Rückwärts in die Dunkelheit

Zu den Sternen schaut man auf,
wenn es auf der Welt nichts mehr zu sehen gibt.
Oder blickt man auf,
wenn man nichts mehr sehen will?

(- die letzten Worte eines Sterbenden.)


32. Kapitel

Familientreffen


„Alles, was wir wirklich lieben,
ist unersetzlich.
Und alles,
wofür Ersatz nur denkbar ist,
haben wir niemals wahrhaftig geliebt."

(- Gustav Nieritz)

Mai 1979.

Die Angriffe der Todesser wurden immer vehementer. Immer aggressiver, immer brutaler. Sie waren den Auroren und Eingreifzauberern überlegen, nicht nur zahlenmäßig, sondern auch vom Potential der Magie her. Sie beherrschten die Dunklen Künste in exzellenter Form, sogen ihre Kraft aus der immer stärker werdenden Dunkelheit, und die Verteidiger des Lichts mussten immer hilfloser mit ansehen, wie die Todesser sich einen nach dem anderen von ihnen holten.

Vor einem Jahr waren sie noch 58 Auroren, 40 Eingreifzauberer und insgesamt 29 Rekruten gewesen. Jetzt waren sie noch 27 Auroren und 19 Eingreifzauberer. Und jeweils fünf Rekruten in den beiden Abteilungen, also zehn. Zehn. Immer weniger wagten es, eine Ausbildung in der Magischen Strafabteilung anzufangen.

Da seit Jahren Hubertus Berkins das Amt des Zaubereiministers innehatte, der naiv, nahezu dumm und total unfähig war, das magische England zu befehligen, war die Seite der Weißen Magie klar im Nachteil.

Das Zaubereiministerium war korrupt, infiltriert von Spionen des Dunklen Lords, den kaum noch einer bei seinem Namen zu nennen wagte. Berkins wurde nur deswegen wieder gewählt, weil Betrug und dunkle Machenschaften dahinter steckten. Denn die Todesser konnten nur durch einen überforderten, nutzlosen Zauberer als Minister ihren Einfluss im Ministerium geltend machen.

Man konnte kaum noch jemandem trauen. Jeder konnte ein Verräter, ein Spion sein, hinter jedem Lächeln vermochte eine hasserfüllte Feindseligkeit stecken. Mugglehäuser wurden in Brand gesetzt, sogenannte Halb- und Schlammblüter grausam ermordet. Auf Reinblüter, die sich gegen Voldemort gestellt hatten, wurde Jagd gemacht; sie wurden gehetzt, gequält, gefoltert; für sie war ein langsamer, bitterer Tod vorgesehen.

Voldemorts Anhänger ließen Kreaturen züchten, um eine Armee auszuheben. Sie suchten Verbündete bei den Riesen, bei den Kobolden, bei den Vampiren, bei jeglichen anderen Geschöpfen. Drachen wurden gezähmt, berittene Truppen sollten sie für Luftangriffe nutzen.

Voldemort ließ die Gesellschaft in Angst und Schrecken versetzen und gab gleichzeitig Versprechungen, die so falsch wie gefährlich waren. Er machte selbst vor Quidditch nicht Halt. Die Teams wurden erpresst, bedroht, damit sie, wenn das Zaubereiministerium endgültig besetzt werden konnte, in seinem Namen spielten.

Doch in dieser ganzen Finsternis, in dieser immer grausamer werdenden Welt gab es hin und wieder ein paar Hoffnungsschimmer. Lichtreflektionen gleich, die sich auf wundersame Weise in der Düsternis widerspiegelten; tanzenden Irrlichtern ähnelnd, denen man hinterher laufen, sie mühsam einfangen musste, um das eigene Leben zu erhellen.

James' und Lilys Hochzeit war so ein Licht in dieser Dunkelheit.

Sie hatten den Mai gewählt, einen Monat, der oft für solche Anlässe ausgesucht wurde. Der Winter war in solchen Tagen längst vertrieben, die Tage waren länger geworden, die Sonne schien mild und die Wiesen waren wieder von bunten Blumen übersät. Die Schmetterlinge flatterten in der Luft und wenn sie einen anderen ihrer Art trafen, tanzten sie vergnügt in der Frühlingsbrise. Vögel zwitscherten von saftig-grünen Bäumen, der Himmel war blau, weiße Wolken zogen vorüber.

Remus, der draußen an einem der langen Tische für die Hochzeitsgäste saß, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und blinzelte der Sonne entgegen. Er verschränkte die Hände hinter seinem Kopf und dachte, dass er in diesem Augenblick kaum glauben konnte, dass England sich im unerklärten Krieg befand.

James und Lily hatten einander in einer kleinen Kirche ihr Ja-Wort gegeben; es hatte Remus an Andromedas und Teds Hochzeit erinnert. Diese beiden waren auch anwesend; ihre Tochter Nymphadora – nun fünf Jahre alt – lief vergnügt herum und versetzte alle in Erstaunen und Entzücken, wenn sie beispielsweise ihre Frisur änderte. Es klappte nicht immer, denn Konzentration war dazu notwendig und Nymphadora besaß die Geduld dafür noch nicht. Außerdem stolperte sie immerzu über ihre eigenen Füße, zog aus Versehen an einer Tischdecke und schmiss das ganze Geschirr herunter und brachte ihre junge Mutter an den Rand der Verzweiflung. Ted allerdings grinste dazu nur und stiftete schon Überlegungen an, wie er aus seiner Tochter eine Regelbrecherin machen konnte. Sirius war davon natürlich total begeistert und er half dem Mann seiner Cousine darin, wo er nur konnte.

Beide, sowohl Ted, als auch Andromeda, hielten sich aus den Kämpfen zwischen Weißer und Schwarzer Magie heraus, auch wenn es schwer war. Schließlich war Ted ein Mugglestämmiger und sie hatte sich von ihrer Familie abgewendet – nur zu leicht konnten sie ins Visier der Todesser geraten. Aber bisher hatten sie sich immer gut versteckt, waren für die Feinde – und sogar für die Freunde – unauffindbar. Sie meldeten sich meist von sich aus bei ihren Freunden. Seit der Geburt ihrer Tochter waren sie um einiges verantwortungsbewusster geworden und wollten nicht das Glück ihrer Familie riskieren.

Peter hockte neben Remus und war seltsam still. Er hatte gemeint, er habe viel Stress auf der Arbeit. Remus glaubte ihm. Seit in England unklar war, wer eigentlich herrschte, hatte das Land auf internationaler Ebene einen schweren Stand. Die weißmagischen Staaten wandten sich der Insel ab oder aber unterstützten die Jäger schwarzer Zauberer und Hexen. Die schwarzmagischen Nationen boten ihre Hilfe Voldemort und seiner Gefolgschaft an.

Da es in Peters Abteilung von Todessern nur so wimmelte – natürlich konnten sie nie als solche ausgemacht werden, da es keine Beweise gab – war der junge, dickliche Mann mit den wässrigen Augen ein einziges Nervenbündel. Remus konnte es verstehen und empfand Mitleid für seinen Freund.

Er selbst hatte mal wieder finanzielle Schwierigkeiten. Die Zeitschriftenredaktion, für die er gearbeitet hatte, war vor zwei Monaten in die Luft gesprengt worden. Es hatte viele Tote gegeben – Remus war zum Glück in seiner Wohnung gewesen. Nun hatte er noch immer keinen neuen Job. Seine alte Wohnung hatte er aufgeben müssen und war in eine noch kleinere, noch schäbigere gezogen. Er hatte die anderen Rumtreiber seitdem noch nie zu sich eingeladen; vor allem Sirius und James waren stinkig darüber. Mehrere Male hatten sie sogar unangemeldet vor seiner Tür gestanden, aber dann hatte er einfach nicht aufgemacht. Raffinierte Zauber hatten verhindert, dass die beiden ungestümen Rekruten die Tür aufbrachen. Aber Remus war es peinlich, ihnen seine Wohnung zu zeigen. Sie bewies, dass es ihm nicht so gut ging wie den anderen. Ganz und gar nicht gut. James und Sirius – auch Peter – hatten ihm oft genug Geld angeboten, aber er hatte es immer stur abgelehnt. Er wollte das nicht; das wäre noch schlimmer für ihn gewesen.

Gelächter hallte nun über die Festwiese. Nach der Heirat in der Kirche waren alle hierhin appariert, an einem Vorort Londons. Dumbledore hatte dann massive Schutzzauber heraufbeschworen, sie konnten also vor Angriffen von Todessern sicher sein. Zudem waren jede Menge Auroren, Eingreifzauberer und Mitglieder des Phönixordens anwesend, alles geladene Gäste.

Auch Dumbledores Bruder Aberforth, ein Gründungsmitglied des Ordens, war anwesend. Er sah Albus recht ähnlich; hatte einen noch viel längeren und zotteligen Bart und eine Zipfelkapuze auf, die er tief in die Stirn gezogen hatte. Es wurde gemunkelt, er experimentiere mit Ziegen. Er war der Inhaber des Eberkopfes, jenes berüchtigten Wirtshauses in Hogsmeade, bei dem Mundungus Fletcher, ebenfalls Mitglied des Phönixordens und Gast auf der Hochzeitsfeier, seit 1975 Hausverbot hatte. Warum, wusste niemand genau, genauso wenig, wie bekannt war, was Mundungus eigentlich so trieb. Er trug immer recht zerlumpte Kleidung, trank für sein Leben gern Whisky und lief häufig mit einem Schal herum, der sein Gesicht bis zu den Augen verbarg. Offenbar hatte er Stress mit so einigen zwielichtigen Leuten und wollte nicht erkannt und angepöbelt werden, wenn er auf den Straßen herumlief. Er betrieb Schwarzmarkthandel, wusste immer über alle Illegalitäten Bescheid, wettete und hatte Schulden, aber schaffte es jedes Mal mit Gaunertricks, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.

Albus Dumbledore traute ihm aber, deswegen taten es die anderen auch.

In Remus' und Peters Nähe saßen normalerweise Lily und James, die jetzt auf der Wiese tanzten, Sirius, der aber im Moment einen Tisch weiter bei Andromeda hockte (Remus hatte bemerkt, wie Ted ihm kichernd eine Farbbombe zugesteckt und ihm etwas Verschwörerisches zugeflüstert hatte), Felice Zabini, die Prewett-Brüder Fabian und Gideon und ihre Cousine Emily, mit der Remus bereits in Hogwarts zu den Tanzbällen gegangen war. Außerdem saß noch Rubeus Hagrid am Tisch, der sich von Mundungus gerade anhörte, wie man am besten Magische Pfeifen gegen Dracheneier austauschen konnte, ohne vom Zaubereiministerium entdeckt zu werden. Neben ihnen hockte Caradoc Dearborn, ein 33-jähriger Auror, den Remus viel zu liebenswürdig für einen solchen Job fand. Er war auch Mitglied im Orden, immer recht ruhig und besonnen. Am Tisch zur rechten Seite saßen James' und Lilys' Eltern, sowie Lilys Schwester Petunia, die ein wenig eingeschüchtert wirkte. Außerdem Frank und Alice Longbottom, Marlene McKinnon und ihre Brüder, Alastor Moody, Minvera McGonagall, Benjy Fenwick, Amelia Bones und ihr Bruder Edgar Bones samt Ehefrau, sowie weitere, Remus unbekannte Gesichter.

Die Gäste waren zahlreich erschienen und die Stimmung war fröhlich. Viele tanzten; eine Band spielte Musik.

„Hey, Felice, ich hab gehört, du hast dich verlobt?", erkundigte sich Remus, mit dem ehemaligen Slytherin ein Gespräch anfangend, der zu seiner Linken saß. „Aber sie ist nicht hier, oder?"

Felice richtete seine ungewöhnlich blassen, graublauen Augen auf ihn, sah ihn unter dichten Wimpern an. Ein flüchtiges Lächeln umspielte seine Lippen.

„Ja, ich habe mich verlobt und nein, sie ist nicht hier", antwortete er mit seiner ruhigen, gelassenen Stimme, in der immer etwas Nebulöses mitschwang, geboren aus einer seelischen Last, die der Junge mit sich trug.

Remus lächelte freundlich zurück. Er mochte Felice ganz gerne; er war damals auch Vertrauensschüler gewesen und sie waren sich dementsprechend öfter nachts auf den Gängen begegnet, wenn sie ihre Runden gegangen waren. Nie hatte Felice ein verächtliches Wort an ihn gerichtet, immer war er höflich gewesen – ein Verhalten, das ihn von den anderen abgehoben hatte.

„Kenn ich sie?"

Felice zuckte mit den Schultern. Die Sonne schien auf sein Gesicht, verstärkte die leicht gebräunte Haut. „Ich weiß nicht."

Nur langsam schien auch Peter seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch zwischen ihm und Felice zu lenken, wie Remus bemerkte.

„Sie heißt Natalie Rookwood", fügte Felice mit einer ausgesuchten Unbekümmertheit hinzu.

Remus starrte ihn an, merkte, wie der Blick des anderen lauernd, nahezu provozierend wurde.

Peter, der einen Schluck Kürbissaft genommen hatte, spuckte die Flüssigkeit wieder prustend aus und hustete. „W-was?", keuchte er schließlich ungläubig. „Die Tochter von Augustus Rookwood?"

Im Phönixorden vermutete man, dass Augustus Rookwood ein Todesser war und für Voldemort in der Mysteriumsabteilung im Ministerium spionierte. Es gab aber keine Beweise dafür.

Auch Remus war entgeistert. Er wusste, dass Felice ein Aurorrekrut war, ein Überläufer, einer der wenigen, welche die Schwarze Magie verraten und sich auf die andere Seite geschlagen hatten. Und nun war er mit einem Mädchen aus einer Todesserfamilie verlobt? Es war gewagt, keine Frage. Eigentlich war es unmöglich.

Felice maß Remus und Peter mit spöttischen Blicken. Er lehnte sich zurück und verengte beinahe unmerklich seine Augen. „Ich bin mit Natalie verlobt. Und nicht mit Augustus", sagte er und gab sich nicht die Mühe, den Sarkasmus aus seiner Stimme zu bannen.

„Aber- aber-", stotterte Peter, Felice immer noch fassungslos fixierend, ehe ein heimlicher Tritt Remus' ihn zum Verstummen brachte.

Felice mochte sich zum Auror ausbilden zu lassen, aber er war kein Mitglied des Phönixordens. Folglich wusste er nichts von der Organisation und sie konnten ihm demnach schlecht erzählen, was sie in Bezug zu Rookwood vermuteten.

Aber Felice schien sich allerdings selber etwas zusammengereimt zu haben; dunkle Belustigung glomm in seinem Blick auf. „Ihr glaubt, es wäre fatal, weil einige vermuten, Augustus sei ein Todesser, hm?", raunte er leise, damit es niemand anders mitbekam. „Nun, es gibt keine Beweise und im Zaubereiministerium können die meisten nicht glauben, dass er ein Spion der Dunklen Seite ist." Er machte eine bedeutungsvolle Pause. „Selbst die Abteilung der magischen Strafverfolgung kann es nicht glauben."

Remus schaute ihn an. Er hatte von einigen Auroren, die auch im Orden waren, gehört, dass dort niemand annahm, dass Rookwood ein Spion Voldemorts war. Über Rookwood war der Phönixorden auch sehr entzweit. Einige glaubten, er sei ein Todesser, die anderen glaubten es nicht.

Kein Wunder also, dass es offenbar niemandem in der Aurorenzentrale störte, dass Felice mit der Tochter Rookwoods verlobt war.

Remus fand es trotzdem merkwürdig. Felice hatte einen schweren Stand in der Gesellschaft. Mittlerweile wussten auch die Todesser, dass er sich zum Auroren ausbilden ließ und sie nahmen es ihm doch sicherlich sehr übel. Noch hatte es keine Angriffe auf Felice gegeben, bisher wurde er immer in Ruhe gelassen. In der Aurorenzentrale hieß es offensichtlich, dass sein Versteck eben gut war.

Aber wie konnte ein Todesser wie Augustus Rookwood tatenlos zusehen, wie seine Tochter sich dann mit einem Verräter verlobte? Er fragte Felice.

Dieser sah ihn verständnislos an. „Wieso sollte er etwas dagegen haben, selbst wenn er einer wäre? Ich liebe Natalie und sie liebt mich. Das ist doch alles, was zählt."

Remus runzelte die Stirn. „Aber du wärst ein Feind für die Rookwoods, sofern er doch ein Todesser ist." Er glaubte, dass dieser ein Todesser war.

Felice machte eine unwirsche Handbewegung. „Selbst wenn Augustus ein Todesser wäre, würde es ihn nicht kümmern, wen Natalie heiratet."

Remus zweifelte. „Ach ja? Und wieso sollte er so tolerant sein?"

Felices Blick wurde plötzlich kalt, mit der Schnelligkeit von Gewitterwolken. „Glaub nicht, dass allein die Weiße Magie die Toleranz gepachtet hat", meinte er gepresst.

Remus atmete lang aus. „Aber schau... es herrscht Krieg. Die politischen Differenzen sind zu groß, um-"

Ein eisiger Ausdruck in Felices blassen Augen ließ ihn verstummen.

„Und du glaubst, nur weil sie die Tochter eines möglichen Todessers ist, sollte ich sie fallen lassen? Mir eine andere suchen, um Ersatz zu finden?" Er wurde verächtlich. „Wenn ich annehmen würde, es gäbe Ersatz, würde ich Natalie kaum wirklich lieben, oder? Aber ach... davon verstehst du sicher nichts."

Remus biss die Zähne zusammen ob dessen letzter Bemerkung. Das musste die Niederträchtigkeit eines Slytherin sein. Aber er blieb gefasst. Er ließ sich nicht provozieren.

„Und weil auch Augustus nur um das Wohl seiner Tochter besorgt ist, hat er nichts gegen unsere Verlobung", fuhr Felice fort. Er wandte seinen Blick von Remus ab, ließ ihn in die Ferne schweifen. „Wie du sicher weißt, sind die Rookwoods keine alte, reinblütige Familie. Sie sind reinblütig, wie meine oder auch deine Familie, aber..." Er schaute Remus wieder an; ein geisterhaftes Grinsen hob seine Mundwinkel, „sie sind neu-rein, wie man es nennen könnte. Wie wir."

Remus neigte seinen Kopf zur Seite und musterte Felice aufmerksam aus halbgeschlossenen Lidern. Er verstand nicht genau, was der andere damit meinte, er konnte es nur erahnen: dass die Rookwoods – selbst wenn sie eine Todesserfamilie waren – sich von den alt-reinblütigen Familien immer noch unterschieden und bei ihnen teilweise andere Prinzipien vorherrschten. Prinzipien, die nicht so traditionell festgefahren waren.

Eines hatte er aber begriffen und es verwirrte ihn. Augustus Rookwood liebte offenbar seine Tochter und gönnte ihr die Beziehung zu Felice. Remus hätte nicht gedacht, dass ein Todesser zu solchen Gefühlen und Gedanken fähig war.

Und als hätte Felice seine Gedanken lesen können, sagte er etwas, das Remus allmählich verstand, und das gerade, weil er ein Werwolf war.

„Ihr glaubt immer, die schwarzmagische Seite bestünde aus lauter Vorurteilen und Rassismus. Aber weißt du, die Weiße Magie ist da nicht besser." Felice lächelte leicht, aber der melancholische Kummer ließ sich nicht verdrängen, umhauchte den jungen Mann wie eine Aura. „Ihr habt genauso viele Vorurteile und ihr hegt denselben Rassismus, nur er ist umgekehrt. Ihr bringt den Todessern dieselbe Abneigung entgegen, die sie euch entgegenbringen." Er brach wieder den Blickkontakt, richtete seine Augen auf die Tanzfläche und dann sagte er etwas, das Remus das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Die Seite der Weißen Magie verachtet Werwölfe und andere Kreaturen, ist ihnen gegenüber rassistisch, weil sie ihnen nicht dieselben Rechte zugesteht, nur weil sie anders sind." Er seufzte. „Die Weste eurer Seite ist niemals blütenweiß gewesen."

Remus stierte ihn an. War es Absicht gewesen, dass Felice von all den Kreaturen, die es gab, die Werwölfe genannt hatte? Ahnte dieser, welches Geheimnis Remus barg? Oder wusste er gar davon, da er immerhin einmal mit Snape dieselben Todessercamps besucht hatte? Zudem kam hinzu, dass er jahrelang mit Snape in Hogwarts einen Schlafssaal geteilt hatte. Wie vertraut waren sie, wie konnte es sein, dass Felice wusste, dass Remus ein Werwolf war?

„Sprachlos, Lupin?", lächelte Felice spöttisch und ließ seinen Blick immer noch umherschweifen.

Remus merkte nicht, wie Peter Felice mit offenem Mund anstarrte. Merkte nicht, wie dieser darüber nachdachte, dass Felice soeben eine Art Begründung gegeben hatte, dass beide Seiten voller Vorteile und Rassismus waren. Dass beide sozusagen gleich gut oder auch gleich schlecht sein konnten. Ob man die Ansicht teilen mochte oder nicht, war eine andere Sache.

„Man könnte meinen, du stündest immer noch auf der anderen Seite", sagte Remus schließlich, entschieden, das Werwolfsthema komplett zu ignorieren.

Langsam, als hätte er alle Zeit der Welt, richtete Felice wieder seinen Blick auf Remus. Die Augen waren halb geschlossen, das Sonnenlicht reflektierte in den Pupillen, beleuchtete die Blässe und tauchte das Blaugrau in ein schimmerndes Gold. Eine rätselhafte Mischung aus verwirrter Traurigkeit und aufglimmender Aggressivität schillerte darin auf.

„Ich bin nicht auf dein Vertrauen angewiesen, Lupin", sagte Felice nun. Die Stimme klang insgesamt tonlos, aber Schlieren von Kummer waren darin verwoben; die Schwermut glitzerte in seinen Augen auf, dem Funkeln blasser Jade gleich. „Die, auf deren Vertrauen ich angewiesen bin, stellen es nicht in Frage und das genügt mir."

Remus sah ihn leicht betroffen an. Er hatte Felice nichts unterstellen wollen. Er wurde nur nicht aus ihm schlau; es mochte daran liegen, dass Felice der erste war, der die Dunkle Seite verriet, nachdem er sich offen für sie eingesetzt hatte. Es mochte daran liegen, dass er nicht Feuer und Flamme für die Weiße Magie war, dass er zu keinem Zeitpunkt die Schwarzen Künste verachtet hatte. Er schien in einer grauen Zone zu leben, sich in graue Schatten zurückgezogen zu haben, während die Welt um sie herum in Schwarz und Weiß blendend aufloderte.

Als wüsste er, dass Weiß ohne Schwarz nicht überleben konnte, als gäbe es kein Licht ohne die Dunkelheit und als setzte er sich nur für das Helle ein, weil er erkannt hatte, dass es im Nachteil war. Dass die Waage sich zugunsten der Finsternis geneigt hatte und er nur deshalb die Seiten gewechselt hatte, um zu helfen, das Gleichgewicht wieder zu erringen.

Das würde erklären, warum er trotz der Ausbildung zum Auror an gewisse Ideologien der Schwarzen Magie glaubte.

Und Remus realisierte, dass er gerade deswegen Felice vertrauen konnte. Dass es eine kluge Entscheidung war, sich für das Dazwischen zu entschieden haben und er bereute seine anklagenden Worte.

Er lächelte schief. „Tut mir leid, Felice. Ich glaube an die Aufrichtigkeit deiner Handlungen."

Felice blickte zurück; etwas Mildes hatte sich auf seine feinen Gesichtszüge gelegt; der immerwährende Kummer zog sich ein wenig zurück. „Schon okay." Er war nicht nachtragend, das spürte Remus.

Plötzlich schrie jemand aufgebracht auf und Remus' Kopf wirbelte herum. Einige andere hatten ihren Schrei ebenfalls gehört; die Tanzenden bekamen nichts mit. Andromeda war aufgesprungen, über und über mit roter Farbe bedeckt, und wischte sich soeben ihre Augen frei.

Sirius und Ted bogen sich vor Lachen. Auch Rick Lee Jordan, Andromedas bester Freund aus den Schulzeiten mit den unverkennbaren schwarzen Rastazöpfen, lachte.

„SIRIUS BLACK!", donnerte Andromeda nun und blitzte ihn an. „DAS WIRST DU MIR BÜßEN!"

Und kurz danach stürzte sie sich auf ihren Cousin, der schnell (und immer noch lachend) davon sputete; sie jagte ihm hinterher, während Nymphadora völlig begeistert versuchte, auf ihren kurzen Beinen die beiden anderen einzuholen.

Remus grinste und schüttelte amüsiert den Kopf. Einige Dinge änderten sich nie. Und das war gut so. Er stieß Peter leicht in die Rippen, als er bemerkte, dass dieser gar nichts von der Szene mitbekommen hatte. Er hatte sich wohl schon vor längerer Zeit vom Gespräch zwischen Felice und Remus abgewandt.

Er starrte zu Lily und James, die vor Freude strahlend tanzten, hin und wieder die Partner tauschten, aber immer wieder zusammenfanden. Lily sah in ihrem Brautkleid außerordentlich schön aus; sowohl ihr flammendrotes Haar, als auch ihre smaragdgrünen Augen hoben sich vom leuchtenden Weiß ab.

Remus stieß Peter noch einmal an. „Ja, wenn mir vor drei oder vier Jahren jemand gesagt hätte, dass Lily Prongs heiraten würde, hätte ich ihn ausgelacht", meinte er; glaubend, Peter schaue deswegen ein wenig fassungslos drein.

Peter schreckte auf. „Wie?" Die wässrigen Augen hatten sich etwas geweitet. „Oh, ja. Das habe ich auch gerade gedacht."

Remus nickte und zwinkerte. „Ich gönne es James. Er war immer nur hinter ihr her gewesen, jetzt hat all sein unnachgiebiges Warten sich gelohnt."

„Ja", sagte Peter. „Ich gönne es ihm auch."

Remus merkte nicht, wie die Worte seines Freundes sich irgendwie abgehackt anhörten.

xx

Für Peter hörten sich seine Worte gelogen an, aber Remus fiel es offenbar nicht auf. Das war sein Glück, denn er wollte nicht, dass irgendjemand merkte, wie eifersüchtig er auf James war.

Parallel kam ein furchtbar schlechtes Gewissen hinzu; James war Peters Freund, er sollte es ihm aufrichtig gönnen. Dadurch wurde Peter innerlich noch wütender. Verdammt, wieso bekam James immer alles, was er wollte und er selbst nicht?

Es war nicht so, dass er James hasste. Nein. Außerdem bewunderte Peter ihn ja auch. Aber... James hatte doch sonst schon alles, war immer beliebt, hatte nie Angst, kämpfte mit einem Mut gegen die Todesser, den Peter niemals hätte aufbringen können, wieso bekam er dann auch noch Lily? Wieso war das Leben immer ungerecht, wieso bekamen jene, denen es ohnehin schon gut ging, immer noch mehr, und andere, die mehr zu kämpfen hatten, nicht?

Peter stritt es nicht ab; er begehrte Lily. Er hatte sie schon in Hogwarts begehrt und als sie nett zu ihm gewesen war, hatte er Hoffnungen geschöpft. Als sie dann aber mit James ausging, war ihm aufgegangen, dass Lily offenbar nur Mitleid mit ihm gehabt hatte. Oder einfach nett war, weil sie dies zu vielen war.

Peter hatte gedacht, er würde irgendwann über Lily hinwegkommen. Aber dass er sie oft sah, da diese mit James zusammen war, machte es unmöglich. Er merkte, wie sein Herz schneller klopfte, wenn sie lachte. Er merkte, wie es kurz aussetzte, wenn sie ihn anlächelte. Wenn sie ihn berührte, freundschaftliche Gesten, aus denen er sich mehr ersehnte.

Aber seine Wünsche blieben unerfüllt. Lily liebte James; jeder konnte es sehen. Ihr Blick verriet es; ihre Augen leuchteten immer von einer faszinierten Wärme auf, wenn sie James ansah.

Die Hochzeit heute stellte einen Tiefpunkt in seinem Leben dar. Am liebsten hätte er Einspruch erhoben, als der Priester gefragt hatte, ob jemand etwas gegen diese Heirat habe und jetzt sprechen oder für immer schweigen sollte. Aber er hatte sich nicht getraut. Er hatte nicht gewagt, für Lily zu kämpfen, denn James war sein Freund.

Das alles deprimierte Peter. Es frustrierte ihn, es trieb ihn in Niedergeschlagenheit. Hinzu kamen die Gefahren, die um sie herum herrschten, die politischen Krisen, die Angriffe der Schwarzmagier. Peter fühlte sich unwohl in dieser Welt, er hatte Angst. Es war keine ausgereifte Furcht, denn er war nur ein einfacher Zauberer, weder Halbblut noch mugglestämmig, seine Eltern waren neutral, da sie es für diplomatischer hielten, und er selbst ließ in der Abteilung für internationale Zusammenarbeit auch nicht durchblicken, für wen er war. Das war auch gleich, denn niemand nahm sonderlich Notiz von ihm. Aber gerade diese Unauffälligkeit kam Peter in Zeiten wie diesen zugute. Er wurde nicht für die Todesser interessant und so brauchte er auch nicht zu befürchten, dass sie ihn jagten.

Aber die Angst war natürlich da. Wie konnte sie auch nicht, wenn jeden Tag von irgendwelchen Opfern die Rede war. Es herrschte Krieg, den niemand jemals öffentlich erklärt hatte. Er war einfach gekommen, erst langsam, dann immer schneller. Auf einmal tobte er.

So hatte sein Leben nicht viele Lichtblicke, fand Peter. Unerfüllte Liebe, der Bruch des Friedens, die Gefahr der Schwarzen Magie, das Auseinanderfallen des Zaubereiministeriums und damit verbunden ein Aufkommen des Misstrauens, der Paranoia, der Verfolgung, des Verrats, Denunzierung und Spionage, wie das Land es noch nie zuvor gesehen hatte.

Seelen mochten dunkel werden, wenn sie keinen Trost fanden.

xx

Anderthalb Wochen später.

Sirius stand vor dem Torbogen aus dunklem Stein und der geschlossenen Tür und rang mit sich selbst, irgendwo in einem verlassenen, abgelegenen Fleck Irlands.

Der Bogen war nicht groß, entstammte aber der gotischen Zeit, denn er war prunkvoll gebaut und verziert. Er musste von Magiern vor vielen Jahrhunderten erbaut worden sein. Zehn flache Stufen führten zur Tür aus schwarzem Holz. Der Türknauf in der Mitte war silbern und bildete einen Schlangenkopf. Am Bogen waren Drachenköpfe aus Stein gehauen, die Mäuler weit aufgerissen, die Zähne messerscharf, die Augen aus grünen Juwelen.

Sirius war allein; die anderen waren schon alle drinnen. Er würde der Letzte sein; er wusste, dass sie nicht mit ihm rechnen würden, auch wenn sie alle wussten, dass er eingeladen war.

Es war Narcissas Hochzeit; und weder sie noch er hatten das Versprechen vergessen, das Regulus ihnen damals mit List und Tücke abgenommen hatte: Sirius musste ihr Trauzeuge sein.

Damals hatte Sirius seines Bruders Plan noch nicht durchschaut; aber jetzt konnte er nur noch über dessen Raffinesse staunen. Regulus hatte vorausgeplant. Hatte gewusst, dass Sirius sich nach Hogwarts von der Familie abwenden würde und sah darin nun einen Versuch, ihn zurückzuholen. Denn es war klar, dass Sirius allein kommen würde. Er hatte ja ein Versprechen einzuhalten, und kein Magier war so töricht, ein solches zu brechen.

Nur so hatte Regulus es vermocht, Sirius aus der Mitte der anderen herauszuholen, um ihn alleine in den Kreis der Familie zu locken. Noch dazu würden ihm die anderen nichts tun, da er Narcissas Trauzeuge war. Niemand tat dem Trauzeugen Gewalt an, das würde Unheil über die Ehe des Paares bringen, das sich vermählen wollte, so glaubte man in urreinblütigen Kreisen.

So war auch sichergestellt, dass Sirius nicht angegriffen würde. Der Bräutigam persönlich – Lucius Malfoy – würde dafür schon sorgen. Wie auch die Braut.

Es war ein brillanter Schachzug von Regulus gewesen, den er bereits vor Jahren getan hatte, das musste Sirius ihm zugestehen. Aber er hatte nicht vor, sich ködern zu lassen.

Er würde einfach eintreten, Zeuge der Trauung sein und sofort danach wieder verschwinden. Ganz einfach.

Sirius holte tief Luft, dann stieg er die Stufen herauf. Hinter dem Torbogen würde sich der versteckte Ort befinden. Nur jene, die geladen waren, waren befähigt, einzutreten. Sirius war geladen. Er öffnete die schwere Tür. Er schob sich durch den Spalt, trat ein und blieb stehen. Die Tür schlug hinter ihm zu.

Ein Wiesenfeld erstreckte sich hinter dem Torbogen, das vorher nicht an den Seiten des Bogens zu sehen war; da es nachts war, war es mondbeschienen. Keine Wolken verdeckten die Frühlingsnacht; Sterne schimmerten vom Indigoblau herab.

Ein schmaler Pfad, mit grünsilbrigen Fackeln beleuchtet, führte zu einer Rosenlaube. Dort stand ein Altar. Links und rechts auf dem Weg dahin waren Bänke, die gefüllt waren von Reinblütern. Von Schwarzmagiern und in zivil gekleideten Todessern.

Am Altar, in dem ein Drudenfuß eingefasst war, stand ein Zauberer, den Sirius nicht kannte und der die Vermählung durchführen sollte. Narcissa war schon dorthin geführt worden; sie trug ein schwarzes Brautkleid. Lucius stand daneben. Hinter ihm war Aryan Lestrange, Lucius' Trauzeuge. Hinter Narcissa stand Bellatrix, die offenbar für Sirius eingesprungen war, weil alle angenommen hatten, er würde nicht kommen.

In der ersten Reihe sah Sirius seine Mutter, seinen Bruder, Tante Elladora, Rodolphus Lestrange, Ehemann von Bellatrix und Rabastan sitzen.

Sirius gab sich einen Ruck und schritt durch den Gang. Seine Schritte hallten auf dem nackten Stein. Er war jederzeit bereit, seinen Zauberstab zu ziehen.

Nach und nach lenkte er die Aufmerksamkeit auf sich, Köpfe wandten sich ihm zu, ein Raunen ging durch die Reihen.

Der Priester hielt inne; er hatte soeben erst begonnen, die ersten Worte zu sprechen.

Sirius merkte, wie Bellatrix die Luft einsog und augenblicklich ihren Zauberstab zückte. Aryan zischte Lucius etwas zu, woraufhin dieser sich umdrehte. Ebenfalls Narcissa.

Sie trug ein wunderschönes, schwarzes, auf Taille geschnittenes, rückenfreies Brautkleid mit silbrigen Blütenbordüren, das ab der Hüfte weit ausgestellt war. Es hatte dünne Träger. Ihre hellblonden, lockig gezauberten Haare waren kunstvoll hochgesteckt, nur einzelne, seidige Strähnen fielen elegant herab. Dunkle Blüten waren im Haar gesteckt worden. Ein Schleier verdeckte einen Teil ihres Gesichts. Die lange Schleppe des Kleides war hinter ihr ausgebreitet. Ein blutroter Rosenstrauß in ihrer linken Hand vervollständigte das Bild.

„Sirius!", rief Narcissa perplex aus.

„BEI SALAZAR!", kreischte jemand – seine Mutter. „DU HIER? DU KLEINER BLUTSVERRÄTER WAGST ES?"

Sirius blieb einen Meter vor dem Brautpaar stehen. In seinen Augen blitzte der Hohn. Er legte seine rechte Hand aufs Herz und deutete eine knappe Verbeugung an, wobei er es schaffte, dass sie spöttisch wirkte.

„Narcissa...", begrüßte er sie mit zweideutiger Höflichkeit. „Ich bin gekommen, um dein Trauzeuge zu sein. So, wie ich es versprochen hatte."

Ein Tumult brach aus; nicht alle schienen es gewusst zu haben.

Lucius fasste sich als erster. Er trug einen schwarzen Anzug, darüber ein Umhang, der mit einer silbernen Brosche, die einen Schlangenkopf bildete, zusammengehalten wurde. Sein platinblondes Haar hob sich vom Schwarz auffällig ab.

Er hob seine Hand und gebot Ruhe. Dann fixierte er Sirius aus kalten, grauen Augen. „Schön, schön, schön, Black", schnarrte er hochmütig. „Ich bin davon bereits in Kenntnis gesetzt worden. Dann nimm deinen Platz als Trauzeuge ein." Seine Augen wurden schmal. „Und benimm dich oder du bist des Todes!", zischte er ihm noch leise zu.

Sirius grinste. „Aber, aber, Malfoy. Willst du Unglück über deine künftige Ehe bringen, indem du mich tötest? Oder töten lässt?"

Narcissa sog die Luft ein. „Nein, das will er nicht!", antwortete sie bestimmt. Dann fügte sie laut hinzu: „Niemand wird dir hier etwas tun, denn du stehst unter meinem Schutz."

Sie machte eine einladende Geste und Sirius stellte sich neben Bellatrix.

Sie konnte es kaum fassen. „Wieso bist du gekommen?", spuckte sie hasserfüllt aus. Ihre schwerlidrigen Augen schienen Funken zu sprühen. Auf ihrem schönen Gesicht lag Feindseligkeit.

Sirius hob die Schultern; sein Blick glitt zur ersten Bankreihe und ruhte auf Regulus. „Ich musste es ihm versprechen."

„Ja, ich weiß!", spie Bellatrix hervor. Ihre Augenbrauen waren eng zusammengezogen, in ihrem Blick lag blanke Aggressivität. „Ich hab davon gehört. Aber-"

„Ruhe, bitte", fuhr der Priester mit dunkler Stimme dazwischen. Er hatte eine weite Kapuze hochgeschoben, die aber nicht sein Gesicht verbarg. Er war recht bleich, hatte hohe Wangenknochen und so dunkle Augen, dass sie wie ausgehöhlt schienen. Er hatte die Stirn ob der Störung gerunzelt, dann fuhr er mit der uralten Zeremonie fort, nachdem er sich seine Robe glatt strich.

„Mit der Macht Slytherins führe ich euch in den Bund der Ehe ein. Möget ihr das reine Blut bewahren und weitergeben, auf das es geheiligt werde für alle Zeit." Sein kalter Blick richtete sich auf Narcissa. „Willigst du, Narcissa Black, ein, Lucius Malfoy zu ehelichen, ihm zu gehorchen, ihm Kinder zu schenken, niemals untreu zu werden, bis das der Tod euch scheidet?"

Narcissa sah ihn an. Ein feines Lächeln huschte über ihren roten Mund. „Ja", sagte sie sanft.

Der Priester wandte sich nun an Lucius. „Und du, Lucius Malfoy, willigst du ein, Narcissa Black zur Frau zu nehmen, mit ihr Kinder zu zeugen, ihr treu zu sein, die Familie zu schützen, bis das der Tod euch scheidet?"

Auch Lucius gab das Ja-Wort.

Anschließend überreichte Aryan Lucius die Ringe. Silberne, schmale, schlangenverzierte Schmuckstücke.

Narcissa und Lucius steckten sich die Ringe gegenseitig an.

Der Priester hielt plötzlich einen Dolch in der Hand, nahm erst Narcissas, dann Lucius' rechte Hand und fuhr mit der Klinge über ihre Handinnenflächen. Rotes Blut lief über ihre Hände.

Der Zauberer presste die Hände des Brautpaares zusammen, so dass sich ihr Blut vermischte. Er zog die verschlungenen Hände über den Altar, damit das vermischte Blut auf den Drudenfuß tropfen konnte.

„Diese Ehe, eure Ja-Worte werden mit eurem Blut besiegelt", verkündete der Priester besonnen. „Unabwendbar seid ihr nun aneinander gebunden. Es soll bis zu eurem Tod halten. Und noch weit darüber hinaus."

Er ließ sie los.

Der Pakt war nun mit Blut gebunden und wenn überhaupt, dann nur noch durch den Tod aufzulösen. In der magischen Welt galten solche Verbindungen unabänderlich.

Sirius erschauderte. Solche Rituale waren gefährlich.

Dann hob Lucius Narcissas Schleier an, schlug ihn zurück, lächelte und beugte sich herab, um sie zu küssen.

Die Ehe war besiegelt.

xx

Sirius hatte gehen wollen, aber Regulus war an ihn herangetreten, nachdem Lucius mit einem Schwung seines Zauberstabes die Bänke verzaubert und Tische, Stühle und ein Büffet hergehext hatte.

Die Hochzeitsfeier begann und Sirius erkannte, dass es zumindest hierbei kaum Unterschiede zu Lilys und James' Hochzeit gab. Es wurde gegessen, sich unterhalten, es wurde gelacht und getanzt. Harmonie und Unbekümmertheit herrschten.

Sirius wurde mit feindseligen Blicken bedacht, aber in Ruhe gelassen. Niemand würde es wagen, die Worte der Braut zu missachten.

„Bleibst du?", fragte Regulus ihn. Seine Stimme klang perfekt neutral.

Sirius schaute ihn an. Regulus hatte sich nicht verändert. Nur hatte sich Schatten unter seinen Augen gebildet; ein müder Ausdruck lag in seinem Blick.

„Wieso sollte ich?", fragte Sirius scheinbar gelassen zurück.

Regulus hob die Schultern. „Um einmal bei der Familie zu sein, nachdem du noch nicht einmal zu Dads Beerdigung gekommen bist."

Sirius konnte ein Zusammenfahren nicht verhindern. Seine Augen verengten sich. „Ich habe mit euch gebrochen", zischte er. „Und du bist ein Todesser!"

Regulus zeigte keine Regung. „Ich tue, was ich tun muss", entgegnete er nur.

Sirius starrte ihn verständnislos an. „Wieso? Wieso nur?" Verachtung regte sich in ihm, machte sich auf, ihn zu beherrschen. Zorn kam hinzu. Am liebsten hätte er Regulus auf der Stelle zusammengeschlagen. Oder verflucht. Aber er riss sich zusammen. „Ich kann ja noch verstehen, dass du zu der Familie hältst, dass du alles tust, um ein Black zu sein, die Führung zu übernehmen. Aber ein Todesser? Ein Diener Voldemorts?"

Regulus blinzelte. „Verdammt, nenn seinen Namen nicht!"

Sirius lachte ungläubig auf. „Und Angst hast du auch noch? Oh, scheiße, Regulus, wie tief bist du nur gesunken? Warum glaubst du, war Dad nie Todesser? Weil es nicht den Prinzipien eines Blacks entspricht!" Er beugte sich vor, um seinem Bruder etwas ins Ohr zu flüstern. Es war die reinste Häme, die er nicht zurückhalten konnte im Durcheinander seiner Gefühle. „Und außerdem verstößt es gegen das Toujours pur, einem Zauberer wie ihm zu dienen."

Kurz darauf spürte er Regulus' Hände auf seinem Brustkorb, und er wurde unsanft zurückgestoßen.

In seines Bruders Augen flackerte es. Er war merklich bleicher geworden. „Ich diene ihm nicht!", zischte er aufgebracht; in seinem Stolz verletzt. „Ich diene ihm nicht! Ich bin nur den Todessern beizutreten, um mehr Einfluss auszuüben!"

Sirius starrte ihn an. „Ach ja? Und wie?"

Regulus machte eine unwirsche Handbewegung. „Um die Macht der Blacks in des Dunklen Lords Pläne mit einzubringen! Um selbst an mehr Macht zu gelangen! Noch hat er keine Notiz von mir genommen, ich bin ja auch noch zu jung. Aber das wird er noch. Wir können den Lord nicht ignorieren. Er wird es sein, der künftig über Großbritannien herrschen wird! Deswegen das alles... Außerdem habe ich ja noch Kontakt zu Stôyan, ich verhandle hier und da mit ihm über bestimmte Sachen. Es klappt nicht immer, weil er begonnen hat, mit dem Lord zu verhandeln, aber nun gut..." Er sprach schnell und hektisch. „Dann die Aufrechterhaltung der Kontakte der anderen Bündnispartners von Dad. Und..." Auf einmal wurde der Blick abweisend und wütend. „Ach, was erzähle ich dir das alles? Das geht dich einen Scheißdreck an, klar!"

Sirius spürte die Verzweiflung, die von dem anderen ausging. Spürte diese Schatten. Er runzelte die Stirn. Er hatte begriffen. „Du steckst in Schwierigkeiten", stellte er fest und klang auf einmal tonlos.

„Nein! Ich habe alles bestens im Griff!"

Sirius wusste, dass er log. Und er wusste auch, dass die ganzen Verpflichtungen ein wenig zu viel für Regulus waren. Er schien an viel zu vielen Fäden der Macht zu ziehen, schien sich im Spiel der Intrigen, der Listen und Tücken verkalkuliert zu haben. Druck lastete auf ihm, der die Nervosität erklärte. Diesen gehetzten Ausdruck in den dunklen Augen.

Ihr Vater war viel zu früh gestorben.

„Nun", fing Sirius gedehnt an und schob seine Hände in die Hosentaschen. „Ich kann dir da nicht helfen. Ich habe damit nichts zu tun."

Regulus blitzte ihn an. „Habe ich dich um Hilfe gebeten? Nein!"

Sirius grinste. „Hey, ist ja schon gut, okay. Ich finde es nur Scheiße, dass du Todesser bist." Er wurde verabscheuend. „Egal, welche hinterlistigen Pläne du dabei hast... egal, wie unaufrichtig du Voldemort somit dienst... das ist zum Kotzen."

„Ich scheiß drauf, was du darüber denkst!" Regulus kochte vor Wut. „Du bist ein Verräter!"

Sirius nickte. „Wie du meinst. Ich gehe jetzt." Er trat einen Schritt zurück; bemerkte aus den Augenwinkeln, wie Bellatrix in der Nähe stand und ihn verächtlich beobachtete. Mit Hass in den Augen. Mit grenzenloser Wut. Auch seine Mutter, die bei den Malfoys stand, blickte finster herüber und schien zu planen, Sirius nachher abzufangen.

„Und du lässt mich im Stich!", hörte er Regulus noch sagen.

Sirius sah wieder auf. Frust und Ärger blitzten ihn ihm auf. Verdammt, was soll das alles?

Regulus bemühte sich um ein Lächeln. Um ein sehr kühles, fast höhnisches Lächeln, doch Verbitterung lag in den Mundwinkeln. Seine Augen waren von einem seltsamen Ernst erwärmt. Die Fackeln und das Mondlicht warfen trübe Schatten auf sein gutaussehendes Gesicht und umrissen die Müdigkeit. „Du lässt mich im Stich", wiederholte er leise. Verzweifelt. „Obwohl du mein Bruder bist."

Sirius war erstarrt. Er hätte nie anfangen sollen, mit Regulus zu reden. Tief in seinem Inneren wusste er nämlich, dass Regulus die Wahrheit sagte. Er ließ seinen Bruder im Stich. Er ließ ihn einfach ihm Stich, weil sein Egoismus stärker war. Weil er mit der Familie nichts zu schaffen haben wollte, weil er auf der anderen Seite stand. Aber hatte er seinen Bruder nicht zu helfen, ganz gleich was kommen mochte? Würde er James nicht auch helfen, wenn dieser abtrünnig werden würde? Wieso tat er es also nicht bei Regulus?

Aber Sirius wollte ihn abweisen, nur... die Worte prasselten bereits über seine Lippen. Er hatte es nicht verhindern können. „Was erwartest du denn, Regulus?"

Dieser hob die Schultern. „Weiß nicht." Seine Niedergeschlagenheit zeichnete sich silbrig ab im Schwarz der Pupillen. Das Mondlicht unterstrich seine Blässe. „Komm zurück. Komm zu uns zurück."

Sirius versteifte sich. Augenblicklich wurde sein Blick kalt, seine Stimme hart. „Nein. Niemals. Und glaube nicht, dass ich auf deine verlogenen Intrigen hereinfalle. Du schauspielerst doch nur."

„Tue ich nicht!" Wut entbrannte, aber Sirius hatte genug. Versuchte Regulus ihn etwa hereinzulegen? Machte er einen auf hilflos, um Sirius für sich zu gewinnen? Oder war er tatsächlich in ernste Schwierigkeiten und brauchte Hilfe. Hilfe, die er – Sirius – ihm eigentlich anzubieten hatte. Jedoch, ganz egal, wie herum Sirius die Medaille drehte. Sie blieb immer dunkel.

Es war allzeit schmerzhaft, einen flüchtigen Blick in die Vergangenheit zu werfen. Oder in die Zukunft. Aber zu wissen, dass jetzt die Gegenwart war, dass sie jetzt lebten und einander helfen könnten, wenn die Bande nicht zerrissen wären, sprengte alles andere. Es hatte keinen Zweck. Sie waren Feinde.

Er wandte sich ab, wollte zum Torbogen, da er hier nicht aufgrund von Schutzzauber disapparieren konnte, als Bellatrix sich ihm plötzlich in den Weg stellte.

„Du verschwindest schon?", fragte sie mit falscher, zuckersüßer Stimme.

„Geh mir aus dem Weg, Lestrange-Schlampe", meinte Sirius grob.

Ihr Blick wurde schlagartig finster. „Wenn das nicht Narcissas Hochzeit wäre, würde ich dich auf der Stelle fertig machen!"

Sirius biss die Zähne zusammen. „Wenn das nicht Narcissas Hochzeit wäre, wäre ich erst gar nicht hier."

„Was wird das?", ertönte eine neue, schleppende Stimme. Narcissa hatte sich ihnen genähert, gemerkt, dass sich ein Streit anbahnte. „Los, ich will ich euch nicht zusammen sehen, da kommt ja doch nichts Gutes bei raus."

Sirius grinste; es war ein dunkles Grinsen, sein Blick blieb unberührt davon. „Ich wollte ohnehin gehen." Er sah die Braut kurz an; merkte aus den Augenwinkeln, wie Regulus drei Meter hinter ihm stand, stumpf in die Leere starrend. Er hatte schnell aufgegeben, Sirius von etwas zu überzeugen. Sein letzter Rest von Stolz verbot es ihm offenbar.

„Du bist jetzt zwar keine Black mehr, aber... gib doch ein wenig Acht auf Regulus", meinte Sirius auf einmal, an Narcissa gewandt. Er wusste selbst nicht so genau, warum er dies sagte. „Ich glaube, er übernimmt sich. ... Er ist nicht wie Dad."

Narcissa hatte überrascht die Augenbrauen in die Höhe gezogen.

Bellatrix schnaubte nur. „Was weißt du schon, Blutsverräter. Du hast doch gar keine Ahnung, was intern läuft. Also halt dich da raus."

„Tue ich doch, Bella", schnappte Sirius ungeduldig. „Keine Sorge. Ihr interessiert mich nicht."

Narcissa nickte langsam. Ihre graublauen Augen waren fest auf Sirius gerichtet; das Gesicht wie immer von einer tiefgründigen Schönheit umrahmt. „Weißt du... das ist alles nicht so einfach, glaube ich. Regulus braucht Unterstützung. Von dir."

Bellatrix lachte fast schon hysterisch auf. Ihr Blick sprühte vor Ärger. „Was? Oh, nein, Regulus braucht keine Hilfe von Sirius!"

Sirius warf ihr einen verachtungsvollen Blick zu. Er hasste seine Cousine, von der es hieß, dass sie eine der treusten Anhänger Voldemorts war. Wie konnte sie nur...

„Er wird nicht mehr damit fertig, Bella", meinte Narcissa eindringlich. „Merkst du das denn nicht? Er ist zu jung! Er ist erst gerade eben mal neunzehn! Unser Onkel ist zu früh gestorben; er hätte noch viel von ihm lernen sollen und das Amt als Familienoberhaupt schrittweise übernehmen sollen! Und nicht alles auf einmal!"

Bellatrix winkte nur ab. „Er findet Hilfe. Und zwar bei ihm."

Sirius wusste, dass sie Voldemort meinte. Er war nahe dran, seinen Zauberstab zu ziehen. All seine Selbstbeherrschung musste er aufbringen, es nicht zu tun. Aber ihm war klar, dass er niemandem mehr in seiner Familie helfen würde. Sie waren in schwarzmagische Machenschaften verstrickt, hatten sich zu sehr an Voldemort gebunden und damit konnte und wollte er nichts zu tun haben.

Er und Bellatrix starrten sich voller Hass an. Gerade sie beide waren so sehr verfeindet, wie sie es mit kaum jemand anderem waren. Sie verachteten einander, viel zu stark, als das sie es kontrollieren konnten. Und gerade das Wissen, dass dasselbe Blut in ihren Adern floss, ließ ihre Feindseligkeit noch größer werden. So, wie Sirius an die Freundschaft mit James glaubte, sich dafür einsetzte, mochte kommen, was wollte, so sehr hielt Bellatrix in ihrer loyalen Treue an Voldemort fest.

Sie beide waren verankert in ihren Positionen und ließen sich selbst durch einen Wirbelsturm nicht davon zerren.

Wenn sie in die Zukunft hätten blicken können, hätten es wohl weder Sirius noch Bellatrix überrascht, dass sie nach dem Sturz in tiefe Abgründe, nach all den vielen Jahren grausamer Gefangenschaft in Askaban und den hohen Verlusten genau dort weitermachen würden, wo wie aufgehört hatten. Ganz gleich, wie viele Jahre vergangen waren. Dass sie ihre Meinungen nicht um einen Deut ändern würden und stur bis zum Tod für ihre Ideale weiterkämpften. Als hätte es die Pause nicht gegeben.

Sirius brach den Blickkontakt. Er musste jetzt ohnehin von hier verschwinden. Diesmal hatte er mit Clark vorher darüber geredet. Er hatte den Chef der Aurorenzentrale nicht gefragt, nein, denn das hatte er nicht für nötig gehalten. Er musste niemanden um Erlaubnis fragen. Er hatte ihm bloß gesagt, dass er an ein Versprechen gebunden war und für Narcissa Trauzeuge sein musste. Er hatte gesagt, dass er wolle, dass Clark dies geheim hielt, weil er nicht bereit war, an diesem Abend irgendwelche Psycho-Spionage-Spiele zu machen, um herauszufinden, wer Todesser war oder nicht. Das nützte nichts, denn jeder der geladenen Gäste wusste, dass Sirius sich zum Auror ausbilden ließ.

„Macht, was ihr wollt", sagte er also. „Ich habe damit nichts zu tun." Er wandte sich endgültig ab, kurz schaute er nach Regulus, aber dieser war nirgends mehr zu sehen.

Bellatrix stapfte wütend davon, zu Rodolphus, und Narcissa sah Sirius nachdenklich hinterher. Dann ging sie wieder zu Lucius; begrüßte hier und da Gäste und redete mit ihnen.

Sirius ging zum Torbogen, schnell, ehe seine Mutter ihn noch abfing, öffnete die Tür und trat heraus. Dort sah er Aryan Lestrange stehen, direkt im Mondschein.

Er verdrehte die Augen.

„Nun, Black?", richtete dieser das Wort an ihn, ohne ihn anzuschauen. Seine lauernde Stimme klang ein wenig nachdenklich. „Der Stern der Black-Dynastie beginnt zu sinken, nicht wahr?"

Sirius, der hatte diaspparieren wollen, hielt inne. Er wurde misstrauisch. „Und wieso sagst du mir das?"

Aryan schaute hinauf zum Horizont. In seinen blassen, hellgrünen Augen reflektierte sich der Sterne Licht. „Ich weiß nicht. Vielleicht, weil du ein Teil davon bist."

Sirius fixierte ihn düster. „Spar dir deine nebulösen Reden, klar!"

Er sah Aryan milde lächeln. Noch immer blickte er hinauf zu den Himmelsgestirnen. „Wenn ein Stern zu sinken droht, gibt es selten etwas, das den Sturz aufhalten kann."

„Schön. Soll der Stern doch fallen, Lestrange." Sirius seufzte.

Aryan sah ihn endlich an. Das feingeschnittene Gesicht mit den schwarzumschminkten Augen wurde vom Mond erhellt. Eine stumme Traurigkeit lag in seinem Blick.

„Ich weiß, dass die Kämpfer der Weißen Magie immer behaupten, das Blut spiele keine Rolle für den einzelnen Charakter eines Menschen", fing er bedächtig an. „Aber dabei scheinen sie zu vergessen, wie wichtig, wie mächtig das Blut in der magischen Welt ist." Er legte seinen Kopf etwas zur Seite; die Lider senkten sich zu Halbmonden. „Alle wichtigen Rituale, die für ein Leben lang halten, die unauflösbar sein sollen, werden immer mit Blut unterbunden."

Sirius atmete ein. „Und?" Er konnte nur ahnen, worauf Aryan hinauswollte.

Dieser sah ihn mit der Trägheit eines Katers an. Und doch umspielte ein feines Lächeln seinen Mund, gelassen, den Weg zu den Augen antretend. „Das bedeutet nur, dass auch du der Macht des Blutes nicht entkommen kannst. Wenn die Black-Dynastie untergeht, dann wirst du letzten Endes mit ihr untergehen. Und dabei wird es ganz egal sein, wie weit du dich davon zu distanzieren versuchst."

Sirius ballte seine Hände zu Fäusten. „Willst du damit sagen, ich solle mich wieder auf die Seite meiner fanatischen, wahnsinnigen Familie schlagen, die zum Teil – wie du – einem noch viel Fanatischeren und Wahnsinnigeren dienen, der euch selbst alle unabwendbar in den Untergang führen wird?"

Aryan blieb ruhig. Belustigung erhellte seinen Blick; entrückte die Dunkelheit, so wie Nebel in der Sonne schwand. „Du kannst tun, was du willst, Black", erwiderte er gleichmütig. „Du magst dich von deiner Familie entfremdet und Ersatz gefunden haben. Aber deiner Familie hast du dein Leben zu verdanken. Und weil ihr Blut in deinen Adern fließt, wird auch dein Tod mit ihr verknüpft sein."

Sirius war das alles nicht mehr geheuer. Er schüttelte den Kopf. „Du bist ein Freak, Lestrange. Zu viele Drogentränke genommen?"

„Es ist besser, wenn du jetzt gehst, Black", meinte Aryan nur. Fast schon resignierend. „Es mag ein Abend sein, an dem wir keine Feinde sind, alles um Narcissas und Lucius' Willen. Aber die Nacht schwindet, ehe man es sich versieht."

Sirius winkte ab. Er wurde aus Aryan nicht schlau und wollte es auch nicht werden. „Ja. Vielleicht verhafte ich dich ja beim nächsten Mal, wenn wir uns wiedersehen sollten."

Aryan lachte nur. „Vielleicht. Und vielleicht sollte ich dir sagen, dass ich dich töten könnte, wenn wir aufeinander treffen sollten."

Sirius zog die Augenbrauen in die Höhe. „Und wieso sagst du es nicht?"

Aryan hob seine Schultern. Ein schattenhafter Ausdruck lag im Blassgrün seiner Augen. „Ich töte keine Reinblüter."

Und Sirius wusste nun, wieso Aryan auf eine merkwürdige Art und Weise oftmals zu ihm gehalten hatte, ohne seine schwarzmagischen Prinzipien zu verraten. Aryan sah in Sirius das, was er war: ein Reinblut. Und da Aryan das reine Blut heiligte und ehrte, würde es ihm nie in den Sinn kommen, jemand anderen, der ebenfalls reinblütig war, so viel Leid zuzufügen, dass er den Tod riskierte. Ein Reinblut zu töten, bedeutete aus Aryans Sicht, das reine Blut zu verraten.


A/N:

Ein ruhiges Kapitel muss auch mal zwischendurch sein.

Peters Gedanken waren wichtig, sowie Felices Position, als auch das Anmerken, dass Regulus mit seinen Verpflichtungen hoffnungslos überfordert ist und sich übernommen hat. Nu ist auch hoffentlich klar, wie Aryan denkt: er ist ein Feind, klar, aber er denkt ein wenig anders, als viele andere seiner Gleichgesinnten. Im Grunde denkt er aus deren Sicht RICHTIG: Die Todesser wollen das reine Blut ehren und bewahren und demnach dürften sie eigentlich niemanden töten, der ebenfalls Reinblut ist ;) Außerdem hat Aryan viele Hinweise auf die Zukunft gemacht, wie sie sein könnte, die wir als Harry-Potter-Leser ja kennen :grins:

Zur Erinnerung: Toujours pur ist das Familienmotto der Blacks und bedeutet „Stets rein."

Letztes Mal habe ich die nicht vom Beta korrigierte Version hochgeladen. Nun stimmt es wieder ;)

Severus Snape war übrigens beim „Kampf um die Kette" NICHT dabei.

Schön, dass es so vielen der Heiratsantrag gefallen hat :)

Nein, es wird definitiv keine Rating-M-Szenen geben. Sorry!

Fenwick – ja, er benimmt sich krass. Aber irgendwie gibt es soooo viele ach-so-tolle Typen auf der guten Seite (Longbottoms, Potters, Prewetts usw.), da fand ich, dass es auch mal einen Helden geben muss, der sich aber einfach scheiße benimmt :D Im Kampf, wenn's drauf ankommt, ist er natürlich top. Ich denke aber auch, dass das im Kampf um die Kette genau das gezeigt hat, dass er weiß, wann er sich zu „benehmen" hat.

Und nun zu euren Reviews. WOW, fällt mir dazu nur ein. So viele und so tolle Reviews – ihr seid toll! Das motiviert ungemein :) Herzlichen, piratischen DANK an alle!