Tödliche Begegnung

Sisilia erwachte, als ihr jemand zärtlich über ihre Wange strich. Sie öffnete die Augen und merkte, dass sie an Severus' Schulter lehnte.

„Es wird langsam hell, wir sollten uns auf den Weg machen", sagte er leise zu ihr. Sisilia setzte sich auf und sah, dass es bereits dämmerte.

„Du hättest mich wecken sollen, warst du jetzt die ganze Nacht auf?", fragte sie überrascht, dass sie nun doch die ganze Zeit geschlafen hatte.

„Es macht mir nicht so viel aus. Ich bin es gewohnt, hin und wieder eine Nacht nicht zu schlafen", erklärte er ihr mit tonloser Stimme. Sisilia wollte noch etwas sagen, doch Severus hob beschwichtigend seine Hand.

„Lass uns darüber nicht streiten. Wecke die Jungs und dann lass uns losgehen", sagte er zu ihr und erhob sich nun selber. Er kletterte auf den großen Felsen, auf dem Sisilia schon saß, als sie ihn in der Nacht kommen sah.

Sisilia schaute ihm noch kurz hinterher, etwas sauer, dass er sie nicht geweckt hatte und ging, mit dem Gedanken, dass sie es jetzt nicht mehr ändern konnte, zu Harry und Ron. Als sie Harry an der Schulter berührte, um ihn zu wecken, schoss dieser wie von einer Tarantel gestochen hoch. In seiner Hand hielt er immer noch seinen Zauberstab.

Sisilia zuckte vor Schreck zurück, so eine heftige Reaktion hätte sie nicht erwartet.

„Oh, Professor. Sie sind es", sagte er dann schließlich und setzte sich etwas entspannter hin.

Sisilia sah, dass er tiefe Ringe unter den Augen hatte, er schien nicht viel geschlafen zu haben. Ron rührte sich immer noch nicht, er schlief noch tief und fest. Harry musste ihn mehrmals kräftig schütteln, bevor dieser endlich die Augen aufmachte. Doch als ihm wieder klar wurde, wo er war, war er blitzschnell hellwach.

„Wir sollten losgehen", erklärte sie den beiden. Snape kam wieder von dem Felsen herunter geklettert. Das letzte Stück sprang er und landete geschmeidig in der Nähe der drei anderen.

„Da hinten gibt es einen kleinen Bach, dort können wir etwas trinken. Dann werden wir versuchen, diese Höhle zu finden", sagte er und ging, ohne Harry und Ron anzusehen, allen voran in Richtung des Baches, den er ausgemacht hatte. Sisilia nickte Harry und Ron auffordernd zu und folgte Snape wortlos.

Beim Bach angekommen, tranken sie alle etwas. Sisilia merkte, dass das Wasser sogar sehr gut schmeckte. Sie wusch sich auch noch das Gesicht mit dem kühlen Nass und hoffte, damit noch die letzte Müdigkeit zu vertreiben.

Sie beschlossen nun, sich in einer Linie aufzuteilen und im Abstand von einigern Metern nach Spuren zu suchen. Severus und Sisilia bildeten dabei die Flanken.

Inzwischen war es auch hell genug, dass sie ausreichend sehen konnten.

So streiften sie eine ganze Weile durch den Wald, immer darauf bedacht, sich nicht aus den Augen zu verlieren und suchten nach irgendwelchen Hinweisen, die auf die Grangers deuteten.

Die Sonne schien inzwischen schon durch das dichte Blätterdach hindurch und es wurde langsam wärmer. Da entdeckte Sisilia vor sich in einer Senke eine Ansammlung von großen senkrecht stehenden Steinblöcken, die nicht zufällig hier standen, diese waren gewollt so platziert worden. Dies musste eine Megalithenstätte sein. Sie gab Harry ein Zeichen, der wiederum Ron und Snape winkte. Sie hatten abgemacht, nicht zu rufen, um nicht auf sich aufmerksam zu machen.

Sie wartete bis die anderen bei ihr waren.

„Seht mal, ich glaube, hier könnten wir richtig sein" sie deutete in die Senke, die vor ihnen lag. Die Megalithen vor ihnen waren mindestens drei Meter hoch, einige sogar noch höher.

Es war schon seltsam, zwischen diesen senkrecht aufgestellten Steinen, diesen sogenannten Menhiren, hindurch zu gehen. Severus blieb auf einmal stehen und untersuchte eine Stelle auf dem Boden.

„Hier sind mehrere Fußabdrücke", erklärte er ihnen. „Sie führen alle in diese Richtung."Er deutete in die Richtung, genau zwischen den Menhiren hindurch.

Sisilia bekam ein klammes Gefühl. Zum einen schien die unergründete Geschichte dieses Ortes eine komische Stimmung in ihr hervorzurufen, zum anderen fühlte sie sich hier irgendwie, wie auf dem Präsentierteller. Aber es schien der einzige Weg zu sein, denn rechts und links dieser Stätte waren Hänge, die immer höher und steiler wurden, je tiefer sie in die Senke hinein gingen.

Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Weg zwischen den Steinen zu nehmen. Sie schauten sich immer wieder suchend um, immer damit rechnend, dass plötzlich jemand auftauchen könnte.

Plötzlich vernahmen sie ein raschelndes Geräusch. Blitzschnell hatte Snape seinen Zauberstab gezogen und sich in die Richtung gewandt, aus der das Geräusch erklungen war.

Auch Harry, Ron und Sisilia griffen nach ihren Zauberstäben, doch blieben sie auf Snapes Handzeichen hin stehen und beobachten ihn nur.

Dieser trat näher an ein großes Gebüsch heran und in dem Moment, als er nur noch ein paar Zentimeter davon entfernt war, huschte ein kleiner erschreckter Hase im Zickzack davon.

Ron und Harry sahen sich erleichtert an und nahmen ihre Zauberstäbe wieder runter.

Severus untersuchte das Gebüsch genauer und als er sicher war, dass sich niemand dort aufhielt, kam er zurück. Wortlos und sehr angespannt gingen sie weiter.

Sie waren noch etwa zweihundert Meter gegangen, als sie den Eingang einer Höhle entdeckten. Es schien keine natürlich entstandene Höhle zu sein. Der Eingang jedenfalls war angelegt worden, wenn auch schon vor vielen hundert Jahren. Auf dem Boden rechts und links standen zwei große Felsen, die als Säulen dienten und oben auf diesen Säulen war eine flacher riesiger Stein gelegt, so dass es wie ein Tor wirkte. Sisilia erinnerte sich noch, dass diese Steinaufbauten auch Dalmen genannt wurden, die so etwas wie Tische oder Altare darstellen sollten. Oder wie in diesem Fall eben den Eingang zu einer Höhle.

Sie waren alle stehen geblieben und betrachteten dieses beeindruckende Gebilde.

„Das könnte die Höhle sein, die sie in ihrem Buch angekreuzt hatte", flüsterte Ron und sah sich nach alles Seiten um. Dann deutete er auf den Boden vor dem Eingang, er schien etwas entdeckt zu haben.

„Da vorn, da glitzert doch etwas", sagte er und wollte direkt darauf zugehen, doch Severus hielt ihn an der Schulter fest und bedeutete ihm, stehen zu bleiben. Dann ging er selber langsam nach vorne, sich immer wieder genau umsehend, als vermute er hier irgendwelche Fallen. Doch er kam ohne, dass etwas passierte bei dem glitzernden Teil an. Er bückte sich danach und hob es auf. Sisilia ging nun, gefolgt von Harry und Ron zu ihm. Sie sah, dass er einen Anstecker in der Hand hielt, auf dem die Buchstaben B.ELFE.R standen.

Als Harry auf das Teil in Snapes Hand sah, erkannte er es sofort.

„Das ist Hermines, sie muss ihn hier verloren haben."

„BELFER?"fragte Snape, „Was soll das heißen?"

„Bund für Elfen-Rechte, Severus", erklärte Sisilia im. Er schüttelte verständnislos den Kopf und drückte Ron den Anstecker in die Hand.

„Das heißt, sie war wirklich hier", sagte Severus nun nachdenklich und schaute auf den Eingang. Er schien angestrengt nachzudenken.

„Auf was warten wir dann noch, gehen wir hinein, wir müssen sie finden", sagte Ron und sah hilfesuchend zu Sisilia, die nun zu Snape schaute, der sich ihnen wieder zugewandt hatte.

„Ich weiß nicht, ob es so klug wäre, hier einfach reinzumarschieren. Vielleicht sollten wir doch auf Unterstützung warten. Zu zweit können wir eventuell nicht viel ausrichten, wir wissen nicht, was uns da drin erwartet", äußerte Snape nun seine Bedenken laut.

„Wir sind zu viert! Wir können genauso gut kämpfen wie Sie, oder haben Sie Angst?", protestierte Harry wütend.

„Potter, sie haben.....", begann Snape und stellte sich drohend vor Harry auf. Doch Sisilia ging sofort dazwischen.

„Nein, Severus, ich finde, Harry hat recht. Die beiden haben im letzten Schuljahr sehr viel gelernt. Ich bin mir sicher, dass beide ihren Mann stehen können. Du solltest sie nicht wie Kinder behandeln."Snape sah sie mit funkelnden Augen an, weil sie ihm vor den beiden widersprochen hatte, aber er sagte nichts zu ihr. Dann wandte er sich zu Harry und Ron um.

„Nun gut, Potter, Weasley. Aber Sie werden tun, was ich Ihnen sage. Ich hoffe, das geht in Ihre Köpfe hinein", befahl er den beiden, die leicht nickten und ein leises „Ja"murmelten.

„Ich habe Sie nicht verstanden!", fuhr er beide an.

„Ja, Sir!", erwiderten beide nun lauter. Snape blickte sie noch einige Sekunden scharf an und drehte sich wieder zu Sisilia, die ihn musterte. Sie wusste nicht, ob er sich wirklich nur Sorgen machte oder ob es doch dieser unergründliche Hass war, der ihn so hart reagieren lies. Vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem.

„Dann los!", sagte er knapp und ging voran. Sie betraten die dunkle Höhle.

„Lumos", sagten alle vier und an den Spitzen ihrer Zauberstäbe entzündete sich ein Licht, das die Höhle etwas ausleuchtete.

Snape ging als erster, seinen Zauberstab vor sich haltend. Sisilia, Harry und Ron folgten ihm. Die Gänge waren nicht sehr hoch und sie mussten sehr aufpassen, dass sie sich nicht die Köpfe stießen. Teilweise mussten sie sich sogar durch enge oder niedrige Spalten drücken. Sie waren vielleicht gerade mal 200 Meter gegangen, als der schmale Gang sich gabelte. Sie nahmen den rechten Weg, doch es dauerte nicht lange, als sie plötzlich merkten, dass der Gang unvermittelt endete. Sie wollten schon umdrehen, als Ron einen niedrigen versteckten Durchgang entdecke. Er bückte sich und sah durch.

„Hey, schauen Sie mal hier. Da ist eine Öffnung und dahinter schein es hell zu sein", sagte Ron und deutete auf die Stelle.

Snape drehte sich um, ging in die Knie und sah in die Öffnung hinein.

„Ich werde mir das einmal genauer ansehen", sagte er und kroch auf allen vieren in das Loch hinein. Ron wollte ihm folgen, doch Sisilia hielt ihn an der Schulter fest.

„Er hat nicht gesagt, dass wir hier warten sollen", erwiderte Ron und Sisilia, die eigentlich selbst gerne gewusst hätte, was dahinter lag, ließ ihn wieder los. Er und Harry folgten Snape in den niedrigen Tunnel. Auch Sisilia kroch nun den dreien hinterher. Sie mussten die ganze Zeit auf den Knien bleiben, da der Tunnel hier sehr niedrig war. Sie sah, dass die drei am Ende des Tunnels, wo es etwas breiter wurde, auf sie warteten, hier schien es nicht weiterzugehen. Sie kroch neben Severus, der stumm nach vorne deutete. Von der Stelle aus, an der sie lagen, konnten sie von oben in eine große Tropfsteinhöhle sehen. Hier standen mächtige Säulen, die von der Decke bis zum Boden reichten. Und einige waren so dick, dass man sich locker dahinter verstecken konnte. Dieses gigantisches Naturereignis wäre sehr beeindruckend gewesen, hätte nicht der weitere Anblick den Eindruck getrübt. Vorsichtig schoben sie ihre Köpfe nach vorn und schauten hinunter.

Auf einer Fläche zwischen den Säulen standen Leute in schwarzen Umhängen, es waren mindestens fünfundzwanzig Personen. Einer hatte sich vor ihnen aufgestellt und schien den anderen etwas mitzuteilen. Sisilia erkannte den Mann, der da sprach. Es war genau jener, der Hermine weggetragen hatte. Das erzählte sie auch Snape.

„Kannst du verstehen, was die sagen?", flüsterte Severus und schaute Sil an. Sie lauschte und versuchte das, was der Mann auf Französisch wiedergab, zu übersetzten so gut sie konnte.

„Er sagt: ‚Es wird nicht mehr lange dauern,..... er wird schon bald zu ihnen kommen,....., es sei eine große Ehre, dass er sie auserwählt hat',........das hab ich jetzt nicht ganz verstanden, irgendwas mit: ‚Befreiung vom Unreinen'", erklärte Sil und schaute Severus an, der auch verständnislos blickte. Dann übersetzte sie weiter.

„'Die magische Welt wird neu im alten Glanz erblühen, .... bald ist es soweit.' Was meint er damit?", fragte sie Severus. Er schaute auf die Gruppe hinunter und hatte seine Lippen fest zusammengepresst.

„Nichts gutes, gehen wir zurück, wir müssen Hermine finden, so schnell wie möglich", sagte Snape und deutete Harry und Ron an, zurückzukriechen.

Als die beiden im Tunnel verschwunden waren, packte Sisilia Severus am Arm, bevor er sich ihnen anschließen konnte.

„Du glaubst doch nicht etwa, Voldemort wird hierher kommen?", fragte Sisilia und merkte, wie Severus unmerklich zusammenzuckte, als sie seinen Namen aussprach.

„Ich bin mir sogar inzwischen sicher. Ich kann mir auch denken, warum. Bergtrolle! Er will sie für sich und seine Zwecke gewinnen", erklärte er ihr.

„Du meine Güte und ich habe Harry mit hierher genommen, er ist hier doch in großer Gefahr."Sisilia spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Sie hätte nie erwartet, dass sie in Frankreich auf Voldemort treffen könnte.

„Komm, wir sollten uns beeilen, wir müssen Hermine finden, vielleicht sind wir schon wieder weg, bevor er eintrifft", sagte er zu ihr und schob sie voran in die dunkle Höhle hinein.

Sie kamen zurück in den Gang, wo Harry und Ron schon auf sie warteten. Snape ging an ihnen vorbei den Weg zurück, den sie gekommen waren. An der Abbiegung, an der sie vorhin rechts gegangen waren, blieb er kurz stehen. Er leuchtete über die Wände.

„Hier sind Zeichen an den Wänden angebracht worden", sagte er und hob seinen Zauberstab höher, um sie besser sehen zu können. Sisilia ging näher und schaute es sich an. Sie erkannte diese Zeichen sofort. Es waren alte Runenzeichen. Sie hatte schon früh von ihrer Mutter gelernt, diese zu lesen und so war es für sie keine Schwierigkeit, zu entziffern, was da stand.

„Folge dem Abend", las sie ihnen vor.

„Was bedeutet das? Folge dem Abend?", fragte Harry erstaunt. Sisilia überlegte, doch dann hatte sie eine Idee.

„Harry, verwende doch mal den 4-Punkte-Zauber", forderte sie ihn auf. Harry legte seinen Zauberstab auf seine Hand und sagte den Spruch. Als der Zauberstab wieder ruhig liegen blieb, zeigte seine Spitze genau in Richtung Ausgang.

„Gut, hier ist also Norden, das heißt, wir müssen den linken Gang hinein gehen, der nach Westen zeigt, also, wo die Sonne am Abend steht", erklärte sie. Snape der die ganze Sache bisher ruhig beobachtete hatte, schaute die drei erstaunt an, sagte aber nichts und ging vor in den linken Tunnel. Es dauerte nicht lange, als sie wieder an eine Weggabelung kamen. Auch hier fanden sie wieder Zeichen, die in die Wand geritzt worden waren. Sie verfuhren wieder wie an der ersten Biegung, nur dass es diesmal der Morgen war, dem sie folgen sollten und gingen weiter. So war es noch 4 mal, doch dann plötzlich kamen sie in einer Sackgasse an. Der Weg hörte unvermittelt auf.

„Und was jetzt? Haben wir etwas übersehen, oder falsch gedeutet?", fragte Sisilia nun und sah sich um. Sie leuchtete mit dem Zauberstab über die Wand um sich herum und suchte nach weiteren Symbolen. Sie fand auch etwas, aber es war nur ein Buchstabe. Übersetzt war es ein T. Sonst war da nichts. Sie berührte den Buchstaben, doch nichts geschah. Sie überlegte fieberhaft. Harry und Ron suchten die gegenüberliegende Wand nach Zeichen ab. Severus trat nun zu ihr und sah sich auch das Symbol an, welches sie gefunden hatte.

„Es ist ein T, aber ich fange nichts damit an. Was kann das bedeuten?", fragte sie nun laut. Snape dachte nach, während Sisilia noch mal über den Buchstaben strich.

„T? Könnte es vielleicht für Troll stehen?", fragte er sie. In dem Moment, als er das Wort Troll aussprach, hatte sie etwas gegen das Runenzeichen gedrückt, das nun nachgab und in dem Felsen verschwand. Plötzlich tat sich der Boden unter Sisilias und Severus' Füßen auf und sie stürzten in die Tiefe. Sisilia versuchte sich noch irgendwo festzuhalten, doch ihre Hände griffen ins Leere. Es war nur ein kurzer freier Fall, dann schlitterten sie eine steile Röhre in die Tiefe. Sisilia sah noch, als sie nach unten fielen, wie sich die Öffnung, durch die sie gefallen waren, wieder verschloss, dann schlugen sie hart auf dem Boden auf. Severus rappelte sich gleich wieder auf und schaute sich nach ihr um.

„Alles in Ordnung?", fragte er sie und als sie nickte, reichte er ihr seine Hand und zog sie auf die Beine.

Sie waren in einen anderen Gang gerutscht. Nur dass dieser hier um einiges größer und höher war. Sisilia schätzte, fast 4 Meter hoch. Auch waren hier brennende Fackeln an den Wänden angebracht worden, welche die Gänge beleuchteten. Sie gaben nicht viel Licht, aber es reichte aus, um genug sehen zu können.

„Was ist mit Harry und Ron?", fragte Sisilia und schaute nach oben, wo sie gerade hergekommen waren. Auch Severus blickte nach oben.

„Wenn sie den Mechanismus finden, wie die Falltür aufgeht, müssten sie auch gleich kommen. Ansonsten denke ich, dass die beiden da oben um einiges sicherer sind."

Sie warteten noch einen Moment, aber es tat sich nichts. Sisilia war sich selbst nicht einmal sicher, was das Öffnen der Falltür ausgelöst hatte und sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie Jungs es herausfinden würden.

„Ich denke, es ist besser, wir suchen weiter. Hier herumzustehen hat keinen Sinn und die Zeit drängt", sagte Severus und entschied sich dafür, nach links weiterzugehen.

Sisilia hatte das Gefühl, es war ihm lieber, dass die beiden nicht mit nach unten gestürzt waren. Vielleicht hatte er sogar recht. Denn sie waren geradewegs auf dem Weg in die Höhle des Löwen, oder anders ausgedrückt in die Höhle von Voldemorts Anhängern, die jeden Moment auftauchen und sie entdecken konnten. Sisilia wurde richtig flau im Magen, als sie daran dachte, dass Voldemort jede Sekunde hier eintreffen könnte.

Sie hatten die Lichter an ihren Zauberstäben gelöscht, aber sie hielten sie immer noch in der Hand. Trotz der Fackeln gab es in den Gängen immer noch viele unbeleuchtete Nischen, an denen sie vorbeigehen mussten. Sisilia folgte Severus und sah sich genauer um. Diese Gänge hier unten waren riesig im Vergleich zu den anderen oben, doch auch sehr ungleichmäßig herausgeschlagen. Als ob ziemlich planlos mal hier und mal da ein Stück weitergearbeitet wurde. Die rauen Wände waren an einigen Stellen sehr scharfkantig. Sisilia fragte sich, wer die wohl angelegt hatte und für was sie ursprünglich dienten. Was hatte Severus gesagt, bevor der Boden unter ihnen nachgab? Troll? Konnte es sein, dass die Trolle diese Höhlengänge angelegt hatten? Es war gut möglich, alles deutete jedenfalls darauf hin.

Plötzlich sprangen drei dunkle Gestalten aus einer Nische vor ihnen hervor und stellten sich den beiden mit gezückten Zauberstäben in den Weg. Sisilia hob blitzschnell ihren Zauberstab, richtete ihn gegen den ihr am nächsten stehenden Mann und rief:

„IMPEDIMENTA!"

Der Mann, ein kleiner untersetzter Kerl mit Glatze, erstarrte mitten in der Bewegung und krachte schwer zu Boden. Fast zur gleichen Zeit, hatte Severus seinen Fluch gegen den anderen Mann gesprochen, der, von einem roten Lichtstahl getroffen, ebenfalls zu Boden stürzte. Die dritte Person, eine Frau mit kurzen dunklen Haaren, ergriff die Flucht, als sie ihre beiden Kumpane am Boden liegen sah. Sisilia stürzte hinter ihr her. Sie wollte sie unbedingt aufhalten. Doch schon nach ein paar Metern war diese wie vom Erdboden verschluckt. Sie blieb stehen und lauschte, doch sie konnte kein Geräusch vernehmen. Sie schaute sich um, gab es vielleicht einen anderen Gang, den sie übersehen hatte, wo die Frau hingelaufen sein konnte? Sie ging noch ein Stück weiter und suchte in jedem Winkel. Nichts. Dann ging sie den Weg langsam wieder zurück, fand aber keinen Hinweis auf die Frau oder einen anderen Weg.

Als sie Severus erreicht hatte, schaute er sie fragend an, doch sie schüttelte nur resigniert den Kopf. Sie sah, dass er, während sie hinter der Frau hergelaufen war, die beiden Männer zu Paketen verschnürt und sie in die Nische verfrachtet hatte, in der sie vorher auf sie gelauert hatten.

„Wir sollten hier verschwinden, bevor sie mit Verstärkung zurückkommt. Jetzt, da sie wissen, dass sie ungebetene Gäste haben, wird es sowieso verdammt schwer werden, an die Grangers heranzukommen", sagte er zähneknirschend.

„Los komm!"Er ergriff ihren Arm und zog sie mit sich. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie Schritte hörten. Sie schienen von vorne zu kommen.

„Verdammt. Hier rein!", forderte Severus sie auf und drückte Sisilia in eine dunkle Nische, die gerade groß genug war, dass sie beide hinein passten. Dadurch, dass der Gang genau an der Stelle einen Knick machte, leuchtete die Fackel diese Ecke nicht aus und seine schwarze Kleidung tat ihr übriges. Und tatsächlich hatten sie Glück, die 5 Personen rannten an ihnen vorbei. Sie hatten sie nicht gesehen. Sobald der Letzte außer Sichtweite war, verließen sie ihre Deckung und rannten, so leise sie konnten, weiter. Doch wieder vernahmen sie Schritte von mehreren Personen, auch wieder von vorn kommend. Sie schauten sich suchend nach einer Versteckmöglichkeit um. Doch in dem Abschnitt, in dem sie sich gerade befanden, gab es nichts, hier waren nur kahle Wände.

Sie mussten wieder ein Stück zurück laufen.

„Severus, könnten wir denn nicht einfach disapparieren?" fragte Sisilia während dem laufen.

„Wir können es versuchen, bin nur nicht sicher, ob das hier klappen wird. Also am besten vor die Höhle, dann können wir Potter und Weasley suchen gehen!"sagte Severus, schaute aber sehr skeptisch. Sisilia hätte gerne noch etwas gefragt, aber dazu blieb keine Zeit mehr.

Sie versuchte sich zu konzentrieren, doch irgendetwas schien es nicht zuzulassen, dass sie apparieren konnten. Sie hatte immer wieder das Gefühl, gegen eine unsichtbare Wand zu stoßen.

„Ich hab es mir fast gedacht, es wurde ein Antiapparierzauber auf dieses Höhlensystem gelegt. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen. Komm weiter."

Sie liefen weiter den Weg zurück, den sie gekommen waren. Die Nische, in der die gefesselten Männer gelegen hatten, war leer. Sie mussten befreit worden sein.

Dann hörten sie auch ein Hundegebell. Sisilia schaute sich erschrocken um, doch da hörten sie auch aus der Richtung, in die sie liefen Schritte auf sich zukommen. Schnell drückten sie sich in die Niesche hinein, in der noch zuvor die Männer gelegen hatten.

„Was machen wir denn jetzt?", fragte Sisilia außer Atem. Sie wusste, sie hatten keinen Chance zu entkommen, sie saßen in der Falle, denn der Hund musste sie unweigerlich aufspüren. Severus packte sie an den Schultern und sah sie eindringlich an.

„Hör zu Sisilia, es gibt nur eine Chance. Du musst dich verwandeln und dann versteckst du dich hier in einer Nische. Vielleicht schaffe ich es, sie zu überzeugen, dass ich auf ihrer Seite stehe. Wenn wir weg sind, gehst du hier raus und holst Hilfe. Hast du verstanden?", erklärte er ihr.

„Severus, aber was ist, wenn sie dir nicht glauben, ich habe Angst", sagte sie, und der Magen krampfte sich ihr zusammen.

„Es ist unsere einzige Chance, Sil", sagte er noch einmal sehr eindringlich.

Er blickte ihr einige Sekunden tief in die Augen.

„Und egal was passieren wird, denke daran, ich liebe dich", hauchte er und nahm sie kurz fest in seine Arme.

„Los jetzt, sie sind gleich da", drängte er sie nun. Sisilia musste schlucken, sie hatte das Gefühl ein dicker Kloß würde ihr im Halse stecken. Doch da hörte sie schon, dass die Männer nicht mehr weit weg waren, sie mussten jeden Augenblick um die Ecke kommen.

Sie nickte Severus noch einmal zu und verwandelte sich, dann flog sie schnell in eine unter der Decke liegende dunkle Ecke in der Wand und duckte sich tief hinein.

Und schon sah sie auch die ersten Kuttenträger um die Ecke biegen. Ihnen voran eine große braune Bulldogge, die heftig an der Leine ihres Führers zog. Es waren mindestens zehn, die alle mit einem Zauberstab in den anderen Hand vor Severus anhielten, der in den Gang hinausgetreten war. Der Hund begann wie wild Severus an zu kläffen und an seiner Leine zu ziehen. Severus hob nun zum Zeichen dafür, dass er sich ergab, seine Hände. Fast zur gleichen Zeit kamen auch von der anderen Seite des Ganges Leute auf sie zu. Ebenfalls mit gezückten Zauberstäben.

Der Anführer der zweiten Gruppe sagte etwas auf Französisch, was Sisilia so übersetzte, dass sie einen von ihnen hatten. Sie nahmen ihm seinen Zauberstab ab. Einer der Männer, ein kleiner untersetzter Kerl mit Glatze - Sisilia glaubte, dass es der Mann war, den sie vorhin gelähmt hatten - trat zu Severus und hieb ihn seine Faust in den Magen. Worauf dieser zusammenklappte und mit einem Stöhnen zu Boden stürzte. Auf dem Boden liegend rang er nach Luft. Doch sie achteten nicht darauf, packten ihn grob und fesselten seine Hände hinter seinem Rücken. Sisilia bebte innerlich, als sie das mit ansehen musste, sie hätte sich am liebsten auf die Männer gestürzt. Sie gab sich die Schuld, dass es soweit gekommen war. Hätte sie in London auf die Mitglieder des Ordens gewartet.... Sie schüttelte den Kopf. Alles „hätte"und „wäre"hatte nun keinen Sinn, sie musste nach vorn sehen. Und diesmal würde sie den gleichen Fehler nicht noch einmal machen, sie würde jetzt als erstes dem Orden Bescheid geben, wie Severus es wollte. Sie hoffte nur, er konnte sich etwas passendes einfallen lassen. Zwei der Männer zogen ihn brutal in die Höhe und schleiften ihn mit sich. Sisilia sah den Männern noch hinterher, die nach rechts in den Gang bogen und verschwanden. Als sie sicher war, dass sie weg waren, kam sie wieder aus der Nische heraus.

Einem kurzen Instinkt zufolge überlegte sie, ob sie der Gruppe folgen sollte, die Severus mit sich genommen hatte, verwarf die Idee aber sofort wieder. Nein, sie würde nicht wieder auf eigene Faust losziehen. Das hatte sie schon zu oft gemacht und sich und andere in Schwierigkeiten damit gebracht.

Sie breitete nun ihre Flügel aus und flog den Weg zurück, den sie vorhin gekommen waren.

Sie war bereits einige Minuten unterwegs in diesem Gang, als sie plötzlich vor einer Tür ankam. Sie konnte sich aber nicht an eine Tür erinnern. War sie vielleicht irgendwo falsch abgebogen, hatte sie eine Abzweigung in der Dunkelheit übersehen? Oder war ihr die Tür, weil sie vorhin vielleicht offen stand, nicht aufgefallen?

Es blieb ihr nichts anderes übrig, als sich wieder zurück zu verwandeln, denn als Eule konnte sie die Tür nicht öffnen. Sie lauschte. Es war vollkommen still.

Als sie wieder ihre menschliche Gestalt hatte, legte sie ein Ohr an die Tür, aber auch hier vernahm sie nichts. Sie griff nach dem Türknauf und drehte ihn langsam herum, doch sie war verschlossen. Sie zog ihren Zauberstab und richtete ihn gegen das Türschloss.

„Alohomora!", flüsterte sie und hörte ein leises Knacken, das Zeichen dafür, dass sich das Schloss geöffnet hatte. Noch einmal versuchte sich den Knauf zu drehen und diesmal ging die Tür auf. Sie zog langsam an dem Griff, doch plötzlich krachte die Tür mit einer solchen Wucht auf und gegen sie, dass sie nach hinten geschleudert wurde und mit dem Kopf gegen die harte Felsenwand krachte. Ein dumpfer Schmerz traf sie am Hinterkopf, sie hatte das Gefühl, ihr Schädel wurde gespalten. Tränen schossen ihr in die Augen. Ihr wurde schwindelig, doch konnte sie sich weiterhin auf den Beinen halten. In ihrem Kopf pochte und dröhnte es, sie versuchte dagegen anzukämpfen.

Als der Schmerz nach einigen Sekunden wieder etwas nachließ, rieb sie sich mit der Hand über die Augen, um die Tränen wegzuwischen. Nachdem sie endlich wieder etwas sehen konnte, erkannte sie einige Männer, die durch die Tür auf sie zusprangen. Sie richtete ihren Zauberstab, den sie immer noch in der Hand hielt, auf sie.

„STUPOR!", rief sie und ein roter Blitz krachte aus der Spitze des Zauberstabes gegen einen der Männer, der durch dessen Wucht umgeworfen wurde. Doch noch, bevor sie einen weiteren Fluch aussprechen konnte, traf sie ein Schlag an ihre Hand, in der sie den Zauberstab hielt. Die Wucht des Schlages war so stark, dass ihre Finger vor Schmerzen den Zauberstab nicht mehr halten konnten und er im hohen Bogen zu Boden fiel.

Dann ging alles sehr schnell. Der dritte Mann, ein sehr großer und kräftiger Bursche, wuchtete sie mit seinem ganzen Gewicht gegen die extrem unebene Felsenwand, so dass sich die spitz herausragenden Vorsprünge schmerzhaft in ihren Rücken bohrten. Sisilia stöhnte auf. Die starken Finger des braunhaarigen Mannes bohrten sich nun tief in ihre Schultern, er zog sie so abrupt mit sich nach vorn, so dass sie beinahe stolperte. Sisilia konnte den ekelhaften Schweißgeruch wahrnehmen, den der Mann ausströmte. Der andere, kleinere Mann, der ihr den Zauberstab aus der Hand geschlagen hatte, ergriff nun ihren rechten Arm und drehte ihn ihr brutal auf den Rücken, während der andere seinen Druck noch verstärkte und sie nach unten drückte, so dass sie nun auf ihre Knie fiel. Sisilia versuchte sich zu wehren, doch die beiden Kerle hatten sie so gut in der Mangel, dass sie keine Chance hatte.

Bevor sie richtig wusste, was geschehen war, hatten die beiden Männer ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt. Die Stricke schnitten ihr tief ins Fleisch, es tat sehr weh. Sisilia merkte gleich, dass die Kerle nicht zimperlich waren und fast wunderte sie sich, dass sie überhaupt noch am Leben war.

Keiner von denen hatte auch nur ein Wort gesprochen. Nachdem sie ihren Kumpel, den Sisilia schlafen geschickt hatte, wieder aufgeweckt hatten, packte der kräftigste der Burschen Sisilia unter dem Arm und zog sie mit sich in die Richtung, aus der die drei zuvor gekommen waren.

Sie schoben sie voran in den Gang hinein.

Sisilia hörte, wie einer der dreien die Tür hinter ihnen verschloss.

„Merde, une ainsi femme bête!", schimpfte der Kerl, der sich inzwischen wieder von dem Schockzauber erholt hatte.

Sie gingen noch eine ganze Weile den Gang weiter, als sie an eine weitere Tür kamen. Diese Tür hatte in der oberen Mitte eine vergitterte Öffnung. Sie war nur angelehnt.

Der Mann, der Sisilia mit sich zog, stieß die Tür ganz auf und drückte Sisilia hinein. Er gab ihr einen sehr kräftigen Stoß zwischen die Schulterblätter, so dass sie nach vorne stürzte. Sie konnte ihr Gleichgewicht nicht mehr halten und knallte sehr hart auf den Steinboden. Da ihre Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren, konnte sie sich nicht abfangen und knallte mit dem Kinn auf den Boden auf, dass sie sich aufschrammte.

Sie fühlte, wie Blut von ihrem Kinn an ihrem Hals herunterlief. Trotzdem rappelte sie sich auf und konnte sich seitlich hinsetzen.

„Vous êtes des idiotes, qui vous fera encore la peine" , sagte Sisilia wütend zu den Männern, (was soviel hieß wie ‚Ihr Idioten, das wird euch noch leid tun') obwohl sie wusste, dass es vielleicht besser gewesen wäre, den Mund zu halten. Und die Strafe folgte auch sogleich.

Der große Kerl kam zurück und holte mit der rechten Hand aus und schlug ihr mit dem Handrücken sehr fest ins Gesicht. Sisilia wurde durch die Wucht des Schlages wieder auf den Boden geworfen. Ihre rechte Wange brannte wie Feuer und sie rang nach Luft.

„Si tu n'es pas calme, tu obtiens encore plus", (wenn du nicht ruhig bist, bekommst du noch mehr) sagte er zu ihr und verließ den Raum. Die Tür flog in ihr Schloss und sie hörte, wie ein Schlüssel herumgedreht wurde. Draußen hörte sie die Männer lachen. Nur der Schein einer Fackel, die draußen vor der Tür angebracht war, leuchtete durch die vergitterte Öffnung und erhellte den Raum ein wenig.

Sisilia fluchte innerlich. Sie setzte sich wieder auf und sah sich um. Sie hatten sie in einen kleinen Raum gesperrt, vielleicht so groß wie eine Abstellkammer. Er war vollkommen leer. Nur überall nackter Stein.

Sie konnte sehen, dass ihre Jeans an den Knien aufgerissen war und sie dort auch blutete. Als sie versuchte ihre Fesseln zu lockern, merkte sie, je mehr sie daran zog, um so enger wurden sie, so ließ es lieber bleiben.

Da hatte sie eine andere Idee. Sie rutschte näher an die Wand heran. Sie wollte versuchen, ob sie ihre Fesseln nicht an der rauen Wand durchscheuern könnte.

Sie fand eine besonders scharfe Stelle, an der sie die Stricke entlang scheuerte.

Sisilia ärgerte sich sehr, dass sie sich so hatte überrumpeln lassen. Sie hoffte, dass wenigstens Harry und Ron es geschafft hatten und nicht erwischt worden waren. Sie hatte zumindest bis jetzt nichts gegenteiliges gehört. Und das gab ihr Hoffnung.

Sie war immer noch damit beschäftigt, ihre Stricke loszuwerden. Es war nicht sehr einfach, sie hatte sich schon mehrere Male die Hände an der schroffen Steinwand aufgeritzt. Aber sie spürte, dass sie schon die Hälfte geschafft hatte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie die Stricke los war.

Und endlich, es gab einen Ruck. Sisilia rutschte etwas an der Mauer ab, als die Fessel entzwei ging und kratzte sich den Arm etwas auf. Aber das war ihr egal, Hauptsache, sie hatte endlich diese Stricke los.

In dem Moment wurde ihr bewusst, dass sie es auch leichter haben hätte können, wenn sie sich in eine Eule verwandelt hätte, hätte sie locker die Stricke abwerfen können. Wütend auf sich selber, dass sie in dem Moment nicht auf das einfachste gekommen war, warf sie die Seilreste achtlos auf den Boden, stand auf und ging zur Tür. Sie sah hinaus, es war keiner zu sehen. Sie rüttelte an der Tür, aber diese war fest verschlossen. Was hatte sie denn auch erwartet? Natürlich war sie verschlossen, sie hatte ja gehört wie der Schlüssel herumgedreht wurde. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür. Sie war verzweifelt und wütend zugleich. Fieberhaft versuchte sie, eine Möglichkeit zu finden, wie sie hier rauskommen könnte, aber so sehr sie auch überlegte, sie fand keine. Es blieb ihr nur noch die Möglichkeit, abzuwarten, bis die Kerle wieder zurückkommen würden, vielleicht würde sich dann etwas ergeben.

Aber was, wenn sie nicht mehr kamen? Wenn sie sie einfach hier drin lassen würden.

Sisilias Knie gaben nach, sie rutschte, die Tür im Rücken, nach unten auf dem Boden, wo sie zusammengekauert sitzen blieb. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen.

Sie wusste nicht, wie lange sie so da gesessen hatte, als sie plötzlich Schritte hörte.

Sie stand blitzschnell auf und schaute durch das Gitter nach draußen.

Die Schritte kamen immer näher, dann sah sie auch zwei der drei Männer, die sie hier eingesperrt hatten, auf sich zukommen.

Als der eine sah, dass Sisilia an der Tür stand, zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf sie.

„Pas d'ignorances. Diminuez de la porte!", forderte er sie auf nach von der Tür wegzugehen.

Sisilia trat nach hinten. Sie wusste, dass die Kerle nicht zögern würden, ihr etwas anzutun, deshalb befolgte sie lieber seine Befehle. Er öffnete die Tür.

„Dehors!", schrie er sie an und sie verließ ihr Gefängnis. Was hatten die Kerle mit ihr vor? Sie hatte Angst zu fragen, aber dennoch tat sie es, sie wollte nicht wie ein unwissendes Kalb zur Schlachtbank geführt werden. Sie wollte wissen, was sie vor hatten.

„Que prévoyez-vous avec moi?", fragte sie mit zitternder Stimme, worauf die beiden gehässig los lachten.

„Nous t'apportons à notre patron"" , erklärte ihr der kleinere Mann mit sichtlicher Schadenfreude. Zu was für einen Herrn wollte er sie bringen? Und als ob er ihre Gedanken erraten hätte, fügte er noch hinzu.

„ Le, son nom on ne peut pas apeller ", flüsterte er ihr ins Ohr.

Hatte sie das wirklich richtig verstanden? Sagte er wirklich, der, dessen Namen nicht genannt werden darf? Sollte wirklich Voldemort schon hier sein? Sisilia schwankte einen Augenblick.

Und fast wie von selber formten ihre Lippen den Namen.

„Voldemort?"

Der Mann begann zu toben und schrie sie an, sie solle seinen Namen nicht aussprechen. Sisilia zuckte zurück, doch der stinkende große Kerl ergriff ihre Schulter und stieß sie grob nach vorn.

„Allez! Le patron t'attend déjà", sagte er und grinste sie hämisch an.

Sisilia ging voran, gefolgt von den beiden Kerlen, die ihre Zauberstäbe auf ihren Rücken gerichtet hielten. Ihre Hände zitterten, sie wusste, dass sie ihn gleich sehen würde. Den Zauberer, der ihre Eltern getötet hatte. Der schon so vielen Menschen unendliches Leid zugefügt hatte. Hass und Wut brannten in ihr auf. Sisilia wurde leicht schlecht bei dem Gedanken, ihm gleich gegenüber zu stehen.

Die Männer dirigierten sie durch einige Gänge, als sie schließlich an einer sehr hohen massiven Holztür ankamen.

„Ouvrez!", befahl der große Mann Sisilia, sie drückte mit zittriger schweißnasser Hand die Klinke hinunter. Erstaunlicherweise ging die Tür, obwohl sie so groß und schwer war, sehr leicht auf. Ein kleiner Stoß reichte und sie schwang ganz nach innen auf.

Vor ihnen lag nun die riesengroße Höhle, die Sisilia schon von oben gesehen hatte. Die riesigen Tropfsteine, die von der Decke bis zum Boden reichten, wirkten von hier noch viel mächtiger und eindrucksvoller. Die Höhle wurde von vielen Fackeln erhellt. Durch das flackernde Licht wirkte alles hier drinnen noch viel unheimlicher, als es sowieso schon war.

Sisilia sah mitten in der Halle eine Ansammlung von Menschen stehen, die alle schwarze Umhänge trugen, einige hatten Masken auf, andere nur ihre Kapuzen über den Kopf gezogen, und wieder andere zeigten ihre Gesichter offen. Mitten in der Ansammlung befand sich ein hoher Felsen, den sie noch nicht gesehen hatte, in den man eine Art Sitz oder Thron geschlagen hatte. Auf diesem Sitz saß ein Mann. Dieser Mann hatte ein Gesicht, das weißer war als ein Totenschädel, seine spinnenartigen, weißen Finger hatte er auf die Armlehnen seines makabren Sitzes gelegt. Sisilia stockte der Atem.

Als sie einen Stoß in den Rücken bekam und sie weiter auf den Mann auf dem Thron zuging, konnte sie erkennen, dass seine Augen keine normale Augenfarbe hatten, sie waren leuchtend rot. Er hatte rote Augen mit schlitzartigen Pupillen, wie ein Reptil.

Sisilia stöhnte auf und hob ihre Hand vor ihren Mund. Sie hatte ihn noch nie in ihrem Leben gesehen, doch sie wusste, dies konnte nur einer sein: Lord Voldemort. Hierbei war sie sich so sicher, wie noch nie in ihrem Leben zuvor.

Sisilias Gefühle spielten Achterbahn mit ihr. Hass und Wut keimten in ihr hoch. Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt und ihn mit ihren eigenen Händen erwürgt. Doch wusste sie, dass sie nie eine Chance hätte.

Voldemort sah sie an und sie versuchte, seinem Blick stand zu halten. Sie fühlte, wie er versuchte in ihre Gedanken einzudringen, so wie sie im gleichen Augenblick wusste, dass er spürte, wie sie das gleiche bei ihm versuchte. Sie fühlte nur einen abrundtiefen Hass, den Voldemort in sich trug, aber auch eine Art von Triumph. Den Triumph, ihre wahnsinnige Angst vor ihm zu spüren.

„Verneige dich vor mir!", befahl Voldemort mit seiner hohen kalten Stimme, die Sisilia erschaudern ließ.

„Nein, das werde ich nicht tun, ich werde mich nicht vor einem Mörder verneigen, niemals!", schleuderte sie ihm hasserfüllt entgegen. Sie wusste nicht, woher sie plötzlich diesen Mut nahm, ihm zu widersprechen, doch sie würde nicht vor ihm kriechen.

„Dein Hochmut und dein Stolz werden dein Tod sein", erwiderte er wütend darauf, sein Blick bohrte sich in ihren Kopf. Sisilia spürte, wie er versuchte, mit seinem Geist in ihren Kopf einzudringen. Sie wollte den Blickkontakt unterbrechen, aber sie schaffte es nicht, irgendetwas zwang sie dazu, ihn weiter anzusehen.

Dann stand er unvermittelt auf und lachte schrill.

„Wie bei deiner Mutter Kassandra"Sisilia wurde kreidebleich, er hatte es geschafft, einen Teil ihrer Erinnerungen in ihrem Kopf zu lesen. Ihr Herz pochte wild, sie hatte das Gefühl, die ganze Höhle würde anfangen zu wanken. Sie atmete tief durch und antwortete dann:

„Ja, sie war eine stolze Frau. Sie hätte nie ihre Prinzipien und ihre Werte verraten und einem wie Ihnen geholfen. So wie ich es auch nie tun würde, lieber würde ich sterben.", zischte sie ihm entgegen.

„Hab keine Sorge, den Wunsch werde ich dir bald erfüllen. Du wirst sterben. Aber nicht so, wie du vielleicht glaubst. Ich habe mir da etwas ganz besonderes für dich ausgedacht. Schade nur, dass ich dann nicht das Gesicht deines .....Großonkels sehen kann, wenn er erfährt, dass du tot bist. Aber es ist mir trotzdem eine Genugtuung, dass ich Dumbledore einen Schaden zufügen kann, und ihm ein ‚geliebtes' Familienmitglied nehmen kann.", triumphierte er und lachte erneut laut und schrill. Der Wiederhall in der Höhle, ließ sein Lachen noch fürchterlicher anschwellen. Eine Gänsehaut lief ihr über den Rücken.

Sisilia kochte vor Wut, sie machte einen Schritt nach vorne, auf Voldemort zu, wollte sich auf ihn stürzen, doch in dem Augenblick packte einer ihrer Bewacher zu. Er ergriff blitzschnell ihren Arm und nahm sie in den Polizeigriff. Er hatte so feste zugepackt, dass sie das Gefühl hatte, eine falsche Bewegung und er würde ihr den Arm brechen. Sie stöhnte laut auf.

Sie sah, wie Voldemort dies gefiel. Sie hatte erwartet, dass er nun seinen Zauberstab auf sie richten würde, um sie zu töten, doch er wandte seinen Blick von ihr ab und begann in die Gruppe vor ihm zu sprechen.

„Bringt mir den Mann, den ihr vorhin gefangen habt", befahl er ihnen.

Sisilia hörte, wie sich einige von der Gruppe entfernten. Es dauerte nicht sehr lange, bis sie wieder zurück kamen. Die anderen reihten sich wieder an ihrem Platz ein, nur einer kam bis nach vorne und verneigte tief sich vor Voldemort. Sisilia konnte nicht sehen, wer das war, da die Person die Kapuze über den Kopf gezogen hatte.

„Snape, mein Freund", begann der Dunkle Lord. In dem Moment zog dieser seine Kapuze vom Kopf. Es war tatsächlich Severus, sein Blick starr auf den Boden gerichtet. Er sah schrecklich aus. Seine Haut wirkte noch fahler und blasser, als sie es schon für gewöhnlich war. Sie schienen ihm doch ziemlich zugesetzt zu haben. Ihr Herz begann zu wirbeln.

„Nun kannst du mir deine Treue beweisen und zeigen, ob du wirklich noch zu uns gehörst.", fuhr der Dunkle Lord fort und beobachtete Severus genau.

„TÖTE SIE!", befahl er Snape und deutete auf Sisilia.

Snape drehte seinen Kopf und sah sie an. Zuerst glaubte sie, ein Blitzen in seinen Augen zu erkennen, doch dann hatte sie das Gefühl, in kalte leere Pupillen zu blicken. Sisilia sah ungläubig von Voldemort zu Severus. Sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Severus wendete sich wieder ab.

„Ja, mein Lord, ich werde tun, was Ihr befehlt", antwortete dieser und verbeugte sich dabei noch tiefer vor Lord Voldemort. Dieser machte ein zufriedenes Gesicht und setzte sich wieder auf seinen steinernen Thron.

„Mylord, ich würde es gerne auf meine Weise tun, wenn ihr gestattet?", fragte dieser nun ehrfürchtig.

„Und was wäre das?", wollte der Mann auf dem steinernen Thron wissen.

„Ich habe hier ein absolut tödliches Gift"Als er das sagte, griff er in seinen Mantel und holte ein kleines Fläschchen hervor und hielt es in die Luft.

„Drei Tropfen davon genügen, um einen Menschen zu töten", erklärte er mit ausdrucksloser Stimme.

„Hier spricht der Giftmischer aus dir. Nur, wie soll ich dir glauben, dass du mich nicht belügst?", fragte Voldemort misstrauisch.

„Ich werde es Euch beweisen, Herr, an diesem Hund"Er deutete mit seiner Hand auf die große Bulldogge, die neben einem Mann stand, der seinen Kapuze tief in sein Gesicht gezogen hatte.

Dieser wollte zuerst protestieren, aber als der Dunkle Lord nickte und dem Mann mit der Hand andeutete, den Hund zu Snape zu bringen, gehorchte dieser, er schien sich nicht den Mut zu haben, Voldemort zu wiedersprechen.

Snape ging in die Hocke, packte die Schnauze des Tieres und drückte sie auf. Dann ließ er genau 3 Tropfen des Mittels in sein Maul tropfen.

Zuerst leckte der Hund sich über deine Zähne, doch dann ging es sehr schnell. Der Hund bekam große Augen, die er verdrehte, dann ging ein kleiner Ruck durch seinen Körper, seine Beine gaben nach, er fiel einfach um und blieb regungslos liegen.

Der Besitzer des Hundes legte seinem Tier die Hand auf den Hals und fühlte seinen Puls. Dann rüttelte er an dem Tier, doch es bewegte sich nicht mehr.

„Il est mort. Er ist tot", erklärte der Mann mit wütender und trauriger Stimme zugleich und warf Severus einen hasserfüllten Blick zu.

Sisilia konnte nicht glauben, dass er das getan hatte. Sie hatte das Gefühl, sie hätte einen Alptraum. Sie schloss die Augen und hoffte, sie würde gleich daraus erwachen und alles sei nicht wirklich.

„Nun gut, dann TÖTE SIE jetzt! Und ich will dir diesmal noch glauben, dass du wirklich auf meiner Seite stehst und dein Leben verschonen", sagte Voldemort mit zischender Stimme.

Sie erschrak und öffnete ihre Augen wieder. Es war kein Traum, es war alles Wirklichkeit. Severus sollte sie töten. Ihre Knie zitterten und sie hatte einen schweren Kloß in ihrer Kehle.

Snape machte nochmals eine tiefe Verbeugung vor Voldemort und glitt dann auf Sisilia zu.

Er schaute sie an, doch kein Muskel regte sich in seinem Gesicht. Sie hatte das Gefühl, er würde sie gar nicht wirklich wahr nehmen, sein Blick schien irgendwie leer. Sisilia versuchte, in seinen Gedanken zu lesen, doch er ließ es nicht zu. So wie früher, als sie ihn kennen gelernt hatte, kam sie nicht mehr zu ihm durch. Sie wusste nicht, woran sie bei ihm war. Was hatte er vor? Würde er sie tatsächlich vergiften?

Sie spürte zwar, wie der Mann hinter ihr sie immer noch fest hielt, doch nahm sie dies nur wie durch Watte wahr. Sie sah verzweifelt in Snapes Augen, doch darin regte sich absolut nichts.

„Nein. Nein was tust du?", fragte sie ihn mit sehr leiser zittriger Stimme.

Dann hatte er sie erreicht. Er streckte seine Hand nach ihrem Gesicht aus und fuhr mit den Fingern über ihre Wange.

„Du warst ein schöner Zeitvertreib, Sisilia", sagte er ihr in einem eiskalten Ton.

Sisilia konnte nicht glauben, was sie da hörte, das konnte er doch nicht im Ernst meinen.

„Ein Zeitvertreib?", wiederholte sie erstaunt.

„Ja, ein Zeitvertreib, ein nettes Spielzeug, mit dem ich meinen Spaß hatte", antwortete er ihr und seine Lippen kräuselten sich. Sisilia blieb der Mund offen stehen.

Das vor ihr war nicht mehr derselbe Mann, mit dem sie noch vor ein paar Tagen in Schottland war. Er war so kalt und berechnend. Konnte es wirklich sein, dass sie sich so in ihm getäuscht hatte? Dass er alle getäuscht hatte, auch Dumbledore. Hatte er nie aufgehört, ein Anhänger Voldemorts zu sein. Oder wollte er nur seine Haut retten, wollte er sie tötete um sein Leben zu retten?

Sisilia hatte gesehen, wie der Hund starb. Stand ihr das gleiche Schicksal bevor. Angst, Wut und Enttäuschung stiegen in ihr empor. Sie konnte es einfach nicht verstehen, ihr Verstand weigerte sich, das alles zu begreifen.

„Severus, komm zu dir!", flehte sie ihn an.

„Mein Geist ist so klar wie schon lange nicht mehr, Sil", erwiderte er tonlos.

Voldemort lachte auf. Sie hörte dieses schrille, hohe Lachen, sie hatte das Gefühl, dass es in allen Ecken und Winkeln der Höhle wiederhallte und wie ein Gewitter auf sie nieder hagelte. Ihr wurde schlecht und ihre Knie wurden weich. Würde der Mann sie hinter sich nicht halten, wäre sie bestimmt schon eingeknickt.

Snape trat noch näher auf sie zu. Ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Voldemorts Lachen war inzwischen verklungen und er beobachtete sie.

„Ich habe hier noch ein kleines Geschenk für dich", hauchte er ihr entgegen.

Sie spürte, wie seine Hand eine Haarsträhne hinter ihr Ohr schob, dann ergriff er fest ihren Nacken und zog sie an sich heran. Sie fühlte, wie er fest seine Lippen auf die ihren presste. Sie versuchte, sich dagegen zu wehren, aber er war zu kräftig, denn auch der Mann hinter ihr hielt sie eisern fest. Sie spürte, wie er ihr seine Zunge in ihren Mund drückte und sie fühlte noch etwas, es war etwas kleines, rundes, er musste es ihr beim Küssen in den Mund geschoben haben. Sie konnte sich nicht vorstellen, was das sollte. Sie wehrte sich gegen ihn, aber sie schaffte es nicht und dann löste sich Severus sehr abrupt von ihr.

„Halte ihren Kopf!", befahl er dem anderen Aufpasser. Dieser packte sehr fest zu, drückte ihren Kopf nach hinten und öffnete ihr den Mund.

Sie hatte noch überlegt, das Teil, das ihr Snape in den Mund getan hatte, auszuspucken, dazu kam sie aber nicht mehr, denn als ihr der Kopf nach hinten gedrückt worden war, hatte sie das Ding verschluckt. Sie begann noch zu husten, aber es war zu spät.

Snape öffnete die Ampulle und ließ ihr 3 Tropfen davon in den Mund fallen.

Dann ließen sie die beiden Männer auch schon los.

Sisilia schaute Snape mit großen Augen an. Sie konnte nicht fassen, was er getan hatte. Sie versuchte noch eine Hand nach ihm auszustrecken, doch sie konnte sie nur noch ein Stück anheben und dann fiel sie wieder nach unten. Sie fühlte, wie ihre Arme und Beine begannen ihren Dienst zu verweigern. Dann übermannte eine bleierne Schwere ihrem Körper, aber dennoch konnte sie alles bewusst wahrnehmen, was um sie herum geschah. Ihre Beine wurden taub und hielten sie nicht mehr. Sie fiel auf den Boden. Sie merkte, dass sie aufschlug, doch sie konnte nichts mehr spüren. Sie spürte ihren Körper nicht mehr. Sie hörte alles, was um sie herum geschah, sie konnte auch sehen, aber sie konnte sich nicht mehr bewegen. Der Mann, der sie vorhin festgehalten hatte, beugte sich nun hinunter zu ihr. Seine Hand legte sich an ihrem Hals und er fühlte nach ihrem Puls.

„Elle est morte.", sagte er dann.

Sisilia begriff nicht. Wie konnte er sagen, dass sie tot war, sie konnte doch noch alles hören und sehen. Severus verbeugte sich nun noch einmal vor Lord Voldemort.

„Gut. Sehr gut, mein lieber Snape", sagte Voldemort und begann wieder zu lachen.

„Dann werden wir uns nun wichtigeren Dingen zuwenden. Lasst uns aufbrechen!", befahl er.

Sisilia konnte noch hören, wie um sie herum Stoff zu rascheln begann und sie höre Schritte, die sich entfernten. Auch der Mann, der neben ihr gestanden hatte, drehte sich nun zum gehen.

Sisilia lag halb seitlich und halb auf dem Rücken, und ihr Blick war schräg nach oben gegen die seitlichen Wände gerichtet. Sie konnte sehen, aber die Augen nicht bewegen.

Als der Mann weggegangen war, hatte sie nun freie Sicht nach oben. Dort konnte sie zu ihrer Überraschung zwei Köpfe in einer Nische herunterschauen sehen. Es waren Harry und Ron, die sich anscheinend da oben versteckt hatten, wo sie vor nicht allzu langer Zeit noch alle vier in diese Höhle geschaut hatten. Ron hatte seine Hand auf Harrys Mund gepresst. So als wollte dieser verhindern, dass Harry einen Laut von sich gab. Sie sah die entsetzten Gesichter der beiden, deren Blicke immer wieder von ihr zu den Todessern wanderten, welche die Höhle zu verlassen schienen.

Sisilia wusste nicht, was geschehen war. Wieso glaubten alle, sie sei tot. Und warum war sie es nicht? Oder würde es nur noch ein wenig dauern, bis sie es war. Panik stieg in ihr hoch.

Sie sah wie die beiden Köpfe verschwanden. Sie hätte ihnen am liebsten hinterher gerufen und sie aufgehalten.

Es wurde ruhig und sie konnte nichts mehr hören. Es schien so, als hätten nun alle diese Höhle verlassen.

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wahrscheinlich waren es nur Minuten, die ihr aber wie ein Ewigkeit vorkamen, da hörte sie wie etwas über Stein kratze. Dann wie jemand von irgendwo herunter sprang und Schritte die auf sie zu kamen. Es mussten zwei Personen sein, die langsam näher kamen. Sie waren hinter ihr stehen geblieben.

„Harry, ich kann es einfach nicht glauben, Snape hat sie tatsächlich umgebracht.", schluchzte Ron mit ungewöhnlich hoher Stimme. Harry antwortete nicht. Nur ein Schluchzen von Ron durchbrach die Stille. Sie wunderte sich, wo die beiden plötzlich so schnell herkamen. Harry und Ron mussten die Felswand herunter geklettert sein, als die Todesser alle verschwunden waren, vermutete sie.

Plötzlich hörte sie weitere schnelle Schritte, welche die Höhle betraten.

Ron und Harry versteckten sich hinter einem der riesigen Tropfsteine in ihrer Nähe. Die Schritte kamen sehr schnell auf sie zu. Doch noch bevor derjenige sie erreicht hatte, sprang Harry mit seinem Zauberstab in der Hand hinter dem Tropfstein hervor.

„Sie Mörder, Sie haben sie eiskalt umgebracht. Sie sind ein Verräter und ein eiskalter Mörder!", schrie Harry ihn an.

„Potter, Sie verstehen nicht.....", begann Snape in kaltem Ton, doch Harry wollte nicht zuhören.

„Ich verstehe sehr gut. Ich habe gesehen, wie sie ihr das Gift gaben, ich habe gehört, was sie gesagt haben. Sirius hatte recht, er hat es immer gewusst, Sie haben nie die Seite gewechselt, Sie...", polterte Harry nun los.

„Sie sind genauso engstirnig, wie Ihr Pate es war. Ich dachte eigentlich, Potter, Sie hätten endlich gelernt, dass nicht immer alles so ist, wie es im ersten Augenblick zu sein scheint", erwiderte Snape nun wütend. Harry starrte ihn hasserfüllt an. Er schien nicht zu verstehen, vielleicht sogar nicht verstehen zu wollen, was Snape damit meinte.

„Was meinen Sie?", fragte nun Ron, der auch mit seinem Zauberstab in der Hand neben Harry getreten war.

„Ihr Freund scheint wohl im Moment mehr seinen Verstand zu gebrauchen als Sie, Potter.

Sie ist nicht tot. Zumindest noch nicht. Deshalb wird es langsam Zeit, dass ich ihr das Gegenmittel gebe. Lassen Sie mich vorbei, Potter!", verlangte Snape, doch Harry rührte sich nicht und hatte immer noch die Spitze seines Zauberstabes auf Snapes Brust gerichtet.

Sisilia verstand nun. Er hatte sie gar nicht töten wollen. Es war alles nur ein Trick gewesen, um Voldemort zu täuschen. Jetzt war ihr auch klar, was das war, dass er ihr bei dem Kuss in den Mund gesteckt hatte.

„Ich glaube Ihnen nicht, ich habe gesehen, wie Sie den Hund getötet haben. Sie haben das gleiche mit ihr gemacht. Das ist doch jetzt nur ein Trick von Ihnen", schrie Harry ihm ins Gesicht.

„Du, Harry, warte mal, aber was ist, wenn das doch stimmt? Wenn sie wirklich tot ist, dann kann er ihr doch nichts mehr tun. Meinst du nicht, es wäre besser, wenn.....", versuchte Ron ihn zu überzeugen. Es wurde kurz ruhig und dann trat Harry zur Seite. Er nahm seinen Zauberstab aber nicht runter.

Sisilia sah nun Severus, der sich vor sie hinkniete, ein anderes Fläschchen aus seinem Mantel zog und ihr von dessen Inhalt etwas einflößte.

Harry und Ron traten neben ihn, immer noch ihre Zauberstäbe auf ihn gerichtet und beobachteten Sisilia.

"Wie lange dauert es, bis das Gegenmittel wirkt?", wollte Ron wissen.

„Eine bis zwei Minuten", antwortete Snape.

Sisilia merkte langsam, wie es in ihrem Körper zu kribbeln begann. Es fing im Magen an und schien sich sehr schnell auszubreiten. Es dauerte nicht lange und sie konnte ihre Finger wieder spüren. Sie versucht sie zu bewegen, was immer besser gelang. Als Snape sah, dass sie wieder zu sich kam, zog er sie an den Schultern hoch, so dass sie nun saß.

„Sil, ist alles in Ordnung? Wie fühlst du dich?", fragte er sie besorgt.

Sisilia war sehr durcheinander. Ihre Gefühle waren in der letzten Stunde Achterbahn gefahren. Sie war wütend und erleichtert zugleich. Sie konnte in dem Augenblick nicht anders, sie hob ihre Hand und verpasste Snape eine Ohrfeige. Fiel ihm aber im nächsten Moment erleichtert um den Hals und weinte.

Sie spürte, wie er sie fest an sich drückte.

„Es tut mir leid, Sil, es war der einzige Ausweg, den ich gesehen habe", versuchte er ihr zu erklären. Sie ließ ihn los und wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Warum hast du nicht versucht, mir das zu sagen? Ich hatte wirklich gedacht, du, du....."

„Das konnte ich nicht. Der Dunkle Lord genießt es, wenn jemand Todesängste ausstehen muss. Er hätte es sofort gemerkt, wenn du es ihm nur vorgespielt hättest. Es ging nicht anders, ich konnte es dir nicht ersparen, es war deine einzige Chance zu überleben."Sisilia sah ihn an und merkte, dass er es ehrlich meinte.

„Ich verstehe"; nickte sie.

„Kannst du aufstehen?", fragte er sie.

Sisilia drückte sich auf die Beine. Snape half ihr. Ihre Knie zitterten noch, und Severus musste sie stützen, dass sie nicht wieder umfiel. Sie sah zu Harry und Ron, die sie beide mit offenem Mund ansahen.

„Sind sie in Ordnung, Professor?", fragte Harry sichtlich verwirrt und blickte beide abwechselnd an.

„Es geht schon wieder", erklärte sie den beiden und versuchte ein Lächeln, was ihr aber nicht so recht gelang. Sie sah, wie Harry und Ron sich ansahen und dann ihre Zauberstäbe sinken ließen. Sie wankte. Sie spürte immer noch die Nachwirkungen des Giftes und Severus legte seinen Arm um sie, um sie besser stützen zu können.

„Gut, ihr müsst so schnell wie möglich hier raus. Ich bringe euch ein Stück, dann muss ich wieder zu den andern. Ich hoffe nur, sie haben nicht bemerkt, dass ich weg war."

„Du willst zu ihnen zurück? Nein, Severus, das ist viel zu gefährlich, du kannst nicht zu ihnen zurück."

„Jetzt denk doch mal nach. Ich habe jetzt das Vertrauen des Dunklen Lords. Und solange nicht auffällt, dass ich weg war, kann ich meine Arbeit hier fortsetzten.", ermahnte er sie.

Sisilia nickte, er hatte recht, das war ihr klar.

„Eines würde ich gerne aber noch wissen.", begann Harry. „Wieso hatten Sie das Gift und das Gegengift denn überhaupt dabei?"

„Ich glaub nicht, dass Sie das was angeht, Potter.", sagte Snape schroff.

„Das würde ich aber auch gerne wissen. Wieso trägst du das Zeug mit dir herum?", mischte sich Sisilia ein. Severus sah sie überlegend an. Dann nickte er.

„Nun, gut. Das Gift habe ich immer dabei. Ich habe es eigentlich für mich hergestellt, für den Fall des Falles."Er blickte auf den Boden, doch Sisilia verstand, was er meinte. Er hatte es dabei für den Fall, dass er sich selber töten musste.

„Dass ich die andern beiden Dinge bei mir hatte, war purer Zufall, da ich zuvor in London noch ein paar Sachen besorgt hatte. Unter anderem eben diese beiden."

„Diese beiden? Waren es zwei Sachen? Sie haben ihr doch nur diesen Trank gegeben.", fragte Ron .

„Nein, Ron, er hat mir vor dem Gift noch etwas gegeben", erklärte Sisilia Ron und sah dann Severus an.

„Wenn ich nachgedacht hätte, hätte mir spätestens zu diesem Zeitpunkt klar sein müssen, dass du nie wirklich die Absicht gehabt hast, mich zu töten. Es war ein Stück von einem Bezoar, hab ich recht?"Sie sah Snape an, und dieser nickte.

„Aber wann ....?"begann Ron erneut zu fragen, doch er beendete seine Frage nicht, denn es schien ihm auf einmal selbst klar geworden zu sein. Und er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Auch Harry hatte begriffen und nickte nun. Beide sahen sich etwas betreten an.

„Nun wird es aber wirklich Zeit, wir müssen gehen. Ich zeige Euch den Weg. Einer der Männer hat mir erklärt, dass dieser Weg direkt zum Meer führt. Sisilia, du solltest sofort zu Professor Dumbledore apparieren und ihm alles berichten. Sag ihm, der Dunkle Lord hat die Absicht, die Waldtrolle auf seine Seite zu ziehen. Er weiß dann schon, wo er uns finden kann. Und beeilt Euch, das Leben der Grangers steht auf dem Spiel, er will sie den Trollen als Geschenk mitbringen.", erklärte er ihr, während sie sich auf den Weg nach draußen machten. Ron bekam große Augen.

„Den Trollen als Geschenk?"Sisilia wusste, was dies zu bedeuten hatte. Waldtrolle liebten Fleisch, sie machten da keine Unterschiede zwischen Tieren und Menschen.

Nachdem sie einem langen Tunnel, der leicht abwärts ging, gefolgt waren, kamen sie an eine Gabelung.

„Ihr müsst nun den rechten Weg nehmen, schaffst du es?", wollte Snape wissen. Sisilia, die bis jetzt von Severus gestützt worden war beim laufen, nickte.

„Potter, Sie und Weasley gehen zum Wohnwagen der Grangers und warten dort auf Hilfe. Haben Sie verstanden? Und keine Extratouren. Sie hatten sowieso schon verdammt viel Glück. Es wundert mich, dass der Dunkle Lord Ihre Nähe nicht gefühlt hat"sagte er laut überlegend.

„Ich hoffe, Sie beide haben mich verstanden.", fuhr er sie an.

„Ja, schon gut.", antwortete Harry mürrisch und ging mit Ron in den rechten Gang hinein.

„Oh, fast hätte ich es vergessen.", sagte er und griff in seinen Mantel, er zog Sisilias Zauberstab heraus und reichte ihn ihr. „Ich hab behauptet, ich wolle ihn als Erinnerung."

„Pass auf dich auf!", sagte Sisilia und wollte ihm einen Kuss geben. Doch Snape schaute nach Harry und Ron, die schon ein Stück voraus in den Gang gelaufen waren und zog Sisilia ein Stück weiter in den Gang hinein, den er nachher nehmen musste, so dass sie von den beiden nicht mehr gesehen werden konnten. Dann nahm er sie in seine Arme. Sisilia fühlte, wir er sie fest an sich drückte und sie dann leidenschaftlich küsste.

„Ich bin so froh, dass es dir gut geht. Gib auf dich acht.", flüsterte er ihr ins Ohr.

Und noch bevor sie etwas antworten konnte, drehte er sich um und verschwand in den nach oben ansteigenden Tunnel.

Sisilia folgte Harry und Ron, die ein paar Meter weiter auf sie warteten. Sie war immer noch etwas wackelig auf den Beinen und stützte sich beim Gehen an der Wand ab.

Sie gingen weiter mit an der Spitze entzündeten Zauberstäben in den dunklen Tunnel hinein, nach einiger Zeit konnten sie schon das Rauschen des Meeres hören, das immer lauter wurde und sich an den Wänden als Echo brach. Dann nach einer viertel Stunde hatten sie das Meer erreicht. Das klare Wasser strömte bis in die Höhle hinein, und sie dachten schon, dass sie hinausschwimmen müssten, als sie an der Seite ein paar Treppen entdeckten, die in den Stein geschlagen worden waren. Sie folgten ihnen nach oben und kletterten durch eine schmale kleine Öffnung nach draußen. Es war bereits Abend geworden, und sie sahen die Sonne, die bald über dem Meer untergehen würde. Als sie sich umschauten, erblickten sie rechts von ihnen eine kleine Bucht, in der sich noch Menschen aufhielten. „Kommt wir klettern da hinunter, vielleicht kann uns ja jemand zum Campingplatz fahren", sagte sie und sie kletterten die Felsen hinunter. Harry und Ron halfen Sisilia, die immer wieder weg rutschte, da sie sich immer noch sehr wacklig fühlte. Als sie endlich unten angekommen waren, gingen sie zu dem Parkplatz direkt neben dem Strand. Da sprachen sie eine junge Dame an, die gerade ihre Sachen im Auto verstaute. Als sie ihr erklärt hatten, dass sie sich verlaufen hätten, erklärte sich diese sofort bereit, die drei mitzunehmen, da es sowieso auf ihrer Strecke lag. Es dauerte nicht lange und sie hatten den Campingplatz erreicht. Sie marschierten an dem Rezeptionshäuschen vorbei zu dem Wohnwagen der Grangers. Ungesehen kamen sie in die Behausung hinein. „So, ihr beiden werdet hier warten. Ihr rührt euch keinen Zentimeter von hier weg!", sagte Sisilia mit einem so bestimmten Ton, dass Harry und Ron sie stumm ansahen und nur nickten. Sie hatte das Gefühl, dass sie sich diesmal auf die beiden verlassen konnte und beließ es dann dabei. „Ich werde jetzt nach London apparieren und komme so schnell wie möglich wieder zurück. Ihr habt hier alles, was ihr braucht, aber bitte seid leise, nicht, dass ihr noch Ärger mit den Nachbarn hier bekommt.", ermahnte sie die zwei. Sie nickte ihnen noch einmal zu und konzentrierte sich auf den Grimmauldplatz.