesser fahrig, den zweiten die restlichen Stufen herunterschubsend. „Los, wir müssen die Kette sichern!", befahl er dem anderen Todesser. „Alles andere ist unwichtig!"

Sie liefen los, Sirius und Mina beiseite schubsend, und den dritten mit sich zerrend. Der zweite war dabei, ihn erneut vom Fluch zu befreien.

Sirius jagte ihm einen Non conscientia-Zauber hinterher, der dem ersten Todesser das Bewusstsein raubte.

Im selben Augenblick flog Stôyan durch die offene Tür des Wohnsaals und landete hart auf den Boden des Flures. Drei der anderen Todesser eilten ihm nach, Flüche auf ihn abfeuernd, während Vyperus ebenfalls den Flur betrat und zwei der Todesser tötete. Die zwei jugendlichen Todesser waren schlitternd stehen geblieben; sie griffen niemanden an, offenbar hatten sie hauptsächlich die Order, sich die Kette zu schnappen, wenn es die sieben älteren – von denen mittlerweile vier tot waren – nicht schafften.

Dann heulte Mrs Snape aus dem Wohnzimmer auf. „NOCH MEHR? OH, BEI SALAZAR! AVADA KEDAVRA!"

Von ihrer höflichen Art war nicht mehr viel übrig.

Und schon stürmte ein neuer Trupp an Todessern den Flur, diesmal offenbar durch die Terrassentür Zutritt verschaffend. Mr Black folgte ihnen; er griff die Todesser kein einziges Mal an, aber er schützte Stôyan so gut er konnte.

Er selbst blutete aus einer Wunde an der Schläfe und seine Robe war zerrissen. Darunter trug er ein schwarzes Hemd, auf dem sich ein feuchter Fleck nahe den Rippen gebildet hatte. Es musste Blut sein.

Sirius verfolgte atemlos die Szene.

Wieder hörte man Laute von oben und erneut polterte jemand die Wendeltreppe herunter.

Sirius war längst nicht mehr fassungslos. Was hier geschah, hätte er sich zwar niemals ausgemalt, aber er passte sich der Realität an. Das musste er, sonst war er verloren. Aus Mrs Snapes Haus war ein Schlachtfeld gemacht worden. Statt zu fragen, wurde sofort angegriffen, die verschiedenen Parteien kloppten sich förmlich um die Kette, die offenbar Vyperus noch immer um den Hals trug.

Stôyan biss gerade einem Todesser die Halsschlagader durch, riss einfach die Haut ab, als sei er ein Tier; der Todesser verlor auf der Stelle so viel Blut, dass er zu Boden sank. Vyperus tötete einen anderen Todesser, ehe er sich wieder dazu aufraffte, Stôyan anzugreifen. Mr Black hetzte selbst Flüche auf Vyperus. Mrs Snape stand am Rand, jammerte und schimpfte, war sehr bleich und versuchte, alle zu verfluchen, die ihren Geliebten angriffen.

Sirius lenkte seine Aufmerksamkeit wieder der Wendeltreppe zu und sah direkt zwei Stufen vor sich einen schlanken Zauberer in den Todessergewänden stehen. Die Kapuze war hochgezogen, die Maske auf dem Gesicht. Der Feind starrte Sirius unverwandt an und schien zur Reglosigkeit verdammt zu sein.

Sirius runzelte verwirrt die Stirn; dann hob er seinen Zauberstab an, zielte damit direkt auf die Brust des Todessers.

Noch ehe er oder andere reagieren konnten, erschien auf einmal Felice oben am Treppenansatz.

Sirius riss die Augen auf. „Felice!", rief er völlig perplex aus.

Felice trug keine Todesserkluft. Nur einen normalen Umhang. Seine graublauen Augen hatten sich auf den Todesser fixiert; Sirius hatte er offenbar noch gar nicht wahrgenommen.

„Regulus!", rief Felice fast schon panisch. „Regulus, misch dich da nicht ein! Komm zurück!"

Und Sirius sog den Atem ein. Nun verharrte auch er völlig bewegungslos und starrte den maskierten Todesser voller Unglauben an. Seinen Arm ließ er schließlich langsam und mechanisch sinken.

Ohne es zu merken, ließ er Mina los, welche sich an das Geländer klammerte und den Zauberstab verteidigungsbereit in der Hand hielt.

Sirius' Gedanken jagten vollkommen durcheinander in seinem Kopf herum; kollidierten miteinander und versuchten die Tatsache zu leugnen: sein eigener Bruder war dabei, sich zum Todesser ausbilden zu lassen.

„Regulus?", stieß Sirius schließlich leise und nach wie vor entgeistert hervor.

„W-was tust du hier?", fragte der Todesser, selbst völlig konsterniert. Auch wenn die Stimme verzerrt war, glaubte Sirius, sie als die Stimme seines Bruders zu erkennen.

„Ich... ich wollte sie hier rausholen", entgegnete Sirius matt.

Die Situation erschien ihm völlig surreal. Während etwa zehn Meter weiter ein heftiger, blutrünstiger Kampf zwischen Vampiren, Todessern, Mr Black und Mrs Snape tobte, stand er hier, völlig erschüttert, und redete mit Regulus. Mit einem Todesser-Rekruten. Und die Krönung bildete Felice, der nun ebenfalls die Treppe herunterkam, hinter Regulus stehen blieb und ihn am Arm zerrte.

„Verdammt, Regulus, komm wieder mit hoch! Du wirst niemals lebend hier rauskommen, wenn du dich in das Gewimmel reinstürzt!", redete Felice eindringlich auf den jungen Schwarzmagier ein.

Sirius sah Felice an, welcher nun zurückschaute. Er schien Sirius vorhin selbst entdeckt zu haben, so dass er sein Entsetzen besser unterdrücken konnte. Aber in seinem Blick lag große Bestürzung.

„Es ist nicht das, wonach es aussieht, Sirius", presste Felice hektisch hervor, während er weiter an Regulus zerrte.

Dieser riss sich mit einem Ruck da los. „Ich muss dahin, Felice", entgegnete dieser tonlos. Ihm schien überhaupt nicht aufzufallen, dass Felice und Sirius sich in letzter Zeit getroffen haben mussten, da die Art, wie sie miteinander sprachen, es verriet.

„Scheiße", machte Sirius schließlich. Sein Kopf war mittlerweile fast leer von Gedanken; Gleichgültigkeit hatte sich aufgemacht, alles in ihn zu verdrängen. „Scheiße."

„Nein, das musst du nicht!", beharrte Felice, kurz darauf hat er seinen Zauberstab an Regulus' Hinterkopf gepresst. „Komm wieder mit hoch und verschwinde von hier! Die Auroren haben einen geheimen Tipp von dieser Aktion hier bekommen und werden jeden Moment auftauchen!"

Sirius horchte auf. „Einen geheimen Tipp? Woher weißt du das?"

Verdammt. Er musste schleunigst weg von hier. Besser, die Auroren sahen ihn hier nicht. Dieser Kampf war eine einzige Katastrophe.

Ein paar verirrte Flüche zischten immer wieder auf sie zu, aber sie duckten sich jedes Mal flink. Die Wand hinter ihnen und die Treppe wurden teilweise zerstört.

„Ich weiß es eben", entgegnete Felice ausweichend.

„Felice, du Blödmann, lass den Scheiß und lass mich gehen!", zischte Regulus, der sich nicht mehr zu bewegen wagte, seit er bedroht wurde.

Sirius' Kopf ruckte wieder in seine Richtung. „Du fällst Dad in den Rücken, wenn du die Kette für Voldemort sichern willst."

Regulus fuhr zusammen. Es war nicht auszumachen, ob es daran lag, dass Sirius ihm Verrat an der Familie unterstellte, oder weil er den Namen des Dunklen Lords aussprach.

„AAAAHHH!", schrie Mrs Snape auf einmal. Vyperus hatte sich auf Stôyan gestürzt und sie beide prügelten sich mittlerweile. Mr Black hechtete hervor, griff in Vyperus' Haare, zog dessen Kopf brutal zurück und riss ihm mit der anderen Hand die Kette vom Hals.

Ein paar Todesser heulten auf. „Her damit, Black!", bellte einer.

Vyperus, der von Stôyan augenblicklich abgelassen hatte, tötete den Todesser. Dann wollte er Mr Black töten, aber genau in diesem Augenblick wurde die Haustür magisch in die Luft gesprengt und Auroren sowie Eingreifzauberer stürmten das Haus.

„Nein!", rief Regulus erstickt aus. „Die Kette! Der Dunkle Lord will sie!" Er war gar nicht auf Sirius' Bemerkung eingegangen. Wer wusste schon, was er wirklich plante.

Und schon duckte er sich, sprang gleichzeitig behände nach vorne und lief einfach auf das Kampfgetümmel zu.

„NEEEIN!", brüllte Felice und hechtete hinterher. „KOMM ZURÜCK!"

Sirius sah ihnen sprachlos hinterher, dann stöhnte er auf. „Warte hier", rief er Mina zu, während auch er den beiden Jungen hinterlief. Wieso er das genau tat, konnte er sich im Augenblick auch nicht erklären. Vielleicht, weil Felice so sehr darum bemüht war, Regulus' Leben unter Gefahr für sein eigenes zu retten, dass er einfach nicht tatenlos zusehen konnte.

„AUFSTELLUNG!", brüllte eine ihm wohlbekannte Stimme. Clark Potter. „Kesselt die vier Todesser von links ein!" Dann: „Longbottom, McKinnon! Schützt Snape!"

„Los, bezieht Stellung!", rief eine andere Stimme. Benji Fenwick, der Kommandant der magischen Polizeibrigade. Er rief seinen Eingreifzauberern die Order zu, Todesser und Vampire gleichermaßen zu verhaften, wenn es nicht anders ging, sie zu töten.

Zur gleichen Zeit hatte Felice Regulus eingeholt; sie waren nur knapp drei Meter von dem ganzen Chaos entfernt.

Er packte ihn am Arm. „Komm endlich mit! Hau ab, Mann! Hau ab!", rief er verzweifelt.

Sirius, der sich die Frage, wieso Felice so sehr erpicht darauf war, Regulus zu schützen, lieber später stellen wollte, kam schlitternd neben ihnen zum Stehen. Atemlos sah er dem Gerangel zwischen Todessern, Vampiren und Auroren zu.

Er erfasste mit einem einzigen Blick, dass sein Vater schwer verletzt war, aber die Kette triumphierend in den Händen hielt. Dann disapparierte er. Wenn es jemals einen Schutz gegen das Apparieren gegeben hatte, so war er durch die verhemmten Angriffe auf das Haus zerstört worden.

Frank Longbottom stand bei Mrs Snape, als in diesem Augenblick einer der Todesser – viel zu wütend auf das Verschwinden der Kette – sich auf sie stürzte.

Sie schrie auf. Frank schleuderte einen massiven Schockzauber auf den herannahenden Todesser. Gleichzeitig hatte auch Sirius angefangen, Regulus wieder fortzuzerren.

„W-WAS? SIRIUS?", brüllte Gideon Prewett auf einmal verblüfft und lenkte somit die Aufmerksamkeit verschiedener Auroren und Eingreifzauberer auf Sirius und Felice, die Regulus wieder zur Wendeltreppe zogen.

„Hau ab, Regulus!", zischte Felice eindringlich. Er blutete mittlerweile aus einer Schramme an der rechten Wange. „Hau ab! Hau doch endlich ab!" Er schob ihn die Treppe rauf.

Und diesmal kapitulierte Regulus. Sein Blick war gehetzt, zwielichtig. Vielleicht fragte er sich gerade, wem er mehr Loyalität zollen sollte, um selbst an Macht zu gewinnen: seinem Vater oder Voldemort.

Die Prewett-Brüder kamen inzwischen angelaufen, um den Todesser an der Flucht zu hindern. Aber Regulus war schon herumgewirbelt, floh die Treppe hinauf und kurz danach hörte Sirius ein lautes Plopp.

Das Haar lag ihm schweißnass auf der Stirn. Sein Herz klopfte wie wild, und seine Wunden brannten. Sirius wusste nicht, was er spüren sollte ob Regulus' gelungener Flucht. Er hatte sich nun Unmengen an Problemen aufgehalst.

Ein grüner Blitz kam auf einmal direkt auf Sirius zugeschossen, abgefeuert von einem Todesser. Sirius wusste in dem Augenblick, dass er zu spät reagieren würde. Es ging einfach zu schnell. Bilder flackerten vor seinem inneren Auge auf, als sich plötzlich jemand auf ihn warf, trotz der Gefahr, selbst getroffen zu werden.

Es war Felice. Sie beide fielen zu Boden, der Todesfluch zischte nur haarscharf an ihnen vorbei.

Sirius, der sich beim Fall mit den Händen so gut es ging aufgestützt hatte, spürte das Gesicht des anderen auf sich ruhen. Felice rappelte sich keuchend auf.

„Verdammt, das war knapp", stieß er unruhig hervor.

Sirius drehte sich auf den Rücken und setzte sich auf, zu Felice hochblinzelnd.

„Danke, Mann." Sein Puls raste. Er stand auf.

Avada Kedavra!", brüllte einer der Todesser und sowohl Sirius, Felice, als auch Gideon und Fabian wirbelten wieder herum.

Der grüne Blitz jagte auf Mrs Snape zu, Frank und Marlene riefen sofort Schutzzauber auf, aber kamen zu spät.

Der Todesfluch traf die Geliebte des Vampirs, welcher in diesem Augenblick zu ihr herumgewirbelt war.

Es war, als stünde die Zeit für die Dauer weniger Augenblicke still. Als hielte sie selbst den Atem an.

„NEEEEEIIIIINN!", schrie Vyperus. So viel Entsetzen, so viel Schmerz lag in dieser sonst so kalten Stimme.

Mrs Snape sah Vyperus an; die Augen vor Schock weit aufgerissen. Dann sackte sie leblos zu Boden, getötet von einem Todesser.

„NEEEEIINN!" Vyperus eilte zu ihr, Stôyan war nicht mehr zu sehen, offenbar war auch er disappariert.

Vyperus kniete neben der Frau, die er so sehr liebte, hob sie an, fühlte ihren Puls, sprach Zauber, die alle nicht halfen.

Für einige Momente hatte der Kampf aufgehört – alle, ob Auroren und Eingreifzauberer oder Todesser – starrten zu Vyperus und der toten Mrs Snape hinüber.

Er schob ihren Kopf auf seinen Schoß und wiegte sie hin und her, vollkommen fassungslos über ihren Tod.

Noch immer starrten alle auf das Paar, durch den Tod nun so plötzlich entzweigerissen.

Und dann blitzte es in Vyperus' Augen eiskalt auf. Wild. So gefährlich, dass Sirius es sogar spüren konnte. Wenige Sekunden verstrichen, Momente, in denen all der Fanatismus, all der Wahnsinn in dem Vampir unkontrolliert ausbrach und selbst das Entsetzen zurückdrängte.

„Rrrraaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhhhrrrrrrrrrr!", machte Vyperus und bewies, dass er kein Mensch mehr war. Dass das einzig Menschliche an ihm die Liebe zu Rose Snape gewesen war. Doch nun war es erloschen. Einer Flamme gleich, die im Sturm des Kampfes schwächer geworden und der Ewigkeit nicht standgehalten hatte.

Er sprang flink auf und machte eine ausschweifende Handbewegung; kurz danach fingen die Hallen des Hauses an zu erzittern. Der blutverschmierte, mit mehreren Leichen übersäte Boden bebte.

Vyperus hetzte auf den Todesser zu, der Mrs Snape getötet hatte und mit all seinem Leid, mit all dem Kummer und dem Hass tötete er ihn auf bestialische Weise. Dann jagte er auf einen anderen Todesser den Todesfluch, ebenso auf einen Auroren – Kenny Baker.

„DAS HAUS STÜÜÜÜRZT EEEIINN!", brüllte Fenwick.

Mittlerweile gab es nur noch ihn, die Prewetts, die mit Felice, Sirius und Mina ohnehin außer Reichweite des Kampfes standen, Frank, Marlene und Clark – die anderen fünf Auroren waren tot. Von den Todessern waren nur drei übrig geblieben, von denen zwei disapparierten; der eine war dabei, sein Bewusstsein ob der schweren Verletzungen zu verlieren.

Gideon und Fabian wandten sich indes mit entgeisterten und zunehmend wütenden Blicken Felice und Sirius zu.

„Was war das?", herrschte Fabian sie an. „Ihr habt einem Todesser zur Flucht verholfen! Verdammt, auf wessen Seite steht ihr eigentlich?"

Sirius schloss kurz die Augen. Leere kam in ihm auf. „Auf eurer, Mann."

Kurz darauf wurde er von Gideon am Hemd gepackt und durchgerüttelt. „ACH JA? DAS SAH ABER VORHIN GANZ ANDERS AUS! WOHER WUSSTET IHR ÜBERHAUPT, DASS HIER HEUTE ANGRIFFE STARTEN?"

Sirius versuchte sich vergeblich loszureißen, da wurde Gideon von einem Schockzauber von hinten getroffen. Es war Mina. Sie lächelte müde Sirius an, war allerdings kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren.

„Bring mich endlich weg von hier", murmelte sie schwach.

„FABIAN! GIDEON!", rief Fenwick, der versuchte, sich Vyperus vom Hals zu schaffen. Denn dieser tobte wie ein Wahnsinniger.

„VERHAFTET BLACK UND ZABINI! UND DANN AB IN UNSERE ABTEILUNG!"

Fabian hatte Gideon sofort vom Fluch befreit, Sirius war zur selben Zeit zu Mina getreten und hielt sie fest.

„Scheiße, Mann", fluchte Fabian. „Los jetzt, uns bleibt keine andere Wahl! Ihr kommt mit uns mit!"

Felice hatte die Schultern hängen lassen und plante offenbar nicht den geringsten Widerstand. Schatten hetzten über seine Iris, die Schwermut war stärker geworden, ebenso wie die Verzweiflung.

„Ich komm nach", sagte Sirius nur. Er hatte vor, Mina wegzubringen, dann würde er sich freiwillig ins Zaubereiministerium begeben. Gleichgültigkeit darüber hatte sich so sehr in ihm verankert, dass er sie kaum noch bewusst spürte.

Gideon wollte ihn packen, aber Sirius konzentrierte sich ganz schnell und sehr intensiv, dann disapparierte er mit Mina zusammen.

Noch während sie vor seiner Wohnung apparierten, brach Mina endgültig bewusstlos zusammen.

Die plötzliche kalte, frische Luft ließ Sirius schwindeln. Er legte einen Arm unter Minas Beine, den anderen um ihre Schultern und hob sie hoch. Ihr Kopf lehnte an seiner Brust, ihr flacher Atem streifte seinen Hals.

Sie auf den Armen tragend brachte Sirius sie hoch in seine Wohnung und legte sie behutsam auf sein Bett. Schnell überprüfte er ihren Puls, und als er sich vergewisserte, dass ihr Kreislauf einigermaßen stabil war, ging er wieder hinaus.

Von dort apparierte er direkt vor dem Eingang des Zaubereiministeriums. Es war dunkel, schließlich hatten alle anderen frei. Soeben tauchten Fenwick und Marlene auf.

Die anderen Überlebenden schienen sich bereits in der Aurorenzentrale aufzuhalten. Was mit Vyperus war, würde er sicher gleich erfahren.

Fenwick reagierte sofort und presste Sirius seinen Zauberstab gegen die Brust. Dessen vor Wut verengte braune Augen funkelten feindselig.

Dieser hob in einer fast schon belustigten Geste seine Hände, breitete die Arme aus, um zu beweisen, dass er weder bewaffnet war noch Widerstand leisten würde.

„Ist ja okay, Fenwick", sagte er leise. „Ich komm schon mit."

„Klappe, Black", blaffte dieser. „Du bist verhaftet!"


A/N:

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