Part I: Times may change
3. Teil: A little piece of humanity
Er steiss ein resignierendes Seufzen aus, als er wie immer erfolglos versuchte, seine Haare platt zu drücken, bald aufgab und mit dumpf hallenden Schritten der Bibliothek näher und näher kam. Also würde Malfoy wie sonst auch, noch zusätzlich auf der Widerspänstigkeit seiner Haare herumreiten können. Aber egal, dieser hinterhälige, arrogante Schleimer würde IMMER einen Makel an Harry finden, egal wie perfekt er daherkommen würde.
Also Augen zu und durch.
Schweren Herzens betrat Harry die Bibliothek, um fünf vor acht, er war also sogar überpünktlich. Aber den letzten Worten des Sytherins zu Folge, würde dieser sich vielleicht ebenfalls schon eingefunden haben. Und tatsächlich, in einem alten, ledernen Sessel sass der Blondhaarige mit überschlagenen Beinen und blickte sofort scheinbar ungeduldig in die Richtung des Gryffindors, als jener bereits schon die ersten Schritte in die Bibliothek getan hatte. Noch einmal atmete Harry tief ein und liess den Sauerstoff langsam wieder aus seinen Lungen entweichen, um sich noch einmal zu beruhigen, bevor er dem ihm meist feindlich gesinnten Schüler Hogwarts Gesellschaft leisten „durfte".
Betont gemütlich schlenderte er nun zu dem zweiten Sessel, welcher sich unmittelbar neben dem anderen, ebenfalls unter einem grossen Fenster, befand und liess sich mit einem gemurmelten „Malfoy..." und einem leichten Kopfnicken hineinfallen. Es war Freitag der ersten Schulwoche, und wie sich herausstellte, war das sechste Schuljahr noch anstrengender, als diejenigen vorher, und so hatte er nicht mehr wirklich die Kraft, sich gross vor Malfoy aufzuspielen oder dergleichen. Also begnügte er sich damit, die Arme vor der Brust zu verschränken, und denn anderen auffordernd anzublicken.
„Und jetzt...?"
„Nichts, Potter, überhaubt nichts mit ‚und jetzt'", wurde seine Frage einem genervten Aufseufzen folgend, beantwortet.
„Wenn's sein muss, schweig ich dich lieber jeden Tag eine Stunde an, als dass ich mich dazu berufen fühlte, eine Konversation mit dir zu beginnen" Mit diesen Worten drehte er seinen Kopf wieder nach links, von Harry abwendend. Resignierend war nun dieser an der Reihe, einen lauten Seufzer auszustossen.
„Natürlich, eine andere Antwort hätte ich von dir Sturrkopf kaum erwartet. Aber ehrlich gesagt, ich hab weder die Lust noch die Zeit dazu, jeden Tag eine ganze Stunde lang zu verplempern, nur weil du Esel nicht dazu in der Lage bist, deinen verkappten Stolz einmal abzulegen, und das vermutlich Beste aus der Situation zu machen"
Harry hatte sich nun aufgesetzt und blickte beinahe schon erbost in die Richtung des anderen. Warum musste dieser verfluchte Slytherin auch immer nur so verdammt eingebildet sein, und konnte es nicht einmal zu Stande bringen, ein kleines Gespräch, wenn auch mehr oder weniger gezwungenermassen, zu führen?
Nun schnaubte der benannte Sturrkopf auf, und drehte seinen ganzen Körper nun ein wenig nach rechts um den anderen anblicken zu können, ohne dabei seinen Hals drehen zu müssen, wäre auf Dauer schliesslich anstrengender gewesen.
„Das hat nicht im Geringsten etwas mit Stolz zu tun, Potter. Ich WILL ganz einfach nicht mit dir reden, darüber gibt's nichts mehr zu sagen."
Seine Haltung schien seinen Worten jedoch stark zu wiedersprechen, da er sich nun immer noch Harry zuwande, als würde er auf eine Antwort des Schwarzhaarigen warten.
„Erstens; Mcgonagall, Dumbledore und Snape werden darauf bestehen, dass wir von diesen mehr als unangenehmen Momenten erst wieder befreit sind, wenn wir es zumindest zu Stande bringen würden, normal miteinander zu kommunizieren.
Zweitens; wenn du wirklich nicht mit mit sprechen wollen würdest, hättest du dich kaum zu mir gewandt, um bloss diese beiden Sätze vorhin verlauten zu lassen"
Nicht, dass er wirklich grossen Wert darauf legen würde, mit Malfoy sprechen zu können, aber er befürchtete, dass er noch bis Ende des Schuljahres jeden Tag eine erneute Stunde über sich würde ergehen lassen müssen, wenn sie beide nicht auf einen, wenn auch winzigen, grünen Zweig kommen würden.
Ein erschöpftes Grinsen schlich sich nun auf die Lippen des Slytherins, welches jedoch noch unechter, als die Artikel einer Rita Kimmkorn wirkte und dem feingeschnittenen Gesicht des eher schlanken Jungens einen müden Zug verpasste.
„Mich nennst du einen Sturkopf? Du bist doch der Hartnäckige hier. So scharf darauf, ein paar Worte mit mir zu wechseln?"
Harry raufte sich nun innerlich schon die Haare, verbarg äusserlich bloss sein Gesicht in den Händen, rieb sich kurz die Stirn mit seinen Fingerspitzen und liess für wenige Momente lang bloss ein ärgerliches „Mmmm!" verlauten.
„Du... ich glaub's einfach nicht! Wie kann ein einziger Mensch nur so eingebildet und heimtückisch sein, obwohl man doch meinen könnte, dass in jedem ein sogenannter Funken Gutes steckt." Dies sprach er zwar in vollkommener Ehrlichkeit aus, jedoch weniger um Malfoy zu verletzen –was im sowieso nicht gelungen wäre-, sondern um für ein Mal einmal die Rollen zu tauschen und den Slytherin zu provozieren.
„Und übrigens... sollte es dir noch niemand gesagt haben, wie ich befürchte;
Das Grinsen steht dir überhaupt nicht. Erst recht nicht, wenn man dir auch noch ansieht, dass dir überhaupt nicht zum Grinsen zu Mute ist."
Tiefe Falten zeigten sich nun zwischen den Augenbrauen des Blonden und seine Mundwinkel rutschten ohne sein Zutun augenblicklick nach unten.
„Wie..! Was erlaubst du dir eigentlich? Zu Glauben, wie mir zu Mute sei. Du hast doch keine Ahnung, Potter.
Obwohl, wenn man bedenkt, dass die Schuld sowieso eigentlich nur du allein trägst.
Egal. Wag das nicht noch einmal, ich warne dich."
Über diese so plötzlich überaus verärgerten Worte runzelte Harry nur erstaunt seine Stirn, wunderte sich, wie der andere von einem Moment aus den anderen so bissig werden konnte, wo ihn doch vorhin keine einzige der Bemerkungen des Gryffindors wirklich hatte rühren können.
War es denn möglich, dass sich Malfoy darüber ärgerte, dass Harry bemerkt hatte, wie schlecht es um seine Laune stand –gegebenenfalls dem war überhaupt so-?
Reine Neugierde begann nun seine Gedanken zu piesacken, und er wurde während den wenigen Minuten der absoluten, jedoch knisternden Stille zwischen ihnen beiden reglich gequält von dem Wunsch, dem Grund für die Verärgertheit des anderen auf die Spur zu kommen.
„Scheint's nicht sehr gut drauf zu sein"
Er versuchte die Bemerkung so nebensächlich wie nur irgend möglich verlauten zu lassen, und blickte gleichzeitig angestrengt in Richtung Büchergestell.
„Oh. Wie blitzschnell erkannt. Wie machst du das nur?"
Die gezischten Worte der selbstgekrönten Schlange Slytherins trieften nur so vor Zynismus und hinterliessen in den Ohren des Zuhörers einen bitteren Beigeschmack. Jenen hielt dies nun jedoch kaum davon ab, noch ein wenig weiterzubohren.
„Warum? Jemand wie du wird doch wohl kaum Gründe haben, schlechte Laune zu haben."
Kaum hatte Harry dies ausgesprochen, biss er sich jedoch reuig auf die Unterlippe, hatte er doch unfreiwillig eine Art Komplimt ausgesprochen. Er, ein Kompliment, gerichtet an M.a.l.f.o.y.
Sich mit beiden Händen nun auf der rechten Lehne seine Sessels abstütztend, beugte sich Malfoy nun gefährlich nah zu Harry hin, während sich seine Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Seine Stimme war leise, als müsste er mit aller Kraft die Wut in sich unterdrücken.
„DU, Potter, DU solltest das am Besten wissen. DU hast meinen Vater in Askaban landen lassen.
Du, Du und noch einmal du"
Harry's Neugierde war so schnell verflogen, wie sie gekommen war, und er wünschte sich wirklich, er hätte nicht gefragt.
Aber trotzdem, ihm jetzt in die Schuhe zu schieben, dass der ach so liebenswürdige Zauberer, den Malfoy's Vater als seinen Meister erkoren hatte, zufälligerweise sein Todesfeind, und ganz nebensächlich die bösartigste Keatur, die jemals auf Gottes wunderbarer Erde lebte, war, das war doch ganz einfach die Höhe!
„Du hast aber was Wichtiges vergessen. Dein Vater war ein verdammtes, absolut kaltblütiges Arschloch!"
Weniger wollte er Malfoy wirklich verletzen, als dass er ganz einfach nicht wirklich wusste, was er denn nun erwiedern sollte, und schliesslich einfach eine nutzlose Beleidigung durch den Raum hallen liess, was ihm zusätzlich noch die wütenden Blicke Miss Pinces, der Bibliothekarin, aufbürdete.
Als Harry das Wort ausgesprochen hatte, brach mit einem Male der zuvor noch so bohrend hassende Blick des Slytherins, seine Arme knickten schier ein, und mit einem Seufzer liess er sich wieder in den Sessel zurücksinken.
„Denkst du, das weiss--" Der leise gemurmelte Satz liess er unfertig in der Luft hängen, dieselbige nun mit starren Blicken traktierend.
Mit jeder Minute ihres Gespräches war Harry klar geworden, dass Malfoy auf eine verquere Art gebrochen schien, Wobei, gebrochen zu hart ausgedrückt gewesen wäre, niedergeschlagen jedoch zu wenig Tiefe beinhaltete.
Vielleicht hatte der Blondhaarige durch jenes einschlägige Ereigniss, die Verfrachtung seines Vaters nach Askaban, ein wenig an Menschlichkeit gewinnen können, hätte er sich doch zuvor niemals die Blösse gegeben, zusammengesunken in einem Sessel direkt vor Harrys Augen öffentlich seine innere Erschöpftheit preiszugeben.
Obwohl...wer wusste schon, ob der Schein nicht trügen mochte?
Wenigstens einer Sache konnte sich Harry sicher sein, irgendwann würde er schon noch dahinter kommen, schliesslich würden ihm voraussichtlich noch viele Stunden in Gesellschaft des an manchen Tagen giftsprühenden Slytherins bevorstehen, wie er sich schliesslich mit verzweifelter Hoffnung gespickter Ironie eingestand.
Ein Blick auf seine Uhr bestätigte ihm, dass doch bereits schon einige Minuten seit seiner Ankunft in der Bibliothek verstrichen waren, und er schon beruhigt feststellen durfte, dass nur noch eine weitere halbe Stunde zu überwinden war. Entschlossen erhob er sich und liess seinen Blick kurz durch die Bibliothek wandern, um festzustellen, dass abgesehen von ihnen beiden und natürlich Miss Pince niemand anderes in der riesigen Bibiothek zu sehen war, was hiess, dass zumindest am heutigen Tage keiner der Schüler einen Herzinfarkt riskieren würde, wenn er sie beide mehr oder weniger friedlich gesinnt „gemütlich" in Sesseln nebeneinander sitzend, plaudern sähe. Wobei man bis vor wenigen Momenten nur noch von ermüdetem Schweigen von Seiten Malfoy und gedankenversunkenem Harrys sprechen konnte.
„Wo willst du hin? Die Zeit ist noch nicht um"
Die Stimme des Slytherins klang wenig begeistert von dem Sinn der Worte, die sie monoton verlauten liess, als wäre es mehr eine Pflicht sie herunterzuleiern, als der Wunsch sie auszusprechen.
Die fehlende Beigeisterung deutlich wahrnehmend, machte sich Harry gar nicht erst die Mühe, sich Malfoy zu zuwenden, als er seine Antwort gab
„Ich hol mir nur ein Buch"
Und damit steuerte auf eines der Bücherregale zu, und fischte ein Buch mit dem Titel „Die berühmtesten Quidditch-Spieler" heraus, um sich damit wieder in seinen Sessel zu sitzen, und so seine Gedanken wenigstens auf interessantere Dinge zu lenken.
Vor seinen Augen huschte immer wieder die kleine Abbildung Marko Kalkowicz's auf seinem Besen vorbei, doch Harry konnte sich kaum darauf, geschweige denn auf den Text darunter, konzentrieren. Immerzu spürte er den Blick des Slytherin auf sich ruhen, kaum hatte er das Buch aufgeschlagen. Auch wenn er nicht glaubte, mit stechenden oder nahezu hasserfüllten Augen betrachtet zu werden, war es ihm nun eigentlich noch unangenehmer, wenn er daran dachte, dass das Gesicht Malfoy's immer noch diesen müden, melancholischen Zug tragen würde, während dieser gerade ihn betrachtete. Nach ungefähren, unerträglichen zehn Minuten wurde ihm das Spiel jedoch merklich zu dumm, und er schnellte aus einer kindlichen Trotzreaktion heraus blitzartig mit seinem Kopf hoch, dass beinahe ihn selbst diese schnelle Bewegung überraschte.
Perplex zuckte nun der sonst doch so sehr unumstössliche, schlangenzüngige Slytherin kurz zusammen, wandte seinen Blick jedoch nicht ab. Unklar war nur, ob er ganz einfach starrte, ob er Harry wirklich betrachtete, oder ob er ganz einfach nicht eine Niederlage, indem er seine Augen woanders hin lenken würde, einstecken wollte.
„Malfoy?"
Angestrengt versuchte Harry genervt zu klingen, was seine Stimmbänder jedoch nicht davon abhalten konnte, eine gewisse Nuance, die eine ehrliche Neugierde zeigte, unter seine Stimme zu mischen.
Der Angesprochene blickte nun auf der Stelle gekonnt verärgert knapp an ihm vorbei und liess ein wahrlich arrogantes „Was, Potter?" seine Antwort sein.
Der sich nun wirklich verarscht fühlende Harry blähte seine Nasenlöcher auf und stiess daraus deutlich vernehmbar die Luft aus sich heraus.
„Echt, du bist einfach unglaublich!" Wie gerne hätte der Gryffindor, um seine Worte zu untermalen, jetzt auch noch seine Hände in die Höhe geworfen, was ihm jedoch wirklich all zu theatralisch und vor allem lächerlich erschien.
„Danke, ich weiss. Schön, dass du es auch erkannt hast"
Nicht aufgeben, Harry. Nicht ausflippen, Harry. Beruhig dich, Harry. Nur noch ungefähr eine Viertelstunde, Harry. Eine Viertelstunde.
Seine wie-beruhige-ich-mich-wenn-ich-kurz-davor-bin-dem-dreckigen-Malfoy-eine-runterzuhauen-Methode zeigte zum Glück Wirkung und er war schon wenige Sekunden später nicht mehr ganz so entschlossen dem Slytherin an die Gurgel zu springen, und ihn ein wenig zu würgen, was ihm jedoch nicht davon abhielt, von seinem Mund Gebrauch zu machen.
„Wie unbescheiden. Hast du das von deinem Daddy gelernt?
Wie Schade... Der wird dir jetzt aber längere Zeit wohl nichts mehr beibringen können. Hat sich denn deine Mutter schon ihren nächsten Todesser ausgesucht?"
Sofort versteinerte sich Malfoys Miene noch mehr als sie es sowieso schon tat. Langsam drehte er seinen Kopf ein kleines Stückchen um nun dem Schwarhaarigen für einen kurzen Augenblick wieder seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken und ihn mit wahrlich brennendem Blick festzuhalten.
„Fick. Dich. Ins. Knie."
Harry blieb jedoch nicht einmal die Zeit zurückzuweichen, oder dergleichen, denn im nächsten Augenblick war Malfoy förmlich aufgesprungen und hatte mehr oder weniger stampfend den Raum verlassen.
„Was..?", rutschte es dem Zurückgebliebenen erstaunt über die Lippen, als der andere schon längst hinausgegangen war.
Natürlich, was er gerade zu Malfoy gesagt hatte, war wirllich nicht gerade sehr nett gewesen, aber bitte, was hatte er sich denn in der bisherigen Zeit in Hogwarts von der hinterhältigen Schlange alles gefallen lassen müssen? Da waren die Worte, die er hatte verlauten lassen, doch wohl ein Nichts dagegen!
Aber er wäre nicht Harry Potter gewesen, wenn ihm jetzt nicht irgendwo in der hintersten und allerletzten Hirnwindung eine leise Stimme sagte, dass er auf eine verquere Art und Weise vorhin zu weit gegangen war. Aber sich entschuldigen, oder dergleichen? NIEMALS.
Was machte es schon, wenn es jemand in tausend Jahren einmal zu Stande brachte, den gefühlskalten Slytherin mit Worten ein kleines Bisschen zu verletzen. Bis jetzt schien es ihn doch auch nie gekümmert zu haben, was an gegen ihn gerichtete Beleidigungen an seine Ohren drang. Bis jetzt hatte er niemals auch nur das Gesicht verzogen, wenn Harry versucht hatte Kontra zu geben. Bis jetzt war er seinem Ruf als kaltblütiges Arschloch allemal treu geblieben.
Bis jetzt.
