The Letter And The Lie
Ganz langsam lief Cloe die Straße entlang. Sie konnte nicht glauben, dass Ved fähig war ihr eine zu verpassen. Das konnte doch nicht sein. Sie war ja so einiges von Ved gewöhnt, aber das? Niemals! Dafür hätte sie vorher ihre Hand ins Feuer gelegt.
Als sie an Ellies Haus vorbeikam beschloss sie zu klingeln. Nach einigen Sekunden wurde ihr von Jack geöffnet. „Hi Cloe! Was ist den mit dir passiert?", fragte er besorgt, als er ihre rote Wange bemerkte.
„Ich weiß nicht so recht….ich…ich…war bei…Ved…und plötzlich…", stammelte sie, dann brach sie in Tränen aus.
Nach einigen Minuten hatte Cloe sich wieder beruhigt und Jack und Ellie erzählt was passiert war. Immer wieder grübelte sie: „Wie konnte er so etwas bloß tun?"
Ellie sah sie ratlos an, doch Jack meinte empört: „Nichts auf der Welt kann so ein Verhalten entschuldigen."
„Sein Blick war so kalt, so abweisend und so voller Hass…", schniefte Cloe. „Ich glaube nicht, dass ich ihm jemals wieder verzeihen kann. Es war so erniedrigend."
Ved konnte ihr ja vieles anderes antun, aber von ihm schlagen lassen würde sie sich niemals. Dafür war sie viel zu stolz. Das konnte keine Liebe der Welt von ihr verlangen.
Zitternden Schrittes schloss Ved die Tür und ging zurück in die Küche, wo er die nun leere Dose wieder an ihren Platz stellte. Mechanisch lief er die Treppe hoch in sein Zimmer um sich dort aufs Bett fallen zu lassen. Er fühlte sich wie betäubt. Machtlos. Unfähig sich zu bewegen. Unfähig irgendetwas zu unternehmen. Wie er so dalag kroch die Erinnerung an Patsy langsam aus seinem Unterbewusstsein hervor. Vor ihm tauchte der Geist von Patsys Mutter auf, die ihn anschrie: „Sie tot Ved! Tot! Was hast du mit meiner Tochter gemacht? Es ist alles deine Schuld! Deine Schuld!...Deine Schuld!...Schuld…Sch…" Erst vielen ihm nur die Augen zu, dann übermannte ihn ein unruhiger Schlaf.
Als Ved am nächsten Morgen aufwachte, stellte er fest, dass es schon fast acht Uhr war. Sein erster Gedanke galt Cloe. Er hatte sie wirklich geschlagen. Das war unverzeihlich von ihm. Wie konnte er nur? Er wusste nur noch, dass er Cloe zum gehen bewegen wollte und seine Hand dabei irgendwie in ihrem Gesicht gelandet war. Er wollte sie doch nur beschützen.
Ihm blieb nun nichts anderes übrig, er musste sie finden und ihr alles erklären.
Doch als er mit reichlicher Verspätung die Schule betrat stand sie bei Jack und Ellie und blickte nicht einmal zu ihm rüber. Ved ging auf die drei zu und sagte: „Cloe, kann ich dich unter vier Augen sprechen?"
Zornig sah Jack ihn an. „Hau ab und lass sie in Ruhe."
„Cloe…", versuchte er es noch einmal.
„Jack hat Recht. Verschwinde!", antwortete Cloe kalt ohne irgendwelche Emotionen in ihrer Stimme zu zeigen.
„Geh!", stimmte Ellie ihr zu und Jack ergänzte: „Am besten kommst du nie wieder."
So verging eine Woche, in der Cloe jeden seiner Versuche mit ihr zu reden abblockte. In der nächsten Poesie-Stunde kam der Lehrer besonders strahlen ins Klassenzimmer: „Heute sprechen wir wohl über eine der bedeutendsten Dinge in unser aller Leben: Die Liebe! Liebesgedichte sind wohl die wichtigsten Gedichte und es gab viele Dichter, die sich dem Thema angenommen haben. Zur Einstimmung aber mal kein Gedicht, sondern einen Spruch aus der Bibel…" Schon schrieb er an die Tafel:
Die Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.
Bei diesen Worten Blickte Ved zu Cloe, jedoch ohne damit auch nur die geringste Wirkung zu erzielen. Der Unterricht ging weiter und der Lehrer fragte: „Was haltet ihr von dem Spruch?" Cloes Arm schnellte nach oben. „Ich finde es gibt Dinge, die die Liebe nicht überstehen kann. Wenn einer den anderen so tief verletzt, dass er ihm das niemals verzeihen kann zum Beispiel."
Gegen Ende der Stunde wartete Ved vergeblich auf eine Gelegenheit mit Cloe zu reden. Er fühlte sich so mies wie noch nie im seinem ganzen Leben. Nicht mal die Dinge die die Chosen mit ihm gemacht hatte waren so schlimm wie Cloes verachtender Blick. Er hatte es zugelassen, dass die Chosen ihre Liebe zerstörte. Hatte zugelassen, dass Cloe ihn verachtete. Er wollte sie doch nur beschützen, doch jetzt bekam er die Quittung dafür. Er hatte sie für immer verloren und auch sein bester Freund würde nie wieder mit ihm reden. In Gedanken bemerkte er gar nicht, wie Ellie auf ihn zuschlenderte. Sie sah ihn sorgenvoll an, dann meinte sie mit dem Anflug eines Lächelns, das genauso schnell verschwand wie es gekommen war: „Gib ihr noch Zeit. Sie braucht noch Zeit es zu verarbeiten. Dann wird sie vielleicht mit dir reden."
„Denkst du ich habe noch eine Chance?", fragte er leise, aber da war Ellie schon gegangen.
Da Cloe ihm ja offenbar nicht zuhören wollte, beschloss er einen Brief an sie zu schreiben.
Doch wie sollte er das alles in Wort fassen? Er konnte ja noch nicht mal den Gedanken daran ertragen. Nein, er fühlte sich außerstande es aufzuschreiben, denn dann wäre es ja real, dann gäbe es einen Beweis dafür, dass die Sache mit Patsy wirklich passiert war und das konnte er nicht aushalten. Er hatte es bis jetzt verdrängt und so würde es auch bleiben. Also versuchter er Cloe auf anderem Wege zu überzeugen ihm eine Chance zu geben mit ihm zu reden.
Er setzte sich hin und begann einen Brief zu schreiben. Patsy würde er einfach nicht erwähnen. Er würde nur von den Chosen erzählen und hoffen, dass Cloe ihn nicht zwang zur Polizei zu gehen, denn dann würden sie ihm bestimmt Fragen über Patsy stellen. Deshalb schrieb er:
Meine geliebte Cloe,
Ich kann selbst immer noch nicht glauben, was ich getan habe. Und es gibt keine Entschuldigung dafür. Ich weiß, ich kann niemals von dir verlangen mir zu verzeihen, aber lass mich versuchen zu erklären, wie es dazu gekommen ist.
Es ist nämlich so, dass die Chosen mich noch immer bedrohen. Und damit auch dich. Ihr Anführer stand mit einem Messer hinter mir, darum konnte ich dich nicht hereinlassen. Als du dann das Blut wegwischen wolltest, geriet ich in Panik, dass du etwas merken könntest. Deshalb wollte ich dich daran hindern näher zu kommen und dabei ist meine Hand in deinem Gesicht gelandet. Es war keine Absicht, bitte glaub mir das. Es tut mir so leid. Ich schwöre bei dem Leben meines Bruders, das so etwas nie wieder passiert. Bitte rede mit mir. Ich werde dich immer lieben,
dein Ved
Cloe hatte in der Schule einen Brief von Ved auf ihrem Tisch gefunden. Sie war unschlüssig ob sie ihn zerreißen sollte. Aber dann beschloss sie ihn am Nachmittag bei Ellie doch noch zu öffnen. Nachdem sie ihn überflogen hatte hielt sie ihn Ellie zum lesen hin.
„Was hältst du davon?", fragte sie ihre Freundin.
„Ich weiß nicht, auch wenn's keine Entschuldigung dafür ist, was er getan hat, aber es erklärt es zumindest.", meinte Ellie.
Cloe seufzte: „Mhn, ich weiß nicht. Denkst du ich soll ihm ne zweite Chance geben?"
„Das musst du wissen, aber ich denke du solltest auf dein Herz hören."
„Ich hasse ihn so sehr.", rief Cloe plötzlich wütend.
Ellie sah sie skeptisch an. „Du hasst ihn nur so sehr, weil du ihn so sehr geliebt hast."
„Ja. Und das schlimmste ist: Ich lieb ihn trotz allem immer noch genau so sehr, wie ich ihn hasse." Eine Pause entstand, dann meinte Cloe: „Ich werde mit ihm reden."
Am nächsten Morgen sah sie Ved einsam in einer Ecke des Schulhofs sitzen. Langsam schlenderte sie auf ihn zu. „Hi Ved."
Erstaunt blickte er auf. „Cloe!"
„Ich denke ich muss mit dir reden. Also der Brief, ist das wirklich wahr?"
„Ja", entgegnete Ved ohne sie anzusehen.
„Aber warum hast du nicht viel eher mit mir geredet?"
„Weil ich Angst hatte." „Angst um dich." ergänzte er.
„Hast du deshalb auch die Komödie mit Moz aufgeführt, oder liebst du sie wirklich?", fragte Cloe zögernd.
„Nein, natürlich liebe ich sie nicht." Ved stand auf und blickte ihr nun direkt in die Augen. „Ich liebe nur dich."
Bei diesen Worten erschien ein Lächelnd auf Cloes Lippen, sie machte einen Schritt auf ihn zu, dann küsste sie ihn.
Nach ihrer „Wiedervereinigung" hatten die beiden beschlossen, die restlichen Stunden zu schwänzen und in den Park zu gehen. Dort machten sie da weiter, wo sie in der Schule aufgehört hatten. Glücklich lagen sie händchenhaltend nebeneinander auf der Wiese, als Cloe auf einmal ernst wurde. „Ved du musst unbedingt zur Polizei gehen."
Er drehte den Kopf und blickte in den Himmel. „Ja vielleicht. Aber wahrscheinlich sollte ich vorher noch mit Jay reden."
„Das ist eine gute Idee. Er weiß bestimmt was zu tun ist."
Eine Pause entstand, dann meinte Cloe zögernd. „Du, wer ist eigentlich Patsy?"
Ved wurde kreidebleich, er richtete sich auf und ließ ihre Hand los. „Warum? Wie kommst du darauf?"
Erstaunt antworte sie: „Es ist nur so, du hast im Krankenhaus, als du geschlafen hast, mehrmals ihren Namen gemurmelt."
Nervös fuhr sich Ved durch die Haare. „Ach ist das so? Sie ist nur ne flüchtige Bekannte. Niemand wichtiges. Und nun komm, wir wollten doch mit Jay reden."
