Tha Gradh Agam Ort
„Cloeeeeeeeeeee?"
Cloe saß in ihrem Zimmer und war gerade dabei eine Überraschung für Ved vorzubereiten, als ihre Mutter von unten herauf schrie. Nachdem sie runterkam stand ihr Mutter bereits am Fuß der Treppe und hatte zu einem Großangriff gegen Cloes Schlampigkeit geblasen. „Warum ist die Spülmaschine nicht ausgeräumt? Warum hast du noch nicht die Sachen gebügelt? Warum hast du mir verdammt noch mal nicht die Tür geöffnet?"
„Ma, ich…", setzte Cloe an, doch für eine Entschuldigung war es wohl zu spät.
„Du bist unmöglich. Manchmal frag ich mich wirklich ob du überhaupt meine Tochter bist, oder sie dich nach der Geburt vertauscht haben. Du durftest heute zu Hause bleiben, weil du ja angeblich krank bist. Ich weiß, dass du in Wirklichkeit irgendetwas für deinen kleinen Freund vorbereitet hast. Glaub nicht ich hätte dich nicht durchschaut, aber als Gegenleistung hättest du wenigstens die Hausarbeit machen können. Was soll bloß aus dir werden? Wenn du so weiter machst, sehe ich schwarz für deine Zukunft. Wenn du schon keinen Job kriegst, hatte ich wenigstens gehofft, dass du mit deinen häuslichen Qualitäten einen reichen Ehemann überzeugen kannst, aber selbst das scheint wohl auch nicht der Fall zu sein. Was soll ich bloß mit dir machen, Kind? Du landest später noch auf der Straße, wenn du so weiter machst. Ich hätte dich damals doch auf ein Internat schicken sollen, dann wäre vielleicht was aus dir geworden!"
Ungläubig und geschockt sah Cloe ihre Mutter an. So etwas hatte sie noch nie zu ihr gesagt. Was sollte das? Waren Eltern nicht dafür da ihre Kinder bedingungslos zu lieben und zu akzeptieren? Sie zu unterstützen? Diese Worte waren alles andere als hilfreich, nein, sie waren verletzend und das machte Cloe wütend. Entgeistert schrie sie: „Wenn ich dir sowieso egal bin und eh auf der Straße lande, dann geh ich besser gleich."
Wütend stürmte sie in ihr Zimmer um die Sachen zu packen, die sie für Veds Überraschung vorbereitet hatte. Sie stopfte alles in einen Rucksack und sprintete aus dem Haus.
Als sie am Bahnhof ankam, bemerkte sie, dass sie in der Eile ihr Portemonnaie zu Hause liegen gelassen hatte. Fluchend ging sie zum Bahnsteig wo ihr Zug schon bereit zur Abfahrt stand. Sie zögerte einen Moment, doch dann stieg sie entschlossen ein. Niemand würde ihr die Überraschung für Ved versauen. Auch nicht ihre Mutter.
Gedankenverloren ließ Cloe ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Sie dachte an alte Zeiten, da wo ihre Eltern noch nicht getrennt waren und sie noch eine glückliche Familie gewesen waren. Warum konnte nicht alles wieder so werden wie früher? Vor ihren Augen sah sie ihre Eltern im Sommerurlaub beide am Lagerfeuer sitzen und verliebt tuscheln. Sie selbst lag auf dem Schoss ihrer Mutter, welche ihr sanft durchs Haar strich. Warum konnte nicht alles wieder so einfach werden, so perfekt wie früher?
Cloe schaute auf die Uhr. In fünf Minuten würden sie Wellington erreichen und bis jetzt war alles gut gegangen. Was sollte also noch schief gehen? Doch schon in der nächsten Sekunde bereute sie sich so voreilig gefreut zu haben. Denn am Anfang des Abteils hatte der Kontrolleur mit dem kontrollieren der Fahrscheine begonnen. Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her. Noch zwei Minuten. Und noch zwei Sitzreihen zwischen ihnen. Cloe stand auf und ging auf die Tür zu. Es war schon das Schild Wellington am Bahnhofseingang zu erkennen, doch der Zug würde ganz am Ende des Gleises halten, weil dies die Endstation war. Plötzlich hörte Cloe eine Stimme hinter sich: „Ihren Fahrschein bitte!"
Cloe fuhr herum und sah in das Gesicht des Kontrolleurs. Der Zug hatte nun gehalten. Panisch blickte sie sich um, als sich die Tür direkt vor ihrer Nase öffnete. Schnell wollte sie hinaushuschen, doch sie wurde am Rucksack festgehalten. Ihr blieb nichts anderes übrig als ihn abzustreifen und zurückzulassen. Sie sprang aus dem Zug und rannte so schnell als wenn es um ihr Leben ginge. „He, bleiben sie stehen. Ihr Rucksack." Hörte sie hinter sich eine Stimme, was sie dazu bewegte noch schneller zu laufen.
Sie rannte aus dem Bahnhof heraus, die Hauptstraße entlang und erst als sie in Veds Wohngegend angekommen war, verlangsamten sich ihre Schritte.
Vor seinem Haus angekommen setzte sie sich auf die Stufen und konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Warum musste denn in letzter Zeit alles schief gehen? Ved war wirklich verletzt gewesen als sie ihm nicht sofort gesagt hatte, dass sie ihn liebte, dies hatte sie bei ihren Telefonaten bemerkt. Und jetzt war ihre ganze Überraschung im Eimer.
Heulend saß sie eine Weile da, bis jemand ihren Namen rief. „Cloe?"
Sie blickte auf und sah Jay vor sich stehen. „He, was ist den passiert?"
Cloe wischte sich ihre Tränen weg und schniefte: „Ach eigentlich ist gar nichts, ich mach bloß einen auf Dramaqueen."
Jay grinste über ihren Scherz und bat sie mit in Haus zu kommen. „Und jetzt erzähl mir mal was passiert ist. Wenn nix wäre, hättest du ja keinen Grund zu heulen." Stellte er treffend fest und gab ihr eine Packung Taschentücher und ein Glas Saft. Dankbar nahm Cloe beides. „Ach es hat alles damit angefangen, dass meine Mutter mich als Nichtsnutz beschimpft hat.", schluchzte sie.
Fragend sah Jay sie an. „Sie hat was?"
„Ach, sie meinte ich könnte gar nichts richtig machen und wäre ihr sowieso nur eine Last."
„Aber das stimmt doch gar nicht.", rief Jay entrüstet.
Zweifelnd zuckte Cloe mit den Schultern. „Na ja, sie hat ja recht, ich kann einfach gar nichts."
„Cloe…", Jay setzte sich neben sie und ergriff tröstend ihre Hand. „Red dir das bloß nicht ein. Ich weiß genau was du alles kannst."
„So was denn bitte schön?"
„Erinnerst du dich noch an das Bild, dass du Ved zum Geburtstag gemalt hast? Oder die Schachtel die du mal für meine Fotosammlung gebastelt hast. Apropos Fotos. Du kannst wirklich gut fotografieren. Du hast genau das passende Gefühl für den Richtigen Augenblick. Warum behauptest du also, dass du nichts kannst? Cloe du kannst alles erreichen was du nur willst, glaub mir."
Cloe war beeindruckt von Jays Worten. So etwas Nettes hatte schon lange niemand mehr zu ihr gesagt. Für einen Moment spürte sie ein Kribbeln im Bauch, dass aber so schnell wieder verschwand wie es gekommen war.
Als Jay bemerkte, dass er immer noch ihre Hand hielt, lies er sie schnell los und stand auf um noch eine Saftpackung zu holen. „Und jetzt wolltest du zu… Ved… damit er dich tröstet? Mhn, Ved ist nicht…da…er ist bei…ähm…Ruby. Aber er kommt sicher bald wieder. Nur musst du solange mit mir als Tröster vorlieb nehmen.", meinte er um vom Thema abzulenken.
„Na ja, eigentlich wollte ich Ved überraschen.", gestand Cloe und erzählte die Geschichte von der Zugfahrt.
„Oh, das ist ja dumm gelaufen. Was hattest du dir den überlegt?", wollte Jay interessiert wissen.
„Ich hatte ein Herz gebastelt auf dem ganz groß drauf stand: ICH LIEBE DICH. In allen möglichen Sprachen."
„Und da soll noch mal jemand sagen, du seiest nicht kreativ.", grinste Jay und auch Cloe konnte endlich auch wieder lachen.
„Jedenfalls hatte ich noch Sekt besorgt und Rosenblätter und Kerzen und neue Dessous…", zählte Cloe auf, doch bei letzterem geriet sie ins Stocken und fügte schnell hinzu: „…äh ist ja auch nicht so wichtig. Daraus wird ja wohl eh nichts."
„Wer sagt das?" Jay sprang auf und wühlte eine Weile in allen möglichen Schränken und kam dann mit jeder Menge Kerzen zurück. „Okay, sie sind zwar nicht alle rot, aber die Geste zählt doch, oder?"
Cloe strahlte ihn an. „Danke Jay."
Dieser suchte daraufhin einen Augenblick in seinem Portemonnaie herum und hielt der verdutzten Cloe einen zehn Euroschein hin. „Na für die Rosen. Du beeilst dich lieber. Um die Ecke ist ein Blumenladen. Ich kümmere mich derweilen um die Worte aller Worte. Soll heiße ich klemm mich hinter meinem Laptop und such dir was Passendes."
„Dan...", wollte Cloe gerade ansetzen doch soweit kam sie nicht mal mehr.
„Hop, du musst dich beeilen bevor Ved wiederkommt."
Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und stürmte los.
Nachdem sie sieben rote Rosen gekauft hatte rannte sie so schnell es ging zurück, doch diesmal lief sie in freudiger Erwartung, sie war wieder glücklich. Außer Atem schellte sie an der Tür und Jay öffnete ihr strahlend. „Hier, hab ich für dich ausgedruckt." Dabei hielt er ihr verschiedene, hellrote Zettel hin, auf denen jedes Mal „Ich liebe dich" in einer anderen Sprache stand.
„Aloha wau ia 'oe?", fragte Cloe skeptisch.
„Ja, „Ich liebe dich" auf hawaiisch.", grinste Jay.
„Ah, aloha wau ia 'oe!", meinte Cloe und sah ihn an. Dann dachte sie einen Moment lang nach und wurde rot. Stotternd sagte sie: „Ich, ich meine, ich ähm, ich aloha wau ia 'oe dich nicht,…ich äh, liebe dich natürlich nicht. Ich liebe ja Ved….Also wenn das irgendwie komisch rüber gekommen ist…"
Jay hätte sich fast zu Tode gelacht. „Keep cool, Cloe. Ich weiß schon wie das gemeint war."
Verlegen nahm Cloe die Zettel an sich und legte direkt vor die Tür und auf jede Treppenstufe einen. Oben in Veds Zimmer verteilte sie den Rest um sein Bett und zündete die Kerzen an, die Jay schon überall verteilt hatte. „Ja perfekt. Die Atmosphäre ist super romantisch.", begutachtete sie das fertige Zimmer und begann sich auszuziehen und sich ein wenig zurecht zu machen. Für Ved wollte sie heute ganz besondert hübsch aussehen.
Als sie fertig war, konnte sie nichts weiter tun als warten.
Plötzlich hörte sie wie unten ein Schlüssel in die Tür gesteckt wurde…
…Ved betrat das Haus und blieb verdutzt stehen. „Jay? Bist du da?"
„Ja.", kam es aus der Küche.
„Was soll das, Jay?"
„Da wartet eine Überraschung auf dich in deinem Zimmer. Geh mal schnell nachgucken."
Zögernd entledigte Ved sich seiner Jacke und hob die erste Karte auf. „Anee ohevet otkha" stand darauf. Verwirrt ging er weiter die Treppe hinauf und hob eine Karte nach der anderen auf.
„Taim i' ngra leat"
„Mai tumase pyar karati hun"
„Eg elska thig"
„Te'gedet szeretlek"
„Saya cinta padamu"
„Ti amo"
„Kimi o ai shiteru"
„Naanu ninnanu preethisuthene"
„Bahibak"
„Ech hun dech gär"
„Konoronhkwa"
„Mujhe tumse muhabbat hai"
„Kocham cie"
„Ya tyebya lyublyu"
Vierzehn Stufen. Dann hatte er sein Zimmer erreicht aus dem leise Musik klang. Nachdem er die Tür geöffnet hatte sah er Cloe auf dem Bett sitzend, umgeben von roten Rosenblättern. Überall im Zimmer leuchteten Kerzen, die alles in ein gedämpftes Licht färbten. Cloes Haut schimmerte leicht rötlich und sie hatte passend zu der Farbe dunkelrote Dessous an. Erwartungsvoll sah sie ihn an und sagte mit ruhiger Stimme. „„Je t'aime". Das wäre französisch. Oder wie wäre es mit „qamuSHa'"? Das wäre klingonisch."
Fragend blickte Ved sie an.
„Na du weißt schon, diese Alien aus Star Trek. Ach, auch egal, was ich eigentlich sagen wollte: Ich Cloe Lee Bergman liebe dich Ved Johnson wie ich noch nie jemand sonst geliebt habe und nie lieben werde. Ved, ich liebe dich über alles."
Sprachlos sah Ved sie einen Moment an, dann trat er auf sie und grinste: „Ja, ich weiß!"
Gespielt empört schnappte Cloe sich ein Kissen und startete eine Kissenschlacht. „Spinner!", rief sie liebevoll und beide vereinigten sich in einem leidenschaftlichen Kuss.
Danach fragte Ved immer noch völlig überrascht. „Wie hast du das eigentlich gemacht, wie…, ich meine, …wer hat dich rein gelassen?"
„Oh, das ist eine lange Geschichte. Eigentlich sollten die Kerzen auch alle rot sein, aber auf dem Weg zu dir hab ich irgendwie meinen Rucksack, ähm „verlegt"."
„Ach so. Na die Hauptsache ist, dass du da bist. Du siehst toll aus.", antwortete Ved und streichelte sie zärtlich.
„Ja, wie gut, dass ich die Dessous schon drunter hatte, was?", lachte Cloe und gab ihm einen Kuss.
Im Schein der Kerzen schimmerten ihre Körper rötlich und sie liebten sich die ganze Nacht. Genauso wie damals auf der Klassenfahrt in der einsamen Berghütte.
