Serendipity

Schlecht gelaunt ging Cloe am nächsten Tag zur Schule. Sie wollte Ved so schnell wie möglich vergessen, jedoch war sie sich sehr sicher, dass dies schwerer werden würde, als sie erst angenommen hatte. Zum Glück hatten sie nicht so viele Fächer mit ihm zusammen, denn immer wenn er in ihrer Nähe war ging ihre Konzentration auf den Nullpunkt zu. „Nur wegen dem Kerl krieg ich noch ne vier in Geo", dachte sie frustriert und nahm sich nun wirklich vor im Unterricht mitzuarbeiten. So verlief die langweilige Stunde und der restliche Tag ziemlich schnell. Immer wenn Ved zu nahe war, wechselte sie ihren Platz und stellte sich in einiger Distanz zu ihm hin und hielt auch sonst genügend Abstand.

Aber schon am nächsten Tag wurde ihre Disziplin stark auf die Probe gestellt. Sie stand gerade vorm Physikraum, als sie Ved die Treppe hoch schlurfen sah. Leider stellte er sich nicht wie sonst immer mit dem größt möglichen Abstand zu ihr, sondern genau zwischen sie und Ram. Auf der anderen Seite neben Cloe schubsten sich die kleinen Fünfer gegenseitig durch die Luft, und so dauerte es nicht lange, bis einer gegen Cloe knallte, welche sofort weiter gegen Ved flog, der sich auch nicht gerade als standhaft erwies.

Als sie den ersten Schock überwunden hatte bemerkte sie, dass sie regelrecht auf ihm lag und ihm direkt in die Augen blicken konnte. Leicht irritiert und verwundert sah er sie an. „Scheiße ich schmelz gleich dahin" dachte sie. „Reiß dich zusammen und sag was. Los!" Also kam stotternd aus ihrem Mund: „Ähm sorry, die, die Blagen…Veddy bist du okay?" Ved schien sich auch wieder gefangen zu haben und antwortete besorgt: „Ja, aber du blutetest an der Lippe."

„Oh mist. Ich bin wohl blöde auf mein Piercing gefallen."

Augenblicklich steckte er seine Hand aus um das Blut abzuwischen, doch Cloe kam ihm zu vor. „Geht schon. Fass mich ja nicht an. Erinnere dich an unsere Abmachung."

Mit diesen Worten ging sie erst ins Mädchenklo, um sich das Gesicht zu waschen und dann nach Hause. Sie konnte Veds Nähe nicht länger ertragen. Warum von allen Jungen auf der Welt mit denen man zusammenstoßen konnte, warum musste es ausgerechnet er sein? Es war wie ein Fluch zwischen den beiden. Auch wenn Cloe nachmittags in der Stadt abhing, Ved traf sie fast immer. Zwar starte sie dann auf den Boden, aber selbst das genügte schon, um sie total aus der Fassung zu bringen.

Der nächste Tag verlief bis zur dritten Stunde recht unspektakulär für Cloe. Jedoch hatte sie dann eine Freistunde, die sie meist alleine verbrachte, weil ihre Freunde zu der Zeit Unterricht hatten. Deshalb lief sie zielstrebig auf den Stufenraum zu und…. Und wer saß da ganz unschuldig? Ved mit Ram. Sie grüßten mit einem flüchtigen „Hi" und redeten dann weiter. Irgendwie hatte Cloe in Veds Nähe das Gefühl etwas besonders kluges sagen zu müssen, oder einfach IRGENDWAS zu sagen, aber meist fiel ihr nicht gescheites ein. So kramte sie die Zeitung raus, welche sie zuvor am Kiosk gekauft hatte. Nach einer Weile wurde ihr das lesen aber zu langweilig und sie beschloss ihren Philosophie-Aufsatz zu schreiben. „Serendipity" wählte sie als Überschrift. Plötzlich hörte sie wie Ved fragte: „Cloe? Was ist das?"

„Was ist was?"

„Na das Wort da. Sere, Seren…"

Cloe sah ihn zweifelnd an. „Zu Deutsch: Serendipität!"

„Und was bedeutet das jetzt?" fragte Ved verwundert, dass es ein Wort gab, das er nicht kannte.

„Uh, es gibt ein Wort von dem du nicht die Bedeutung weißt?"

„Ich weiß von euch Pappnasen hier zwar am meisten, aber allwissend bin ich auch nicht. Noch nicht." konterte er.

„Haha, wie witzig. Na ja, es bezeichnet das Phänomen, wenn man etwas findet wonach man nicht gesucht hat. Du gehst zum Beispiel in einen Plattenladen um diese ganz bestimmte CD zu finden, und nachher verlässt du trotzdem mit fünf anderen CDs den Laden, die du eigentlich gar nicht gesucht hast."

„Äh ja. Gut zu wissen. Ich muss auch noch Philo-Hausaufgaben machen. Ram, sag mir mal nen Thema. Welches ist egal. Es muss nur irgendwas mit dem Leben eines Menschen zu tun haben."

Während er mit Ram weiterredete dachte Cloe: „Ich hab auch das gefunden, was ich nicht gesucht haben. Ich wollte mich in einen liebevollen, verständnisvollen, normalen Jungen verlieben, was passiert? Ich finde das arroganteste Arschloch und verknall mich in ihn."

Dann hörte sie weiter dem Gespräch zu.

Plötzlich rief Ram begeistert: „Ich hab nen Thema. Gibt es jemals die Richtige für dich? Findet wirklich jeder Topf seinen Deckel? Wenn du das nen bisschen philosophisch ausschmückst klappt das schon, das ist ja auch sonst deine Stärke so daher zu schwafeln." Grinste er.

„Danke fürs Kompliment. Aber die Idee ist nicht schlecht. Ich frag mich auch ob ich jemals die Richtige finden werde.", feixte Ved.

In diesem Moment hätte Cloe um ein Haar aufgeschrieen: „Hallo! Hier! ICH bin die RICHTIGE für dich."

Da bemerkte sie wie Ved sie ansah und er meinte: „Oder was ist wenn ich die Richtige schon gefunden haben, aber sie mich nicht will?"