Good Girls Like Bad Boys

Narben

Mit der Klinge fahr ich langsam
meinen Unterarm hinauf.
Dann ein Schnitt, klein und flach,
und die Welt um mich blüht auf.

Schmerz schärft alle meine Sinne,
jede Faser ist gestimmt.
Und ich hör den Körper singen,
wenn der Schmerz die Last mir nimmt.

Tiefer noch ein bisschen tiefer
schneid ich in den weißen Arm.
Aus der Wunde sickert lautlos
dunkles Blut und mir wird warm.

Das Blut so rot, das Blut so rein.
Die Zeit heilt meine Wunden nicht.
Mein Blut zu sehn, ist wunderschön,
mein Blut zu sehen, tröstet mich.

Glück durchströmt den ganzen Körper.
Schmerz treibt jeden Schmerz heraus.
Um auf diese Art zu fühlen,
nehm ich all das Leid in Kauf.

Das Blut so rot, das Blut so rein ...
Ich verletze nur die Hülle.

Alles was darunter liegt,
hab ich so tief eingeschlossen,
dass es sich mir selbst entzieht.

Das Blut so rot, das Blut so rein ...

Veds Therapeutin hatte ihm gesagt, dass er mit dem Schreiben schon auf dem richtigen Weg war. Seinen Gefühlen Ausdruck zu geben war wichtig. Also war seine erste Aufgabe gewesen etwas über das Ritzen und seine Gefühle dabei zu schreiben. Ved begutachtete das Blatt, was vor ihm lag und dachte zufrieden: „Gar nicht mal schlecht. Ab jetzt geht's wieder aufwärts."

Außerdem hatte er Lust auf Veränderung, darum hatte er sich eine Packung schwarzes Haarfärbemittel gekauft. Ein weiterer Grund für die doch ziemlich krasse Farbe war, dass er keines Falls mehr mit Jay verwechselt werden wollte. Er hasste seinen Bruder nach dem Kuss mit Cloe. Jay hatte ihn schon oft genug im Stich gelassen, aber das war endgültig zu viel. Ved würde ihm nie wieder vertrauen können.

Als Jay das Badezimmer betrat bekam er fast einen Schock. Dort stand sein Bruder mit pechschwarzen Haaren und grinste zufrieden sein Spiegelbild an. „Ved? Was tut du da zur Hölle noch mal?"

„Ich wollte nur nicht mehr so aussehen wie du Jay. Wir haben absolut nichts gemeinsam.", sagte Ved mit Eiseskälte in der Stimme.

„Die Sache mit Cloe tut mir Leid. Wie oft soll ich mich denn noch dafür entschuldigen?"

„Gar nicht mehr. Das bringt sowieso nichts."

Jay seufzte ungehalten. „Dann halt nicht. Was ist jetzt eigentlich mit Cloe? Seid ihr wieder zusammen?"

Kühl lächelnd antwortete Ved gelassen: „Es wird dir zwar nicht gefallen Jay, aber ja, wir sind wieder zusammen. Cloe steht halt nicht auf so verweichlichte Ökofreaks wie du einer bist. Gute Mädchen stehen auf böse Jungs, Jay. Find dich damit ab. Du dachtest du kommst hier her und ruinierst mein Leben, nachdem du mich jahrelang im Stich gelassen hast? Vergiss es, netter Versuch mir die Freundin auszuspannen, aber so läuft das nicht, Cloe gehört MIR!"

Resignierend ging Jay aus dem Badezimmer um einen Schwamm für Veds Schweinerei mit der Farbe zu holen, denn in diesem Zustand mit ihm zu reden wäre sinnlos. Doch auf halbem Weg machte er kehrt und rief: „Warum hat Cloe mich dann bloß geküsst? Wenn ihr beiden glücklich seid, hätte sie das bestimmt nicht getan. Denk mal drüber nach Ved!"

Diese Frage ließ Ved die nächsten Tage nicht los. Waren sie wirklich glücklich mit einander, oder hatten sie bloß Angst davor ohne einander noch unglücklicher zu sein? Vielleicht war in ihrer Beziehung etwas kaputt gegangen, dass sich einfach nicht wieder heilen lies? Die letzten Besuche bei Cloe waren, um es milde auszudrücken, distanziert gewesen. Immer wenn Ved Cloe küssen wollte fühlte er sich irgendwie nicht wohl dabei. Und Cloe schien es ähnlich zu gehen. Vielleicht war sie nur noch aus Mitleid bei ihm, er wusste es nicht. Er wusste nur, dass ihm ein Leben ohne Cloe ziemlich trostlos erschien. Brauchte er den nicht ihren Halt, die Sicherheit die sie ihm gab? Laut seiner Therapeutin nicht. Sie meinte er wäre wieder stark genug auch alleine klar zu kommen. Wenn es nach ihr ginge sollte Ved am besten den Ort seiner Demütigung durch die Chosen, also Wellington, verlassen um irgendwo anders noch mal völlig neu anfangen zu können, ohne die Dämonen der Vergangenheit.

Während Ved grübelnd in seine Zimmer saß trat Jay ein und fragte: „Hast du dich wieder beruhigt? Ich dachte ich lass dich erstmal ein paar Tage in ruhe, aber jetzt muss ich unbedingt mit dir reden."

Ved nickte nur.

„Okay, folgendes: Ich hab ein Angebot für ein Stipendium in Australien bekommen, in Sydney um genau zu sein. Die bezahlen mir das Studium und eine Wohnung. Ich kann das Angebot nicht ablehnen."

„Du willst Cloe und mich also doch auseinander bringen.", rief Ved aufgebracht. Doch wenn er ehrlich war, ging es ihm mehr um die Wut auf seinen Bruder, als das er und Cloe sich auf mal nicht mehr regelmäßig sehen würden.

„Nein. Wenn du willst kannst du hier bleiben. Ich kann mir die Miete für das Haus hier auch zusätzlich leisten, wenn ich neben bei noch arbeiten geh."

Ved war überrascht von der Großzügigkeit seines Bruders. Aber als er einen Moment über die neue Situation nachgedacht hatte, sagte er jedoch ohne zu zögern: „Das brauchst du nicht. Ich muss nur vorher mit Cloe reden."


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