Wyatt ist jetzt 10, Chris 8. Zoe ist 9 Jahre alt und Wyatts beste Freundin.
Kapitel 4: Für immer Brüder
Chris saß allein auf einer Bank im Schulhof. Bianca war krank und würde für den Rest der Woche nicht mehr in die Schule kommen können. Seine anderen Freunde spielten Fußball, aber Chris wollte nicht mitspielen. Er wollte mit seinem Bruder spielen.
Aber Wyatt verbrachte die Pause mit seiner neuen Freundin Zoe. Sie hatte blondes, lockiges Haar das sie fast wie einen Engel aussehen ließ, aber Chris mochte sie nicht. Seit sie in Wyatts Klasse war, verbrachte Wyatt die Pausen nicht mehr mit ihm. Stattdessen war er immer an Zoes Seite. Manchmal wünschte Chris sich, dass er einen Zauberspruch nutzen könnte, um sie von seinem Bruder fernzuhalten, aber seine Mutter würde sich furchtbar darüber aufregen, wenn er Magie wegen persönlichen Vorteil benutzen würde.
„Hey Chris!", rief einer seiner Freunde von der anderen Seite des Hofes, wo sie spielten. „Komm her und spiel mit!"
Aber Chris war nicht in der Stimmung, um jetzt mit ihnen zu spielen. Er schaute traurig hinüber zu seinem großen Bruder, der gerade mit Zoe über irgendetwas lachte. Dann stand er auf und ging hinüber zum Eingang des Schulgebäudes. Als er neben seinen Bruder und Zoe vorbeiging, konnte er sehen, dass sie ihre Lunch Box auf dem Schoß hatte und konnte einfach nicht länger widerstehen. Mit einer kleinen Bewegung seiner Hand warf er die Box telekinetisch zu Boden. Er musste grinsen, als er Zoe überrascht aufschreien hörte. In etwas besserer Stimmung ging er in das Schulgebäude hinein, um die Bücher für seine nächste Stunde zu holen.
Am Nachmittag ging Wyatt hinüber zu seinem Bruder, der gerade angefangen hatte im Wohnzimmer bei ihnen zu Hause Harry Potter und der Stein der Weisen zu schauen. Zoe wartete in seinem Zimmer, damit sie ihre Hausaufgaben machen konnten, aber Wyatt musste unbedingt zuerst mit Chris über etwas reden. Er setzte sich neben seinen Bruder auf die Couch und stoppte den Film mit der Fernbedingung. „Chris, wir müssen reden."
„Hey ich hab gerade ferngesehen", sagte Chris und versuchte seinem Bruder die Fernbedingung aus der Hand zu nehmen, aber Wyatt hinderte ihn daran.
„Warte. Ich hab gesehen was du in der Pause heute gemacht hast."
Chris sah ihn unschuldig an. „Was meinst du?"
„Mach nicht dieses Gesicht Chris. Es hilft vielleicht bei Mom, aber ich kenn dich besser", antwortete Wyatt. „Du hast Zoes Lunch Box auf den Boden geworfen."
„Nein, hab ich nicht", log Chris.
„Sicher hast du", erwiderte Wyatt etwas zornig darüber, dass Chris es abstritt.
„Nein."
„Doch."
„Nein."
„Doch hast du!"
„Nein, hab ich nicht!"
„Hey! Können wir jetzt bitte unsere Hausaufgaben machen?"
Die streitenden Brüder drehten sich um und sahen Zoe bei der Treppe stehen. Wyatt schaute noch mal hinüber zu seinem Bruder. „Du hast", sagte er wieder, bevor er Zoe nach oben folgte.
Chris lehnte sich zurück und seufzte genervt, aber auch traurig. Jetzt verbrachte Wyatt nicht nur all seine Zeit mit Zoe, jetzt war er sogar noch sauer auf ihn. Das war einfach toll. Es machte ihm noch mehr zu schaffen, weil er und sein großer Bruder sich immer sehr nahe gestanden haben und immer eine Menge Spaß zusammen gehabt haben. Wyatt war immer für ihn da gewesen und jetzt schien es, als würde er nur noch Zeit mit Zoe verbringen wollen. Bevor er noch weiter darüber nachdenken konnte, startete er den Film wieder und sah zu wie Hagrid, der Riese, seinen Schirm benutze, um Harrys bescheuerten Cousin Dudley einen Schweineschwanz zu verpassen.
Später an diesem Nachmittag saßen Wyatt und Zoe auf der Couch im Wohnzimmer. Sie sahen sich Lizzie McGuire an. Eigentlich sah Zoe sich Lizzie McGuire an, Wyatt langweilte sich eher, da er die Serie nicht wirklich mochte. Er stand schnell auf, um sich in der Küche etwas zum Trinken zu holen. Chris, der auf der anderen Seite des Zimmers saß, überkam wieder mal das große Verlangen Zoe eins auszuwischen. Er erinnerte sich an die Szene in Harry Potter, in der Dudley seinen Schwanz bekam.
Mit einem Grinsen dachte er sich schnell einen Spruch aus und flüsterte ihn leise vor sich hin:
„Sie lässt Wyatt als Bruder versagen,
drum soll sie einen Schweineschwanz tragen."
Eine Sekunde nachdem Chris seinen Spruch beendet hatte, stand Zoe überrascht auf und versuchte hinter sich zu sehen. Als ihr das nicht gelang, taste sie mit ihren Händen nach hinten und plötzlich konnte sie den Schwanz spüren. Sie begann laut zu kreischen und Chris konnte nicht anders, er musste lachen. Nach ein paar Sekunden kamen Wyatt und seine Mutter jedoch herein und er versuchte schnell mit dem Lachen aufzuhören.
„Was ist passiert?", fragte Wyatt besorgt.
Zoe drehte sich wortlos um und sorgte damit dafür, dass Wyatt und Piper sie erstaunt anstarrten. Oder eher ihr Schweineschwänzchen. Dann schien Wyatt zu begreifen was passiert ist, denn er drehte sich zu Chris um und sah ihn verärgert an. „Wieso hast du das getan?"
„Ich hab gar nichts getan", log Chris wieder mal.
„Hör auf zu lügen Chris. Wieso tust du das alles?", fragte Wyatt seinen kleinen Bruder, während Piper versuchte Zoe zu beruhigen.
„Weil du nie Zeit für mich hast!", rief Chris nun. „Es dreht sich alles immer nur um Zoe. Du spielst in der Schule nicht mehr mit mir und jeden zweiten Tag ist Zoe auch hier bei uns. Und dann ignorierst du mich und verbringst nur Zeit mit ihr."
„Aber Chris du kannst nicht einfach Leuten einen Schwanz anzaubern, nur weil dein Bruder mal nicht mit dir spielt", sagte Piper nun. Sie war immer etwas besorgt gewesen, dass die enge Beziehung zwischen ihren Söhnen ihnen Probleme bereiten könnte, wenn sie älter werden und jetzt sah es beinahe so aus als hätte sie recht gehabt.
„Aber Mom er spielt nie mit mir", erwiderte Chris.
„Das ist nicht wahr. Gestern waren wir alle zusammen im Park und Wyatt hat mit dir Fußball gespielt", sagte Piper. Sie seufzte, als Zoe nun anfing zu weinen. „Geh in dein Zimmer Chris. Wir reden später darüber. Jetzt muss ich erst mal Zoe beruhigen und etwas gegen ihren Schwanz unternehmen."
„Aber Mom..."
„Kein aber Chris. Geh in dein Zimmer."
Chris schaute noch einmal sauer hinüber zu Zoe, bevor er nach oben in sein Zimmer rannte und die Tür laut hinter sich zuschlug.
„Lass mich mit ihm reden", sagte Wyatt zu seiner Mutter nachdem sie Chris' Zauber aufgelöst, Zoes Erinnerung daran gelöscht und sie nach Hause gebracht hatten. Jetzt wollte Piper mit Chris darüber reden was er angestellt hatte, aber Wyatt wollte das selber tun. Als Chris erklärt hatte, wieso er das Zoe angetan hatte, hatte er erkannt, dass ein Teil davon wirklich stimmte. Er hatte seinen kleinen Bruder in letzter Zeit wirklich ziemlich vernachlässigt.
„Wyatt das hier ist ernst. Dein Bruder kann nicht einfach Magie benutzen, um anderen Leuten ein Schweineschwänzchen zu verpassen", sagte Piper.
„Ich weiß. Aber bitte lass mich zuerst mit ihm reden", bat Wyatt.
Schließlich gab Piper sich geschlagen. „Okay, dann geh."
Wyatt ging schnell nach oben und klopfte an Chris' Zimmertür. „Kann ich reinkommen?", fragte er unsicher. Es kam keine Antwort, deshalb versuchte Wyatt die Tür zu öffnen, aber sie war verschlossen. „Chris, bitte mach die Tür auf." Als nichts geschah beamte sich Wyatt einfach in Chris' Zimmer. Sein Bruder lag auf seinem Bett und rollte genervt mit den Augen, als er Wyatt sah.
„Das ist nicht fair", sagte er sofort. „Wieso fragst du überhaupt, ob du reinkommen kannst, wenn du dich sowieso hereinbeamst?"
„Ich hab mich gebeamt, weil du nicht geantwortet hast", erklärte Wyatt. „Und wir müssen wirklich darüber reden Chris."
„Ich denke Mom wird genug mit mir schimpfen, also spar dir das", sagte Chris und drehte sich um, so dass Wyatt nur seinen Rücken sehen konnte.
„Ich bin nicht hier, um mit dir zu schimpfen. Ich bin hier, um mit dir zu reden. Um Zeit mit dir zu verbringen."
„Wirklich? Seit wann?", fragte Chris. „Seit Zoe nach Hause gehen musste und ich der Einzige bin mit dem du jetzt Zeit verbringen kannst?"
„Das ist nicht wahr", sagte Wyatt und setzte sich auf die Bettkante. „Ich liebe es Zeit mit dir zu verbringen. Du bist der beste Bruder, den man sich wünschen kann."
Chris blieb für eine Weile still, aber dann fragte er leise: „Wieso bist du dann nicht da für mich, wie früher?"
„Chris schau mich an", sagte Wyatt und wartete bis sich sein Bruder wieder zu ihm umdrehte, bevor er seine Frage beantwortete. „Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst. Das weißt du. Aber du musst verstehen, dass ich auch mit Zoe etwas Zeit verbringen will..."
„Aber...", versuchte Chris ihn zu unterbrechen.
„Aber ich werde immer Zeit für dich haben", fuhr Wyatt fort. „Ich weiß, dass ich dir das in letzter Zeit nicht oft gezeigt habe und es tut mir wirklich Leid Chris. Ich hab wirklich nicht so oft mit dir gespielt wie früher, aber du hast doch auch andere Freunde. Wir verbringen beide Zeit mit anderen Kindern und ich denke wir müssen uns einfach nur daran gewöhnen, dass wir nicht alles zusammen machen."
„Ja, ich weiß", sagte Chris, noch immer etwas niedergeschlagen.
Wyatt seufzte, als er bemerkte, dass er Chris damit nicht aufgemuntert hatte. „Hey, wenn du mit Bianca spielst, bin ich auch nicht jedes Mal dabei. Und trotzdem hast du eine Menge Spaß. Und genauso ist es bei mir und Zoe. Aber das ändert nichts zwischen uns Chris. Wir werden immer Brüder sein und nichts in der Welt kann daran etwas ändern."
Endlich lächelte Chris etwas. „Wirklich?"
„Wirklich", antwortete Wyatt und umarmte seinen kleinen Bruder.
