Kapitel 2


Legolas umfasste den Griff seiner Waffe fester. Gleich, gleich würden sie da sein. Schon vor Stunden hatte er das Getrampel ihrer Füße hören können und mittlerweile war dieses Geräusch zu einem solchen Lärm angewachsen, dass es seinen feinen Elbengehör schon fast wehtat. Er verengte seine Augen zu Schlitzen und blickte hinunter ins Tal. Da, er konnte die Vorhut sehen. Die schwarzen Gestalten bewegten sich schnell, aber schwerfällig über die Ebene. Sie liefen zielstrebig gen Westen und es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass sie die Menschen und die Elben, die hinter den Felsen über ihnen auf der Lauer lagen, bemerkten.


Legolas nickte grimmig. Gut so. Die Orks glaubten, dass es erst vor den Toren von Gultin zu einem Kampf kommen würde. Aber sie durften die Stadt um keinen Preis erreichen. Gultin war zwar die Hauptstadt von Weran, aber Weran war ein kleines Land und so war auch dessen Hauptstadt nicht besonders groß und auch nicht besonders gut gerüstet. Einem Angriff von solchem Ausmaße hatte sie nichts entgegenzusetzen. Sie mussten die Angreifer schon hier ausschalten.


Legolas blickte zu seinen Elbenkriegern und Tarek, dem jungen König (Legolas fand, dass er fast noch ein Kind war). Sein Gesicht war kalkweiß, aber entschlossen. Es war seine allererste größere Schlacht, aber er würde alles tun um sein Land zu verteidigen. Erst vor einem Jahr, als die Überfälle begonnen hatten, war sein Vater, König Tomar, im Kampf gegen einfallende Orks gefallen. Sein Reich hatte er seinem Sohn Tarek hinterlassen.


Und als dieser dann vor einigen Monaten um Unterstützung im Kampf gegen die Armeen von Uruk-Hai, die seine Heimat mittlerweile verwüsteten, gebeten hatte, hatte König Thranduil geglaubt, dass es sich bei diesen Orks nur um Reste der Heere von Sauron handelte und dass Tarek, zum ersten Mal mit einem Feind konfrontiert, etwas überreagierte. Aber man sollte loben, dass ein so junger und unerfahrener König um Hilfe bittet und ihn nicht dafür tadeln. Stolz war schon oft das Verderben vieler Könige und deren Reiche hatte Legolas' Vater gesagt und sein Sohn hatte ihm zugestimmt.


Trotzdem glaubte Thranduil nicht, dass es nötig sei selbst nach Weran aufzubrechen um Tareks Truppen zu unterstützen. Er hatte Legolas damit beauftragt und der war ohne sich groß Sorgen zu machen mit einer kleinen Truppe Elbenkrieger aufgebrochen.


Inzwischen wusste Legolas vieles besser. Was sie hier gegenüberstanden war ein gut organisiertes Heer und die Kämpfe, die sie mit ihm ausgefochten, keine Scharmützel. Die Orks überfielen die Dörfer immer nach einem genauen Muster und gingen dabei sehr strategisch und überlegt vor. Diese Tatsache hatte Legolas schon einiges Kopfzerbrechen bereitet. Er konnte es sich einfach nicht erklären, zumal Sauron doch besiegt war. Aber obwohl die Orks kein unorganisierter Haufen mehr waren, an Grausamkeit hatte sie nichts eingebüßt. Von ihren Raubzügen blieb meist nur Staub, Asche und viel Leid übrig.


Legloas wünschte sich inzwischen er hätte mehr Krieger mitgenommen. Bis die Unterstützung, die er sich von seinem Vater erbeten hatte, ankommen würde, würde es wohl noch einige Tage dauern.


Außerdem war Tarek zwar unerfahren und auch etwas unsicher, aber besonnen war er trotzdem nicht. Er hatte einen solchen Hass auf die Orks, die ihm seinen Vater und auch seine unbeschwerte Jugendzeit genommen hatten, dass er oft einfach nicht zu halten war. Legolas konnte es nur als Wunder bezeichnen, dass sie bis jetzt aus den Überfällen und Hinterhälten der Orks unbeschadet herausgekommen waren. Doch das war kein Vergleich zu dem Kampf, den sie jetzt auszufechten hatten und Legolas war ehrlich besorgt, ob Tarek wieder so viel Glück haben würde wie die letzten Male, wenn sein Temperament wieder mit ihm durchgehen würde.

Auf die Idee sich an die Elben zu wenden war er bestimmt auch nicht alleine gekommen. Legolas vermutete, dass Tareks Onkel und Vertrauter, Herim, dahintersteckte. Er hatte ihm den Vater ersetzt und auf ihn allein hörte er.


Ein Hornstoß, dumpf und hölzern, riss Legolas aus seinen Gedanken. Er hallte von den Felswänden wider und der Orktrupp unten in der Talebene stoppte augenblicklich.


Tarek hatte das Signal zum Angriff gegeben. Zu früh. Legolas hatte es befürchtet. Konnte der Bengel nicht einmal etwas warten? Es waren noch nicht alle Orks im Tal. Die Falle würde nicht ganz zuschnappen und einige würden entkommen. Aber egal. Jetzt war es nicht mehr zu ändern.


Legolas duckte sich und wartete bis die Pfeile ihrer Bogenschützen über ihnen weggezischt waren. Zufrieden beobachtete er wie die Reihen der Feinde sich unter ihm schon lichteten und die Uruk-hai, völlig überrascht, erfolglos versuchten das Heer zusammenzuhalten, während die restlichen Orks in Panik in Richtung Talausgang rannten. Sie würden aber nicht weit kommen, denn dort erwarteten sie schon Gandalf und der Rest von Tareks Truppe. Sie würden leichtes Spiel haben. Dieses Mal wenigstens.


Ein zweiter Hornstoß erklang und der Schlachtruf der Weraner stimmte ein. Tarek zog sein Schwert mit einem fast singenden Geräusch aus der Scheide: Kirrim Weran! schrie er gegen den allgemeinen Lärm an und auf dieses Zeichen hin stürmten seine Soldaten den Hang hinunter. Es war soweit! Legolas gab seinem Pferd die Sporen und mit einem elbischen Schlachtruf auf den Lippen preschten er und die Elben hinterher.


Die Masse der Krieger ergoss sich wie eine unaufhaltsame Flutwelle ins Tal und die beiden Seiten trafen mit einer solch ungeheuren Macht aufeinander, dass das Geräusch aufeinander treffender Leiber und Schwerter wohl ganz Mittelerde aus seinem Frieden riss. Schnee wirbelte auf und färbte sich rot. Der Kampf hatte begonnen.