You Dress Me When I Bleed
Cloe konnte nicht schlafen, sogar gegen ihren Willen musste sie immer noch ständig an Ved denken. Sie ließ sich diese Tatsache zwar nicht anmerken, aber dennoch war er fortwährend ihn ihrem Kopf. „Das muss ein Ende haben", sagte sie zu sich selbst, stand auf und zog sich an. Dann kramte sie das Foto von ihnen beiden heraus, was Ellie am Abend der Stufenparty gemacht hatte, ging aus dem Haus und lief in Richtung Brücke, wo sie das Foto fallen lassen würde um so endgültig einen Schlussstrich zu ziehen. Plötzlich bemerkte sie eine zusammengekauerte Person am Rande der Brücke liegen. Langsam ging sie auf diese zu und als sie das Gesicht erkennen konnte, stellte sie fest, dass es Ved war. „Oh mein Gott" flüsterte sie, als sie die Wunde an seinem Kopf bemerkte. Schnell kniete sie sich neben ihn und stupste ihn vorsichtig an. „Ved?" Ein Stöhnen war die Antwort. „Was ist passiert?" Als er langsam wieder zu sich kam sagte er heiser: „Nichts." „Warte ich helfe dir beim Aufstehen" bot Cloe sofort an, als er mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte auf die Beine zu kommen. Sie nahm seine Hand und wollte ihm hoch helfen, da schrie er auf. „Ahhhhh, scheiße, verdammt." Besorgt sah Cloe ihn an und meinte: „Du hast wohl ziemlich was abbekommen, du solltest lieber zum Arzt gehen." „Nicht nötig" er stand gerade, als es er nach hinten rüber zu kippen schien. Sofort gab sie ihm halt, legte den Arm um ihn und als sie bemerkte, dass er am ohne Jacke am ganzen Körper zitterte, gab sie ihm auch noch ihre Jacke. „Wir gehen jetzt zum Krankenhaus, das ist nicht weit weg." meinte sie besorgt.
„Es geht schon." antwortete Ved, darum den Schmerz nicht in seiner Stimme zu zeigen.
„Vielleicht hast du dir was gebrochen, oder so. Nun komm schon."
Als er es endlich aufgab Widerstand zu leisten, erreichten sie nach einer viertel Stunde die Notaufnahme. Dort blieb Cloe im Wartezimmer sitzen, während sich ein freundlicher Doktor um Ved kümmerte. Nach zehn Minuten verließen beide das Behandlungszimmer wieder und der Arzt sagte: „Hier junge Dame, ihr Freund hat ganz schön was abbekommen." Cloe wurde rot. „Er ist nicht mein Freund."
„Wie dem auch sei, er hat ein Schlüsselbeinbruch einen Rippenbruch und mehrere Rippenprellungen. Die Platzwunde am Kopf haben sie wahrscheinlich selbst bemerkt. Jedenfalls muss jemand ziemlich auf ihn eingeprügelt haben. Sie sollten ihn überreden zur Polizei zu gehen, mir ist das leider nicht gelungen."
„Ich werde sehen was sich machen lässt."
Der Arzt sah sie zweifelnd an, dann ergänzte er: „Ach und noch was. Eigentlich sollte Herr Johnson heute Nacht zur Beobachtung hier bleiben, doch er wehrt sich beharrlich dagegen. Sorgen sie bitte dafür, dass er sich die Nacht ausruht und die nächsten Tage schont. Hier ist noch eine Salbe, am besten großflächig auf die Prellungen schmieren."
Cloe nahm die Salbe und bedankte sich.
Draußen sah sie Ved zweifelnd an. „Na komm schon, du kannst heute Nacht bei mir pennen, das ist nur fünf Minuten von ihr. Schaffst du das?"
„Schon, aber das geht nicht. Ich muss, ähm nach Hau..hau..se." stöhnte er und blickte zu Boden. Es war ihm peinlich, dass sie ihn so sah und er seinen Schmerz nicht ganz verbergen konnte. Seine Schwäche zeigte er anderen nie und schon gar nicht jemandem wie Cloe, die ihm so viel bedeutete. Lieber versuchte er solche Situationen zu vermeiden oder mit coolen Sprüchen zu überspielen.
Cloe wusste, dass er sich schämte daher berief sie sich auf den Arzt. „Du hast doch gehört, was der Arzt gesagt hat, ich soll mich um dich kümmern. Außerdem ist meine Mom vor acht Uhr morgens eh nicht zurück."
Er schwieg, da er nicht wusste, was er sagen sollte, bis Cloe meinte:
„Ved, du musst mir nichts erklären. Und was heute Nacht passiert ist, bleibt unter uns."
„Na schön. Ich komm mit." gab Ved letztendlich nach.
Bei Cloe zu Hause angekommen ließ er sich erschöpft ins Bett sinken und Cloe setzte sich zu ihm. „Brauchst du noch was? Ein Schmerzmittel, damit du besser schlafen kannst?"
„Danke, der Doktor hat mir ne Spritze gegen die Schmerzen gegeben."
So deckte Cloe ihn noch zu und machte sich selbst ihr Bett auf dem alten Sofa, welches in ihrem Zimmer stand, bequem. In der Nacht hörte sie wie Ved sich im Schlaf wälzte und schrie, als hätte er schreckliche Alpträume, so brachte sie es am Morgen nicht fertig ihn zu wecken. Also rief sie bei der Schule an, ums sich und ihn für heute zu entschuldigen.
Zwar hatte sie ihm versprochen, nicht nachzufragen wie das passiert war, aber natürlich machte sie sich ihre Gedanken. „Er hatte schon in der Nacht in der Turnhalle blaue Flecken auf dem Rücken, ob er im Heim geschlagen wird?" Bis dahin kam sie, als er aufwachte.
„Cloe?"
Sie trat ans Bett. „Ich bin hier."
„Wie spät ist es?"
„Gleich drei."
Verschlafen rieb Ved sich die Augen. „Was? So lange hab ich schon ewig nicht mehr geschlafen."
„Scheinbar hattest du einiges nachzuholen. Ich hab bei der Schule angerufen und uns entschuldigt."
„Danke." murmelte er und es entstand peinliches Schweigen. Um es zu brechen bemerkte Cloe: „Ähm, ich will ja nix sagen, aber dein T-Shirt ist verdammt dreckig."
„Ja?"
„Mhnnn, ich geb dir eins von meinen und steck deins mit in die Waschmaschine."
Sie ging zum Schrank und holte ein schwarzes T-Shirt heraus, welches sie mal von K.C bekommen hatte: „Hier, das müsste dir eigentlich passen." Als Ved versuchte das Shirt zu fangen, welches sie ihm zuwarf stöhnte er erschrocken auf.
„Tut's noch sehr weh?" fragte Cloe besorgt.
Ved hätte sich ohrfeigen können. Warum hatte er sich bloß etwas anmerken lassen? „Ich muss mich wirklich mehr zusammenreißen.", dachte er und antwortete mit zusammengekniffenen Zähnen: „Geht schon."
„Warte ich helfe dir.", war Cloes einziger Kommentar. Doch erst holte sie noch die Salbe, die ihr der Arzt gegeben hatte. Vorsichtig zock sie sein altes T-Shirt über den Kopf und musste erst einmal schlucken, als sie die mittlerweile blau und grün gewordenen Flecken und Prellungen sah. Behutsam nahm sie ein bisschen Salbe und verteilte sie sanft auf seiner Brust.