Spion wider Willen

Zurück in Hogwarts bemerkte Sisilia schon langsam die Anspannung der Schüler, die sich auf die Prüfungen im Juni vorzubereiten begannen. Auch Sisilia nutzte nun jede freie Minute, um für ihre Prüfung zu lernen.

So kam es hin und wieder vor, dass sich Hermine und Sisilia in der Bibliothek trafen und gemeinsam über die verschiedensten Zaubertränke diskutierten.

So ging der April rasch vorbei und auch der Mai ging schon langsam seinem Ende zu.

Es kam das letzte Hogsmeade Wochenende vor den Prüfungen.

Sisilia hatte sich an diesem Samstag Nachmittag mit Harry, Ron und Hermine in den Drei Besen verabredet.

Gegen vier Uhr betrat Sisilia die Gaststube und schaute sich um.

Als sie nach rechts blickte, sah sie Ron, wie er ihr von dem Tisch hinten in der Ecke zuwinkte. Harry saß auch schon da. Beide hatten einen Krug Butterbier vor sich stehen. Sisilia bestellte sich auch eines, ging dann mit dem Krug zu ihnen hinüber und setzte sich auf einen freien Stuhl.

„Wo habt ihr Hermine gelassen?", erkundigte sie sich.

„Och, die wollte sich noch einen neuen Federkiel besorgen. Ich glaube, sie schreibt eindeutig zuviel, sie braucht andauernd neue", erwiderte Ron und schob sich etwas von seinem Süßigkeitshaufen, den er vor sich liegen hatte, in den Mund.

Mit vollem Mund fragte er sie.

„Möchten Sie auch was haben, Professor?"

Sisilia lehnte dankend ab. Als die Türe aufging, schaute sie hoch und sah, dass Hermine eintrat. Hermine winkte kurz und trat auf sie zu.

„Na einen neuen Federkiel bekommen?"fragte Sisilia.

„Ja, hab ich, und ich hoffe, der hält diesmal länger als die alte Feder", jammerte Hermine.

Der Nachmittag verging wie im Flug. Es wurde langsam dunkel. Die meisten Schüler waren schon gegangen und in den Drei Besen war es inzwischen ziemlich ruhig.

Sisilia blickte auffällig auf ihre Uhr.

Die übriggebliebenen Schüler bemerkten dies und wussten, dass es Zeit wurde, zurück zur Schule zu gehen.

Sisilia war für heute eingeteilt worden, einen Abschlussrundgang durch Hogsmeade zu machen und zu schauen, ob die Schüler rechtzeitig auf dem Rückweg zur Schule waren.

So machten sich die restlichen Schüler auch auf und verließen den Gastraum. Als die letzten gegangen waren, standen Sisilia, Harry, Ron und Hermine auf. Ron und Hermine sollten Sisilia auf ihrem Rundgang begleiten und Harry kam natürlich auch mit.

Als sie auf die Straße traten, war die Sonne am Horizont bereits verschwunden. Einige Wolken zogen am Himmel auf und es ging ein leichter Wind.

Sisilia schlang ihren Umhang enger um sich. Es wurde abends doch noch immer etwas frisch.

So schritten sie die Straße entlang und schauten in die Gassen und die Geschäfte, ob sich noch irgendwo Schüler aufhielten. In Zonkos Scherzartikelladen standen noch drei Schüler drinnen. Hermine, die am nächsten dran war, ging entschlossen hinein. Nach einer kleinen Diskussion schickte sie die drei in Richtung Schule. Sie stapften etwas säuerlich ab.

„Drittklässler, die meinen immer, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen. Wollten die mir doch wirklich weis machen, dass sie eine Sondergenehmigung hätten und länger bleiben dürften", schimpfte Hermine und schüttelte den Kopf, als sie wieder zu der kleinen Gruppe trat. Sie gingen weiter.

Inzwischen hatten sie das letzte Haus passiert und schritten über die Brücke, unter der ein kleiner Bach dahinplätscherte.

Rechts am Straßenrand standen ein paar mächtige Tannenbäume, an denen sie nun vorbei mussten.

„Sagt mal, ist euch auch so kalt?"fragte Ron.

Jetzt, als er es sagte, fiel es den anderen auch auf.

Plötzlich wurde es schlagartig dunkler und sie konnten das Zwitschern der Vögel und das Plätschern den Baches nicht mehr hören.

Harry reagierte als erster. Er zog seinen Zauberstab aus seinem Mantel heraus.

„Das kann doch nicht sein, oder?", fragte er, mehr sich selber als die anderen.

„Was ist Harry, was meinst du?", wollte Hermine wissen, die sich nun hinter Ron gestellt hatte.

Sisilia spürte auch eine eisige Kälte, eine Gänsehaut kroch ihr über den Rücken. Doch sie wusste nicht, was vor sich ging.

Noch bevor Harry antworten konnte, traten zwischen den Bäumen sechs große Gestalten auf die Straße, sie trugen lange schwarze Kapuzenumhänge.

Sisilia hatte sie zwar noch nie zuvor in echt gesehen, doch sie wusste gleich, um was es sich da handelte, als sie diese Kreaturen auf sich zu kommen sah. Auch sie zog nun ihren Zauberstab.

Als sie nach rechts blickte, sah sie, dass auch Ron und Hermine ihre Zauberstäbe in der Hand hielten. Sie blickten auf die ihnen entgegenschwebenden schrecklichen Gestalten, die ihre Kapuzen tief über den Kopf gezogen hatten. Ein Gesicht konnte man nicht erkennen. Ihre klauensartigen Hände sahen widerlich aus.

Sisilia bekam ein Gefühl, als würde ihr alles Glück aus dem Körper gesogen. Sie begann leicht zu zittern.

Als die Dementoren nur noch ein Stück von ihnen entfernt waren, hob Sisilia ihren Zauberstab und rief: „EXPECTO PATRONUM!", aber nur ein kleiner weißer Faden drang aus der Spitze des Zauberstabes, mehr auch nicht.

„Ihr müsst an was schönes Denken", rief Harry den anderen zu.

„EXPECTO PATRONUM!", rief er dann laut und aus der Spitze seines Zauberstabes kam ein großer, weiser Hirsch heraus galoppiert.

Sisilia konzentrierte sich. Sie versuchte an etwas schönes zu denken. Sie hatte diesen Zauber noch nie anwenden müssen und auch keine Erfahrung mit Dementoren. Doch es fiel ihr nicht schwer, sich an etwas schönes zu erinnern.

„EXPECTO PATRONUM!" rief sie nun ein zweites Mal und diesmal schoss aus ihrem Zauberstab eine große weiße Eule, die sich sofort aufmachte, und in Richtung der Dementoren flog.

Fast zur gleichen Zeit hatte auch Hermine ihren Patronus-Zauber ausgerufen und ein kleiner weißer aus Nebel bestehender Otter entsprang der Spitze ihres Zauberstabes. Alle drei dieser nun heraufbeschworenen Patroni schwebten auf die Dementoren zu.

Harrys Hirsch rammte dem ersten sein Geweih in die Brust. Dieser flog nach hinten, er verschmolz mit der aufkommenden Dunkelheit und war verschwunden. Sisilias Eule griff den zweiten Dementor an. Sie streckte ihre Krallen aus und versuchte das augenlose Gesicht zu zerkratzen. Dann hieb sie mit dem Schnabel auf ihn ein. Auch er trat den Rückzug an. Hermines Otter hatte sich in der Zwischenzeit auf ein weiteres Kuttenwesen gestürzt und griff es an. Der wich zurück und als Harrys Hirsch mit vollem Galopp auf ihn zutrabte, machte er kehrt und suchte das Weite. Die beiden letzten schwebten hinter ihren Kollegen her und waren so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Als von den Dementoren nichts mehr zu sehen war, lösten sich die 3 Patroni wieder in silbrigen Dunst auf.

Die Kälte verschwand. Auch waren wieder die Vögel und der Bach zu hören. Es war, als sei nichts gewesen.

„Wie, wo, beim Barte des Merlin, woher kamen die denn?", fragte Sisilia laut und atmete heftig.

„Und Harry, wow, ich hab ja schon von deinem Patronus gehört, aber der ist ja echt gigantisch,"staunte Sisilia.

Harry grinste sie an und erwiderte.

„Ihrer war aber auch nicht von schlechten Eltern, Professor", gab Harry zurück und stütze sich mit den Händen auf seinen Knien ab.

„Ich wusste nicht mal, dass ich das kann"antwortete Sisilia ehrlich.

„Wenn wir schon beim Loben sind, Hermine, dein Otter hat dem Dementor ganz schön zugesetzt"sagte Harry. Als Harry und Sisilia zu Ron schauten, machte er ein Gesicht, als ob ihm jemand das Mittagessen geklaut hätte.

„Was ist los mit dir, Ron", fragte Hermine, die sich zu ihm umdrehte, als sie den Blick der beiden bemerkte.

„Ach nichts, ist... ist... schon gut", antworte er und schaute betreten auf den Boden.

Sisilia konnte sich schon denken warum er so enttäuscht schaute. Er war der einzige, der keinen Patronus hervor gebracht hatte.

„Was machen Dementoren denn in Hogsmeade?"überlegte Hermine laut.

Alle vier schauten sich ratlos an.

„Vielleicht hat Voldemort sie geschickt", überlegte Harry laut und schaute sich nach allen Richtungen um.

„Wenn Voldemort, inzwischen tatsächlich die Gewalt über die Dementoren hat, dann könnte es gut sein, dass die nicht alleine hier sind", befürchtete Sisilia.

Auch Sisilia suchte die Gegend um sie herum ab und überlegte. Wenn Harry recht hat, sind vielleicht auch noch irgendwo Todesser unterwegs, oder sogar Voldemort selber? Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter, als sie daran dachte. Wenn das wirklich so sein sollte, waren sie in großer Gefahr.

„Wir müssen so schnell wie möglich zurück ins Schloss, kommt, gehen wir", bestimmte Sisilia, denn sie wollte die drei in Sicherheit wissen. Als sie bei den geflügelten Ebern angekommen waren, blieb Sisilia stehen.

„Ihr drei geht jetzt auf den schnellsten Weg zurück ins Schloss. Geht sofort zu Dumbledore und erzählt ihm, was passiert ist. Habt ihr verstanden?", befahl sie ihnen.

„Aber .......?", wollte Harry widersprechen, doch Sisilia hob die Hand und Harry verstummte.

„Ich will keine Widerrede, tut was ich euch gesagt hab, geht zum Schulleiter, er muss es unbedingt sofort erfahren. Ich gehe zurück und versuche Mundungus zu finden, er müsste in Hogsmeade sein."

Sisilia merkte, dass es Harry gar nicht recht war, er wäre gerne bei ihr geblieben. Aber das war ihr zu gefährlich. Sie wollte und konnte diese Verantwortung nicht übernehmen. Deshalb schickte sie alle drei zurück ins Schloss.

„In Ordnung, Professor", antwortete Hermine und als Harry nicht gleich mitging, zog sie ihn am Umhang.
Er schaute zu Sisilia, die ihm als Aufforderung, loszugehen, zunickte.

„Viel Glück, Professor", sagte Harry dann zu ihr.

„Passt auf euch auf, ihr drei", rief sie ihnen noch hinterher. Sie wartete noch, bis sie außer Sicht waren. Dabei schaute sie sich immer wieder um. Aber es war weit und breit niemand zu sehen.

Die Dunkelheit breitete sich immer mehr aus und das letzte Licht wurde vom Horizont verschluckt. Sie machte sich auf den Weg zurück ins Dorf. Als erstes wollte sie in den Drei Besen nachsehen, ob Mundungus da war. Aber sie hatte Pech. Dann beschoss sie, noch in den Eberkopf zu schauen, der in einer Seitenstraße lag. Aber als sie da eintrat, musste sie, nachdem sie eine Weile gesucht hatte, auch feststellen, dass kein Mundungus zu entdecken war.

Wieder draußen auf der Straße überlegte sie, was sie nun tun sollte. Einfach warten? Auf wen oder was, sie wusste ja nicht, was Dumbledore unternehmen würde. Und nur rumstehen, das wollte sie auch nicht. So beschloss sie, durch die Straßen zu gehen und zu schauen, ob sie irgendetwas Ungewöhnliches entdecken konnte. Inzwischen war es schon stockdunkel geworden und nur noch ein paar Laternen erhellten die Straße. In den vielen Häusern brannte schon Licht.

Sie ging die Häuserfront entlang und schaute sich um. Der Ort lag friedlich da, und die Grillen zirpten ein munteres Lied vor sich hin. Es wehte ein lauer Wind, der die Bäume hin und wieder zum Rascheln brachte. Sie schauderte immer wieder, wenn sie an die Dementoren dachte. Dieses Gefühl, welches die Kreaturen in ihr ausgelöst hatten, war schrecklich gewesen.

Als sie an der Post vorbeikam, wo immer noch viele verschiedene Eulen drinnen und draußen saßen und vor sich hindösten, überlegte Sisilia kurz, ob sie sich verwandeln sollte, ließ es aber dann doch bleiben. Denn, falls wieder Dementoren auftauchen würden, könnte sie so schneller an ihren Zauberstab heran. Es würde nur unnötig Zeit kosten, wenn sie sich erst zurückverwandeln musste. Bei dem Gedanken griff sie in die Innentasche ihres Mantels und ihre Finger umschlossen fest ihren Zauberstab, der ihr ein sicheres Gefühl gab.

Bisher war alles ruhig geblieben im Dorf. Ab und zu hörte sie aus der Ferne Stimmen, wenn Leute die drei Besen verließen oder hineingingen, aber ansonsten war es sehr ruhig. Irgendwie zu ruhig für einen Samstag Abend, empfand Sisilia.

Sie war schon fast am anderen Ende des Ortes angelangt, als sie stutzte und stehen blieb. Etwas war komisch. Dieses vorletzte Haus hier, stand es nicht leer? War der Mann, dem es gehörte, nicht im letzten Herbst aus gesundheitlichen Gründen an die See gezogen? Aber dennoch, es schimmerte etwas Licht aus einem der seitlichen Fenster im ersten Stock. Das gefiel ihr ganz und gar nicht und sie beschloss, einen kleinen Blick hineinzuwerfen. Sie zog ihren Zauberstab aus der Tasche und ging näher heran. Von der Stelle aus, wo sie gerade war, konnte sie nichts erkennen. Die Vorhänge waren teilweise zugezogen, aber nicht ganz ordentlich, denn aus einem Spalt sah man ein Licht. Sie drückte sich in die Gasse zwischen diesem und dem letzten Haus und ging näher heran. Das Fenster war zu hoch, um so hineinsehen zu können. Aber unter dem Fenster waren Holzscheite fein säuberlich übereinander aufgeschichtet, und da es einen stabilen Eindruck machte, kletterte Sisilia vorsichtig darauf. Sie hatte Glück, es hielt sehr gut, derjenige, der das aufgeschichtet hatte, hatte sich sehr viel Mühe gegeben.

Aber trotzdem reichte es noch nicht, um hineinsehen zu können. An der Hauswand sah sie einen Mauervorsprung, etwa einen halben Meter über dem Holz. Weil sie nun beide Hände brauchte, um hoch klettern zu können, steckte sie den Zauberstab wieder ein. Sie stellte das linke Bein auf den Mauervorsprung, streckte sich und konnte mit den Fingerspitzen die hölzerne Fensterbank fassen. Dann zog sie sich, mit den Händen an der Fensterbank haltend, langsam in die Höhe.

Sie blickte vorsichtig durch den Spalt im Vorhang hinein. Was sie sah, verschlug ihr den Atem.

Sie konnte ein großes Esszimmer erkennen, in dessen Mitte ein länglicher Tisch stand. Darum herum standen und saßen dunkle Gestalten. Sie konnte sieben oder acht Leute in schwarzen Umhängen ausmachen. Sie hatten alle ihre Kapuzen übers Gesicht gezogen und so konnte sie keinen erkennen.

Und trotzdem war ihr sofort klar, was das für Leute waren. Es waren Todesser, Anhänger Voldemorts.

Ihr Herz begann zu rasen. Ihre Befürchtungen hatten sich bestätig. Es gab einen Grund, warum die Dementoren aufgetaucht waren. Sie mussten sie mitgebracht haben. Doch was hatten sie vor? Warum waren sie gerade in Hogsmeade? Sie ging näher an die Scheibe heran, in der Hoffnung, ein paar Worte verstehen zu können. Während sie angestrengt lauschte, hörte sie plötzlich eine Stimme, aber die kam nicht von drinnen, sie war hinter ihr aufgeklungen.

„Was haben wir denn da für ein neugieriges Vögelchen?", fragte eine raue krächzende Stimme leise.

Sisilia erschrak, und wollte nach ihrem Zauberstab, der wieder in ihrem Umhang steckte, greifen.

„Keine Bewegung, lass deine Hände da, wo sie sind", fauchte der Unbekannte sie an. Sisilia stoppte inmitten der Bewegung.

„So und jetzt komm da oben runter, aber lass deine Hände da, wo ich sie sehen kann, sonst bekommst du mächtigen Ärger, meine Süße!", befahl er ihr.

Sisilia stieg ganz langsam auf die Holzscheite hinunter, immer drauf bedacht, keine zu hastigen Bewegungen zu machen. Dann drehte sie sich langsam zu ihm um.

Vor ihr stand ein kleiner Mann, auch er trug einen Schwarzen Umhang und hatte seine Kapuze über den Kopf gezogen, wie die Männer im Haus. Er musste zu ihnen gehören. Durch die Schlitze in der Kapuze konnte sie seinen Augen schimmern sehen. Er hielt seinen Zauberstab auf sie gerichtet. Sisilia ärgerte sich, dass sie nicht daran gedacht hatte, dass sie auch Wachen postiert haben könnten.

„Komm runter, aber ganz langsam und keine Dummheiten", forderte er sie auf.

Sisilia kam der Aufforderung nach.

Als sie auf dem Boden stand, machte der Mann einen Schritt auf sie zu, blieb dann wieder stehen, so, als ob er es sich überlegt hätte und befahl ihr.

„Nimm deine Hände nach oben!"

Als sie tat, was er verlangte, trat er auf sie zu, seinen Zauberstab auf ihr Herz gerichtet und fischte mit der linken Hand in ihrem Mantel nach ihrem Zauberstab. Als er ihn gefunden hatte zog er ihn heraus und steckte ihn in seine Tasche.

„So und nun wollen wir mal hineingehen. Mal sehen, was die andern zu meinem Fang sagen."

Er dirigierte sie hinter das Haus, dort war ein kleiner aber inzwischen verwilderter Garten. Seit der Besitzer fortgezogen war, hatte sich offensichtlich keiner mehr darum gekümmert. Ganz hinten im Garten war ein kleines Gehege hingebaut worden, in dem wohl einmal Hühner gelebt hatten. Er schickte sie nach links, einen kleinen Weg am Haus entlang. Sie kamen an einer großen Trauerweide vorbei, die direkt am Haus gepflanzt war. Gleich dahinter sah sie ein Geländer, und Stufen, die nach unten führten. Dorthin schubste sie der Todesser und sie musste die schmale, dunkle mit Moos bezogene Treppe hinabsteigen. Die Türe zum Keller war nur angelehnt, und sie drückte sie auf. Drinnen war es stockdunkel und es roch sehr muffig und feucht. Sie trat hinein und ging zwei Schritte vor, blieb dann aber stehen, als sie nichts mehr erkennen konnte. Der Mann betrat hinter ihr den Keller.

„Lumos!"rief er leise und an der Spitze seines Zauberstabes entflammte ein Licht. Es wurde etwas heller in dem Raum und der Mann schloss die Türe hinter sich. Sisilia erkannte im Schein des Zauberstabes alte leere Holzregale, die an den Wänden hingen. In einer Ecke stand eine schon recht heruntergekommene Schubkarre und an der linken Seite standen einige leere Fässer. Der Kerl hinter ihr forderte sie auf, nach rechts weiter zu gehen. Dort war ein Durchgang. Im nächsten Raum stand rechts ein großer schwerer Eichenschrank, der schon vielen Holzwürmern als Futterstätte gedient hatte, so voller Löcher war er. Und vor sich sah sie eine sehr schwere, stabil aussehende Türe und rechts, am Ende des Raumes, befand sich eine Treppe, die nach oben führte. Dorthin sollte Sisilia gehen. Sie überlegte fieberhaft, ob sie einen Fluchtversuch wagen sollte, aber der Mann war extrem vorsichtig und aufmerksam, so dass sie im Augenblick keine Chance sah. Die Angst kroch in ihr hoch. Denn sie wusste, die würden sie niemals am Leben lassen. Sie suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit zu entkommen.

Als sie im Erdgeschoss angelangt waren, schaute sie sich im schwachen Schein des Zauberstablichtes um. Das Haus wirkte sehr verlassen. Es waren nur noch ein paar einzelne Möbelstücke zurückgeblieben, auf denen sich der Staub gesammelt hatte.

„Noch eine Etage höher", kicherte der Mann nun hinter ihr, der sich zu freuen schien, gleich sein Opfer präsentieren zu können.

Im schwachen Licht des Zauberstabes hinter ihr stieg sie die nächsten Stufen nach oben. Als sie auf halber Höhe war, konnte sie Stimmen hören, die aus dem Raum links von ihr kamen. Als sie den letzten Absatz erreicht hatte, blieb sie stehen und schaute zurück. Sie überlegte, ob sie es wagen sollte dem Mann einen Tritt zu verpassen, so dass dieser wieder die Treppe hinunterfiel. Aber da waren noch die andern in dem Raum neben ihr, hatte sie da überhaupt eine Chance zu fliehen? Sie ließ es. Denn eigentlich wollte sie nicht fliehen. Noch nicht jedenfalls. Der Hass, den sie für diese Leute empfand, war so groß, dass sie sich wünschte, ihnen einmal gegenüberzustehen, allerdings hätte sie gerne ihren Zauberstab gehabt, um den ein oder anderen dahin zu schicken, wo sie hingehörten, in die Hölle.

„Da links geht es rein, los vorwärts, nur nicht so schüchtern auf einmal. Du wolltest doch sehen, was da drin los ist, jetzt darfst du sogar teilnehmen an unserem Treffen", lachte er und sein Lachen klang fast, wie das Lachen einer Hyäne.

Sisilia ging auf die Türe zu, holte noch einmal tief Luft und drehte den Türknauf.

Die Türe sprang auf und in dem Moment erstarb das Stimmengewirr in dem Raum.

Sisilia schob die Türe weiter auf und schaute in den Raum.

Alle Blicke waren nun auf sie gerichtet. Sie konnte zwar die Augen der Kapuzenträger nicht sehen, aber sie spürte die Blicke, die nun auf ihr ruhten.

Der Mann hinter ihr stieß sie heftig voran, in das Zimmer hinein.

„Seht mal, was ich draußen vor dem Fenster gefunden habe. Dieses Vögelchen hat euch hier drinnen beobachtet!", erklärte er seinen erstaunten Kollegen und schubste sie noch ein Stückchen weiter auf die Männer zu.

Sisilia zählte elf Männer in dem Raum. Die meisten Männer saßen um den Tisch, nur drei standen. Einer, er schien der Anführer der Gruppe zu sein, stand vor dem Tisch und hinter ihm lehnte ein weiterer am Kamin und natürlich der Mann hinter ihr, der Sisilia entdeckt hatte.

Sisilia bemerkte, dass der Mann am Kamin merklich zusammenzuckte, als er sie sah. Er stellte sich kerzengerade hin und sie sah, wie seine Hand in den Umhang fuhr und zu einer Faust wurde. Sie vermutete, dass er seinen Zauberstab packte, aber ihn dann doch nicht herauszog.

Da trat der andere Mann vor ihr ein paar Schritte auf sie zu. Er schien sich als erster gefangen zu haben.

„Wen haben wir denn da? Wenn das nicht Professor Sisilia ist, die Lehrerin für Verteidigung gegen die dunklen Künste", sagte eine gedehnte leise Männerstimme.

Doch Sisilia erkannte sie gleich. Sie hatte sie schon einmal gehört , das war vor Weihnachten im Ministerium.

„Lucius Malfoy?", erwiderte sie überrascht.

„Sie haben wirklich ein gutes Gedächtnis, meine Liebe", gab er zurück und zog seine Kapuze

herunter.

Sie blickte ihm ins Gesicht. Seine grauen Augen blickten sie kalt an. Sein arroganter Gesichtsausdruck machte ihr Angst.

„Ich hatte gehofft, sie zu einem angenehmeren Anlass wiederzusehen", sagte er und es klang ehrlich enttäuscht. Er stellte sich direkt vor sie. Sisilia warf ihm einen verächtlichen Blick zu.

„Ich übernehme die Lady hier, geh du wieder auf deinen Posten und sieh nach, ob noch mehr von denen draußen rumschnüffeln", befahl Malfoy dem Mann, der Sisilia entdeckt hatte. Dieser legte noch Sisilias Zauberstab, den er ihr abgenommen hatte auf ein kleines Tischchen, das neben der Türe stand und verschwand.

Zur gleichen Zeit beobachtete Sisilia, wie der Mann, der am Kamin stand, sich bewegte. Er zog seine Hand wieder unter dem Umhang hervor, verschränkte seine Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Kaminsims. Er tat es auf eine Art und Weise, die ihr sehr bekannt vorkam. Sie kannte nur einen, der die Angewohnheit hatte, sich so hinzustellen. Es war Severus Snape. Sisilia wusste, dass er bei den Todessern spionierte, doch hätte sie nie erwartet, dass er hier sein würde.

Sie zuckte unmerklich zusammen. In dem Augenblick trat Malfoy wieder zu ihr.

„Was hatten Sie vor dem Fenster zu suchen?", fragte Malfoy sie und schaute ihr direkt in die Augen, während er auf eine Antwort wartete.

Als sie nicht antwortete, sprach er weiter.

„Dann frag ich mal anders, wie haben Sie uns gefunden?", stocherte er nach, trat neben sie und betrachtete sie von oben bis unten.

Eine Kapuzengestalt erhob sich vom Tisch und ging auf die beiden zu.

„Darf ich sie ein wenig foltern, um sie zum Sprechen zu bringen?", fragte eine raue weibliche Stimme und die Frau unter dem Umhang schwang ihren Zauberstab in der Luft.

„Nein, Bellatrix", erwiderte er und schickte sie wieder zurück auf ihren Platz. Sisilia wusste, wer diese Bellatrix war, Bellatrix Lestange. Harry hatte ihr alles über sie erzählt. Was sie den Longbottoms angetan hat und auch, dass sie maßgeblich schuld war am Tod von Sirius Black.

„Das übernehme ich schon selber", sagte er.

Nun zog er seinen Zauberstab, der in seinen Stock eingearbeitet worden war und dessen Griff einen Schlangenkopf mit aufgerissenem Maul darstellte. Er richtete ihn direkt auf sie.

Sisilia zuckte zurück, wich seinem Blick aber nicht aus. Malfoy trat nun ganz nahe an sie heran, beugte sich sein Kopf zu ihrem linkem Ohr und er flüsterte ihr zu.

„An Ihrer Stelle würde ich reden, Bellatrix kann sehr unangenehm werden, die Schmerzen könnten Sie sich ersparen", säuselte er.

Dann ging er langsam einmal um sie herum und als er sie halb umrundet hatte, blickte er ihr von der Seite ins Gesicht.

„Nun? Wozu haben Sie sich entschlossen?", wollte er nun wissen, und als er nicht gleich eine Antwort bekam, schoss seine linke Hand nach vorne. Er packte sie an ihren Haaren und zog ihren Kopf an sich heran. Ihr Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt. Sie konnte seinen Atem in ihrem Gesicht spüren.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Sisilia, wie Snape wieder in seinen Umhang griff. Sie bekam Angst, denn sie wollte nicht, dass er sich verriet. Sie wollte auf keinen Fall, dass seine Tarnung aufflog.

„Nein!", rief sie und Snape hielt mitten in der Bewegung inne.

Malfoy griff noch fester zu. „Was?", raunte er erstaunt.

„Ich meinte, nein, bitte lassen Sie mich los. Ich werde es Ihnen erzählen", stöhnte sie unter dem harten Druck seiner Hand.

Malfoy lockerte den Griff, ließ sie aber nicht los und die Spitze seines Zauberstabes zeigte immer noch auf ihr Herz.

„Nun, ich höre", zischte er.

„Es war so,"begann sie. „Ich war heute eingeteilt, die Abschlussrunde in Hogsmeade zu machen, um zu sehen, ob auch alle Schüler wieder zurück zur Schule gegangen waren."

Malfoy wandte den Blick ein kleines Stück und schaute fragend zu Snape, ob das stimmte. Dieser nickte unmerklich.

Sisilia tat so, als ob sie dies nicht bemerkt hatte und erzählte weiter.

„Als wir schon den Ort verlassen hatten, tauchten plötzlich sechs Dementoren vor uns auf, die uns angriffen. Aber wir konnten sie abwehren."

Malfoy ließ Sisilia los und fuhr herum.

„Verdammt Macnair, die sollten doch erst nach Mitternacht in den Ort kommen, ich dachte, du hast die im Griff", fauchte er ihn wütend an.

„Das verstehe ich nicht, es war abgemacht, dass sie warten sollten", beteuerte ein kleiner untersetzter Mann, der aufgestanden war, als in Malfoy angeschrieen hatte.

Malfoy wandte sich wieder Sisilia zu. Er baute sich vor ihr auf und überlegte kurz, hob eine Augenbraue und fragte dann neugierig.

„Wir? Wer ist wir, wer war noch bei Ihnen?", wollte er von ihr wissen.

Sisilia überlegte kurz, was sie antworten sollte, beschloss aber dann doch die Wahrheit zu sagen, da Harry, Ron und Hermine inzwischen im Schloss in Sicherheit sein mussten.

„Zwei Vertrauensschüler hatten mich begleitet", erklärte sie knapp.

„Sie und zwei Vertrauensschüler, gegen sechs Dementoren?", überlegte er laut und sah sie erstaunt an.

Doch dann schien er zu kapieren.

„Jetzt verstehe ich, es waren die Vertrauensschüler von Gryffindor, Weasley und Granger. Und wo die beiden sind, ist Potter nicht weit. Jetzt verstehe ich auch, warum Sie es geschafft haben, sich gegen die Dementoren zu wehren. Ja, Sie sehen, selbst bis zu uns ist inzwischen vorgedrungen, dass Potter einen wirkungsvollen Patronus hervorbringen kann."

„Wo sind die drei jetzt?", wollte Malfoy von Sisilia wissen.

„Ich habe sie in die Schule zurückgebracht."

Bellatrix trat zu Malfoy und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

„Ja, du hast recht, das ist eine gute Idee", stimmte er ihr zu und trat wieder zu Sisilia.

„Es gibt da noch etwas, das ich von Ihnen wissen möchte. Wo hat Dumbledore die drei Kinder versteckt?"

Plötzlich war ihr klar, was die Todesser in Hogsmeade suchten. Es waren die Kinder, sie vermuteten wohl, man hätte die drei hier versteckt. Deshalb dieser ganze Aufwand. Sisilia beschloss zu tun, als ob sie keine Ahnung hatte, was er meinte.

„Welche Kinder denn? Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden?", erklärte sie.

„Sie lügt, Lucius, sie lügt, glaube ihr kein Wort", rief Bellatrix wütend, zog ihren Zauberstab und richtete ihn auf sie.

„Crucio!"

Ein furchtbarer Schmerz traf Sisilia, er war so gewaltig, so etwas hatte sie noch nie empfunden. Sie hatte das Gefühl, tausend heiße Messerklingen würden sie auf einmal durchbohren. Alles in ihr fühlte sich an, als würde es brennen. Ihr Kopf schien zu explodieren. Und sie wollte nur noch, dass dieser Schmerz aufhörte.

Doch so schnell der Schmerz aufgetaucht war, so schnell verschwand er auch wieder.

Und als sie wieder klar denken konnte, stellte sie fest, dass sie auf den Knien in sich zusammengekauert am Boden lag. Sie merkte, wie sie zitterte. Trotzdem versuchte sie, sich mit den Händen in die Höhe zu drücken.

„Ich habe dir doch gesagt, dass ich das übernehme, Bellatrix. Setz dich auf deinen Platz!", schrie er die Todesserin wütend an. Sie schnaubte zornig, drehte sich um und setzte sich wieder an den Tisch.

Sisilia blickte hoch und bemerkte, dass Severus seinen Zauberstab halb gezogen hatte, ihn aber nun wieder in die Tasche zurück rutschen ließ, als sie kaum merklich den Kopf schüttelte. Er hatte wohl vorgehabt einzugreifen. Doch Malfoy hatte die Attacke von Bellatrix so schnell wieder beendet, dass dies nicht mehr notwendig war. Da er im Rücken der anderen stand, die alle das Geschehen um Sisilia verfolgten, schien sonst niemand seine Aktion bemerkt zu haben.

Malfoy streckte ihr seine Hand aus, ergriff Sisilias Arm und zog sie hoch. Er ließ aber ihren Arm nicht los und seine Finger bohrten sich in ihren Oberarm. Als sie wieder auf ihren Beinen stand, merkte sie, dass ihre Knie immer noch ein wenig zitterten.

„Verzeihen Sie, meine Freunde sind leider nicht so geduldig wie ich, also würde ich Ihnen raten, uns die Wahrheit zu sagen. Und zwar schleunigst, denn ich weiß nicht, wie lange ich sie noch zurückhalten kann", hauchte er ihr ins Ohr.

„Ich sage Ihnen doch, ich weiß nichts von irgendwelchen Kindern", beteuerte sie noch einmal und versuchte mit fester Stimme zu sprechen.

Malfoy blickte sie skeptisch an. Seine Augen fixierten sie. Er wusste nicht, ob er ihr glauben sollte oder nicht. Der Druck an ihrem Oberarm verstärkte sich noch mehr. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

„Warum glaube ich Ihnen nur nicht?", zischte er sie skeptisch an, ließ sie los und trat ein paar Schritte auf den Tisch zu, an dem die anderen saßen. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und richtete seinen Zauberstab auf Sisilia.

Sie starrte ihn an, sie hatte nicht vor, ihm auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Auch wenn er sie dafür töten würde. Was er bestimmt sowieso vor hatte. Sie glaubte nicht, dass er sie einfach wieder gehen lassen würde, selbst wenn sie ihm alles sagen würde.

„Imperio!", rief Malfoy.

Sisilia hatte das Gefühl, alle ihre Gedanken würden aus ihrem Kopf verbannt, sie spürte eine befreiende Leere. Es war ein Gefühl, als ob sie schwebte, obwohl sie immer noch fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand.

„Komm her!", befahl Malfoy ihr.

Dann nahm sie eine Stimme in ihrem Kopf wahr, die ihr sagte, „komm.... komm her"und sie merkte, wie sie einen Schritt auf Lucius Malfoy zuging. „Ja komm zu mir, und gib mir einen Kuss!", sagte die Stimme in ihrem Hinterkopf. Sie ging zu Malfoy, legte ihre Arme um ihn und küsste ihn leidenschaftlich. Aus der Ferne vernahm sie dumpf ein Gelächter wahr, das von den Todessern stammen musste, die sich amüsierten, wie Malfoy seine Spielchen mit ihr trieb. Aber ihr war dies egal, sie empfand nichts.

Doch plötzlich tauchte eine weitere Stimme in ihrem Kopf auf, die ihr befahl: „Tu es nicht, geh weg von ihm, lass ihn los!" und sie ließ ihn schlagartig wieder los und machte einen großen Schritt rückwärts. Malfoy sah sie an. Er blickte ihr fest in die Augen.

„Wo sind die Kinder?"

Er sprach jedes Wort langsam und bedächtig aus.

Auch in ihrem Kopf hörte sie immer wieder diese Frage. „Wo sind die Kinder, verrate mir ihren Aufenthaltsort."

Doch auch diese andere Stimme kam wieder. „Verrate nichts, sage ihm nicht, wo die Kinder sind. Er darf es nicht erfahren. Sil, sage nichts!"

Sie hatte das Gefühl, in ihrem Kopf ging ein Kampf vor. Und da spürte sie plötzlich eine dritte Stimme. War dies einen dritte Stimme? „Aufhören, ich werde nichts sagen!" hörte sie die dritte Stimme in ihrem Kopf schreien. Aber es war keine dritte Stimme, es war ihr eigener Gedanke, der sich langsam gegen die Stimmen in ihrem Kopf durchzusetzen begann. Nur noch schwach, nahm sie jetzt noch die beiden anderen Stimmen war, „Wo sind die Kinder, sage es mir!" befahl die eine, während die andere immer noch sagte: „Verrate es ihm nicht, sage ihm nicht, wo sie sind."

Sie fühlte sich plötzlich, als wäre sie aus einer Trance erwacht, sie konnte wieder alles wahrnehmen und wusste wieder, wo sie war. Sie beschloss, es sich nicht anmerken zu lassen und tat so, als wäre sie immer noch unter dem Imperio-Fluch von Malfoy. So antwortete sie mit monotoner Stimme.

„Ich weiß nicht, wo die Kinder sind.", sagte sie und blickte ihn dabei weiterhin an.

„Sie weiß es wirklich nicht", folgerte Malfoy, der noch immer glaubte, dass sie unter seinem Imperio-Fluch stand.

„Und wenn wir sie als Druckmittel gegen Dumbledore einsetzten. Vielleicht verrät er uns dann, wo die Kinder sind, im Austausch gegen ihr Leben?", fragte einer der Zauberer am Tisch, der bisher noch nichts gesagt hatte. Malfoy drehte sich zu ihm um.

„Goyle, damit hast du bei Dumbledore keine Chance. Er wird nie das Leben der Kinder gegen das einer einfachen Lehrerin eintauschen. So gut kenne ich ihn. Er würde wissen, dass er sie so oder so nicht lebend zurückbekommt. Nein, Goyle, das kannst du vergessen. Nein, wir werden zu unserem ursprünglichen Plan zurückkehren", erklärte er den anderen.

Auf Sisilia achtete keiner mehr. Sie nutzte das aus und ging langsam und unmerklich ein paar Schritte Richtung Tür. Sie wollte versuchen, an ihren Zauberstab heran zu kommen, der neben der Türe auf dem Tischchen lag. Sie wusste, sie musste etwas unternehmen, und zwar so bald wie möglich, sonst würde Malfoy sie töten. Sie war nur noch einen halben Meter vom Tischchen entfernt.

„Lucius, Vorsicht!"rief Bellatrix ihm zu. Er wirbelte herum und sah, was Sisilia vorhatte.

Er hob seinen Zauberstab. „STUPOR" , ein roter Lichtstrahl schoss aus der Spitze hervor. Doch Sisilia warf sich zu Boden und der Strahl verfehlte sie knapp. Sie war direkt vor dem Tischchen gelandet, sie drückte sich nach oben und ergriff ihren Zauberstab.

„Accio Zauberstab!"rief eine Stimme. Es hätte ihr fast den Stab aus den Händen gerissen, aber ihre Hand umschloss den Griff noch fester und es gelang ihr, ihn festzuhalten.

Sie wirbelte herum und hob ihren Zauberstab, als sie sah, dass Bellatrix ihr einen Fluch entgegenschleudern wollte. „CRU..."Weiter kam sie nicht, denn Sisilia rief: „PETRIFICUS TOTALUS!"und die Hexe erstarrte und kippte nach vorne, wo sie hart auf dem Boden aufschlug.

Doch Sisilia wusste, dass sie nicht viel Zeit hatte, die Gegner waren ihr zahlenmäßig überlegen. Sie musste so schnell wie möglich hier raus und sie hatte vielleicht nur ein paar Sekunden.

So deutete sie mit ihrem Zauberstab auf das Fenster, das in den Garten hinausging. „DIFFINDO". Das Fenster zerbarst und es regnete Scherben auf den Boden des Esszimmers.

Inzwischen waren alle Todesser aufgestanden und hatten ihre Zauberstäbe auf sie gerichtet.

„Nein, überlasst sie mir, ich werde sie erledigen!", rief Malfoy zornig den anderen zu. Er schien sehr wütend darüber zu sein, dass sie ihn ausgetrickst hatte.

Sie sah noch, wie Snape unentschlossen mit dem Zauberstab in der Hand da stand, als Malfoy begann.

„Avada ......"

Das war ihre letzte Chance, sie startete, rannte auf das Fenster zu stieß sich mit aller Kraft ab und sprang hinaus. Sie breitete die Arme aus und fiel in die Tiefe.

„....Kedavra!"klang es hinter ihr.

Aber da war sie schon draußen und der ‚Unverzeihliche Fluch' verpuffte in die dunkle Nacht. Noch während sie fiel, verwandelte sie sich und kurz bevor sie den Boden erreicht hatte, war sie eine Eule. Sie schlug mit den Flügeln und flog knapp über der Erde, in die Dunkelheit davon.

In sicherer Entfernung landete sie dann auf einem Baum und schaute zu dem Haus hinüber, aus dem sie gerade entkommen war.

Sie sah die Todesser am Fenster stehen.

„Verdammt, wo ist sie hin?", rief eine Frauenstimme.

„Los, sucht sie, weit kann sie nicht sein!", hörte sie Malfoys Stimme. Sie sah, wie die Gestalten vom Fenster verschwanden. Sie hatte verdammtes Glück gehabt, nicht nur, dass sie entkommen war, nein, auch hatte keiner gesehen, dass sie eine Animagus war und außerdem musste Snape seine Tarnung nicht aufgeben. Es war ihr innerlich eine Freude, dass sie es geschafft hatte, ihnen zu entkommen. Sie hatte ihnen die Suppe versalzen und das schon zum zweiten Mal.

Die Kinder waren und blieben in Sicherheit und nur das zählte.

Sie sah, wie die Anhänger Voldemorts aus dem Haus kamen und sich aufteilten. Nur zwei blieben im Garten und schauten sich um. Die anderen verschwanden in der Dunkelheit.

Sollten sie sich nur damit aufhalten, sie zu suchen. Finden würden sie sie sowieso nicht.

Einer der Männer, war mitten im Garten stehen geblieben. Er leuchtete mit seinem Zauberstab über den Boden und schien etwas zu suchen. Dann bückte er sich nach etwas und hob es auf. Sie konnte nicht erkennen, was er gefunden hatte. Es war etwas kleines längliches. Er schaute zu dem andern Mann hin, der im Gebüsch wühlte und steckte das Gefundene unbemerkt in seine Tasche. Dann blickte er sich um. Er schaute auch nach oben in die Bäume. Kurz, so schien es ihr, sah er auch zu ihr hoch. Aber sie war zu weit weg und es war zu dunkel, als dass er sie hätte sehen können.

Dann begann auch er intensiver in den Gebüschen zu suchen. Nach ein paar Minuten verließen sie den Garten.

Sie beschloss, zurückzufliegen ins Schloss. Voldemorts Anhänger waren fürs erste beschäftigt und die Dementoren würden heute Nacht bestimmt auch nicht mehr auftauchen.

Neugierig, mit der Hoffung, noch ein Blick auf die suchenden Todesser zu werfen, flog sie knapp über die Häuserdächer entlang.

Am Ende des Dorfes erblickte sie drei Gestalten und das waren keine Todesser. Sie flog näher heran und konnte Harry, Hermine und Ron erkennen. Sie hatten sich hinter einer großen Hecke versteckt und schienen etwas oder jemanden zu beobachten. Sisilia sah in die gleiche Richtung, als sie es sah. Da vorne gingen drei der Todesser. Sie schritten den Berg hinauf, Richtung Heulende Hütte. Als die drei hinter einer Biegung verschwunden waren, machten Harry, Ron und Hermine sich auf und schlichen ihnen hinterher. Sisilia bekam Angst. Was hatten die drei hier verloren. Sie sollten doch im Schloss sein. Sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass Dumbledore dies erlaubt hatte. Sie mussten sich davongeschlichen haben.

Sisilia wollte auf keinen Fall zulassen, dass die drei sich in Gefahr begaben. Sie musste sie davon abhalten und ins Schloss zurückbringen. Sie flog auf sie zu. Doch noch bevor sie die kleine Gruppe erreicht hatte, tauchte ein vierter Todesser hinter ihnen auf.

Er sprang hinter einem Baum hervor, den Harry, Ron und Hermine gerade passiert hatten.

„Wen haben wir denn da? Seid ihr von der Schule abgehauen?", fragte der Mann zynisch.

Harry drehte sich um, den Zauberstab gezogen, aber der Mann hinter ihm war schneller. Er war darauf vorbereitet.

„EXPELLIARMUS!", rief dieser und Harrys Zauberstab flog ihm hohen Bogen davon.

Sofort wandte sich der Mann an Ron und Hermine.

„Schön stecken lassen, sonst werde ich ziemlich ungemütlich", befahl er ihnen.

Durch den Entwaffnungszauber aufgeschreckt, kamen die drei anderen Todesser den Weg zurückgelaufen. Harry, Ron und Hermine stellten sich nun Rücken an Rücken auf, während sie von den vier Personen eingekreist wurden.

Sisilia musste etwas tun. Sie musste ihnen helfen, sie flog zur Heulenden Hütte und landete auf dem Grün davor, aber so, dass sie von der Gruppe nicht gesehen werden konnte.

Dort nahm sie wieder ihre Gestalt an und zog ihren Zauberstab aus der Tasche.

Langsam schlich sie sich näher.

„Was für eine Fügung, Harry Potter. Der Dunkle Lord wird sich freuen, wenn ich ihm sagen kann, dass ich Harry Potter für ihn getötet habe", hörte sie Malfoy sagen.

Sisilia war schon sehr nahe an die Gruppe herangekommen.

„Tötet sie, alle drei!" schrie Malfoy triumphierend.

Sisilia hob ihren Zauberstab und richtete ihn auf den Mann, der die drei entdeckt hatte, da dieser am nächsten zu ihr stand.

„STUPOR"

Ein roter Blitz schon auf die Brust des Mannes zu, und er wurde nach hinten geschleudert, wo er gegen ein Gebüsch krachte.

Erschrocken fuhren die andern drei Kapuzengestalten herum. Harry nutzte die Verwirrung und stürzte sich auf seinen Zauberstab, der hinter dem geschockten Mann auf der Wiese lag.

Ron, der sich auch schnell wieder gefangen hatte, entwaffnete eine der Gestalten. Diese fluchte laut und Sisilia erkannte, dass es Bellatrix Lestrange sein musste.

Malfoy, der nun seinen Schreck überwunden hatte, richtete seinen Zauberstab auf Harry.

„AVADA ..

Sisilia musste handeln. Sie durfte nicht zulassen, dass er Harry tötete. Mit einem Schritt stellte sie sich vor Harry, ihren Zauberstab gegen Malfoy erhoben.

„STU....." fing sie an.

„.. KEDAVRA!"vollendete Malfoy seinen Fluch.

Dann passierten mehrere Dinge auf einmal.

Sisilia sah einen grünen Lichtblitz auf sie zuschießen. Gleichzeitig hörte sie einen Schrei und mehrere Stimmen auf einmal, die durcheinander schrieen. Dann sah sie, wie sich der grüne Blitz plötzlich vor ihr in mehrer kleine Lichtstrahlen aufteilte. Diese änderten ihre Bahn und rasten nicht mehr auf ihr Herz zu. Es sah so aus, als sei der Lichtstrahl gegen einen unsichtbare Mauer geprallt.

Die meisten Strahlen schossen seitlich an ihr vorbei in die dunkle Nacht. Nur einer traf sie noch ins Bein. Ein höllischer Schmerz durchfuhr sie und die Wucht des Aufpralls, den dieser Strahl noch immer zu haben schien, reichte aus, um sie nach hinten zu werfen, wo sie mit dem Kopf gegen einen Baumstamm prallte. Ein Schmerz bohrte sich in ihren Kopf und es wurde ihr schwindlig, alles begann sich um sie zu drehen. Sie hörte noch, wie einige der anderen Strahlen gegen den Baum krachten und dabei einige Äste abrissen. Dann wurde es dunkel um sie.